Kitabı oku: «Das verlorene Seelenheil», sayfa 8
Wenn du dies hier liest, bedeutet es wohl, dass du mir nicht vergeben konntest und ich habe es ehrlich gesagt auch nicht anders erwartet. Aber eines möchte ich dir dennoch versichern, bitte glaube mir, ich tat es letztendlich doch nur für dich! Dies soll keine Entschuldigung für mein Handeln sein, denn was ich dir damit angetan habe, lässt sich durch nichts entschuldigen. Ravio riet mir, also sein Geist, dir die Wahrheit zu sagen und dass ich auf deine Liebe zu mir vertrauen solle. Tja, wie es aussieht, lag er damit wohl doch daneben und mich gibt es nicht mehr in deinem Leben. Vielleicht hast du mich sogar hinrichten lassen? Ich weiß es zu diesem Zeitpunkt nicht und kann nur hoffen, dass du wenigstens Sybilla verschont hast und vergeben konntest, da sie nicht wirklich die Schuld an unserem Betrug an dir, trägt. Sie liebt dich wirklich und ich weiß selbst nicht, weshalb sie mir verfiel. Sie bezeichnete mich danach als einen Incubus und wer weiß, vielleicht bin ich ja tatsächlich eines von diesen Höllengeschöpfen und auch deine Liebe zu mir entstand nur deshalb, weil du den Verführungskünsten eines Dämons zum Opfer fielst.
Du sagtest so oft zu mir, dass du mich lieben würdest, aber nun bezweifle ich es doch immer mehr und vor allem zweifle ich an mir und an dem, was ich wirklich bin. Oh Henry, es gibt noch so vieles, was ich dir noch hätte sagen wollen, über mich! Stattdessen sitze ich nun da und schreibe dir diese Zeilen, in der Nacht, die ich wohl Zeit meines Lebens nie vergessen werde. Es ist diese Nacht, in der wir unser Bündnis mit unserem Blut besiegelten und ich schreibe dies auch mit meinem Blut nieder. Zum einen, weil ich keine Tinte habe und zum anderen, weil ich es möchte. Es stammt zwar aus meiner Handwunde, aber es fühlt sich für mich an, als wäre es mein Herzblut!
Ja, dieses Kind, Sybillas Kind, ist von mir und ich muss dir gestehen, dass ich mich anfangs auch in sie verliebt hatte, dachte ich zumindest. Aber ich bin eben nur ein dummes Ding, ich muss jetzt ein klein wenig schmunzeln über unseren lieben alten Sebastian und doch hatte er recht damit! Ich war so dumm! Und erst jetzt, hoffentlich ist es noch nicht zu spät, erkenne ich, wie sehr ich dich inzwischen liebe. Ich glaube es begann schon in Averna, nur wollte ich es da wohl noch nicht wahrhaben, du kennst ja meine Sturheit und ich bereue auch dieses, zutiefst! Was habe ich dir nur angetan, in all der Zeit, in der du mir stets nur mit deiner Liebe entgegengekommen bist! Ich kann es leider nicht rückgängig machen, aber ich kann nun mit Gewissheit sagen, dass du dich schon damals erfolgreich in mein kleines Herz geschlichen hast und es inzwischen geschafft hast, alle anderen daraus zu vertreiben!
Mein Herz gehört nur noch dir allein, das musst du mir glauben!
Und wenn ich dich auch betrogen habe, dieses Kind will ich dir schenken, von ganzem Herzen und als Beweis meiner Liebe zu dir! Denn Gott wird dir niemals deinen langersehnten Erben schenken, ich weiß, das ist jetzt wirklich zynisch von mir! Bitte, vergib mir, es tut mir so leid und ich sagte es dir vorhin bereits, du wirst nie eigene Nachkommen haben können aber vielleicht wirst du diesem Kind irgendwann wenigstens ein klein wenig von der Liebe schenken können, die du mir entgegengebracht hast.
Ich muss weinen, verzeih die verwischten Flecken…
So, jetzt geht es wieder, hoffe ich wenigstens, wie du weißt, bin ich eine schlimme Heulsuse und wie oft hast du dich darüber beschwert, weil dir mein ständiges Geheule auf die Nerven ging!
