Kitabı oku: «Das Tao der Gefühle», sayfa 6

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Es gibt nicht den perfekten Menschen

Gut angepasst zu sein, heißt mittlerweile, unberührt zu sein.

— Theodore Rubin

Wenn Sie nie Angst haben, sich nie schämen oder verletzt werden, bedeutet das, dass Sie nie ein Risiko eingehen.

— Julia Soul

Wahre Freunde sind diejenigen, die, wenn du dich einmal zum Narren gemacht hast, nicht davon ausgehen, dass es eine Dauerbeschäftigung wird.

— Erwin T. Randall

Perfektionismus führt häufig zu einer endlosen, fruchtlosen Suche nach dem perfekten Selbst. Sie tritt oft mit aller Kraft in den frühen Phasen einer Liebesbeziehung auf. Überlebende, die dem Perfektionismus nicht abgeschworen haben, sehen ihre Ausdrucksfähigkeit besonders kritisch, wenn sie sich zum ersten Mal verlieben. Sie bemühen sich, gegenseitig makellose Bilder ihrer selbst zu projizieren, aus Angst, dass alles andere wieder dazu führen könnte, verlassen zu werden. »Einen guten Eindruck zu hinterlassen« bedeutet oft, viele wichtige Teile von sich selbst zu verstecken.

Selbstzensur ist eine anstrengende Aufgabe. Früher oder später tauchen aus dem romantischen Dunstschleier Fehler auf. Wenn dies zwei Menschen geschieht, die über einen langen Zeitraum nur die makellosen Masken des anderen gesehen haben, kann die Desillusionierung verheerend sein. Falsche Liebe, die auf Trugbildern der Perfektion beruht, löst sich oft plötzlich und auf drastische Weise auf. Wenn dies zu oft geschieht, kann es sein, dass wir die Liebe ganz aufgeben.

Manche Überlebende sind so vom Perfektionismus gelähmt, dass sie überhaupt nicht nach Liebe suchen. Weil sie beim Blick in den Spiegel nicht die »idealen« Züge eines Schauspielers oder Models sehen, sind sie sicher, dass sie abgelehnt werden, wenn sie sich jemandem nähern, zu dem sie sich hingezogen fühlen.

Den größten Teil meiner Jugendzeit versetzte mich der Gedanke, mit den Mädchen in meiner Schule in Kontakt zu treten, in Panik. Immer wenn ich sah, dass ein Mädchen aus meiner Klasse in einer gewissen Entfernung auf mich zukam, drehte ich mich schnell um und lief in die andere Richtung, um ihm nicht zu begegnen, denn ich war sicher, dass es erniedrigend sein würde. Mein Selbstwertgefühl und mein Selbstausdruck waren in meiner Familie so vernichtet worden, dass ich »wusste«, dass ich mich nur noch lächerlich machen würde. Unbewusst befürchtete ich, dass alles, was ich sagen könnte, um sie für mich einzunehmen oder sie zu beeindrucken, mit derselben Art von Sarkasmus beantwortet werden würde, wie ich es zu Hause erfahren hatte. Es war, als ob mein Unterbewusstsein das Lied »Nur Dummköpfe verlieben sich« in »Nur Dummköpfe öffnen den Mund« umformulieren würde.

Es war ein besonderer, gnadenreicher Tag, als ich mich mit Ende zwanzig endlich meiner Trauer öffnete und entdeckte, dass sich mein Gefühl der Einsamkeit kaum verändert hatte, seit ich aus meinem trostlosen Zuhause geflohen war. Ich fühlte mich im Grunde immer noch genauso einsam wie in meiner Jugend. Obwohl ich schließlich eine Freundin hatte und dadurch die offensichtliche Zustimmung aller in meinem unmittelbaren Umfeld fand, fühlte ich mich mit niemandem ungezwungen. Ich zog mich immer noch aus Gewohnheit in die Abgeschiedenheit meines Zimmers zurück, wenn ich mich gefühlsmäßig in einem Zustand befand, der zu überwältigend war, um ihn hinter meiner selbstbewussten Fassade zu verstecken.

