Kitabı oku: «Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht», sayfa 40
II. Beihilfenkontrolle
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Im Bereich des Beihilfenverbots haben die Unionsorgane ebenfalls von ihrer in Art. 109 AEUV niedergelegten Befugnis zur Rechtsetzung Gebrauch gemacht. In materiellrechtlicher Hinsicht ist die Grundverordnung 994/1998 des Rates[20] zur Freistellung bestimmter Gruppen (horizontaler) Beihilfen von den in Art. 107 und 108 AEUV [ex Art. 92 und 93 EWGV bzw. Art. 87 und 88 EG] enthaltenen Verboten hervorzuheben, die 2013 durch die Änderungsverordnung 733/2013 des Rates[21] hinsichtlich der freigestellten Gruppen von Beihilfen wesentlich erweitert worden ist. Aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit hat der Rat diese Regelungen in seiner Grundverordnung 2015/1588 kodifiziert.[22] Die Kommission war schon in der ursprünglichen Grundverordnung des Rates ermächtigt worden, im Wege von Durchführungsverordnungen für zahlreiche Beihilfenkategorien unter bestimmten Bedingungen Gruppenfreistellungen vorzusehen. Von dieser Ermächtigung hat die Kommission vielfältigen Gebrauch gemacht. Sie hatte zunächst seit 2001 mehrere Gruppenfreistellungsverordnungen (GVOen) erlassen, von denen dann die meisten Eingang in die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) 800/2008[23] gefunden haben, die inzwischen durch die neue AGVO 651/2014[24] ersetzt worden ist; sie hat den Anwendungsbereich der gruppenweisen Freistellung vom Beihilfenverbot entsprechend der 2013 vom Rat vorgenommenen Änderung seiner Grundverordnung 994/1998 wesentlich erweitert. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist außer der primärrechtlichen Regelung in Art. 108 AEUV die inzwischen mehrfach geänderte Grundverordnung 659/1999 des Rates (Beihilfenverfahrensverordnung – BeihilfenVerfVO)[25] hervorzuheben, die vom Rat inzwischen ebenfalls aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit in der BeihilfenVerfVO 2015/1589[26] kodifiziert worden ist. Auf ihrer Grundlage hat die Kommission eine ebenfalls wiederholt geänderte Durchführungsverordnung[27] erlassen.
III. Vergaberecht
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Im Bereich des öffentlichen Auftragswesens gelten zunächst einmal die primärrechtlichen Grundfreiheiten (insbesondere die Warenverkehrs-, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit), die sämtlich der Marktöffnung dienen und Diskriminierungen ausländischer Anbieter auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten verbieten.[28] Allerdings sind die genannten Freiheiten nicht als solche ohne weiteres effektiv, um die Mitgliedstaaten und ihre Untergliederungen in ihrem Beschaffungsverhalten von der Bevorzugung inländischer Anbieter abzuhalten. Der Grund liegt darin, dass die öffentlichen Hände bei ihren Beschaffungsentscheidungen – anders als Unternehmen – nicht dem disziplinierenden Einfluss des Marktes ausgesetzt und daher nicht gezwungen sind, bei der Auswahl ihrer Vertragspartner ausschließlich wirtschaftliche Erwägungen zugrunde zu legen. Immerhin hat die Rechtsprechung des EuGH aus den Grundfreiheiten vergaberechtliche Grundsätze (wie das Diskriminierungsverbot sowie das der Überprüfbarkeit der Gleichbehandlung dienende Transparenzprinzip) abgeleitet, die einer Abschottung der nationalen Beschaffungsmärkte entgegenwirken. Zur Verwirklichung der Grundfreiheiten im öffentlichen Auftragswesen hat die EU aber auch durch den Erlass von Richtlinien auf der Grundlage von Art. 100, 101 EWGV [später: Art. 94, 95 EG, jetzt: Art. 114, 115 AEUV] zunächst die nationalen Beschaffungsmärkte liberalisiert (Liberalisierungsrichtlinien) und dann im Laufe der Zeit das mitgliedstaatliche Vergaberecht für Aufträge jenseits bestimmter Schwellenwerte durch Rechtsangleichung so gestaltet („koordiniert“), dass die Vergabeverfahren und -kriterien auch tatsächlich in allen Mitgliedstaaten den Grundsätzen der Marktöffnung und des diskriminierungsfreien Zugangs aller Wirtschaftsteilnehmer zu öffentlichen Aufträgen sowie den Anforderungen eines fairen Wettbewerbs auf den Beschaffungsmärkten genügen („Koordinierungsrichtlinien“).