Naja, jetzt bist du mich ja los und ich kann nur hoffen, dass du ohne mich glücklicher bist. Ich wünsche es dir wirklich!!! Mit wem auch immer, von mir aus sogar mit Benny, werde glücklich, Henry!
Während ich dies hier schreibe, schläfst du tief und fest und wirkst so zufrieden. Es sieht fast so aus, als würde ein glückliches Lächeln deine Mundwinkel umspielen und ich werde dich gleich darauf küssen, weil ich gar nicht anders kann!
Dein dich liebendes Kätzchen
Henry ließ den Brief sinken, schloss die Augen und eine Flutwelle an Tränen ergoss sich über sein Gesicht.
Nach einer Weile stand er auf, löschte die Kerzen und verließ das Gemach wieder, mit dem Schwur, es nie wieder zu betreten. Dieser Raum sollte fortan das Grabmal seiner verlorenen Liebe sein.
***
Amanoue streckte sich und blinzelte über seinen gebeugten Arm zu seinem ersten Stammkunden hoch. Der Mann strich ihm gerade mit den Fingerrücken über die Wirbelsäule entlang, bis zum Steiß. „Du bist geradezu unvorstellbar schön und ich bin immer auf der Suche nach schönen Menschen. Möchtest du mir nicht mal Modell stehen? Mein Name ist Rafael und ich bin ein recht angesehener Künstler hier im Land. Ich habe kürzlich einen größeren Auftrag erhalten und du wärst das richtige Vorbild dafür“, sagte er und musterte ihn nochmals eingehend, bevor er aufstand um sich anzukleiden.
Auch Amanoue rutschte aus dem Bett, trat zum Waschtisch und begann sich ungeniert zu säubern. Er hatte längst wieder jegliches Schamgefühl abgelegt und war ohne weiteres in sein altes Leben als Lustknabe zurückgeglitten. „Verdient man als Modell gut?“, fragte er und wischte sich mit einem feuchten Lappen über die Innenseiten seiner Schenkel.
„Zumindest besser, als hier“, meinte sein Kunde lächelnd. „Und, es ist bei weitem sicherer! Als männliche Hure erwischt zu werden, bedeutet den Scheiterhaufen! Aber als Muse eines Künstlers würde man dir sogar Respekt entgegenbringen. Du siehst, es hätte also nur Vorteile für dich, wenn du mein Angebot annimmst! Wir müssten allerdings schon morgen beginnen, da das Bildnis bis Ostern fertig sein soll.“
„Was ist das für ein Auftrag?“, fragte Amanoue ohne allzu großes Interesse und hockte sich über die Waschschüssel.
„Es soll ein Heiligenbild werden, zu Ehren der Taufe des Thronfolgers. Ein Triptychon, das ist ein dreiteiliges Altarbild. In der Mitte die heilige Jungfrau mit ihrem Kind, flankiert von zwei Engelsbildnissen“, erklärte der Mann und Amanoue sah ihn überrascht an. „Du würdest den perfekten rechten Engel abgeben, obwohl du auch für die Jungfrau selbst wie geschaffen wärst“, meinte er etwas zynisch und Amanoue schnaubte lachend.
„Da wäre ich wohl eher für die andere die richtige Wahl! Wie hieß sie noch gleisch? Maria Magdalena?“, raunte er spöttisch und Rafael lachte derb auf.
„Auch wieder wahr! Die heilige Hure“, spottete er zurück und kniff gleichzeitig grübelnd die Augen zusammen. „Dein Gesicht ist wahrlich wunderschön, beinahe zu schön, für diese Welt! Was macht eine solche Schönheit wie du, in so einer heruntergekommenen Absteige? Wie kommst du hier her und woher stammst du? Du sprichst beinahe Akzentfrei unsere Sprache aber dein Aussehen ist eher orientalisch anmutend.“
Amanoue hielt mit seiner Waschung inne und erhob sich. „Ich komme von Nirgendwo her und bin nur sufällig hier gelandet“, antwortete er achselzuckend und warf den Lappen auf den kleinen Tisch.