In einem lebensverändernden Moment der Erkenntnis beschloss ich, dass ich genauso gut aufhören könnte, mich zu verstellen, wenn das alles war, was ich von meinem perfekten Selbst zu erwarten hatte. So schnell ich konnte, warf ich mein unnützes künstliches Selbstbild ab und beschloss authentischer zu werden. Wie ich befürchtet hatte, verschwanden viele meiner alten Freunde, aber es blieben einige wenige übrig, mehr als ich zu hoffen gewagt hatte, und sie reagierten begeistert auf meine neue Authentizität. Bald fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben umsorgt.

Da ich mich mit meinem wahren Selbst immer wohler fühle, wächst mein Gefühl der Zugehörigkeit und des Zuhauseseins in meiner Community und der Welt. Nach zwanzigjähriger Praxiserfahrung bin ich nun davon überzeugt, dass Liebe und Wertschätzung am wirkungsvollsten durch gegenseitige uneingeschränkte Selbstoffenbarung ermöglicht werden. Ich würde einen ganzen Trupp von Schönwetterfreunden gegen einen meiner Vertrauten eintauschen, mit dem ich jetzt diese kostbare Gemeinschaft erlebe.

Wunderliche Vorstellungen von Perfektionismus

Ich werde so gut wie möglich herausfinden, was ich nicht tun soll – und es dann tun: So kann ich für die Zeiten, in denen ich mich unterwegs verlaufen habe, gute Argumente liefern; wenn ich keine Fehler mache, wer wird dann an meine Fehler glauben? Wenn ich wie ein Gelehrter lebe, wird niemand sehr beeindruckt sein.

Nun, ich werde versuchen, mich zu bessern: alle umsichtig grüßen, den Anschein bewahren, engagiert und begeistert sein – bis ich genau das bin, was sie befohlen haben, nach Belieben zu sein und nicht zu sein, bis ich völlig anders bin.

Wenn sie mich dann in Ruhe lassen, werde ich meine ganze Person verändern, meine Haut ablehnen, einen neuen Mund bekommen, meine Schuhe und meine Augen wechseln – dann, wenn ich anders bin und niemand mich erkennen kann – denn alles andere ist undenkbar –, werde ich so weitermachen wie am Anfang.

— Pablo Neruda, aus Parthenogenesis

Inselbegabte der emotionalen Art

»Nimm sie sofort weg«, brauste die Prinzessin auf und stampfte mit ihrem winzigen Fuß in dem bestickten Pantoffel, »ich hasse echte Blumen; ihre Blütenblätter fallen ab und sie sterben.«

— Hans Christian Andersen

Viele von uns haben ein ergreifendes Mitgefühl für Menschen mit einer Inselbegabung (siehe Dustin Hoffman in dem Film Rainman) und ihre erstaunliche, aber rührende Brillanz in einem engen Bereich der geistigen Intelligenz. Ich glaube, dass wir uns in solchen Momenten manchmal stellvertretend in unsere eigene ähnlich gelagerte emotionale Verarmung einfühlen. Schließlich ist Glücklichsein die einzige emotionale Reaktion, die in unserer Kultur allgemein geschätzt wird, und ihre Bedeutung wird so hoch eingestuft, dass uns in unserer Verfassung das Recht, nach Glück zu streben, garantiert wird. Und bei Gott, wir streben danach, indem wir uns mit großer Heftigkeit und rücksichtsloser Hingabe an das Glück heranpirschen und dabei oft jede andere Emotion auslöschen, die in unserer unmittelbaren Erfahrung zu dominieren droht.

Die Anerkennung des Inselbegabten bezieht sich fast ausschließlich auf seine perfekte Beherrschung der Zahlen, genauso wie das Selbstwertgefühl des Durchschnittsamerikaners stark von seiner Fähigkeit abhängt, perfekt glücklich zu erscheinen und sich vollkommen glücklich zu verhalten. Für viele von uns bedeutet Glücklichsein inzwischen, sich gut zu fühlen, was wiederum bedeutet, sich zu weigern, sich schlecht zu fühlen. Die Gesellschaft versorgt diejenigen von uns, die sich verzweifelt glücklich und gut fühlen wollen, mit unzähligen Substanzen und Aktivitäten, um jeden Zweifel an unserer Illusion vom perfekten Wohlbefinden zu korrigieren.

