Kitabı oku: «Das Tao der Gefühle», sayfa 7

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Polarität

… von allem, was ich bin, bin ich auch das Gegenteil. Ich kann mich nicht von meinen Dämonen befreien, ohne zu riskieren, dass meine Engel mit ihnen fliehen.

— Sheldon Kopp

Die Dynamik der Polarität beherrscht die vielen Phänomene im Leben, die sich aus gegensätzlichen, aber miteinander verbundenen Hälften zusammensetzen. In der Chemie manifestiert sich die Polarität als Plus- und Minuspol einer Batterie; in der Physik als positiv geladene Protonen und negativ geladene Elektronen von Atomen. Im Alltag zeigt sich die Polarität in solch voneinander abhängigen Gegensätzen wie Nacht und Tag, heiß und kalt, männlich und weiblich, Hunger und Sättigung.

Im Osten wird das Prinzip der Polarität als Tao bezeichnet, symbolisiert durch ineinandergreifende Kreishälften, wie auf dem Einband dieses Buches dargestellt. Das Tao-Symbol veranschaulicht, dass das menschliche Leben sowie die gesamte Natur und der Kosmos durch Prozesse gekennzeichnet sind, die sich aus entgegengesetzten, aber sich ergänzenden Hälften zusammensetzen.

Auch unser emotionales Wesen besteht aus vielen Paaren oder Polen scheinbar gegensätzlicher Erfahrungen. Bekannte emotionale Polaritäten sind: Glück und Traurigkeit, Zustimmung und Ablehnung, Vertrauen und Misstrauen, Hochgefühl und Depression.

Und so wie ein Magnet nicht ohne gegensätzliche Pole existieren kann, können wir nicht ganzheitlich fühlen, ohne unsere inhärenten emotionalen Polaritäten anzunehmen. Wir können uns nicht gut fühlen, ohne uns manchmal schlecht zu fühlen. Mit den Worten von Ken Wilber:

… bei dem Versuch, das Positive zu betonen und das Negative zu beseitigen, haben wir vergessen, dass das Positive nur durch das Negative definiert wird. Das Negative zu zerstören, bedeutet gleichzeitig, alle Möglichkeiten zu zerstören, das Gegenteil zu genießen.

Unsere Sprache spiegelt leider den Mangel an Gefühlen in unserer Kultur wider, und es fehlen uns die Worte, um viele der wesentlichen emotionalen Polaritäten zu beschreiben. Daher müssen wir das Wort Liebe als Pendant zu einer Vielzahl gegensätzlicher Gefühlserfahrungen verwenden: Liebe und Hass, Liebe und Einsamkeit, Liebe und Neid, Liebe und Ekel, Liebe und Arglist, Liebe und Verlassenheit. Die Griechen, die nicht unter der gleichen emotionalen Auszehrung zu leiden scheinen wie die meisten Menschen der westlichen Welt, haben nicht dieses Problem mit dem Wort Liebe. Sie haben eigene Wörter für dreizehn verschiedene emotionale Liebeserfahrungen.

Ein Mensch erlebt ein bestimmtes »positives« Gefühl in dem Maße als authentisch, wie er bereit ist, dessen »negatives« Korrelat vollständig zu fühlen. Die Intensität und Authentizität des Lachens eines Menschen verhält sich analog zu seiner Fähigkeit zu weinen. Der Nervenkitzel bei einer mutigen Tat misst sich am Grad der Angst, die überwunden werden muss. Die Intensität der Liebeserfahrung hängt direkt mit ihrem Gegenteil, der Erfahrung von Einsamkeit zusammen. Die Tiefe der Vergebung hängt von der gefühlten Vehemenz der Beschuldigung ab.

Es gibt unterschiedlich starke Bänder emotionaler Intensität, die sich zwischen jedem gegensätzlichen Paar erstrecken. Unsere emotionale Erfahrung verschiebt sich von einem Pol zum anderen entlang eines Gefühlskontinuums, und es gibt viele verschiedene Grade von Gefühlen auf jedem einzelnen emotionalen Kontinuum. Wir alle sind sowohl allmählichen als auch plötzlichen Schwankungen zwischen den emotionalen Extremen der verschiedenen Gefühlskontinua ausgesetzt.