„Dann bist du einer vom fahrenden Volk?“, fragte Rafael erstaunt und Amanoue sah ihn nachdenklich an.
„Ihr meint, ob isch eine Sigeuner bin? Ja, vielleischd, bin auch ich eine von diese heimatlose Vertriebene und nur eine Staubkorn, die die Wind aus einer Laune heraus hierher geweht `at, hat“, sinnierte Amanoue versonnen. „Ich habe keine Heimat, sumindest nischd mehr“, meinte er dann bestimmt und Rafael nickte verstehend.
„Es ist mir auch gleich, woher du kommst. Alles was für mich zählt ist dein überaus hübsches Aussehen! Dein wundervoll vollkommener Körper und dein engelhaftes Gesicht sind viel zu schade, um sich hier zu verstecken! Lass mich dich malen und alle Welt Anteil an deiner Schönheit haben lassen! Was sagst du?“, rief er begeistert aus und Amanoue schnaufte grübelnd durch.
„Habt Ihr eine Badewanne?“, fragte er, der Maler nahm stutzend den Kopf zurück und nickte. „Gut! Wenn ich vorher ein ausgiebiges Bad nehmen kann, komme ich mit Euch!“, schlug Amanoue ein und schlüpfte in sein Hemd.
Und so stand er am darauffolgenden Morgen pünktlich in dem Künstleratelier. Während ein Diener das Bad für ihn vorbereitete, sah er sich in dem großzügigen Raum um. Er betrachtete eingehend die Werke und blieb schließlich vor dem unfertigen Triptychon stehen. Der linke Engel war bereits vollendet, ein schöner geflügelter Mann, blond und blauäugig, in goldener Rüstung und einem leuchtenden erhobenen Schwert, blickte ermahnend auf ihn herab. Zu dessen Füßen wanden sich wie in unsäglicher Pein allerlei kriechendes Getier, Schlangen und seltsame Fabeltiere mit hässlichen Fratzen schienen sich selbst zu fressen und auch nackte Menschen streckten mit greinenden Gesichtern flehend die Hände nach dem himmlischen Wesen aus, um dem lodernden Höllenfeuer unter ihnen zu entkommen.
Das Bild in der Mitte war hingegen voller Trost für den Betrachter. Die Madonna, eingehüllt in einem hellblauen Mantel, hielt ihr süßes Kindlein beschützend in ihren Händen und obwohl sie noch kein Antlitz besaß, strahlte das Werk jetzt schon so viel mütterliche Fürsorge aus, dass Amanoue unwillkürlich leicht lächelte.
„Gefällt es dir?“, fragte Rafael und Amanoue drehte sich zu ihm um.
„Es ist riesig!“, entkam es ihm überwältigt nickend.
„Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“, meinte der Künstler lachend und nickte ebenfalls. „Es muss ja auch so groß sein, immerhin soll es ja den neuen Altarraum schmücken, den die Königsfamilie aus Dankbarkeit gestiftet hat!“
„Wofür sollte es doch gleich wieder sein?“, fragte Amanoue stirnrunzelnd.
„Als Dank, dass unserem König ein Thronerbe geschenkt wurde! Das Königspaar hat für die Taufe des Kronprinzen eine neue Ausschmückung ihres Altarraumes gespendet“, antwortete Rafael erklärend und Amanoues Miene wurde immer stutziger.
„Was für eine Thronerbe? Ist die Kind nischd gestorben?“, fragte er verdutzt nach und Rafael schüttelte erstaunt den Kopf.
„Nein, wie kommst du darauf? Ah“, meinte er dann allerdings erkennend, „du verwechselst da sicher etwas! Das Kind des Herzogspaares, Wilhelms und Hildegundes Sohn verstarb leider im letzten Jahr ganz plötzlich! Das Königshaus war voller Trauer darüber und deshalb hatte seine Majestät auch alle Festlichkeiten absagen lassen, aus Respekt und tiefem Mitgefühl für seinen geliebten Bruder“, erklärte er. „Zu Ostern soll nun aber die Taufe des kleinen Heinrichs stattfinden und die Königin ist so froh über dessen Geburt, dass sie sich sogar für eine Weile aus Dankbarkeit in ein Kloster zurückzuziehen gedenkt, um Gott zu preisen und zu dienen“, sagte er tief beeindruckt, was bei Amanoues nur zu noch mehr Verwirrung führte.
