Kitabı oku: «Schüchterne Gestalten», sayfa 8

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„Wann waren die beiden gestern hier und wie lange? Aber bitte Dottore, ich möchte nicht wissen, was sie gegessen und getrunken haben. Prego.“ Fast bettelte er um eine kurze Antwort.

„Signore, ja feine Herren; so um 7 Uhr Abend; dahinten in der Ecke; dort am Tisch waren sie. Ja, so gegen 7 Uhr.“

„Danke und wann sind die gegangen?“

„Die eine Mann hat telefoniert und ist dann gegangen. Schnell ist die Mann raus. Die andere war noch langer da und hat Wein getrunken. Hat einen Grappa von mir bekommen. Die Mann. War so allein und traurig.“

„Ok, der hier ist zuerst raus, ja?“ Remsen zeigte auf Abtowiz. Der Kellner bestätigte durch sein Nicken, dass Remsen richtig getippt hat. „Wann war das etwa, um welche Uhrzeit herum?“

Der Kellner dachte nach und tauschte sich auf Italienisch mit einem Kollegen aus, der gerade vorbeikam. „So um 9 Uhr, oder eher. Nicht so lange da. Weißt du, wir Italiener essen in Ruhe; das ist ganz wichtig wegen die Bauch. Die Deutsche immer so schnell essen, musst du Grappa trinken, sonst ganz schwer in Bauch.“

„Ja, ja. Wann ist dann der hier gegangen?“ Remsen hatte von dem Gequatsche so langsam genug und machte auf Tempo.

„Nicht lange, halb nach 9 so, denke ich.“ Das könnte passen: Weilham sagte aus, dass er gegen 22 Uhr zu Hause war. Seine Frau bestätigte das. Abtowiz ist eher raus, bekam vorher einen Anruf und ließ Weilham sitzen. Der Unfall passierte so gegen 22 Uhr; da war Abtowiz nicht mehr hier? Gestelltes Alibi? Und jetzt vergiss Jan, dass es ein Unfall war: Es war Mord. Vieles deutete darauf hin.

„Wer hat von beiden die Rechnung beglichen?“ Die Antwort könnte ein Hinweis über den Status der beiden Geschäftspartner untereinander sein.

„Hat die erste Mann gemacht. War gut Coperto. Sehr großzügig.“

„Gut, danke. Vielen Dank Sie haben mir geholfen.“ So überschwänglich geht Remsen eigentlich nie mit seinen Gesprächspartnern um. Aber hier musste er sein Gegenüber mit den gleichen Waffen bekämpfen, um wegzukommen.

Nur raus hier!

„Signore, einen feinen Grappa. Ist kalt draußen.“

Remsen ließ ihn stehen, grüßte recht freundlich und entfloh dem Temperament des italienischen Restaurantbesitzers. Wie hält man das nur den ganzen Tag aus? Wahrscheinlich arbeitet dort kein Deutscher? Und wenn ja, dann landet der sicher schneller in der Klapse, wir es jemals erlauben würden.

Schon von weitem öffnete er das Auto und ging langsam auf seinen Buick zu. Kurz davor blieb er stehen und grinste die Frontscheibe an: Remsen griff sich den Strafzettel der hinter dem Scheibenwischer geklemmt war und wollte ihn schon zerreißen. Er überlegte es sich anders und ließ ihn in die Jackentasche verschwinden. Vielleicht wird es doch noch etwas mit dem Abendessen und der Politesse seiner Wahl.

Im Auto sitzend startete er den Motor und beschloss, dass der Tag lang genug war.

Sonntag, 14. November 2010, noch früh am Morgen

Es war noch dunkel. Remsen tapste schlafwandlerisch von seinem Bett in den Flur, um sein Telefon gegen die Wand zu… Nein, ich brauche es noch. Außerdem fiel ihm ein, dass er es sein würde, der die Scherben wegzukehren hätte. Das war für ihn das ausschlaggebende Argument, pfleglich mit dem kleinen Quälgeist umzugehen.

„Guten Hansi.“ Um diese Zeit hatte er seine Zunge einfach nicht im Griff; Aussetzer waren vorprogrammiert. Das muss der Anrufer schlicht verstehen.

Auf seinen ungeliebten Spitznamen war Hanns-Peter Ulrich überhaupt nicht gut zu sprechen. Ich bin doch kein Wellensittich, ist dann immer seine Antwort.