Viele Menschen opfern auf der Suche nach Glück lebenswichtige Aspekte ihres Lebens und fügen sich dabei schweren Schaden zu. Manche opfern das Wohlbefinden des nächsten Tages dem Kater, den sie sich zugezogen haben, weil sie sich am Abend zuvor mit übermäßigem Essen, Drogen oder Alkohol vollgestopft haben. Einige verpfänden ihre finanzielle Sicherheit an den momentanen Rausch von Impulskäufen im Austausch gegen die ständige Angst vor unbezahlbaren Schulden. Andere riskieren, die Liebe zu ihrem Partner zu zerstören, wenn sie sich in einer Affäre ein schnelles, gutes Gefühl verschaffen.

In unserer Gesellschaft manifestiert sich der Perfektionismus auf der emotionalen Ebene, indem uns ständig wünschenswerte Gefühle vorgeführt werden. Wenn wir unsere gesunde, ganzheitlich fühlende menschliche Natur zurückgewinnen wollen, müssen wir unsere unheilige Glaubenstreue aufgeben, dass psychische Gesundheit bedeutet, ständig glücklich zu sein. Wir müssen den gefährlichen kleinen, gelben Smiley-Button mit dem simplen Lächeln von unserem Revers nehmen und Menschen meiden, die versuchen, unsere Stimmungen mit dem banalen Ratschlag der zuckersüßen Popmusik »Don’t worry, be happy!« »in Ordnung zu bringen«.

Während mein Drang zum Perfektionismus abnimmt und »zu einem Schatten seines früheren Selbst« wird, lasse ich manchmal mit Freuden das Gedicht von Kabir in mir nachklingen:

Der blaue Himmel weitet sich mehr und mehr

Und das bekannte Gefühl des Versagens verschwindet;

Die Schädigung, die ich mir selbst zugefügt habe, lässt nach;

Millionenfach bricht die Sonne mit ihrem Licht hervor.

Ein unendlicher Reichtum der Gefühle wartet auf diejenigen, die sich vor dem emotionalen Bankrott retten, nur auf einen Teil des emotionalen Spektrums fixiert zu sein. Im vollen emotionalen Spektrum des menschlichen Fühlens zu schwelgen ist das Thema des nächsten Kapitels.

Kapitel 3
Das Tao der Gefühle

Das Leben des Körpers ist Fühlen: sich lebendig, pulsierend, gut, begeistert, wütend, traurig, fröhlich und schließlich zufrieden fühlen. Es ist das Fehlen von Gefühlen oder die Verwirrung der Gefühle, was Menschen zur Therapie bringt.

— Alexander Lowen

Dieses Buch soll keine endgültige Abhandlung über die emotionale Natur des Menschen sein, zumal das Fühlen sich oft jenseits des Verständnisses durch Nachdenken abspielt. Tatsächlich hat Freuds herausragender Schüler Carl Jung die Theorie aufgestellt, dass der gefühlsmäßige, emotionale Teil unserer Psyche in seiner Natur dem denkenden, logischen Teil entgegengesetzt ist. Der Dichter Antonio Machado äußerte sich ähnlich:

In unseren Seelen

bewegt sich alles unter der Führung einer geheimnisvollen Hand.

Wir wissen nichts von unserer Seele über den Verstand …

Die Sprache spiegelt nie vollständig die emotionale Erfahrung wider. Und Englisch ist besonders unzulänglich was Begriffe betrifft, die die Feinheiten der emotionalen Erfahrung erfassen. Es gibt zum Beispiel viele verschiedene Arten von Tränen: Tränen des Verlusts, der Erleichterung, des körperlichen Schmerzes, des Mitgefühls, der Freude, des Stolzes, der Dankbarkeit und der Ehrfurcht vor dem Schönen. Ebenso gibt es verschiedene Arten des Lachens: das brüllende Lachen vor Freude, das Glucksen der Erleichterung, das Giggeln aus Albernheit, das Kichern der Nervosität, das Feixen des Spottes und das zwiespältige Lachen, das durch Kitzeln hervorgerufen wird. Auch Wut hat eine Vielfalt an Schattierungen, als erbitterte Selbstbehauptung, als Schmerz, Hass oder zorniger Selbstschutz, als Verärgerung wegen Herabsetzung, empörtes Eintreten für einen anderen oder als Entrüstung über alles Ungerechte.