„Die kleine `einrisch? Isch glaube, isch verstehe hier wirklisch nischds mehr“, nuschelte er nur und winkte gleich wieder ab. „Na egal, isch, ich, finde es jedenfalls sehr schön und puh, auch eine wenig beeindruckend“, er drehte sich wieder zum Bild um und deutete auf den Engel. „Wie der einen ansieht, da könnte man eschd sofort eine schlechte Gewissen kriegen“, meinte er, instinktiv den Kopf einziehend. „Auf alle Fälle, habt Ihr damit aber die Geschmack von seine Majestät su hundert Prosent getroffen! Isch kenne da nämlich jemanden, der sieht dem da verdammt ähnlisch“, rutschte es ihm, dabei an Satory denkend, heraus. „Da stand Euch nischd sufällig eine gewisse Hauptmann Satorius Modell?“
Rafael blinzelt erst einmal irritiert. „Nun, ja, also ich muss gestehen, dass ich mich in der Tat von einem Hauptmann der Königsgarde habe inspirieren lassen, den ich kürzlich bei einer Audienz sah. Allerdings malte ich es aus dem Gedächtnis heraus, äh, woher kennst du ihn?“, fragte er durcheinander.
Amanoue zuckte nur die Achseln. „Sagen wir, ich kenne ihn einfach, ja? Und belassen es dabei“, erwiderte er, was einen erahnenden Ausdruck in Rafaels Mimik brachte. Ein regelrechts „Aaah!“, stand unausgesprochen in seinem Gesicht geschrieben und er nickte wohlweißlich. „Tja, und ich soll dann also die andere Engel werden?“, fragte Amanoue fast amüsiert nach und musste unweigerlich den Kopf darüber schütteln.
„Ja, genauso ist es!“, antwortete Rafael entschlossen.
„Warum hat die Jungfrau noch keine Gesicht?“, wollte Amanoue grübelnd wissen und Rafael seufzte hinter ihm auf.
„Ich habe ehrlich gesagt noch kein wirklich, wie soll ich es nennen, würdiges Antlitz dafür gefunden“, gab er ehrlich zu und räusperte sich leise. Amanoues Augenbrauen schnellten nach oben und er sah sich augenblicklich zu dem Künstler um. „Dein Gesicht, wäre wie erschaffen dafür“, meinte der beinahe entschuldigend und jetzt hätte Amanoue wirklich am liebsten gelacht. „Natürlich werde ich es leicht abwandeln, ihm noch weiblichere Züge verleihen, mütterliche, verstehst du?“
Amanoue musste sich abwenden und nickte nur. `Na, wenn IHN das mal nicht umhaut, Satory links, ich rechts und in der Mitte die heilige Jungfrau mit meinem Gesicht´, dachte er zynisch. Allerdings konnte er sich auch ein kleines Grinsen bei dem Gedanken daran nicht länger verkneifen und er musste sich eingestehen, dass er auch ein paar kleine, süße Rachegelüste dabei verspürte. „Seid Ihr Euch da wirklich sicher?“, fragte er dennoch sehr skeptisch und schlenderte zurück in die Wohnräume des Ateliers.
„Ja, selbstverständlich! Sonst wärst du ja nicht hier und umso länger ich dich betrachte, je sicherer werde ich mir“, antwortete Rafael, der ihm gefolgt war.
Amanoue zog sich aus und stieg in die Wanne. „Aah, das tut gut“, seufzte er, als er in das heiße Wasser glitt und erschauderte dabei wohlig, da sich in den letzten Wochen mittlerweile ein unangenehm juckender Schweiß und Fettfilm auf seiner Haut gebildet hatte. „Endlisch wieder eine Bad!“
„Warum suchst du nicht das öffentliche Bad auf? Es ist an mehreren Tagen im Monat auch für das gemeine Volk zugänglich und sogar umsonst“, meinte Rafael und setzte sich auf einen Hocker.