Meistens kanalisierte Remsen zu erwartende Wutausbrüche seines Kollegen mit der Frage: „Streikt etwa die Kaffeemaschine oder warum rufst du an?“

Ulrich musste sich zusammenreißen, um nicht ausfallend zu werden. „Heute Nacht gab es ein kleines Feuerwerk. War aber letztlich nicht allzu schlimm.“

„Falsch verbunden; hier ist die Mordkommission. Übrigens die einzige von Vesberg.“ Trotz dieser Tageszeit war Remsen doch langsam auf Temperatur und seinen Spaß.

„Weilham sen. hat’s getroffen. Es war eine Art Molotow Cocktail, der durch das vordere Fenster ins Haus geworfen wurde. Nein zwei; beide vorderen Fenster sind angegriffen und zertrümmert worden. Weilham's haben ihr Schlafzimmer im Obergeschoß, zur Seite raus. Die Frau Weilham, Cordula Weilham hat sich bei uns gemeldet und gesagt, dass sie einen schwarzen SUV wegfahren sah. Marke und Kennzeichen hatte sie nicht erkannt; nimmt aber an, dass es deutsche Kennzeichen waren. Wahrnehmung im Unterbewusstsein meinte sie wohl. Die Feuerwehr war schnell da und konnte das Ganze genauso schnell unter Kontrolle bringen. Hätte deutlich schlimmer ausgehen können.“

„Fertig?“ Remsen war es überhaupt nicht gewohnt, von seinem Partner so lange Vorträge zu hören. Noch besser; er tat sich um diese Uhrzeit und vor allem vor dem ersten Kaffee richtig schwer, irgendetwas aufzunehmen und vor allem das auch noch zu verarbeiten.

„Ok, Hanns, wo bist du, in der Arkadenstraße?“

„Nein, noch zu Hause, schon fast auf den Weg dahin. Treffen wir uns da?“

Remsen dachte kurz nach: „Fahr du mal zu der Weilham und bringe alles in Erfahrung. Ich knöpfe mir den Alten vor. Wir sehen uns dann später.“ Remsen wollte schon fast auflegen: „Ach ja, mach vorher den Abstecher zur W36 und lass uns deine Kaffeemaschine da.“

Unter der Dusche fragte er sich einmal mehr, warum er sich diesen verfluchten Job ausgesucht hatte. Das muss in einem Anflug von Wahnsinn oder Schwachsinn passiert sein; er konnte sich nicht mehr daran erinnern.

Freizeit? Fehlanzeige.

Beziehung? Äußerst schwierig.

Gesundheit? Lieber nicht danach fragen.

Anerkennung? Dieser Mensch müsste erst geboren werden.

Politesse wäre doch was für ihn oder wie sagt man da bei einem Mann? Hilfspolizist? Politeur? Egal, ich bin Bulle; ein richtig Guter noch dazu. Nach kurzem Nachdenken beschloss er, dass er den besten Job auf der Welt machen durfte.

Zum Glück hatte die kleine Bäckerei bei ihm um die Ecke vor einiger Zeit den Sonntagsverkauf eingeführt. So bestand eine reelle Chance auf warme Brötchen; vielleicht einen Kuchen und vor allem richtig guten Kaffee; Soll ich Ihnen wieder einen Bohnenkaffee machen, fragt ihn seine Lieblingsverkäuferin jedes Mal.

Mit einem Blick auf die Uhr verließ ihn kurzfristig die Hoffnung; um diese Zeit hatte auch seine Lieblingsbäckerei noch nicht auf. Die am Bahnhof vielleicht schon? Oder soll er schon wieder auf die Aufbackdinger an der nächsten Tanke zurückgreifen?

Alles zu weit und umständlich obendrein; er setzte eine andere, viel einfachere Idee einfach um. Remsen hielt seinen Buick im laufenden Motor direkt in der Einfahrt zur Bäckerei und hielt seine Nase in den Nachthimmel von Vesberg. Ja, da war er wieder, dieser unwiderstehliche Geruch nach frischen, noch warmen Brötchen. Okay, für den Bauch ist gesorgt; da war er sich sicher. Und sein Biorhythmus? Der braucht immer und jeden Tag seine Menge Koffein morgens.

Auf sein Klopfen hin wurde ihm aufgebaut; der Bäckergeselle kannte ihn nicht und wollte gleich wieder schließen.

„Du wirst doch einem alten Nachtbullen was zu essen geben wollen?“ Normalerweise machte er so etwas nicht gerne, aber jetzt ging es ausnahmsweise einmal um ihn selbst: Da war ihm jedes Mittel recht. Er zückte seinen Dienstausweis und schindete damit beim Knaben richtig Eindruck. Und schon war er in der warmen Backstube; gab seine Bestellung auf.

