Kitabı oku: «Crash-Kommunikation», sayfa 4
ANTI-CRASH-FORMEL
Entwickeln Sie Notfallpläne und Checklisten für mögliche unternehmerische Störungen. Überprüfen und aktualisieren Sie diese Listen und Pläne regelmäßig.
Alarmsystem installieren: Wahrnehmung kritischer Faktoren
Warnsignale installieren
In jedem Cockpit gibt es zahlreiche optische und akustische Anzeigen, die die Crew über technische Fehlfunktionen, kritische Grenzwerte und heikle Flugsituationen informieren. Hätte der entsprechende Warnton funktioniert, wäre der Spanair-Crew ihr fatales Versäumnis – nicht ausgefahrene Landeklappen – vermutlich rechtzeitig aufgefallen. Welche »Warnlämpchen« gibt es in Ihrem Unternehmen? Welche Warnlämpchen haben Sie für sich selbst definiert?
Frühwarnsysteme entwickeln
Natürlich erfüllen betriebswirtschaftliche Kennzahlen in gewisser Weise eine solche Warnfunktion. Doch Kostenexplosionen, Umsatzrückgänge oder einbrechende Gewinne sind häufig die Folge von Versäumnissen, die weit vorher passieren. Im Idealfall verfügt Ihr Unternehmen oder Ihre Abteilung deshalb zusätzlich über ein »Frühwarnsystem«. Anders als bei den standardisierten Abläufen in einem Flugzeugcockpit gibt es für die komplexen und differenzierten Situationen in Wirtschaftsunternehmen kein Allroundsystem, das Sie fix und fertig bestellen und bei sich installieren können. Was Ihnen jedoch möglich ist: Sie können etwas aus brenzligen Situationen in der Vergangenheit lernen.
So erarbeiten Sie ein Frühwarnsystem:
Schritt für Schritt zum Frühwarnsystem
1. Überlegen Sie bitte, wann Sie selbst in der Vergangenheit Fehler gemacht haben, die Sie leicht den Kopf hätten kosten können:
– Welche Fehler waren das?
– Lässt sich ein Muster ableiten?
– Welche Faktoren, welche Stressoren müssen zusammenkommen, um in Ihnen dieses Muster auszulösen?
Notieren Sie diese Faktoren.
2. Überlegen Sie auch: Wann wurden in Ihrem Unternehmen, in Ihrer Abteilung Entscheidungen getroffen, die bei rationaler Betrachtung unangemessen, überzogen oder übereilt, die also im wahrsten Sinne des Wortes »kopflos« waren?
Welche Faktoren mussten gegeben sein, damit das Unternehmen oder das Team derartig den Kopf verlieren konnte, dass es letztlich zu solchen Fehlleistungen kam?
Notieren Sie sich diese Faktoren und Rahmenbedingungen auf einem separaten Blatt.
3. Können diese Faktoren wieder eintreten? Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit wird Ihr Team auf diese Auslöser mit den gleichen Verhaltensmustern reagieren wie beim ersten Mal. Identifizieren Sie diese Auslöser. Analysieren und beschreiben Sie die neuralgischen Faktoren möglichst genau.
4. Ermitteln Sie Frühindikatoren für das Eintreten dieser Faktoren und etablieren Sie ein Alarmierungssystem. Funktioniert Ihr Alarmsystem? Das beste Warnlämpchen bringt nichts, wenn die Birne kaputt ist!
ANTI-CRASH-FORMEL
Lernen Sie aus der Vergangenheit: In welchen Situationen kam es zu schwerwiegenden Fehlern? Wie groß ist die Gefahr, dass sich diese Fehler wiederholen? Installieren Sie ein Frühwarnsystem – und achten Sie darauf, dass die Lämpchen funktionieren!