„Wirklisch? Das wusste ich gar nischd, aber, hm, nein! Lieber nischd, die ledsde Besuch dort hat mir gereischd“, erwiderte Amanoue nachdenklich murmelnd. „Tja, um nochmal auf vorhin surücksukommen, gut, ich willige ein, Ihr dürft mich malen! Aber ich lege alle Verantwortung in Eure Hände, es ist allein Eure Entscheidung“, sagte er, beide Hände abwehrend hebend.
„Ja, sicher doch! Ich verstehe deinen Einwand nicht ganz, was meinst du damit?“, hakte Rafael sofort erstaunt nach.
„Naja“, raunte Amanoue, seine Fingernägel kritisch betrachtend, „es könnte ja auch sein, dass Euer Gemälde ein klein wenig su viel Aufsehen erregen wird, aber isch wasche meine Hände in Unschuld“, antwortete er mit einem diabolischen Lächeln auf den zauberhaften Lippen und tauchte vollends unter.
„Das hoffe ich doch, dass es Aufsehen erregen wird“, meinte Rafael verständnislos. „So etwas wünscht sich schließlich jeder Künstler!“
Allerdings konnte er nicht mit dem rechnen, was das Bildnis tatsächlich auslösen würde. Es geriet zu einem regelrechten Skandal und das in mehrerlei Hinsicht…
***
Henry war froh, als die Audienzen vorüber waren. Entgegen Gregorius` Rat war er am Montagmorgen trotz einer schlaflosen Nacht, wie immer frühzeitig aufgestanden und war seinen Pflichten als König nachgekommen. Den ganzen Tag hatte er sich nichts anmerken lassen und auch den beiden Herzögen gegenüber immer wieder beteuert, dass es ihm gutginge.
Sobald der letzte Bittsteller fort war, lehnte er sich durchschnaufend zurück und schloss für einen Moment die müden, geröteten Augen. „Laurin, würdest du mich in meine Gemächer geleiten?“, fragte er sichtlich erschöpft und sein Page stand umgehend auf.
„Selbstverständlich, Eure Majestät“, flötete der zurück und reichte ihm sogleich eine helfende Hand.
„Wir werden dich ebenfalls begleiten“, raunte Richard mit einem besorgten Blick auf seinen Neffen.
„Unsinn, mir geht es gut“, lehnte der aber fast mürrisch ab, während sich beide Herzöge erhoben.
„Dir geht es nicht gut“, murrte Wilhelm verständnislos und Henry sah zu ihm auf.
„Mir, geht, es, gut!“, wiederholte er seine Worte nochmals mit Nachdruck, ergriff Laurins Hand und ließ sich aufhelfen.
„Das sieht man! Du kannst dich kaum noch auf den Beinen halten“, warf Richard ihm wieder vor und trat neben ihn. „Lass mich dir wenigstens die Treppe hochhelfen!“
„Fass mich ja nicht an! Verdammt, ich habe vergangene Nacht lediglich schlecht geschlafen und bin einfach nur hundemüde“, zischte der König seinen Onkel wütend an und straffte sich. Tief durchschnaufend ließ er Laurins Hand los und marschierte stolzen Hauptes davon. Sein Page warf den anderen beiden noch einen bedauernden Blick zu und eilte ihm nach.
„Er gefällt mir gar nicht“, brummte Wilhelm.
„Meinst du mir? Dieser verdammte Sturkopf!“, schimpfte Onkel Richard und beide blickten sie ihrem geliebten König hilflos hinterher, wie der tapfer die Treppe hochstieg.