So unzulänglich die Sprache für die vollständige Vermittlung emotionaler Erfahrungen ist, so gibt es doch Wege wie Worte, insbesondere die Poesie, uns unseren Gefühlen näherzubringen. Um eine alte Weisheit des Ostens zu paraphrasieren:

Auch wenn es nicht der Mond ist, lenkt der Zeigefinger unsere Wahrnehmung auf die Schönheit des Mondes, ebenso lenken gezielte Worte unser Bewusstsein auf den Reichtum unserer Gefühle, auch wenn die Sprache selbst keine Emotion ist.

In diesem Sinne hoffe ich, dass mein Lunar-Beispiel in Bezug auf die Natur der Gefühle Sie motiviert, den Reichtum Ihrer vollen emotionalen Erfahrung auszugraben. (Ich verwende den Begriff lunar (= Mond), weil der Mond ein altes Symbol für Gefühle ist.)

Und obwohl wir alle in unserer emotionalen Natur so einzigartig sind wie die Wellenmuster am Strand, gibt es bedeutende Ähnlichkeiten in der Art, wie wir fühlen. Einige dieser Gemeinsamkeiten werden hier untersucht, andere sind nur durch eine persönliche Öffnung für die Gefühle zu begreifen, wieder andere sind rätselhaft und bleiben vielleicht dauerhaft jenseits des Bereichs des Verstehens.

Kürzlich habe ich dir in die Augen geschaut, oh Leben!

Und ich schien im Unergründlichen zu versinken.

Aber du hast mich mit einem goldenen Stab herausgezogen.

Du hast spöttisch gelacht, als ich dich unergründlich nannte.

Alle Fische reden so, sagtest du.

Was sie nicht begreifen können, ist unergründlich.

— Unbekannter Autor

Wenn wir dem erlernten Krieg gegen unsere Gefühle eine Amnesie aussprechen, verbessern wir unsere Gesundheit in jeder Hinsicht. Wir werden lebendig, wenn wir die Energie zurückgewinnen, die wir dafür aufgewendet haben, unsere Emotionen gewissenhaft zu kontrollieren oder sie in hygienische Formen von Nettigkeit und aufgezwungener Heiterkeit zu kanalisieren.

Vielleicht können wir durch den Dichter Rumi ermutigt werden, unsere Emotionen zurückzugewinnen. Wie viele Mystiker verwendet er den Fisch als Symbol für den Menschen sowie das Wasser und den Ozean als Darstellungen von Gefühlen und der fühlenden Natur.

… Geh nicht weg.

Schau, Fisch, auf den Ozean hinter dir

Geh zurück, woher du kamst, Meeresgetier.

Du hörst das Rauschen des Wassers und weißt, wo du sein willst

Warum wartest du? Du warst an Orten, wo du bereust, gewesen zu sein,

Wegen Geld und solchen Dingen. Tu das nie wieder.

Das Wasser spricht: »Lebe hier.

Trage mich nicht herum in Eimern und Töpfen.«

Falsche Pflichten! Lege eine Pause ein und komme zur Ruhe.

Grundlegende Dynamik der emotionalen Natur

Das wahre Gegenteil von Depression ist nicht Fröhlichkeit oder Schmerzfreiheit, sondern Vitalität, die Freiheit, unmittelbare Gefühle zu erleben. Es gehört zum Kaleidoskop des Lebens, dass Gefühle nicht nur heiter, schön und gut sind.

— Alice Miller

Wir verbessern unsere Fähigkeit, ganzheitlich zu fühlen, durch das Verständnis der vier entscheidenden Dynamiken der emotionalen Natur: Ganzheitlichkeit, Polarität, Ambivalenz und Fluss. Diese Dynamiken werden in diesem Kapitel untersucht, um zu veranschaulichen, auf welche grundlegende Art und Weise sich das Fühlen vom Denken unterscheidet.