Zwischen ängstlicher Paranoia und völlig verletzlichem Vertrauen gibt es verschiedene Grade des Gefühls von Misstrauen oder Sicherheit. Zwischen einem rauschhaften Glücksgefühl und einer sich nach dem Tod sehnenden Trauer gibt es zahlreiche Schattierungen der Freude und der Traurigkeit. Zwischen herzzerreißender Liebe und explodierendem Hass gibt es viele weniger intensive Zustände von Zustimmung und Ablehnung.

In der Mitte jedes Kontinuums gibt es einen Zustand, in dem wir keinerlei emotionale Erregung erfahren. Desinteresse beispielsweise liegt auf halbem Weg zwischen herzzerreißender Liebe und intensivem Hass, auf der Grenze zwischen Mögen und Nichtmögen. Mein Freund Herbie Monroe hat dieses Konzept mit diesen Worten erläutert: »Ich liebe die Westküste, ich hasse die Ostküste, und Nebraska ist mir völlig egal.«

Wenn wir uns weigern, die volle Intensität unserer Emotionen zu spüren, werden wir depressiv und bleiben in den »sicheren« und tristen mittleren Bereichen der emotionalen Kontinua stecken. Apathie ist eine häufige Folge davon, wenn man das Kind der emotionalen Vitalität mit dem Badewasser der nicht akzeptierten Gefühle ausschüttet. Während ich schreibe, erinnere ich mich an einen niedergeschlagenen Nachbarn von mir, der auf meine Begrüßung »Wie geht es Ihnen heute, Herr S.?« stets mit der gedämpften Antwort »Gut bis mittelmäßig, danke« antwortete.

Die Praktik des ganzheitlichen Fühlens lehrt uns, uns geschmeidiger entlang der facettenreichen Bandbreite des emotionalen Spektrums zu bewegen. Tag für Tag und manchmal auch Stunde um Stunde können auf einem bestimmten Kontinuum Schwingungen auftreten. Auf dem Kontinuum von Liebe und Einsamkeit zum Beispiel können wir uns auf sehr subtile Weise verbunden oder getrennt fühlen. Manchmal erleben wir uns plötzlich, ohne erkennbaren Grund, ausgesprochen einsam und abgeschnitten und dann, wie aus dem Nichts, können wir ebenso plötzlich eine starke liebevolle Verbundenheit mit anderen empfinden.

Es gibt auch Zeiten, in denen wir zu Recht in der Mitte eines bestimmten Kontinuums ruhen und keines der polaren Gefühle vorhanden ist. Wir fühlen uns an einem bestimmten Punkt vielleicht nicht einsam oder liebevoll. Jedes Kontinuum hat auch einen Mittelpunkt, der sich von Apathie und Desinteresse unterscheidet und wirklich erholsam ist. Wenn alle Gefühlskontinua sich wirklich im Ruhemodus befinden, erleben wir Entspannung und Frieden.

Friedfertigkeit ist auch eine vergängliche Erfahrung. Wenn wir versuchen, Ruhe dauerhaft zu installieren, stellen wir gewöhnlich den abgestumpften Mittelweg des Nicht-Gefühls wieder her. In solchen Fällen geht der Friede allmählich in eine bedrückende Tristesse über, da wir immer mehr Energie verschwenden, um neu aufkommenden Gefühlen zu widerstehen.

Schließlich gibt es viele komplexe emotionale Zustände, die Menschen mit ganzheitlichen Gefühlen erleben. Manchmal schwingen mehrere Gefühlskontinua gleichzeitig mit, und wir empfinden eine Mischung von Gefühlen. Dies geschieht manchmal in Phasen tiefer Trauer, wenn die Verlusterfahrung so intensiv ist, dass Wut und Tränen gleichzeitig an die Oberfläche kommen. Eifersucht ist auch eine komplexe emotionale Reaktion. Sie ist oft eine stürmische Kombination aus Angst, Wut, Einsamkeit und Verlassenheit. Tiefe Liebeserfahrungen sind ein weiteres Beispiel für zusammengesetzte Emotionen. Liebe kann die gleichzeitige Erfahrung von Zärtlichkeit, Zuneigung, Hoffnung, Freude, Vertrauen und Mitgefühl beinhalten.