Unnötigen Zeitdruck vermeiden
Es gibt Abteilungen, in denen wichtige Aufgaben grundsätzlich auf den letzten Drücker erledigt werden – die Vorbereitung der wichtigsten jährlichen Branchenmesse, die Zusammenstellung der Quartalszahlen, die Auslieferung eines neuen Produkts. Dabei passieren dann regelmäßig kleinere und größere Pannen, bis hin zum organisatorischen Super-GAU (denken Sie nur an die eingangs zitierte vergessene Messeanmeldung). Zeitdruck als einer der wichtigsten Stressoren wird schon Wochen vorher vorprogrammiert und beginnt häufig mit kleinen Verschiebungen, die sich mehr und mehr summieren. In einem Unternehmen der Süßwarenbranche gibt es beispielsweise immer, wenn ein neues Produkt lanciert werden soll, ein langes Hin und Her zwischen Marketingleitung und Geschäftsführung über die Verpackung. Die wird zwar (ebenso wie das Produkt selbst) ausgiebigen Verbrauchertests unterworfen. Das hindert die Damen und Herren auf der Teppichetage jedoch nicht daran, munter weiter darüber zu diskutieren, ob der Bonbonwickler nicht doch einen Streifen mehr erhalten sollte? Und sollte die Tüte vielleicht doch ein wenig bunter werden? Die termingerechte europaweite Auslieferung der Produkte erfordert im Anschluss ein permanentes Krisenmanagement. Zeitlich definierte Warnlämpchen könnten das ebenso verhindern wie organisatorische: Spätestens mit dem dritten Meeting zur Verpackungsfrage befindet man sich wieder im alten Verhaltensmuster!
Standardprozeduren festlegen: besonnen handeln
Panik vermeiden
Das Ungünstigste, was in einer kritischen Situation passieren kann, sind hektische, unüberlegte Panikreaktionen, die sich als kontraproduktiv erweisen und die Lage nur verschlimmern. Ein Beispiel aus der Fliegerei ist der Absturz einer Maschine der Caribbean Airlines im August 2005 auf dem Flug von Panama Stadt nach Fort de France auf Martinique. Vorher waren beide Triebwerke ausgefallen. Selbst in dieser Extremsituation ist ein Verkehrsflugzeug weiter flugfähig – es wird zum Segelflugzeug und könnte notlanden, wenn eine entsprechende Landebahn in Reichweite ist. Doch die Piloten klammerten sich in Panik wohl an ihren Steuerhörnern fest, um die Maschine in der Luft zu halten, anstatt das Steuerhorn nach vorne zu drücken, dadurch die Nase zu senken und so die Geschwindigkeit und damit den Auftrieb zu erhöhen.10 Diese reflexhafte Panikreaktion (Wir stürzen ab! Nase hochziehen) hat auch in anderen Fällen zum Crash geführt.
Das Tempo rausnehmen: entschleunigen
Anders als in der Fliegerei entscheiden in Unternehmen nur äußerst selten Sekundenbruchteile über Sein oder Nichtsein. Sie können daher fast immer eine Option wählen, auf die man auch in der Fliegerei wenn möglich zurückgreift: den Go-around. Brechen Sie die Landung ab und starten Sie durch! Drehen Sie einfach noch eine Runde, ehe Sie unüberlegte Entscheidungen treffen. Ob Sie dabei tatsächlich einmal »um den Block« gehen oder die Angelegenheit überschlafen und für den nächsten Tag das Team zusammentrommeln, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, der Effekt ist derselbe: keine hektische Panikaktion. Bewusste Entschleunigung ist eines der wirksamsten Mittel gegen unüberlegte Reaktionen unter Stress.
ANTI-CRASH-FORMEL
Stoppen Sie Ihren spontanen Handlungsimpuls! Müssen Sie wirklich jetzt entscheiden und handeln? Machen Sie einen Go-around, bevor Sie das Falsche tun.
Vorteile von Checklisten
In der Luftfahrt ist außerdem seit Langem anerkannt, dass sämtliche kritischen Phasen des Fluges anhand einer Checkliste akkurat abgearbeitet werden müssen. Auch und gerade bei Manövern, die teilweise mehrfach täglich ausgeführt werden, ist dieses Vorgehen zwingend. Checklisten halten die jeweils festgelegten SOPs – die Standard Operating Procedures – für den jeweiligen Arbeitsgang fest. Wenn Sie jetzt an die Prozessdokumentation im Rahmen von Qualitätsmanagement denken müssen, liegen Sie gar nicht so falsch. TQM (Total Quality Management) hat inzwischen bei manchem leider den Ruf eines nutzlosen Datenfriedhofs, in dem auch Trivialitäten in aller Ausführlichkeit dokumentiert und dann in Ordnern oder Datenbanken auf Nimmerwiedersehen versenkt werden. Das mag auf einzelne Arbeitsabläufe in Unternehmen zutreffen. Doch was wäre gewesen, wenn in der KfW die Freigabe von Überweisungen ab einer bestimmten Höhe an die Abarbeitung einer Checkliste gekoppelt gewesen wäre, die auch nach Besonderheiten beim Empfänger fragt? Auch bei der Arzneimittelproduktion, der Lebensmittelherstellung oder beim Austausch Ihrer Winterreifen ist der Gedanke beruhigend, dass hier standardisierte Vorgehensweisen definiert sind und anhand von Listen abgearbeitet werden.