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Das Vergaberecht ist somit nicht nur Marktöffnungsrecht, sondern gehört auch zum Wettbewerbsrecht; das kommt insbesondere in seinem nicht nur system- sondern auch individualschützenden Charakter zum Ausdruck (siehe dazu unten Rn. 630). Historisch bedingt hat sich dabei eine Einteilung in öffentliche Aufträge für Bauarbeiten, Lieferungen und Dienstleistungen einerseits und für öffentliche Aufträge in bestimmten traditionell durch Monopole gekennzeichneten Sektoren der Daseinsvorsorge (Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste) andererseits sowie die davon unterschiedene Vergabe von Konzessionen entwickelt. Inzwischen kann die EU auf mehrere „Generationen“ solcher Richtlinien zurückblicken, die jeweils auf eine grundlegende konzeptionelle Überarbeitung des Vergaberechts zurückzuführen sind. Das letzte Legislativpaket wurde durch ein Grünbuch der Kommission von 2011[29] vorbereitet und 2014 von Parlament und Rat verabschiedet. Es umfasst im Kern erstmalig eine Konzessionsrichtlinie[30] sowie eine Neufassung der sämtliche öffentlichen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge abdeckenden Vergabekoordinierungsrichtlinie[31] und der für bestimmte Bereiche der Daseinsvorsorge (Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste) geltenden Sektorenrichtlinie.[32] Hinzu treten Rechtsmittelrichtlinien,[33] welche die Nachprüfung von Vergabeverfahren wirksamer gestalten sollen. Insgesamt gliedert sich das unionsrechtliche Vergaberecht somit in einen durch Richtlinien koordinierten Bereich, der seinerseits in die von den Konzessions-, Vergabekoordinierungs- und Sektorenrichtlinien erfassten Bereiche unterteilt ist, sowie einen nicht-koordinierten Bereich, der alle öffentlichen Aufträge umfasst, die nicht durch die nur jenseits bestimmter Schwellenwerte[34] geltenden Richtlinien geregelt sind, sondern unmittelbar den aus dem Primärrecht abgeleiteten Grundsätzen unterliegen.[35]
Anmerkungen
[1]
Es handelt sich im Bereich des Kartell- und Fusionskontrollrechts vor allem um folgende Leitlinien: Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 AEUV auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl. 2011 C 11/1 (Horizontalleitlinien 2011); Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. 2010 C 130/1 (Vertikalleitlinien 2010); Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Absatz 3 EG-Vertrag, ABl. 2004 C 101/97 (Freistellungsleitlinien 2004); Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Art. 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, ABl. 2009 C 45/02 (Prioritätenmitteilung 2009); Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse nach der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004 C 31/03 (Horizontalfusionsleitlinien 2004); Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2008 C 265/6 (Nichthorizontalfusionsleitlinien 2008). Zahlreiche weitere Leitlinien betreffen die Beihilfenkontrolle (siehe dazu unten Rn. 1539).
[2]
So ausdrücklich die Kommission in ihren Vertikalleitlinien 2010 Rn. 3.
[3]
So ausdrücklich die Kommission in ihren Freistellungsleitlinien 2004 Rn. 4.
[4]
So die Kommission selbst, ebd.
[5]
EuG Rs. T-99/04 (AC Treuhand/Kommission), Slg. 2008 II-1501, Rn. 163 (Hervorhebung vom Verf.).
[6]
Verordnung (EWG) 4064/1989 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1989 L 395/1, berichtigt ABl. 1990 L 257/13.
[7]
Verordnung (EG) 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004 L 24/1.
[8]
Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. 2014 L 349/1.
[9]
Verordnung (EWG) 17/1962 des Rates: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86, ABl. 1962, 204.
[10]
Verordnung (EG) 1/2003 des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1/1.
[11]
Verordnung (EWG) 2871/1971 des Rates über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. 1971 L 285/46.
[12]
Verordnung (EWG) 19/1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. 1965, 533.
[13]
Seit 2011 geltende Fassung: Verordnung (EU) 1217/2010 der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, ABl. 2010 L 335/36.