Polarität zu verstehen hilft uns mit normaler Einsamkeit umzugehen

Viele Menschen haben große Schwierigkeiten, die Normalität einsamer Gefühle zu akzeptieren. Viele Überlebende stürzen sofort in tiefen Selbsthass, wenn sie sich einsam fühlen. Ein gewisses Maß an Einsamkeit ist dem menschlichen Wesen jedoch absolut immanent – ganz gleich, wie viele liebevolle Menschen es in unserem Leben gibt. Mit den Worten von Irwin Yalom, einem Vertreter der existenziellen Psychotherapie ausgedrückt:

Mensch zu sein bedeutet, einsam zu sein. Mensch zu werden bedeutet, neue Formen zu erforschen, in unserer Einsamkeit zu verweilen. Wenn wir bereit sind, die Einsamkeit als normale, wiederkehrende Lebenserfahrung zu akzeptieren, können wir lernen, sie wohlwollender zu integrieren. Wir müssen die Einsamkeit oder andere »negative« Emotionen nicht noch schmerzhafter machen, indem wir Scham, Selbstaufgabe oder Selbsthass hinzufügen.

Ambivalenz

Man bleibt jung, solange man noch lernen, neue Gewohnheiten annehmen und Widerspruch ertragen kann.

— Marie von Ebner Eschenbach

Wir alle haben nicht nur zwiespältige Gefühle, sondern sind oft auch ambivalent in Bezug auf jedes Gefühl, das wir haben. Die meisten von uns waren zuweilen eifersüchtig, neidisch, arrogant, misstrauisch, doppelzüngig, offen, ehrlich und direkt, und wir alle haben zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Gefühle gegenüber diesen Gefühlen. Dies sind keine guten und schlechten Gefühle, die besonders guten und schlechten Menschen vorbehalten sind. Es sind menschliche Gefühle, die typisch für alle Menschen sind und in unterschiedlichem Maße bei uns allen auftreten, wenn wir mit inneren und äußeren Umständen interagieren.

— Theodore Rubin, Sich selbst annehmen. Der Weg vom Selbsthaß zum positiven Ich

Von all den komplexen emotionalen Erfahrungen ist die Ambivalenz möglicherweise die am meisten verunglimpfte und missverstandene. Ambivalenz tritt auf, wenn ein Individuum gleichzeitig gegensätzliche emotionale Erfahrungen macht.

Ambivalenz ist auch der Zustand des schnellen Schwankens zwischen widersprüchlichen Gefühlen. Haben Sie jemals eine dieser Arten von Ambivalenz erlebt? »Ich weiß nicht, ob ich dich liebe oder hasse – ob ich will, dass du bleibst oder gehst«; »Du machst mir eine Höllenangst, aber ich schlage dich, wenn du näher kommst«; »Ich möchte mich bei dir verletzlich fühlen, aber ich bin nicht sicher, ob ich dir vertrauen kann«; »Ich liebe Golf, aber wenn der verdammte Ball weiter slict, hasse ich mich dafür, diesen Sport zu treiben«; »Ich liebe die Melodie in diesem Lied, aber der Text kotzt mich an!«.

Fast jeder fühlt sich irgendwann einmal ambivalent. Ambivalenz tritt häufig bei der Arbeit oder in einer Beziehung auf, wenn ein Teil von uns seine Arbeit oder seinen Partner liebt und ein anderer Teil von uns ihn oder sie hasst. In der Tat ist es praktisch unmöglich, eine langfristige intime Beziehung aufrechtzuerhalten, ohne gelegentlich verwirrende Kombinationen von Zuneigung und Entfremdung zu erleben. In weiterem Sinne ist es auch nicht möglich, ein empfindsames Wesen zu sein, ohne verwirrende Mischungen aus Begeisterung und Verzweiflung über das Leben zu empfinden.