„Habt Ihr vielleicht schon, noch, also habt Ihr Kaffee, bezahl ihn auch.“

Beide Weißmützen schüttelten so energisch den Kopf, sodass Remsen einsah, dass er hier und jetzt keinen Kaffee bekommen wird. Er zahlte die Brötchen und den Kuchen und verschwand.

Wieder im Buick verbreitete sich der Geruch nach Backstube in seinem Auto. Er griff zu und hielt sich an der Brötchentüte nicht lange auf; der Kuchen blieb unangetastet. Die Soundanlage gab Velet Underground – Sunday Morning her; muss in den späten 60er Jahren gewesen sein. Sein Instinkt sorgte dafür, beim Verlassen der Wohnung noch schnell die CD zu greifen. John Cale, Lou Reed – hier in Vesberg in seinem fahrenden Castle. Schade, dass es bis zur Arkadenstraße nicht so weit war…

Kundoban kam ihm eher zufällig entgegen: „Sie ist schon da und wartet auf Sie“, war ihre spröde Art der Sonntagmorgenbegrüßung.

„Guten Morgen erst einmal. Gut geschlafen? Ausgeruht für heute?“ Remsen entging nicht, dass durch die offene Bürotür ein wunderbarer Kaffeegeruch den Flur vereinnahmte und Körper und Geist sich gemeinsam darauf freuten. „Wer wartet denn auf mich?“

„Frau Weilham natürlich.“ Kundoban war patzig ihm gegenüber. Auch sie hatte kaum geschlafen und wurde heute schon früh wieder in die W36 gerufen.

„Sie war ziemlich fertig und hatte schon mehrmals nach Ihnen gefragt.“

Remsen verlegte ich jetzt auf Zeitspiel, denn er brauchte seine Anlaufphase. Er marschierte in sein Büro und prüfte in der Kaffeeecke, ob Ulrich die Maschine auch wirklich vorbei gebracht hatte. Sie war da und passte so gar nicht in die Rumpelbude: So toll sah das gute Ding aus. Und wurde hier dringend gebraucht. Die Grünpflanzen befanden sich halb in der Sommerdürre, halb im Winterschlaf und sahen durchweg traurig aus; die spießigen Bilder aus der Zeit vor der Vereinigung und der überall drapierte Firlefanz machten aus dem Büro eher ein Begegnungszimmer für Nostalgiker, als ein Raum zum Arbeiten. Hier müsste man mal ... Nicht sein Problem; jetzt nicht!

Mit dem Kaffeetopf in der einen und einem Stück Kuchen in der anderen Hand schaute Remsen sich um, wer um diese frühe Morgenstunde schon anwesend war. Neben Kundoban und ihm selbst, war nur einer der Verstärkertruppe bereits am Abtippen der Ermittlungsprotokolle von gestern.

Und Ulrich natürlich. Aber der war schon wieder weg, weil er auftragsgemäß zur Weilham gefahren ist. Das ist unsinnig, fiel Remsen gerade auf. Der alte Weilham schläft hier im W36-Hotel und seine Frau sitzt im Vernehmungsraum. Da draußen wird Hansi wohl niemanden mehr antreffen…

„In welchem VR ist die Weilham?“ Kundoban stellte sich schon auf das Gespräch ein und klemmte die Unterlagen unterm Arm. Sie hielt auf Remsens Frage hin den linken Daumen hoch: „Im ersten, da ist immer die Heizung über die Nacht an.“

„Was für eine Verschwendung; das muss wieder der Steuerzahler tragen.“ Remsen ist trotz der frühen Morgenstunde der Meister im Austeilen. „Ist Ulrich beim Gespräch mit von der Partei?“

„Warum denn, der ist doch zur Weilham gefahren, wegen heute Nacht. Ich wüsste nicht, dass er schon wieder zurück ist.“

Jutta Kundoban hielt kurz inne und dachte nach. Dann war ihr klar, warum Remsen so herum eierte. „Die Eva Weilham wartet hier, nicht die Cordula Weilham. Gestern Abend war sie in der Pathologie und hat ihren Mann identifiziert. Das nicht aushaltend ist sie schreiend zusammengebrochen. Ihre ach so tolle Freundin hat das noch getoppt. Die gab schon beim Geruch von Desinfektionsmitteln auf; halten doch nichts mehr aus die jungen Ladys aus der Upperclass. High Heels an, jede Menge Schminke in der Visage und eine Widerstandskraft wie ein Stück Schokolade in der Sonne.“

„Und Sie Jutta sind aus anderem, aus kernigem Holz. Richtig?“ Remsen wunderte sich wieder einmal, dass seine Kollegin so selbstbewusst austeilen konnte.