Obwohl Denken und Fühlen viele unterschiedliche Funktionen erfüllen, ist es auffallend, dass sie sich auf bereichernde Weise ergänzen. Das Denken verbessert zum Beispiel unsere Fähigkeit, unsere Gefühle zu vermitteln, wenn wir auf poetische Weise schreiben oder sprechen, während das Fühlen das Verständnis unserer Zuhörer für uns verbessert, wenn wir leidenschaftlich sprechen.

Die Wechselbeziehung zwischen der Funktion des Denkens und des Fühlens spiegelt sich im Tarot wider, einem speziellen Kartenspiel, das traditionell zur Wahrsagerei verwendet wird, aber derzeit als Instrument der Selbsterforschung an Popularität gewinnt. Das Tarot hat vier Kartenfarben, die verschiedene psychische Funktionen repräsentieren. Die Farbe der Kelche (Herzen in einem traditionellen Kartensatz) repräsentiert unterschiedliche emotionale Zustände und die Farbe der Schwerter (Pik) steht für differenzierte kognitive Zustände.

Interessanterweise gibt es eine Reihe von Schwertkarten, die starre mentale Prozesse repräsentieren, bei denen Gedanken (Schwerter) nicht durch Emotionen (Kelche) ausgeglichen werden und sich folglich gegen sich selbst wenden und in destruktive mentale Zustände verfallen. In ähnlicher Weise beschreiben bestimmte Kelchkarten schmerzhafte emotionale Zustände, die durch emotionale Impulsivität und mangelnde Voraussicht verursacht werden.

Wenn es so etwas wie eine objektive Tarot-Deutung für unsere Kultur geben würde, dann wäre sie meiner Meinung nach voll von Schwertern, da unsere Denkprozesse in der Regel unsere Gefühle dominieren und diese oft auslöschen.

Bei einem gesunden Menschen sind Fühlen und Denken ausgeglichen und unterstützen sich gegenseitig. Wenn eines von beiden dominiert, gibt es eine erhebliche Beeinträchtigung des Lebens. Ich habe beide Arten von Unausgewogenheit schon oft selbst erlebt. Wenn ich entweder das Denken oder das Fühlen überbewertete, habe ich oft schlechte Entscheidungen getroffen. Das ist mir in Liebesdingen schon einige Male passiert. Wenn ich einfach nur meinem Gefühl gefolgt bin und eine angebrachte Vorsicht in den Wind schlug, habe ich augenscheinliche Unvereinbarkeiten übersehen, die eine klare Warnung waren, um die daraus resultierende dysfunktionale Beziehung nicht zu beginnen.

Ähnlich verhielt es sich, wenn ich die Partner einfach auf der Grundlage einer logischen Checkliste auswählte und dabei die Tatsache ignorierte, dass die gefühlsmäßige Chemie nicht stimmte. Dann endeten die Beziehungen, die sich daraus ergaben, in der Regel mit vielen verletzten Gefühlen wegen unerfüllter Versprechungen. Die Erfahrung hat mich seither gelehrt, dass zu den besten Entscheidungen ein ausgewogener Input aus beiden Bereichen gehört: Die Entscheidungen fühlen sich richtig an … und sie »denken sich« richtig.

Obwohl Fühlen und Denken beide entscheidend für die psychische Gesundheit sind, ist es schließlich bemerkenswert, dass das PBS-Spezial Human Quest [Menschliches Streben; Anm. d. Ü.] von 1994 zu dem Schluss kam, dass das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Computer sich in Folgendem ausdrückt: »Ich fühle, also bin ich« und nicht »Ich denke, also bin ich.«

Ganzheitlichkeit

Die Emotionen fühlen sich nicht wie Stiefkinder an, von denen nur die wohlerzogensten angenommen werden – sie brauchen nicht zu schreien, um sich Gehör zu verschaffen, denn sie werden vollständig als Familienmitglieder des Selbst zugelassen.