Oben angekommen, blieb er allerdings kurz stehen und wankte bedrohlich vor und zurück. Die zwei Gardisten hinter ihm ließen beide ihre Hellebarden fallen und streckten schon in Erwartung den König auffangen zu müssen ihre Hände aus, doch Henry fing sich gerade noch und hielt sich stattdessen wieder an Laurin fest. „Eure Majestät!“, entkam es dem erschrocken, wobei er Mühe hatte, dessen Gewicht auf seiner Schulter zu stemmen. „Holt Gregorius! Sofort, ihr zwei Idioten“, schrie der Page die Wachen an und tatsächlich drehte sich einer von ihnen um und rannte so schnell er konnte wieder die Steinstufen hinab.
„Majesté, wenn Ihr erlaubt“, sagte der andere so sanft, dass Henry sich erstaunt umsah. Bernard streckte vorsichtig die Hand aus und der König nickte zustimmend. Ohne ein weiteres Wort trat der Savoyer neben ihn und legte stützend seinen kräftigen Arm um dessen Taille. Beinahe mühelos führte er Henry bis in dessen Gemächer und ließ ihn auf eine der Liegen niedersinken.
„Danke, seine Majestät braucht dich nicht mehr“, entließ ihn Laurin dermaßen hochnäsig, dass Bernard gerade deshalb stur stehenblieb und nur eine leichte Verbeugung andeutend, einen Schritt zurücktrat.
„Hast du mich nicht verstanden, Savoyer?“, blies der Giftzwerg sich noch mehr auf und Bernard sah ihn gelassen an.
„Ich bin ja nicht taub, aber ich nehme keine Befehle von einem Pagen entgegen, Lothringer“, erwiderte er lässig lächelnd.
„Schon gut“, mischte Henry sich dazwischen. „Ihr könnt gehen, beide! Laurin, lass Kai zu mir kommen und Ihr Leutnant, nehmt Euren Mund nicht so voll, in meiner Gegenwart!“, blaffte er beide an.
Der Gardist schien zwar im ersten Moment leicht verunsichert, verbeugte sich dann aber nochmals und marschierte hinaus, während Laurin geradezu unterwürfig die Augen niederschlug. „Eure Majestät, soll ich nicht warten, bis Gregorius hier ist?“, fragte er besorgt, wobei er allerdings nur seinem Kontrahenten von eben eins auswischen wollte.
Der König nickte tatsächlich dankbar zu ihm hoch und Laurin strahlte ihn an. „Schenke mir doch bitte einen Becher Wein ein“, sagte Henry und der Kleine beeilte sich dem nachzukommen.
Gleich darauf kam der Heiler herein und musterte Henry kurz auf seine vorwurfsvolle Weise. „Es geht mir gut, Herrschaftszeiten“, brummte der ihn sofort an. „Ich bin auf der Treppe ein wenig ins Wanken geraten, mehr nicht!“
„Eure Majestät, diese Schwächeanfälle, auch wenn Ihr sie als `klein´ bezeichnet, machen mir ernsthaft Sorgen!“, erwiderte Gregorius und beugte sich vor. Er befühlte Henrys Stirn und Wangen und setzte sich unaufgefordert neben ihn. „Darf ich Euren Puls fühlen?“ Da er zu Henrys linker Seite saß, reichte der ihm auch diesen Arm und der Heiler schob den Ärmel zurück. „Leider bräuchte ich die andere“, meinte er, leise seufzend auf den Armreif blickend. Allerdings ließ er Henrys Hand nicht los und so sah der ihn fragend an. „Eure Majestät, warum macht Ihr es Euch so schwer?“
Henry zog fast ein wenig zu heftig seine Hand zurück und hielt ihm die andere hin. „Laurin, hatte ich dich nicht gebeten, nach Kai schicken zu lassen?“, brachte er nur noch krächzend heraus. „Geh!“
Der Junge deutete nur widerwillig eine Verbeugung an und stapfte mürrisch hinaus. „Und?“, fragte Gregorius sanft und Henry fiel weinend in seine Arme. „Oh, Eure Majestät“, entkam es dem Heiler voller Mitgefühl und er drückte den König fest an sich.