In jedem Cockpit gibt es Checklisten für normale und für außergewöhnliche Verfahren. Die Spanair-Crew im Eingangsbeispiel hat offensichtlich auf diese Checklisten verzichtet, es war ja schließlich »nur« eine Routinetätigkeit. Welche Checklisten gibt es in Ihrem Unternehmen? Gerade für die schon angesprochenen neuralgischen Punkte, die sich zu schwerwiegenden Fehlern und Problemen im Unternehmen auswachsen können, empfiehlt sich die Festlegung von SOPs. Jede Fehleranalyse sollte in eine entsprechende »vorbeugende« Checkliste münden, und auch Notfallpläne für kalkulierbare Ernstfälle sind am besten als knappe Handlungsanweisungen gestaltet. Verwenden Sie – gerade in Ausnahmesituationen – Checklisten und halten Sie sich daran!
ANTI-CRASH-FORMEL
Legen Sie SOPs für Arbeitsprozesse fest, bei denen kleine Fehler große Folgen haben können. Formulieren Sie entsprechende Checklisten.
Abschließend eine Übersicht der Maßnahmen, durch die Sie unüberlegtes Handeln unter Stress besser in den Griff bekommen können:
Stress – und was Sie tun können
DIE ANTI-CRASH-FORMELN AUF EINEN BLICK
1. Fragen Sie sich gerade in schwierigen Situationen gelegentlich: Wer führt hier gerade Regie – Stammhirn oder Großhirn?
2. Trauen Sie Ihren Augen und Ohren nicht (immer)! Gleichen Sie Ihre Einschätzung der Situation regelmäßig mit der anderer ab – Führungskollegen, Mitarbeiter, ggf. Außenstehende (Coaches, Berater). Machen Sie sich eigene Erfahrungen und Interessen bewusst: Inwieweit beeinflussen diese Ihre Beurteilung der Situation?
3. Vermeiden Sie Sprachlosigkeit, Abschottung und Resignation – fördern und fordern Sie das Gespräch mit Ihrer Mannschaft! Hören Sie zu, auch wenn Ihnen nicht gefällt, was Sie hören.
4. Proben Sie den Worst Case im Krisensimulator – mindestens ein Mal jährlich für einen Tag!
5. Entwickeln Sie Notfallpläne und Checklisten für mögliche unternehmerische Störungen. Überprüfen und aktualisieren Sie diese Listen und Pläne regelmäßig.
6. Lernen Sie aus der Vergangenheit: In welchen Situationen kam es zu schwerwiegenden Fehlern? Wie groß ist die Gefahr, dass sich diese Fehler wiederholen? Installieren Sie ein Frühwarnsystem – und achten Sie darauf, dass die Lämpchen funktionieren!
7. Stoppen Sie Ihren spontanen Handlungsimpuls! Müssen Sie wirklich jetzt entscheiden und handeln? Machen Sie einen Go-around, bevor Sie das Falsche tun.
8. Legen Sie SOPs für Arbeitsprozesse fest, bei denen kleine Fehler große Folgen haben können. Formulieren Sie entsprechende Checklisten.
* Hier der Text in korrekter Schreibweise: Laut einer Studie an einer englischen Universität ist es egal, in welcher Reihenfolge die Buchstaben in einem Wort sind. Das einzig Wichtige ist, dass der erste und der letzte Buchstabe am richtigen Platz sind. Der Rest kann total durcheinander sein, und man kann es immer noch ohne Probleme lesen. Das liegt daran, dass wir nicht jeden Buchstaben allein lesen, sondern das Wort als Ganzes.