Die aber ignorierte die Bemerkung von Remsen und ließ sich in ihrem Redefluss nicht beirren: „Die Weilham ist dann nebenan im Krankenhaus behandelt worden; aber nur kurz, denn sie wollte unbedingt noch mal ihren Mann sehen. Ihre Freundin hängt noch immer am Tropf. Ihre Besucherin, Jan, hatte einige Zeit bei ihrem Mann zugebracht und ziemlich geweint. Sie fragte irgendwann nach Ihnen und ist bestimmt schon gut zwei Stunden hier.“

„Gut, dann hat sie uns ganz sicher jede Menge zu erzählen. Könnten Sie bitte den Weilham in den VR3 bringen?“ Remsen drehte sich um und instruierte den eifrigen Jungen aus dem Verstärkerteam, der noch immer Vernehmungsprotokolle übertrug, mit Anweisungen.

„Auf geht’s. Mal sehen was wir Neues von der Frau Weilham erfahren. Die Geschichte mit dem Brandanschlag auf das Haus ihrer Schwiegereltern behalten wir vorerst für uns, verstanden?“

Kundoban nickte und folgte ihrem Chef, inzwischen auch mit einem Kaffee in der Hand, in den VR1.

„Guten Morgen Frau Weilham, schon auf den Beinen heute Morgen? Ich hoffe, es geht so?“ Remsen musste gleich sticheln, damit das Gespräch sofort aus dem Schlafmodus erwachte. Mit der Beantwortung seiner Fragen rechnete er ohnehin nicht.

„Ich will wissen, wie es passiert ist und wer es war. Verstehen Sie; wir haben uns geliebt, haben einen gemeinsamen Sohn und plötzlich ist das alles weg?“

„Warum weg Frau Weilham? Ihrem Sohn geht’s doch gut, oder nicht?“ Remsen gab sich nach hin außen besorgt, war aber ansonsten der Taktiker; wie immer bei Vernehmungen. Sie nickte nur kurz.

„Wie es passiert ist, können wir recht genau sagen. Aber warum es passiert ist und wer es war – das wissen wir noch nicht. Das würden wir gerne von Ihnen erfahren. Dürfen wir das Aufnahmegerät hier einschalten?“ Er deutete auf das Gerät in der Tischmitte. Nachdem Frau Weilham genickte, startete er die Aufnahme, nannte die Namen der Anwesenden und den Zeitpunkt zu Beginn der Aufzeichnung.

„Ich kann Ihnen nichts sagen. Carsten ist am Dienstag zu einer Dienstreise in die Ukraine aufgebrochen und wollte gestern Abend zurück sein. Er rief jeden Tag an und gab mir das Gefühl, wie sehr ich ihm fehle. Und, dass die Gespräche dort ganz verliefen; richtig erfolgreich aus seiner Sicht. Dabei habe ich mich doch so sehr auf seine Rückkehr gestern und auf das Wochenende zu Dritt gefreut.“ Sie war den Tränen wieder sehr nah.

Remsen musste gegensteuern, um mehr zu erfahren: „Na ja, gestern bei der Befragung wollten Sie sich noch von ihm scheiden lassen. Sie waren überzeugt davon, dass er eine andere hat. Sie erinnern sich?“

Eva Weilham stellte ihre Trauerarie kurz ein, sah verzweifelt Remsen und Kundoban an. Sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte.

Kundoban versuchte es, von Frau zu Frau: „Haben Sie es gewusst oder nur vermutet, dass Ihr Mann eine Geliebte hatte? Ich meine, das spürt man als Frau doch, oder nicht?“

Remsen war das definitiv zu viel Gefühlsduselei. „Also, wenn da was dran war und ihr Mann eine Freundin hatte, dann kennen Sie doch sicher ihren Namen. Frauen sind immer so neugierig und bekommen das ganz bestimmt schneller raus, als ein Mann sich den Namen seiner Geliebten merken kann. Vor allem, wenn es mehrere sind.“ Der letzte Satz rutschte einfach so raus.

Kundoban sah ihn entsetzt an und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Wenn er sie nicht schon so gut kennen würde, hätte Remsen es nicht bemerkt. Es wäre auch egal gewesen, denn es hätte Remsens Strategie ohnehin nicht beeinflusst.

„Fakt ist, Ihr Mann saß gestern Abend mit einer jungen Frau im Auto. Schon schade, denn beide haben’s nicht überlebt.“ Remsen setzte sein trauriges Gesicht auf; es blieb beim Versuch.