„Niemand versteht mich wirklich“, klagte der sein Leid und schmiegte sich regelrecht an Gregorius. „Alle sagen mir nur immer wieder, dass ich ihn vergessen soll oder, dass ich ihn besser gleich hätte umbringen lassen sollen, aber ich kann ihn einfach nicht vergessen“, wimmerte er schluchzend. „Ich weiß doch selbst, dass ich mich wie ein Idiot aufführe, aber ich bekomme ihn einfach nicht aus meinem Kopf. Nachts liege ich wach und denke unentwegt an ihn und wenn ich mal schlafe, dann träume ich nur von ihm! Ich weiß ja nicht einmal, was aus ihm geworden ist oder wo er ist! Nichts, nicht die kleinste Nachricht oder irgendeine Botschaft, über seinen Verbleib, hat er mir hinterlassen. Er ist einfach gegangen“, schluchzte er verzweifelt. „Ich war noch einmal drüben, in seinem Gemach und dort fand ich einen Brief, den er allerdings schon vor Monaten geschrieben haben muss, mit seinem Geständnis! Er bat mich um Verzeihung, so als hätte er da alles schon geahnt, also noch vor der Geburt seines Balgs!“, wimmerte Henry weiter und setzte sich wieder zurück. „Ich weiß nicht, ob ich ihm jemals vergeben werde können, aber eines weiß ich mit Sicherheit, vergessen kann ich ihn nicht. Ich möchte doch nur wissen, wo er ist. Warum schrieb er mir diesen Brief, in dem er mir sogar seine Liebe beteuerte und jetzt keine einzige Zeile? Er hat nichts mitgenommen, gar nichts und dies schmerzt mich umso mehr“, sagte er den Kopf bitter schüttelnd.
„Es tut mir so leid für Euch, Eure Majestät und glaubt mir, wenn ich es könnte, würde ich alles dafür tun, um Euer Leid zu mindern. Ich habe mich inzwischen sogar heftig mit Marius zerstritten, deswegen, deinetwegen“, sagte Gregorius leise und tief bekümmert.
Henry sah ihn beinahe staunend an und der Heiler nickte leicht. „Er weiß auch nichts, über Amanoues Verbleib oder will es mir nicht sagen. Ich war daraufhin sogar drüben im Wachgebäude, aber auch dort konnte mir keiner weiterhelfen. Man sagte mir nur, dass er wohl bis vor kurzem noch dort gelebt hätte, nun aber fort wäre. Benedicto selbst sagte mir, dass Amanoue noch am gleichen Tage Eures Ausrittes seine Sachen zusammengepackt hätte und seitdem spurlos verschwunden wäre. Ohne jeden Hinweis und ohne sich von seinen Freunden zu verabschieden. Brac wäre seitdem untröstlich darüber und hätte eine Mordswut auf ihn, was er seitdem in reichlich Bier zu ertränken versuche. Ihr seht also selbst, Eure Majestät, Amanoue hat allem Anschein nach wirklich alles hinter sich gelassen und…“ Gregorius senkte betrübt den Blick, „er ist einfach auf und davon! Und glaubt mir, auch mich schmerzt dies zutiefst, aber nicht nur, weil ich mich von ihm enttäuscht fühle, sondern vor allem, wegen… dir“, kam es nur noch mühsam über seine Lippen.
„Warum?“, fragte Henry halb erstickt.
„Weil ich dich liebe“, antwortete Gregorius und erstickte vollends jedes weitere Wort mit einem innigen Kuss. Henry wehrte sich nicht, anfangs einfach nur, weil er schlichtweg zu baff war, doch dann erwiderte er den Kuss voller Leidenschaft. Als er auch noch begann, an Gregorius` Kleidern zu zerren, schob der ihn jedoch energisch von sich. „Nicht, Eure Majestät, man hat uns schon einmal beinahe erwischt“, sagte er ermahnend.
„Na und? Ist mir in diesem Moment einfach nur gleich“, murmelte Henry zurück und schnappte wieder küssend nach ihm.