Obwohl man nach gängiger Meinung für sein Leben immer dankbar sein sollte, schwanken wir alle gelegentlich zwischen dem Wunsch, dass das Leben ewig dauern solle, und dem Wunsch, dass es vorbei wäre. In Momenten großer Tragödien oder Verluste haben wir natürlich das Gefühl, dass das Leben ein schrecklicher Fluch ist und dass wir tot besser dran wären.

Fast jeder denkt irgendwann qualvoll über Hamlets berühmte Zeile »Sein oder nicht sein« nach. Freud glaubte zum Beispiel, dass das Leben ein ständiger Kampf zwischen dem Trieb zu leben und zu sterben sei – zu frohlocken, dass man am Leben ist oder es zu beenden und die wiederkehrenden Schmerzen hinter sich zu lassen. Er nannte diese Ambivalenz den Konflikt zwischen den psychischen Kräften von Eros und Thanatos.

Natürlich werden wir alle eines Tages sterben. Könnte es nicht sein, dass die Psyche den Drang hat, sich dem Tod hinzugeben, wenn unsere Lebensqualität genügend geschmälert ist? Die Forschungen von Elisabeth Kübler-Ross zeigen auf eindrückliche Weise, dass die Trauer es uns auf natürliche Weise erlaubt, uns auf diesem letzten Weg zu entspannen, wenn unsere Zeit gekommen ist.

Ich glaube auch, dass wir uns auf einen gnädigen Tod vorbereiten, indem wir die Trauer über all unsere Verluste in Vergangenheit und Gegenwart zulassen. Die Praktik des Trauerns kann uns davor bewahren, unnötig gegen den Todesprozess anzukämpfen, wenn dieser unumkehrbar geworden ist. Meine anhaltenden Trauererfahrungen haben nach und nach einen Großteil meiner alten albtraumhaften Angst vor dem Tod aufgelöst.

Es gibt viele typische Formen von Ambivalenz. Tollwütige Sportfans sind keine Unbekannten. Sie führen oft eine Liebes-/Hass-Beziehung zu ihren Mannschaften und empfinden starke gegensätzliche Gefühle, wenn ihre Helden sich dumm anstellen. Ein aktueller Baseball-Superstar nennt seine Fans die »Yea-Boo-Vögel« weil sie so häufig zwischen Jubel und Hohn hin- und herwechseln.

Mut und Liebeskummer beinhalten jeweils weitere häufig auftretende Formen der Ambivalenz. Mut ist oft eine Handlung, die im Angesicht der Angst erfolgt. Liebeskummer ist die verwirrende Ambivalenz, die diejenigen empfinden, die sich erneut verlieben, nachdem ihnen das Herz gebrochen wurde. Die wunderbaren Gefühle der Hoffnung und Verbundenheit, die sich natürlicherweise bei einer neuen Liebe einstellen, kollidieren oft stark mit der Angst, dass die Liebe schließlich wie vorher endet. Diejenigen, die diese Ambivalenz nicht ertragen können, fliehen oft oder sabotieren unbewusst ihre neue Liebe, statt sich der Gefahr auszusetzen, erneut verletzt zu werden.

Ambivalenz tritt auch in der Erfahrung vieler Menschen auf, die gleichzeitig lachen und weinen. Weil es jedoch so inakzeptabel ist, ambivalente Gefühle zu haben, kommen die meisten von uns zu dem Schluss, dass wir nicht wissen, ob wir in solchen Momenten lachen oder weinen sollen. Im schlimmsten Fall verunglimpfen wir uns sogar dafür, dass wir eine so widersprüchliche Erfahrung machen.

Wenn wir dies tun, verkennen wir die großartige Ambivalenz im gleichzeitigen Erleben von Tränen und Lachen. Diese besondere Ambivalenz ist eine meiner liebsten emotionalen Erfahrungen. Sie entsteht oft spontan in mir, wenn meine Trauer beginnt, sich in Erleichterung zu verwandeln. Wenn sich mein Schmerz durch meine Tränen löst, werde ich vom Tod der Lebensentfremdung zu authentischer joie de vivre wiedergeboren.