2. Wer kritisiert schon einen Kapitän?
oder: Wenn der Chef das Problem ist
+ + + 6. Februar 1996, bei Puerto Plata + + + Eine Maschine der Birginair stürzt 26 Kilometer vom Flughafen Gregorio Luperón entfernt in den Atlantischen Ozean + + + 189 Tote + + +
Für den Spiegel ist es die »größte Katastrophe der deutschen Charterfluggeschichte«1: Nur knapp fünf Minuten nach dem Start stürzt eine Maschine der türkischen Airline Birginair vor der Küste der Dominikanischen Republik ins Meer. Alle Insassen kommen ums Leben. Die meisten von ihnen sind Deutsche auf dem Weg nach Berlin und Frankfurt am Main.
Auslöser des Unglücks ist ein defekter Geschwindigkeitsmesser. Ein Flugzeug hat drei unabhängig arbeitende Geschwindigkeitsanzeigen. Die Anzeige des Kapitäns funktioniert nicht und zeigt im Reiseflug eine zu hohe Geschwindigkeit an. Das ist auch allen bekannt. Um das Tempo zu drosseln, hebt der Autopilot die Nase an. Die Anzeige steigt weiter, während die Maschine immer langsamer wird. Als das Flugzeug schon fast senkrecht steht, zieht der Kapitän immer noch. Kopilot und Flugingenieur schreien beide: »Nicht ziehen, sondern drücken!« Ihre Instrumente funktionieren. Keiner von beiden traut sich jedoch, dem Kapitän die Kontrolle abzunehmen. Und der Kapitän traut nur sich und seinen Anzeigen.
Autoritäre Führung als Ursache für Insolvenzen
»Der Chef hat immer recht«? Eigentlich sollte dieses Modell längst der Vergangenheit angehören. Fast jeder Vorgesetzte behauptet von sich, einen partnerschaftlichen Führungsstil zu pflegen, und betont, dass seine Mitarbeiter jederzeit zu ihm kommen können. Aber wie viele Mitarbeiter wagen es tatsächlich, ihrem Vorgesetzten im Ernstfall zu widersprechen? Die meisten Menschen sind in diesem Punkt eher zurückhaltend. Das ist zwar verständlich, geht aber nicht immer gut aus, denn Führungskräfte sind keineswegs unfehlbar. Als häufigste Ursache von Unternehmenszusammenbrüchen nennen Insolvenzverwalter Managementfehler. In einer Umfrage des Zentrums für Insolvenz und Sanierung der Mannheimer Universität wird neben »fehlendem Controlling« und »Finanzierungslücken« ausdrücklich auch »autoritäre, rigide Führung« genannt.2
Das Crash-Beispiel: Puerto Plata, Februar 1996
Anhäufung unglücklicher Zufälle
Wie kann einem versierten Piloten ein derart drastischer Fehler unterlaufen, dass er eine Maschine sehenden Auges zum Absturz bringt? Ausgangspunkt der Katastrophe waren – wie so häufig – einige unglückliche Zufälle. Ursprünglich sollte der Flug durch eine Maschine der ALAS Nacionales durchgeführt werden. Wegen eines Defekts kam jedoch stattdessen die Boeing 757 der Birginair zum Einsatz. Diese Maschine stand seit knapp drei Wochen auf dem Vorfeld des Flughafens Gregorio Luperón. Gleich zu Beginn des Starts, während der Kopilot routinemäßig die Geschwindigkeit von 80 Knoten ansagte, stellte sich heraus, dass der Geschwindigkeitsmesser des Kapitäns falsche Werte anzeigte. Trotzdem wurde der Start fortgesetzt – schließlich waren noch zwei intakte Geschwindigkeitsmesser an Bord. Hinterher rekonstruierte man, dass offensichtlich ein außen am Rumpf angebrachtes Staurohr verstopft war, vermutlich durch Staub oder Insekten. Solche Staudrucksonden messen die Geschwindigkeit der anströmenden Luft und dienen so zur Geschwindigkeitsmessung während des Fluges. Ist die Sonde verstopft, reagiert der Fahrtmesser auf den sich ändernden Luftdruck im System. Wahrscheinlich haben Sie schon mal diese roten Bänder gesehen, auf denen steht: »Remove before flight«. Mit diesen Abdeckungen sollten die Sonden eigentlich geschützt sein, wenn ein Flugzeug längere Zeit irgendwo herumsteht – damit sie eben nicht verstopfen. Das war hier augenscheinlich versäumt worden. Noch so ein unglücklicher Zufall.