Kundoban übernahm wieder: „Sie sagten, er war in der Ukraine. Das muss bei CodeWriter doch jemand gewusst haben. Georg Weilham? Karl Hausmann? Oder wer?“

Eva Weilham antwortete prompt und pikiert: „Keine Ahnung; ich weiß nicht, wer da mit wem spricht und wer von der Dienstreise und den Kunden etwas gewusst haben könnte.“ Sie schaute unentschlossen rum; „Und wer da neben meinem Mann im Auto saß – keine Ahnung.“

„Sie wissen dann auch nicht, wie die Firma hieß, die Ihr Mann besuchte?“ Weil Frau Weilham den Kopf schüttelte, machte Remsen weiter: „Okay, Sie warten schon recht lange hier auf mich: Ich höre dann mal, was Sie uns zu sagen haben.“

Der Ball lag wieder im Feld der Frau Weilham: „Von Ihnen will ich wissen, was passiert ist. Wer war das, verdammt noch mal.“ Wie es aussah, war sie gleich wieder vor einem Zusammenbruch.

Jutta Kundoban versuchte sie zu beruhigen. „Wissen Sie irgendwas von Konflikten oder von Feinden oder so, die Ihr Mann hatte? Sie haben doch sicher mit ihm über seine Arbeit gesprochen. Ihrem Schwiegervater gehört die Firma; Ihr Mann war der potentielle Nachfolger. Die Arbeit Ihres Mannes war Teil Ihres Lebens. Erzählen Sie uns, was Sie wissen. Alles, im Detail und ganz genau, egal wie lange es dauert.“ Nachdem Remsen auf seine Art Frust über den unergiebigen Verlauf der Befragung rausgelassen hat, schien Eva Weilham doch noch was loswerden zu wollen.

„Georg und Karl Hausmann, also die beiden Partner, verstehen sich schon länger nicht mehr. Georg hat sich aufgerieben und einen Zusammenbruch gehabt.“

Remsen unterbrach sie: „Das ist nicht neu für uns. Ihre Schwiegermutter war schon so frei und berichtete davon. Was hat das jetzt alles mit dem Mord an Ihrem Mann zu tun? Vermuten Sie da was?“

Die letzte Frage ignorierte Eva Weilham: „Hausmann war schon immer für eine Ausdehnung der Aktivitäten in Richtung Osteuropa. Spätestens seit dem Ausfall von Georg Anfang des Jahres war niemand mehr da, der mutig genug Hausmann davon abhielt. Carsten auch nicht. Er hat also angefangen, in Polen und anderen Ländern ein Netz von potenziellen Kunden und Geschäftspartnern aufzubauen; aber der große Wurf gelang nicht. Carsten kann nichts dafür; da drüben ist einfach vieles anders.“

„Wie lange ist Hausmann eigentlich schon im Urlaub?“

„Genau weiß ich es nicht, er müsste glaube ich noch eine Woche weg sein. Möglicherweise.“

Remsen nickte: „Dafür das Sie angeblich nicht viel von CodeWriter intern wissen, ist diese Angabe aber recht genau. Das überprüfen wir natürlich.“ Er ließ die Worte kurz einwirken und fragte nach: „Gab es zwischen Hausmann und Ihrem Mann Stress? Hatte er mal was davon erzählt? Führte Hausmann mit ihm einen Stellvertreterkrieg?“

„Kann schon sein … nein, ich glaube nicht. Nur die üblichen Meinungsverschiedenheiten, wie sie nun einmal in Unternehmen zwischen Chef und Mitarbeiter vorkommen. Hausmann fasste Carsten nicht gerade mit Samthandschuhen an, nur weil er der Sohn seines Partners war. Vielleicht gerade deshalb nicht. Wer weiß das schon. Aber darüber hinaus ging der Streit nicht.“

Jutta Kundoban fiel eine weitere Frage ein: „Sagen Sie: hat Ihr Mann Ihnen alles von CodeWriter erzählt? Hatten Sie das Gefühl, dass er offen mit Ihnen gesprochen hat?“ Sie betonte etwas eigenartig das Wort ‚Gefühl‘.

„Wissen Sie, ob Ihr Freund oder Ihr Mann Ihnen alles erzählt. Wer will das schon wissen? Ich glaube, dass Carsten ganz ehrlich war. Wie heißt es doch: Wer nichts weiß, muss alles glauben. Ich glaube es für mich.“

Remsen sah auf die Uhr und deutete seiner Kollegin an, dass er vom Gespräch nichts mehr erwartete. Also verließ er den Vernehmungsraum und überließ es seiner Kollegin, diese Befragung zu Ende zu bringen.