[14]
Seit 2011 geltende Fassung: Verordnung (EU) 1218/2010 der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen, ABl. 2010 L 335/43.
[15]
Seit 2010 geltende Fassung: Verordnung (EU) 330/2010 der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. 2010 L 102/1.
[16]
Verordnung (EG) 802/2004 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004 L 133/1.
[17]
Seit 2006 geltende Fassung: Richtlinie 2006/111/EG der Kommission über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen, ABl. 2006 L 318/17.
[18]
Die ursprüngliche Richtlinie 88/301/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsendgeräte, ABl. 1988 L 131/73 mit späteren Änderungen, ist später mit einer Reihe von Rechtsangleichungsrichtlinien auf der Grundlage der allgemeinen Rechtsangleichungskompetenz gem. Art. 114 AEUV [ex Art. 95 EG] in der Richtlinie 1999/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung der Konformität, ABl. 1999 L 91/10, zusammengefasst worden und schließlich durch die ebenfalls auf Art. 86 Abs. 3 EG [jetzt Art. 106 Abs. 3 AEUV] gestützte Richtlinie 2008/63/EG der Kommission über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsendeinrichtungen, ABl. 2008 L 162/20, ersetzt worden.
[19]
Richtlinie 90/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, ABl. 1990 L 192/10, inzwischen ersetzt durch die Richtlinie 2002/77/EG der Kommission über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. 2002 L 249/21.
[20]
Richtlinie (EG) 994/1998 des Rates über die Anwendung der Art. 92 und 93 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. 1998 L 142/1.
[21]
Verordnung (EU) 733/2013 des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) 994/98 über die Anwendung der Art. 92 und 93 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. 2013 L 204/11.
[22]
Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (kodifizierter Text), ABl. 2015 L 248/1.
[23]
Verordnung (EG) 800/2008 der Kommission zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) ABl. 2008 L 214/3.
[24]
Verordnung (EU) 651/2014 der Kommission zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. 2014 L 187/1.
[25]
Verordnung (EG) 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften zur Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags [jetzt: Artikel 108 AEUV] ABl. 1999 L 83/1, idF der Verordnung (EU) 734/2013 des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) 659/1999, ABl. 2013 L 204/15.
[26]
Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (kodifizierter Text), ABl. 2015 L 248/9.
[27]
Verordnung (EG) 794/2004 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags [jetzt: Artikel. 108 AEUV] ABl. 200 L 140/1, idF der Verordnung (EU) 372/2014 der Kommission zur Änderung der Verordnung (EG) 794/2004, ABl. 2014 L 109/14.
[28]
Siehe dazu die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, ABl. 2006 C 179/2.
[29]
Europäische Kommission, Grünbuch über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens – Wege zu einem effizienteren europäischen Markt für öffentliche Aufträge, KOM(2011) 15 endg.
[30]
Richtlinie 2014//23/EU über die Konzessionsvergabe (Konzessionsrichtlinie), ABl. 2014 L 94/1.
[31]
Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG betreffend die Koordinierung des Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (Vergabekoordinierungsrichtlinie), ABl. 2014/L 94/65.
[32]
Richtlinie 2014/25/EU über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der entsprechenden Richtlinie 2014/17/EG (Sektorenrichtlinie), ABl. 2014 L 94/243.
[33]
Richtlinie 89/665/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. 1989 L 395/33 sowie Richtlinie 92/13/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. 1992 L 76/14, geändert durch Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl. 2007 L 335/31.
[34]
Siehe zu den Schwellenwerten die Verordnung (EU) 1336/2013 betreffend die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren, ABl. 2013 L 335/17, sowie zu den Schwellenwerten für Konzessionsvergaben Art. 8 der Konzessionsrichtlinie (oben Fn. 30).
[35]
Siehe dazu die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, ABl. 2006 C 179/2.