Eines meiner bewegendsten Erlebnisse war, als ich trauerte, weil ich so viele Jahre damit verbracht hatte, dem oft wiederholten Urteil meiner Eltern zu glauben, ich sei schlecht. Plötzlich habe ich im tiefsten Inneren meines Wesens wirklich »verstanden«, dass sie gelogen hatten und dass ich im Grunde ein guter Mensch bin. Ich brüllte vor freudigem Gelächter und schwankte fast eine Stunde lang herrlich zwischen Lachen und Weinen.

Tränen selbst können ambivalent sein – gleichzeitige Äußerungen von Schmerz und Freude. Ich weine manchmal ambivalent, wenn ich endlich ein hart verdientes, langfristiges Ziel erreicht habe. In solchen Momenten sind meine Tränen sowohl der Ausdruck höchster Freude, dass mein Kampf vorbei ist, als auch der Befreiung von dem Schmerz, der mit einer intensiven, langwierigen Konzentration verbunden ist. Ich glaube, dass dies die Art von Tränen sind, die der große Sportler Michael Jordan im nationalen Fernsehen geweint hat, als er die Basketball-WM-Trophäe überreicht bekam, die ihm jahrelang vorenthalten worden war. Bemerkenswert ist auch, dass am Ende des NCAA-College-Basketball-Meisterschaftsspiels 1995 viele Mitglieder beider Teams weinten: UCLA vor Freude und Arkansas aus Trauer.

Ambivalenz und Spaltung

Widerspreche ich mir selbst?

Nun gut, ich widerspreche mir selbst,

Ich bin groß, ich bin voller Vielfalt.

— Walt Whitman

Es kann notwendig sein, das Herz weit genug zu dehnen, um Widersprüche und Paradoxe zu akzeptieren.

— Thomas Moore, Der Seele Raum geben: Wie Leben gelingen kann

Einmal abgesehen davon, dass es normal und gesund ist, gleichzeitig widersprüchliche Emotionen zu empfinden, ist diese Tatsache in unserer Kultur nahezu unbegreiflich. Die meisten Menschen verdrängen die nicht bevorzugte Hälfte ihrer Ambivalenz und erleben sie nur als Angst. Einer meiner Bekannten tat dies, als er sich endlich mutig genug fühlte, seinen Job zu kündigen. Er erzählte mir, dass sein Herz klopfte und sein Bauch voller Schmetterlinge war, aber dass er keine Angst hatte. Ich glaube, das ist ein typisches Beispiel dafür, wie viele von uns die Gefühlsbotschaften ihres Körpers verleugnen.

Wir werden so sehr vom Schwarz-Weiß-Denken beherrscht, dass wir Ambivalenz als Beweis für Dummheit oder Fehlerhaftigkeit werten. Die Gesellschaft beschämt uns in der Regel dafür, dass wir gemischte Gefühle (oder Meinungen) gegenüber irgendjemandem oder irgendetwas haben. Die klassische Filmszene, in der der Protagonist wegen eines ergreifenden Endes weint und gleichzeitig sagt »Ich bin so glücklich!« ist für die meisten Zuschauer unverständlich, aber die ganzheitlich empfindenden Menschen fühlen oft voller Inbrunst mit.

Überall werden wir mit Verlautbarungen des gesunden Menschenverstandes bombardiert, die die Ambivalenz anprangern: »Liebe es oder verlasse es«; »Du bist entweder für oder gegen mich«; »Du kannst nicht beides haben«; »Du bist entweder Teil des Problems oder Teil der Lösung«; »Nun, entscheide dich! Weißt du nicht, wie du dich fühlst?«

Wahrscheinlich sind wir alle schon mit dem Satz »Entscheiden Sie sich« bedrängt worden, wenn wir in unseren Gefühlen für jemanden oder etwas schwankten. So absurd es ist, unseren Verstand heranzuziehen, um unsere Gefühle zu bestimmen, so unmöglich ist es, die Größe, Form und den Rhythmus der Wellen des Ozeans zu kontrollieren.