Über die Hintertür trat er hinaus an die frische Luft. Es war November: Grauhell, nass, arschkalt und der Sonntag versprach, nicht besser zu werden, als der Sonnabend war.

Hausmann könnte ein Schlüssel in dem Fall sein, muss aber nicht. Was hätte er davon, Carsten Weilham nebst Freundin zu beseitigen? Ob ein Dauerstreit oder gar die drohende Nachfolgeregelung eine mögliche Ursache sein könnte? Hat Georg Weilham vielleicht schon was in diese Richtung unternommen und Hausmann wollte das verhindern? Was sollte er dagegen haben? Dafür gleich zwei Leichen in Kauf nehmen? Unwahrscheinlich. Vielleicht wusste der Mörder nicht, dass neben Weilham noch eine Frau im Auto saß. Trotzdem, wir brauchen Hausmann; der muss doch da unten auffindbar sein.

Weilham sen. hatte einen Zusammenbruch und ist bislang nur halb wiederhergestellt. So richtig fit sah der Junge gestern nicht aus. Er musste die Nachricht vom Tod seines Sohnes zu verkraften, war aber trotz allem ziemlich anfällig. Welchen Grund sollte der haben, seinen Sohn… Nein, das passt nicht. Gut, die hatten in den Wanderjahren von Carsten etwas Zoff; das ist heutzutage eher normal, denn den Leuten würde sonst was fehlen; die Hörner müssen abgestoßen werden. Nein, als Täter oder Mitwisser scheidet der Senior erst einmal aus.

Aber warum lügt der?

Welchen Grund dazu hat er?

Und was war das gestern Abend im Red Rooster?

Weilham geht doch nicht am Freitagabend mit Abtowiz essen, um ihn einen Tag später zu verhauen. Bringt Weilham seinen Geschäftspartner Abtowiz mit dem Tod seines Sohnes in Verbindung? Und wenn ja warum? Genug Stoff für eine weitere Fragestunde.

Der VR3 war im Gegensatz zum VR1 wie immer ungeheizt. Weilham saß auf einem Stuhl vor einem Kaffee. Er sah verdammt schlecht aus; wahrscheinlich schlecht geschlafen? Seine Kollegin Kundoban beschäftige sich gerade mit dem Aufnahmegerät.

„Guten Morgen.“ Remsen sah Weilham überhaupt nicht an, sondern deutete gleich auf ein Foto. Beim Eintreten hielt er es Weilham vor die Nase.

Ihm fiel ein, dass er die Formalien zur Befragung und zur Tonaufnahme noch klären musste, bevor er die Vernehmung beginnen konnte.

Nachdem das erledigt war, legte Remsen los: „Vielleicht kommen wir der Wahrheit heute etwas näher. Was halten Sie davon?“

Weilham sah sich das Foto ganz genau an, lehnte sich zurück und ließ sich mit der Antwort Zeit; zu viel, wie Remsen fand. „Und? Der Audi VES CW 500 gehört doch Ihrer Firma und der Fahrer ist Ihr Sohn Carsten Weilham? Wer könnte die Dame auf der Beifahrerseite sein?“

Langsam, ganz langsam und sehr leise begann Weilham.

„Karl hatte auf einem Anwendertreffen in Moskau Geschäftsleute aus Lemberg kennengelernt, die aus der Sicherheitsbranche waren und in der Ukraine investieren wollten. Unsere Software überzeugte sie scheinbar. Carsten war auch mit und konnte denen alles zeigen. Wir überwachen mit unserer Software nicht nur Türen und Fenster; wir können viel mehr. Die Standards in der Übertragungstechnik, wie die bekannten IP-Protokolle, haben wir adaptiert und weiter ausgebaut. Wir haben eigene Uni- und Multicast-Szenarien entwickelt mit denen wir völlig unterschiedliche Tunneltypen nutzen. Der Vorteil ist: alle IP-fähigen Geräte lassen sich damit absolut sicher, abgeschirmt und anonym nutzen. Wir brauchen nur von der Netzwerkadministration die entsprechenden Löcher, der Rest ist unsere Sache, ganz allein. Dann…“

„Bahnhof.“

Remsen setzte Weilham ein Stoppzeichen, da er und augenscheinlich auch seine irritierte Kollegin nichts verstanden haben. „Was heißt das jetzt übersetzt?“

„Unsere Kunden können von einem Leitstand aus alles überprüfen und steuern. Dieser kann im Unternehmen oder bei uns, abgeschirmt und in sicherer Umgebung, betrieben werden. Wenn zum Beispiel nachts oder an Wochenenden eine Tür oder ein Fenster aufgeht oder die Scheiben eingeschlagen werden, können speziell angebrachte Sensoren das genau registrieren und Alarm schlagen.“