2. Teil Institutionen im Mehrebenensystem › 4. Kapitel Organe der Union › § 13 Verwaltung
§ 13 Verwaltung
Inhaltsverzeichnis
I. EU-Kommission als Wettbewerbsbehörde
II. Direkter Verwaltungsvollzug
Literatur:
Hill/Pitschas (Hrsg.) Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht (2004); Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht (6. Aufl. 2014) § 12: Vollzug des Unionsrechts, 186 ff.; Sydow Verwaltungsvollzugsordnung der Europäischen Union, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.) Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht [Enzyklopädie Europarecht, Bd.1] (2014) § 12, 709; Schröter Rechtlicher und institutioneller Rahmen der Wettbewerbspolitik in der EU, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.) Europäisches Wettbewerbsrecht (2. Aufl. 2014) 1. Teil, A., Rn. 57 ff.; Mestmäcker/Schweitzer Europäisches Wettbewerbsrecht, (3. Aufl. 2014) § 4: Das Wettbewerbsrecht in der Rechtsordnung der Union und der Mitgliedstaaten, 101, Rn. 74 ff.
I. EU-Kommission als Wettbewerbsbehörde
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Die Kommission sorgt gem. Art. 17 Abs. 1 S. 2 EUV für die Anwendung der Verträge sowie der von den Organen kraft der Verträge erlassenen Maßnahmen. Sie hat gem. Art. 105 und 108 AEUV insbesondere die Aufgabe, die primärrechtlichen Wettbewerbs- und Beihilferegeln sowie das auf Grundlage der primärrechtlichen Ermächtigungen in Art. 103 und 109 AEUV von Parlament und Rat erlassene Sekundärrecht durchzusetzen (direkter Verwaltungsvollzug). Dasselbe gilt für die sekundärrechtlichen Bestimmungen, welche die Kommission ihrerseits aufgrund einer primärrechtlichen Ermächtigung (siehe Art. 106 Abs. 3 AEUV) oder aufgrund einer vom Rat durch Verordnung delegierten Rechtsetzungsbefugnis (Art. 290 AEUV) erlassen hat. Im Bereich des öffentlichen Auftragswesens hat die Kommission die korrekte Umsetzung und Durchführung der gem. Art. 100 und 101 EG [jetzt: Art. 114 und 115 AEUV] erlassenen Vergaberichtlinien zu überwachen.
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Die Betrauung der Kommission mit der Funktion einer supranationalen Wettbewerbsbehörde und ihre Ausstattung mit der Befugnis zum direkten Verwaltungsvollzug der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln im gesamten Binnenmarkt war eines der tragenden Konstruktionsprinzipien der gemeinschaftlichen Wettbewerbsverfassung seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Der Grund dafür ergab sich explizit bereits aus dem ursprünglichen Art. 155 EWG-Vertrag, in dem der Kommission die Aufgabe übertragen wurde, für die Anwendung des Vertrags zu sorgen, „um das ordnungsgemäße Funktionieren und die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten“. Zur Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Markts gehörte von Anfang an insbesondere die gleichmäßige Durchsetzung der Wettbewerbsregeln in der gesamten Gemeinschaft. Im Sinne des inzwischen in Art. 5 Abs. 3 EUV kodifizierten Subsidiaritätsprinzips handelt es sich um eine Zielsetzung, die offensichtlich auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist als auf Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten. Dennoch verlangt diese Überlegung keine vollständige Zentralisierung der administrativen Rechtsdurchsetzung. Aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit der EU-Wettbewerbsregeln sind auch die nationalen Wettbewerbsbehörden zu ihrer (indirekten) Durchsetzung berufen. Entscheidend ist aber, dass die Maßnahmen der Kommission im Konfliktfall Vorrang vor den nationalen Maßnahmen haben.