Unkooperativer Führungsstil wird zum Verhängnis
Durch den sinkenden Luftdruck nach dem Abheben begann der Geschwindigkeitsmesser des Kapitäns dann doch zu arbeiten. Obwohl das Gerät offensichtlich defekt war und stark überhöhte Geschwindigkeitswerte anzeigte, verließ sich der Kapitän auf seine Anzeige (nicht etwa auf die anderen beiden) und aktivierte den Autopiloten. Der Autopilot funktionierte perfekt. Leider reagierte er auf die (falschen) Werte und versuchte, das vermeintlich zu schnelle Flugzeug abzubremsen. Die Folge: Die Nase der Maschine wurde steiler und steiler angehoben, die Triebwerke wurden gedrosselt, das Flugzeug wurde langsamer und langsamer. Irgendwann wurde der sogenannte Stick Shaker aktiviert: ein Rütteln der Steuersäule, das die Piloten vor einem drohenden Strömungsabriss warnt. Spätestens jetzt deutete eigentlich alles darauf hin, dass die Maschine zu langsam war. Aber immer noch ergriff die Besatzung keine Gegenmaßnahmen. Weitere kostbare Sekunden verstrichen, bevor das Flugzeug schließlich ins Meer stürzte. Das geschah nicht etwa, weil eines der Staurohre verstopft war. Die Ursache lag vielmehr darin, dass der Kapitän das Ruder nicht aus der Hand gab und nur sich selbst und seinen Instrumenten vertraute.
CRASH-WARNUNG
Jede Hierarchie braucht funktionierende Systeme, die den Chef kontrollieren.
Ein Unternehmensbeispiel: Jürgen Schrempp und seine Welt AG – Milliardenverluste für DaimlerChrysler
DaimlerChrysler: Wunsch und Wirklichkeit
»Wie glaubwürdig ist ein Manager, der bei der Fusion angekündigt hat, er werde das profitabelste Automobilunternehmen der Welt schaffen, um dann nach zwei Jahren die Halbierung des Gewinns melden zu müssen?«, fragten Journalisten bereits 2001 süffisant.3 Gemeint war Jürgen Schrempp, Vorstandsvorsitzender der DaimlerChrysler AG. Schrempp war die schwäbische Welt zu klein geworden: Er hatte sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Autoschmiede Daimler zu einem Weltkonzern auszubauen. Dafür fusionierte er 1998 mit Chrysler und beteiligte sich 2000 mit über 2 Milliarden Euro an Mitsubishi. Größe sollte das Unternehmen davor bewahren, selbst zum Übernahmekandidaten zu werden; Synergien sollten teure Entwicklungskosten senken. Doch es kam anders als gedacht: In den Jahren 1998 bis 2000 schrumpfte der Börsenwert des Unternehmens um 26 Milliarden DM, der Gewinn von 12,2 auf 6,8 Milliarden DM. Sowohl Chrysler als auch Mitsubishi schrieben hohe Verluste. In dieser Situation erkundigten sich zwei Reporter des Spiegel bei Schrempp, ob er manchmal an Rücktritt denke. Schrempp habe sich zurückgelehnt und gelacht: »Können Sie sich das vorstellen, bei einer Person wie mir?« Da müsse man ihn schon rausschmeißen: »Wenn jemand, der dazu befugt ist, den Kapitän wechseln will – okay, dann wird das eben getan.«4
Rasante Talfahrt