Remsen dachte kurz nach: „Das ist aber nicht so einzigartig; das können viele andere auch. Ganz bestimmt.“

„Schon, aber wir konnten Wärmesensoren entwickeln, die Veränderungen außerhalb eines festgelegten Toleranzbereichs feststellen können. Das sind Geräte für die Thermografie, die IP-fähig sind, also mit einem Leitstand verbunden werden können. So etwas Ähnliches wie eine Wärmebild- oder Infrarotkamera; aber nur so ähnlich. Wenn sich ein Mensch in einem Raum aufhält, dann kann die ausgestrahlte Wärme aufgenommen und analysiert werden. Wir können sogar für jeden einzelnen Menschen Wärmeprofile erstellen und beispielsweise Sicherheitsleute aus der Überwachung herausnehmen. Jede andere Bewegung wird registriert und verfolgt. Mit sofortigen Eskalationen und Alarmen…“

Thanks fort the Information‘, Van Morrison; Mitte der 80er Jahre eine grandiose Platte; irgendwie ‚no guru…’ hieß das Album; phantastisch, sollte ich mir heute Abend gönnen. Merk dir das Mal Jan.

„Und das ist die hohe Kunst von CodeWriter?“ Remsen blieb skeptisch; einerseits, weil er sich noch immer schwer tat, etwas zu verstehen; andererseits weil das Ganze sicher auch andere können, die Software für Sicherheitsfirmen entwickeln.

„Sicher. Wir haben das so weit getrieben, dass wir sämtliche Kartenleser, Türöffner und Zahlenschlösser mit in die Überwachung integriert haben; inklusive von Videoaufzeichnungen. Das ist rundum perfekt und erlaubt Sicherheitsfirmen, mit wenig Personal hochgradig effektiv Baustellen, unbewachte Fuhrparks oder Parkhäuser, Gewerbegrundstücke und universelle Gebäude wie Werkhallen oder Bürohäuser zu überwachen.“

„Dafür interessieren sich Kunden aus Osteuropa? Normalerweise verfügen die dort über genug Anabolika-Muskelprotze und jede Menge eigene Waffen. Technik ist doch für die ein absolutes Fremdwort. Old School, würde ich sagen.“

„Das denken Sie Herr Kommissar. Die Korruption dort ist weit verbreitet; unvorstellbar und vor allem undurchsichtig. Wenn jemand zum Beispiel einen Einbruch plant, dann besticht er einfach das Personal. Auf einen netten Nebenverdienst verzichtet dort niemand, das können Sie mir glauben. Je mehr ein Sicherheitsunternehmen auf Technik setzt, umso geringer wird das Problem der Bestechung. Klar, man könnte auch die Technik manipulieren; aber glauben Sie mir: Das hat bei uns noch niemand geschafft. Wir haben in der Entwicklung und während der Tests Nerds beauftragt, uns zu knacken. Selbst die Chaos Hacker haben es nicht geschafft. Für unsere Kunden ist das eine runde Sache; da nur ganz wenige die Software und die Technik wirklich verstehen, die Software ausgesprochen sicher ist und selbst die Übertragungswege nicht anzapfbar sind.“

„Gut. Aber wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann waren Sie doch immer gegen die Ausdehnung Ihrer Geschäfte in Osteuropa. Warum jetzt der Schwenk?“ Weilham rückt nicht mit der ganzen Wahrheit raus; dessen war sich Remsen ziemlich sicher.

„Wenn ich von Korruption spreche, dann betrifft es natürlich alle, die Deals dort machen wollen. Wer ist sich denn sicher, einen seriösen Gesprächspartner vor sich zu haben? Ist er von den Sicherheitsdiensten? Von welchem? Von der Mafia? Für wen arbeitet er? Wer weiß das schon? Gerade in der Sicherheitsbranche, da haben Sie sicher recht, regiert das Faustrecht und das Recht des Skrupellosen. Da können wir nur verlieren. Deswegen bin ich eigentlich dagegen gewesen.“

„Kommen wir zurück zu Ihrem angeblichen Kunden in der Ukraine. Wir hätten gerne den Firmennamen und die Adresse. Bekommen wir das hin?“

Weilham schaute etwas missmutig, nickte aber. „Zentrale Gebäudeüberwachung Lemberg heißt die Firma in Deutsch; hier ist die Visitenkarte vom Geschäftsführer dort.“ Er kramte aus seiner Jacke sein Etui mit den Karten hervor und buchstabierte den Firmennamen: ‚Штаб-квартира будівлю моніторингу Львів‘. Ein gewisser Dmytro Lypar. Karl setzte gleich nach seiner Rückkehr aus Moskau einen Privatdetektiv auf den an, um rauszubekommen, woher der kommt, wer seine Freunde sind usw. Negativ; der schien sauber zu sein, war früher so ein Apparatschik, sie wissen schon, Parteisoldat. Nicht auffällig, offensichtlich seriös.