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Die Kommission besteht gem. Art. 17 Abs. 3 UAbs. III EUV entsprechend der Zahl der Mitgliedstaaten aus 28 Mitgliedern, von denen je ein Mitglied Staatsangehöriger eines jeden Mitgliedstaats ist. Ein Mitglied führt die Kommission als deren Präsident. Alle Mitglieder der Kommission müssen gem. Art. 17 Abs. 3 UAbs. II EUV die volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit bieten. Sie dürfen Weisungen von Personen, Organisationen oder Institutionen außerhalb der Kommission weder einholen noch entgegennehmen. Die Kommission ist ein Kollegialorgan, das auch in Wettbewerbsangelegenheiten als solches entscheidet.[1] Nach Art. 250 Abs. 1 AEUV fasst sie ihre Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer Mitglieder. Die Aufgaben der Kommission werden vom Präsidenten gem. Art. 248 AEUV zwischen ihren Mitgliedern aufgeteilt. Jedes Kommissionsmitglied, das zur Erfüllung seiner Aufgaben jeweils von einem Kabinett unterstützt wird, steht einer oder mehreren für bestimmte Aufgabenbereiche zuständigen Generaldirektion(en) der Kommission vor, die ihrerseits jeweils aus mehreren Direktionen und diese wiederum aus Referaten bestehen. Dementsprechend gibt es eine Generaldirektion (GD) Wettbewerb, die von einem Generaldirektor geleitet wird und die auf Referatsebene sog. „task forces“ einsetzt. Dem Generaldirektor steht seit einiger Zeit ein Chefökonom als Berater zur Seite.[2] Aufgabe der GD Wettbewerb ist es, die Beschlüsse der Kommission vorzubereiten. Die Beschlussentwürfe werden vom Juristischen Dienst auf ihre Gerichtsfestigkeit hin geprüft. Im Kartellverfahren ist vor jeder Beschlussfassung gem. Art. 14 KartellVO 1/2003 der Beratende Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen zu hören, der sich aus Vertretern der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Über die Wahrung der Verfahrensrechte der Beteiligten wacht ein Anhörungsbeauftragter (Art. 14 Abs. 1 VO 773/2004).[3]
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Entsprechend den ihr zugewiesenen Kompetenzen trägt die Kommission insgesamt die Verantwortung für die Formulierung und Durchsetzung der Wettbewerbspolitik der Union, vorbehaltlich der rechtlichen Kontrolle durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuG und EuGH). Ihre wettbewerbspolitischen Konzeptionen und Grundsätze hat die Kommission in zahlreichen Leitlinien, Mitteilungen und Bekanntmachungen niedergelegt (vgl. dazu bereits oben Rn. 514). Sie enthalten Konkretisierungen der Wettbewerbsregeln sowohl im Grundsätzlichen als auch in den Einzelheiten, die aber nicht rechtsverbindlich sind, sondern lediglich die Auslegung der Wettbewerbsregeln durch die Kommission wiedergeben. Sie können daher weder das geltende Unionsrecht ändern, noch die Rechtsprechung der Gerichte präjudizieren. Die verbindliche Auslegung der in den Wettbewerbsregeln enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe obliegt ausschließlich den europäischen Gerichten (EuG und EuGH). Daran hat sich auch die Kommission zu orientieren.[4] Dennoch haben die Leitlinien als Orientierungspunkte für die Auslegung der Wettbewerbsregeln einen erheblichen faktischen Einfluss und sie binden als Verhaltensnormen im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens bzw. Beurteilungsspielraums jedenfalls die Kommission selbst.[5] Insoweit formuliert die Kommission auch selbst die Kriterien, nach denen sie das Verhalten von Unternehmen beurteilt.
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Von nicht unerheblicher Bedeutung sind die Bemühungen der Kommission, im Rahmen der Anwendung der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln verstärkt ökonomische Analysemethoden zur Geltung zu bringen. Sie spricht im Rahmen des Kartell- und Fusionskontrollrechts von einer „stärker wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ (more economic approach) und im Beihilfenrecht von einer „verfeinerten wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ (refined economic approach). Das hat Einfluss nicht nur auf die Begründung von Kommissionsentscheidungen, sondern auch auf deren Kontrolle durch das Gericht und den Gerichtshof. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen der Kommission zeigt, dass sie nicht im Sinne einer Verschiebung der normativen wettbewerbsrechtlichen Schutzziele verstanden werden darf (siehe dazu bereits ausführlich oben Rn. 406 ff.). Es geht vielmehr um die stärkere Berücksichtigung ökonomischer und ökonometrischer Erkenntnisse bei der Sachverhaltsaufklärung und -würdigung im Sinne einer forensischen Ökonomie. Dabei sind Rückwirkungen auf die Ebene der Gestaltung wettbewerbsrechtlicher Normen im Wege der Gesetzgebung (etwa durch Verordnungen) oder im Wege der jurisprudentiellen Konkretisierung der primärrechtlichen Wettbewerbsregeln (etwa im Sinne von per se-Regeln bzw. rules of reason) nicht ausgeschlossen.[6] Bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln geht es aber stets um Rechtsanwendung und nicht um die Durchsetzung einer bestimmten normativen Ökonomik.
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