Und obwohl wir uns entscheiden können, wie wir auf unsere Gefühle reagieren, können wir unsere emotionalen Reaktionen nicht kognitiv vorhersagen. Wenn ein geliebter Mensch Sie verletzt, werden Sie sich instinktiv wütend fühlen, auch wenn Sie Ihre Wut sofort unterdrücken. Viele Überlebende wollen es nicht wahrhaben, weil ihre Wut in der »Kleinkindzeit« so gründlich ausgelöscht wurde, dass ihnen ihre wütenden Reflexe nicht mehr bewusst sind. Dennoch nehmen sie unbewusst immer noch Wut wahr, wenn sie verletzt werden, egal wie sehr sie sich entschlossen haben liebevoll zu sein.

Wir können emotional nicht gesunden, wenn wir uns nicht gegen die wehren, die versuchen, uns wegen unserer Ambivalenz einzuschüchtern. Wir müssen uns weigern, so zu tun, als seien wir emotional absolut eindeutig. Überlebende, die ihre gesunde Ambivalenz verteidigen wollen, können auf einen »Entscheide-dich-mal-Angriff« reagieren, indem sie antworten, dass es sich um eine emotionale Angelegenheit handelt, die eindeutig keine Frage der Vernunft oder der Entscheidung ist.

Ich erinnere mich daran, wie man mir deutlich machte, dass ich mich für meine eigene natürliche Ambivalenz in der Kindheit zu schämen hätte. Wenn ich sagte, dass mir etwas in meiner Lieblingssendung im Fernsehen nicht gefiel, sagte man mir, dass ich dumm sei, sie mir anzuschauen. Wenn ich mir das Essen bis auf die Dosenerbsen hatte schmecken lassen, wurde mir gesagt, dass ich wohl keinen Hunger mehr hätte und keinen Nachtisch wolle. Wenn ich meiner Mutter anvertraute, dass ich auf meinen besten Freund wütend war, sagte sie mir, ich solle nicht mehr mit ihm spielen. Als meine Wut schließlich nachließ und ich mich wieder mit ihm anfreundete, schimpfte meine Mutter, die keinen Freund hatte: »Du kleiner Lügner, du hast mir gesagt, dass du ihn nicht magst! Du bist selber schuld, wenn er dir wieder wehtut.«

Was meine Mutter an meiner emotionalen Vielfalt als fehlerhaft und unzuverlässig brandmarkte, war in Wirklichkeit die noch immer intakte Ambivalenz eines gesunden Kindes. Hätte sie meine Gefühle als normal behandelt und mir geholfen, Dampf abzulassen und sie zu lösen, hätte ich nicht Wochen der einsamen Isolation gebraucht, um mich mit meinen Freunden »zu versöhnen«.

Familiäre und gesellschaftliche Einflüsse zerstörten schließlich meine Toleranz für Ambivalenz, und ich erlag dem Glauben, dass »wahrhaft« Liebende sich nie über den anderen ärgern. Für mich manifestierte sich »Klugheit« darin, eine Beziehung beim ersten Anzeichen widersprüchlicher, nicht-liebender Gefühle zu verlassen. Hätte es diese Sprüche-Schilder damals schon gegeben, hätte ich sicherlich irgendein albernes Ding mit der Aufschrift »Liebe bedeutet, sich nie entschuldigen zu müssen« gekauft.

Viele erwachsene Kinder haben unrealistische, polarisierte Erwartungen an die Liebe. Überzeugt davon, dass es in der Liebe keine Disharmonie geben sollte, interpretieren sie ihre ambivalenten Gefühle manchmal als Beweis dafür, dass sie zu unvollkommen sind, um lieben zu können. In den extremsten Fällen betrachten sie ihre Ambivalenz als einen Indikator für geistige Instabilität!

Intoleranz gegenüber Ambivalenz tötet Beziehungen. Sie zerstört sie durch einen Prozess, der als Spaltung bekannt ist. Spaltung tritt auf, wenn Gefühle der Enttäuschung durch die stillschweigende Übereinkunft unter Partnern, nur wertschätzende Gefühle zuzulassen, unterdrückt (abgespalten) werden.