Auch bei DaimlerChrysler dauerte es lange, bis jemand dem »Kapitän« Jürgen Schrempp Paroli bot. 2001 fuhr Chrysler 5,3 Milliarden Euro Verlust ein; DaimlerChrysler verbuchte in diesem Jahr ein Minus von 622 Millionen Euro.5 Die Talfahrt setzte sich fort, Aktionäre forderten immer wieder Schrempps Rücktritt. Doch geschasst wurden erst einmal hausinterne Kritiker, etwa der designierte Chef der Mercedes-Group, Dr. Wolfgang Bernhard, der es gewagt hatte, auf einer Aufsichtsratssitzung im April 2004 anderer Meinung zu sein als sein Mentor Schrempp. Bernhard stimmte in die Kritik von Arbeitnehmervertretern und einigen Vorständen ein und sprach sich für eine Beendigung des Engagements bei Mitsubishi aus. Eine Woche später, am 29. April, gab der Konzern offiziell bekannt, »dass Dr. Wolfgang Bernhard nicht die Leitung der Mercedes-Group übernehmen wird«. Das war exakt zwei Tage, bevor Hoffnungsträger Bernhard diese Position übernehmen sollte.6
(Zu) späte Trennung vom Kapitän
Schrempps Vertrag dagegen wurde vom Aufsichtsrat noch bis 2008 verlängert. Als Vorstandsvorsitzender konnte er sich dennoch nur noch bis Ende 2005 halten, um dann von Dieter Zetsche abgelöst zu werden. Als der Kapitän das Unternehmensschiff endlich verließ, atmete man auch an der Börse auf: Am Tag, als der Schrempp-Rücktritt bekannt gegeben wurde, meldete das Handelsblatt einen »markanten Kurssprung« der DaimlerChrysler-Aktie. Zeitweise lag das Papier mehr als 11 Prozent im Plus und war damit so teuer wie seit fast drei Jahren nicht mehr.7 Der Rest ist Geschichte: 2007 wurde die Daimler-Chrysler-Ehe nach weniger als einem Jahrzehnt geschieden und Chrysler mehrheitlich an die Investmentgesellschaft Cerberus verkauft. Für den schwäbischen Konzern endete damit ein teures Abenteuer.
Wenn der Patriarch nicht einlenken kann
Kann es sein, dass manche Alphatiere den Bezug zu Umwelt und Realität verlieren? Führungskräfte, die unbeirrt am einmal eingeschlagenen Kurs festhalten, auch wenn dieser sich als problematisch erweist und Mitarbeiter längst zu zweifeln beginnen, gibt es nicht nur in Weltkonzernen. Sie alle kennen vermutlich irgendein kleines oder mittelständisches Unternehmen, in dem ein in die Jahre gekommener Patriarch einsame Entscheidungen trifft und seine Firma damit an den Rand des Abgrunds führt. Die Forscher des Mannheimer ZIS kolportieren den Fall eines 80-jährigen Firmenlenkers im Maschinenbau, der darauf bestand, jede Entscheidung im familieneigenen Unternehmen selbst zu treffen, und mutig Preise festlegte – ohne Rücksicht auf Kalkulationen, sondern »wie das Orakel von Delphi«. Millionenteure Maschinen wurden so zu teils ruinösen Preisen verkauft, mit vorhersehbarem Ergebnis: Das Unternehmen musste Insolvenz anmelden. Das Management hatte bis zum Schluss nur hilflos die Achseln gezuckt.8 Tragisch ist der Fall des ratiopharm-Gründers Adolf Merckle, der sich im Januar 2009 nach dem Zusammenbruch seines Imperiums das Leben nahm. Sein Sohn Philipp Daniel Merckle erklärte einige Monate später gegenüber dem Spiegel, sein Vater habe ein »unüberschaubares Konzerngeflecht« geschaffen, das nicht mehr beherrschbar gewesen sei. Die Wirtschaftskrise habe den Zerfall »nur beschleunigt«. Auch hier gab es augenscheinlich kaum Gegenstimmen, denn über die Familie, die das Unternehmen führte, sagt der zweitälteste Sohn: »Es herrschte eine Kultur der Sprachlosigkeit.«9 Kommt Ihnen das bekannt vor? Auch in Stresssituationen (siehe Kapitel 1) war der Zusammenbruch der Kommunikation ein Faktor, der den Crash beschleunigte. Unternehmen mögen wegen »schlechter Zahlen« Insolvenz anmelden – sie scheitern jedoch ursächlich an ihrer destruktiven Kommunikationskultur, wie wir immer wieder sehen werden.