— Jane Roberts

Wir alle sind außergewöhnlich komplexe Geschöpfe und tun uns einen Gefallen, wenn wir uns als komplex betrachten. Ansonsten leben wir in einer Traumwelt aus nicht existenten, vereinfachenden Schwarz-Weiß-Vorstellungen, die für das menschliche Leben einfach nicht zutreffen. Keiner von uns ist nur gut, schlecht, weise, dumm oder überhaupt irgendetwas. Wir sind unendliche Kombinationen aller möglichen Eigenschaften … und die Welt, auf die wir einwirken, ist ebenfalls voller subtiler und eklatanter Unstimmigkeiten und komplexer Schattierungen.

— Theodore Rubin

Ganzheitlichkeit bezieht sich auf die Tatsache, dass die emotionale Natur nicht in einzelne, voneinander unabhängige Gefühle zerlegt werden kann. Das Fühlen ist mehr an Ganzheitlichkeit gebunden als das Denken. Wir haben in der Regel wesentlich mehr Wahlmöglichkeiten (wenn auch sicher nicht die völlige Freiheit) in Bezug auf unsere Gedanken. Wir können Gedanken kategorisieren und im Gedächtnis speichern, sie gezielt abrufen und – je nach unserer Fähigkeit zur Konzentration – im Bewusstsein behalten, wenn wir es wollen. Wir können sogar in Bibliotheken und Buchläden gehen und Gedanken und Ideen »erwerben«, über die wir gerne nachdenken möchten.

Diesen Luxus haben wir nicht für unsere Gefühle. Ich kann beschließen, glücklich zu sein. Ich kann jedem, den ich kenne, sagen: »Ich bin glücklich.« Ich kann es sogar in goldenen Buchstaben auf Pergament schreiben, um es mir selbst zu beweisen. Aber wenn ich mich nicht wirklich glücklich fühle, dann hat mein verkündetes Gefühl ungefähr so viel Gewicht wie das gedruckte Wort »glücklich«.

Das Wesen des Fühlens ist nicht wie ein Supermarkt, in dem man aus einer größeren Anzahl von verfügbaren Produkten nur die Lieblingsmarken der Emotionen auswählen kann. Der Einkaufswagen der Psyche kann nicht mit angenehmen Emotionen gefüllt werden, während die unangenehmen im Regal liegen bleiben.

Ganz gleich, wie raffiniert die Werbung uns weismachen will, dass das, was sie verkaufen, wünschenswerte Emotionen erzeugt, ihre Produkte werden eher Ausschläge und Magen-Darm-Beschwerden hervorrufen, als dass sie uns Liebe und Glück bringen.

Echte Freude kann nicht ohne das nötige Maß an Trauer erworben werden, so wie es Liebe nicht ohne Streit gibt, oder Vergebung ohne Schuldzuweisung. Zorn, Angst und Traurigkeit sind für den ganzheitlich fühlenden Menschen ebenso unersetzlich wie Liebe, Vertrauen und Freude. Unser Leben wird strahlender, wenn wir den gesamten Vorrat an emotionalen Farben nutzen, nicht nur Rosa, Glitzer und Babyblau.

Menschen, die sich nur mit »positiven« Gefühlen identifizieren, werden oft fad, abgestumpft und distanziert und leben in einer gefühllosen Wüste, einem wahren Niemandsland. In der psychischen Wüste der verleugneten Gefühle lässt die glühende Hitze der unterdrückten Wut unsere Gefühle von Liebe und Zuneigung verdampfen und uns emotional dehydrieren. Emotionen abzulehnen, weil sie manchmal unangenehm sind, ist, als würde man einzelne Körperteile abschneiden, weil sie nicht schön sind. Es gibt ein altes Sprichwort:

Für den klugen Menschen sind Glück und Pech wie seine rechte und linke Hand – er nutzt beide zu seinem Vorteil.

Dasselbe gilt auch für die »guten« und »schlechten« Emotionen. Das »Auswählen« nur der bevorzugten Gefühle ist wie die Entscheidung zu essen, ohne die Notwendigkeit der Ausscheidung zu akzeptieren. Kein Wunder, dass die Menschen der westlichen Welt von allen Gesellschaften die körperlich und emotional verstopftesten Menschen sind.

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