Abgespaltene Emotionen lösen sich nicht von selbst auf. Sie häufen sich allmählich in explosiven Ausmaßen an, bis sie durch eine relativ geringe Beschwerde ausgelöst werden. Wenn sie störend in unser Bewusstsein dringen, verschwinden unsere Liebesgefühle, wir polarisieren in das entgegengesetzte emotionale Extrem und fühlen uns von unserem Partner völlig entfremdet.

Wenn unser Kontingent an verdrängter Enttäuschung zu groß ist oder zu hasserfüllt ausbricht, kehren unsere Liebesgefühle möglicherweise nicht zurück, und die Spaltung in Entfremdung kann dauerhaft sein.

Wenn die Partner nicht zu destruktiv auf die Spaltung reagieren, können die Liebesgefühle schließlich zurückkehren. Wenn sie jedoch mit der ursprünglichen Intoleranz gegenüber Ambivalenz einhergehen, wird es schließlich erneut zu einer Spaltung kommen.

Die meisten Beziehungen überleben nur eine begrenzte Anzahl dieser katastrophalen »Spaltungen«. Einige erleben jedoch anhaltende emotionale Achterbahnen mit extremen Höhen und Tiefen der Zuneigung und Entfremdung. Solche Beziehungen töten nach und nach die Fähigkeit beider Partner, Freude am anderen und – im schlimmsten Fall – am Leben im Allgemeinen zu finden.

Beziehungen, die aufgrund extremer Spaltung zerbrochen sind, werden manchmal wiederbelebt, wenn einer oder beide Partner lernen zu trauern. Trauer setzt alte verletzte Gefühle sicher frei und kehrt den Polarisierungsprozess der Spaltung auf natürliche Weise um. Alte Partner entdecken dann vielleicht ihre ursprüngliche Anziehungskraft wieder, die sie füreinander empfunden haben, und werden sogar wieder Freunde. Auf der anderen Seite bleiben diejenigen, die nicht trauern, oft dauerhaft im Hass auf ihre / ihren »Ex« stecken. Sie finden nie wieder zu der Liebe zurück, die sie eigentlich für ihren Partner hatten – und unbewusst oft immer noch haben.

Es gibt noch eine andere Art der Spaltung, die Beziehungen häufig tötet, nämlich die Intoleranz gegenüber dem Gefühl, für sich sein zu wollen. Eine solche Intoleranz erzeugt unterdrückte Verhaltensweisen, die Beziehungen ersticken. Partner müssen sich gegenseitig ambivalente Schwankungen in den Bedürfnissen nach Nähe und dem Alleinsein erlauben. Wenn nur Gefühle der Nähe zugelassen werden, kann die Intimität in einer Beziehung sterben, wenn einer der Partner sich plötzlich in einen extremen Rückzug begibt, um nicht zu ersticken.

Ambivalenz und Abspaltung sind entgegengesetzte Reaktionen auf emotionale Polaritäten. Sie gibt es selten in ihrer Reinform. Spaltung erfolgt in unterschiedlichem Ausmaß entlang eines Kontinuums zwischen bloßer Ambivalenz und extremer Dissoziation. Sie kann sich zwischen der gleichzeitigen Empfindung gegensätzlicher Emotionen und dem ewigen Festklammern an einem Gefühl auf Kosten seines Gegenteils zeigen. Zum Ausdruck kommen kann sie auch bei einem plötzlichen Vulkanausbruch von Bitterkeit zwischen dem Gefühl von Liebe und Hass gegenüber einem Ehepartner bis hin zur Zerstörung einer »perfekten« Ehe.

»Ambivalieren« – ein Begriff, den ich von einem Freund übernommen habe – ist eine weniger extreme Form der Spaltung. Ambivalieren ist ein relativ schnelles Hin- und Herpendeln zwischen gegensätzlichen Empfindungen. Meine Freundin parodierte für mich einst das extreme Ambivalieren zwischen ihren emotionalen Polaritäten mit folgendem Dialog:

Ich will ihn.