„Nein! Nein“, wiederholte Gregorius sanfter und hielt ihn an den Handgelenken fest. „Glaube mir, ich will es ebenso, ich will dich! Aber Eure Majestät dürfen sich keinen weiteren Fauxpas erlauben! Euer Page kann jeden Moment zurückkommen!“
„Ist mir Scheißegal!“, widersprach Henry erneut trotzig und erhaschte einen weiteren Kuss. Dabei knabberte er so bettelnd sehnsüchtig an Gregorius` Lippen, dass der nur noch seufzen konnte.
„Henry“, wisperte er derart verlangend zwischen zwei Küssen zurück und der König rang regelrecht nach Luft.
„Ich will es, ich, will, dich! Bitte, ich brauche es, dich“, raunte er so innig, dass der Heiler ihn nur wieder an sich ziehen konnte und ihre Lippen erneut miteinander verschmolzen.
„Und was wird aus Laurin?“, keuchte Gregorius wieder ermahnend auf und dieses Mal schob Henry ihn zurück.
„Warte!“, unterbrach er das leidenschaftliche Spiel ihrer Zungen und stand auf. Er hob kurz einen Zeigefinger, was Gregorius zum Schmunzeln brachte und eilte zur Tür, die er regelrecht aufriss.
„Lasst keinen mehr durch!“, befahl der König energisch und die Wachen salutierten. „Niemanden! Ich möchte bis morgenfrüh nicht gestört werden, von keinem! Ist das klar?! Und“, er sah beide eindringlich an, „niemand ist mehr bei mir!“
Erneut salutierten die Wachen und neigten verständig ihre Häupter. Henry verschloss die Türe wieder und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. „Nun, mein Heiler, es ist Zeit für eine ausgiebige Massage, ab ins Schlafzimmer mit Euch und wehe, wenn Ihr nicht genau da weiter macht, wo wir damals unterbrochen wurden“, raunte er erwartungsvoll.
Gregorius´ Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. „Es ist mir eine Ehre, Eure Majestät und, ich werde mir außerordentliche Mühe geben! Stets zu Euren Diensten“, sagte er mit einem rauen Unterton, nahm sich die Kappe vom Kopf und schüttelte seine schwarze Lockenmähne aus.
***
Am gleichen Tag erreichte endlich auch Sebastian Kais Nachricht und der öffnete diese sogleich. Die ganze Zeit über hatte er nichts vom Königshof gehört und alle seine Briefe an Henry waren unbeantwortet geblieben. Gut, er hatte es bislang auf den harten Winter geschoben, aber dass er nun einen Brief von Kai in seinen Händen hielt, erstaunte ihn doch und noch mehr, was er darin las:
„Mein lieber Sebastian!
Ich hoffe, es geht dir gut und du hast den strengen Winter gesund überstanden, denn eines vorneweg, du musst unbedingt zurückkommen! Bitte, Sebastian, ich würde dich nicht darum bitten, wenn es nicht wirklich dringend wäre! Du kannst dir nicht vorstellen, was hier los war und noch immer ist! Ich kann dir leider nicht Näheres dazu schreiben, aber ich nehme an, dass du es auch so ahnst, was ich damit meine!!! ER, hat sein Kätzchen verloren und dies ist noch bei weitem nicht alles, was sich in den letzten Monaten ereignete!
Darum bitte ich dich nochmals, nach Hause zu kommen! ER braucht dich mehr denn je und ich auch, mit den allerliebsten Grüßen,
dein Kai, in der Hoffnung, dass du bald diese Zeilen erhältst.“
Sebastian ließ den Brief sinken und schloss vor Bestürzung die Augen. Was hatte das zu bedeuten? War Amanoue etwa tot? Das Geschwür! Oh nein…
Der alte Mann schluchzte leise auf, bei dem Gedanken daran und innerlich zerriss es ihn schier, weil er sich noch immer diese schlimmen Vorwürfe machte. Er hatte ihn allein gelassen…
Und Henry auch! Wie schlimm musste es für den erst gewesen sein, wenn es schon sein eigenes Herz vor Schmerz zerbersten ließ. Deshalb kam also keine Nachricht!
Sebastian rollte den Brief zusammen, stand auf und packte noch am gleichen Tag alles Nötige für die Reise zusammen.