„Die Karte können Sie uns doch sicher geben, ja Herr Weilham?“ Frau Kundoban ist erwacht und mischte wieder mit: „Wir werden das überprüfen. Zur Frau im Auto: Haben Sie eine Ahnung, wer das sein könnte? Wer war sie?“

„Larissa irgendwie. Sie war dort so etwas wie eine Vertriebsmitarbeiterin. Carsten hat es letzte Woche geschafft und die Vertragsgespräche recht weit getrieben. Der Deal war, dass er Larissa mit nach Vesberg bringt und sie sich hier von CodeWriter einen Eindruck verschafft. Quasi als Vorbereitung auf den eigentlichen Besuch des Chefs. Herr Lypar wollte nächste oder übernächste Woche herkommen und den Kauf perfekt machen. Sie wissen ja selbst: in der Sicherheitsbranche kann man nicht vorsichtig genug sein. Das ist nicht nur bei uns so.“

„Larissa irgendwie? Genauer geht’s nicht?“ Remsen baute weiter Druck auf Weilham auf. Der aber schüttelte den Kopf und lieferte keine Antwort zur Frage.

„Jetzt würde mich noch interessieren, warum Sie uns angelogen haben, Herr Weilham. Das hat Ihnen immerhin jede Menge Ärger und eine Nacht hier bei uns eingebracht. Warum?“

Weilham war offensichtlich noch immer nicht bereit oder einfach nicht in der Lage, hierauf eine verwertbare Antwort zu geben. Nach einiger Bedenkzeit formulierte er es so: „Mit Safety Objects gibt es seit einiger Zeit Schwierigkeiten. Herr Abtowiz hat viele Kontakte nach Osteuropa und damit gedroht, dass wir dort kein Fuß auf den Boden bekommen. Deshalb wollten wir alle unsere Aktivitäten so geheim wie möglich halten. Das mussten wir auch, weil bei diesem Deal die Lemberger das ausdrücklich von uns verlangt haben. Wir sind dem nachgekommen, aber Abtowiz hat irgendwoher erfahren, dass wir in der Ukraine aktiv sind.“

„Moment mal: In der angespannten Situation waren Sie friedlich am Freitagabend mit ihm zum Essen? Das passt doch nicht zusammen. Was für Schwierigkeiten waren das?“

Remsen grübelte nach einer eigenen Erklärung, fand aber keine geeignete. Mal sehen, was Weilham liefern kann. „Er bat sogar darum; die Initiative ging von ihm aus. Als Geschäftsmann sollte niemand die Türen jemals komplett zuschlagen; meistens gibt es immer einen Weg zur Zusammenarbeit, auch wenn es manchmal schwierig ist. Aber dann drehte sich das Gespräch immer mehr um Osteuropa, den vielen Chancen und so. Ich hatte das Gefühl, dass er mich nur aushorchte. Ich fand das nicht gut und erklärte ihm das auch. Nach einem Telefonat hat er mich sitzengelassen und ist einfach gegangen.“

„Um ihn einen Tag später zusammenzuschlagen?“

„Abtowiz ist für CodeWriter ein Alptraum.“

„Glauben Sie, dass er etwas mit dem Mord an Ihrem Sohn zu tun hat? Aber bitte keine Ausflüchte Herr Weilham. Wir bekommen das sowieso raus.“

„Das kann niemand wissen. Aber da Sie mich fragen: Ja, ich traue dem das zu.“ Er schaute kurz auf seine Uhr: „War es das jetzt?“ Bei Weilham war jetzt nicht nur die Geduld, sondern auch die Kraft für weitere Fragen zu Ende. Er hoffte wohl, dass er nach Haus kann.

Remsen überlegte, ob er ihn jetzt mit dem Anschlag auf sein Haus konfrontieren sollte. Er schien abzuwägen, was mehr bringen würde: Ihm das jetzt zu sagen oder es darauf ankommen lassen, bis er zu Hause sieht, was passiert ist. Und ihm war noch immer nicht klar, um welche Schwierigkeiten es sich zwischen CodeWriter und Safety Objects handelte.

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