Nein, ich will ihn nicht! Er verletzt mich zu sehr.

Doch manchmal fühle ich mich gut mit ihm.

Ja, aber er saugt dabei all’ meine Energie auf.

Aber er ist so ein guter Typ.

Nein, ist er nicht! Er ist ein Trottel!

Aber seine liebevolle Seite würde zum Vorschein kommen, wenn ich bei ihm einziehen würde.

Huch! Das wäre eine Katastrophe. Ich wünschte, er würde nach Alaska ziehen!

Oh Gott, ich würde ihn vermissen! Es würde mich ein Vermögen kosten ihn zu besuchen.

Ich liebe ihn!

Ich hasse ihn!

Ich liebe ihn!

Ich hasse ihn!

Liebe ich ihn?

Hasse ich ihn?

Wenn wir unsere normale Ambivalenz akzeptieren, erreichen wir ein tieferes Selbstverständnis und treffen bessere Entscheidungen in komplexen Lebensfragen. Das Zulassen ambivalenter Gefühle ist einer der Heilungsprozesse der Psychotherapie. Wenn Klienten ermutigt werden, ihre widersprüchlichen Gefühle in Bezug auf Berufs- oder Beziehungsfragen gründlich zu erforschen, verbinden sie sich schließlich mit einem tiefen intuitiven Gefühl dafür, was für sie am besten ist.

Ausgeprägte Ambivalenz-Erfahrungen können beunruhigend sein. Dabei sind wir häufig versucht, impulsiv eine Entscheidung zu treffen, nur um unser Unbehagen zu beenden. Ich traf die schlechtesten Entscheidungen in meinem Leben, als ich nicht den Mut und die Selbstachtung hatte, bei meiner Ambivalenz zu bleiben, und als ich nicht verstand, dass kluge Entscheidungen manchmal nur durch monatelange oder gar jahrelange Ambivalenz entstehen. Das ist ein Grund, warum Carl Jung sagte, dass die Toleranz von Ambivalenz eine hoch entwickelte emotionale Fähigkeit sei und ein Indikator für psychische Gesundheit.

Es ist auch wichtig, hier eine häufige dysfunktionale Reaktion auf Ambivalenz zu erwähnen. Einige Überlebende »mentalisieren« ihre Ambivalenz in Ambiguität. Wenn ihre ungleichen Gefühle nicht direkt erlebt werden, sickern sie als verschwommene Sorgen und Verwirrung ins Bewusstsein und sie werden dadurch gelähmt, Entscheidungen zu treffen und Handlungen auszuführen, die gut für sie wären. Dies ist kein gesunder Umgang mit Ambivalenz. Funktionale Ambivalenz beinhaltet eine emotionale – manchmal »trauerbehaftete« – Erforschung der tiefsten Ebenen eines Konflikts. Meiner Erfahrung nach wird eine effektive Lösung dann möglich, wenn alle Gefühlsinhalte rund um eine bestimmte Entscheidung gründlich durchlebt werden.

Im Laufe unserer emotionalen Reifung entspannen wir uns zunehmend in unserer Ambivalenz. Wir akzeptieren die existenzielle Tatsache, dass wiederkehrende Erfahrungen von Ambivalenz in bestimmten Beziehungen normal sind. Wir erlauben uns, unser gesamtes Gefühlsspektrum zu erfahren und unsere Gefühle unseren Nächsten auf gute Weise zu vermitteln. Wir sind weniger anfällig für destruktive Spaltungen, weil wir unsere Gefühle nicht verdrängen und nicht in gefährlichem Maße anhäufen.

Das Akzeptieren von Ambivalenz schützt uns auch vor innerer Spaltung. Die häufigste Störung des Selbstwertgefühls, die ich erlebt habe, tritt auf, wenn verleugnete Gefühle plötzlich ins Bewusstsein eindringen und den Einzelnen dazu veranlassen, sich im überwältigenden toxischen Gefühl der Scham abzuspalten. Je ganzheitlicher wir fühlen, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass wir uns vollständig von unserem Selbstwertgefühl abspalten.

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