Kitabı oku: «Es war einmal ein Prinz», sayfa 4

Yazı tipi:

VIER

Die Bibliothek des Sommerhauses war ganz in Leder und dunklem Holz gehalten. Sie hatte eine Terrasse, und von dieser aus beobachtete Nathaniel, wie sich langsam das dünne Licht der Dämmerung über die Insel senkte. Er schob seine Hände in die seidenen Taschen seines maßgeschneiderten Smokings. Der Horizont erinnerte ihn an das lila und goldene Licht der Abende in Brighton. Es hieß, ein Mann, der in der Dämmerung eines Sommerabends auf dem Gipfel des Mount Braelor stand, könne den Himmel über Brighton berühren, sein Schicksal einfangen und sein Glück machen.

Nathaniels Schicksal – und auch sein Glück – waren vorbestimmt. Auf dem „Berg“ des Hauses Stratton. Durch den in Marmor gemeißelten Stammbaum. Von Zeit zu Zeit überkam ihn ein Anflug von Platzangst. Aber diese paar Tage in Georgia hatten sein Herz etwas geöffnet. Hier an dieser heißen Küste zu stehen, erinnerte ihn daran, dass die Welt ein grandioser, fruchtbarer Ort war. Es ließ ihn glauben, dass alles möglich war. Beispielsweise wahre Liebe zu finden. Oder seine Bestimmung vollständig zu akzeptieren.

Nathaniel kehrte in die Bibliothek zurück und verschloss die Terrassentüren hinter sich. Er überflog die Dokumente und Berichte, die auf dem Schreibtisch seines Ur-Urgroßvaters ausgebreitet waren. So viel Juristerei und Amtssprache, mit dem er sich auseinandersetzen musste.

„Bist du soweit?“ Jonathan trat in die Bibliothek und schlüpfte in seine Smokingjacke. „Liam fährt den Wagen vor.“

„Hast du meine Rede ausgedruckt?“ Nathaniel sortierte die Dokumente in Mappen, stapelte sie ordentlich aufeinander und legte sie auf den Schreibtisch.

Jonathan kam zu ihm herüber und hielt ihm das Papier hin. „Ich habe sie quergelesen. Gut gemacht. Das wird Mrs. Butler gefallen.“

„Sie sagte, sie wollte, nur ein paar Worte‘. Etwas darüber, dass Urgroßvater sich so für den Ausbau und die Modernisierung des örtlichen Krankenhauses eingesetzt hat.“ Als Urgroßvater St. Simons zu seinem Sommerdomizil erkoren hatte, hatte er dem Krankenhaus ansehnliche Summen gespendet. Wie Nathaniels Großvater und Vater nach ihm.

Nathaniel ging um den Schreibtisch herum und überflog die Worte, die er mit Jonathans Hilfe verfasst hatte.

Wir sind geehrt, meinen Vater, den König und das gesamte Königreich Brighton hier und heute zu repräsentieren …

… stiften einen Flügel des Krankenhaus zu seinen Ehren … bitte akzeptieren Sie unsere Spende als die Früchte unserer guten Absichten und Gesundheit …

Er konnte den Worten in seinem Kopf zuhören. Seine Worte. Aber mit ihrem Akzent. Susannas. Ein singender Tonfall, voller Süße.

Das schöne Mädchen von der Liebeseiche. Drei Tage waren vergangen, seitdem er ihr geholfen hatte, das Rad zu wechseln, und sie schlich sich immer noch unerwartet in seine Gedanken.

Wie jetzt, als er seine Rede noch einmal las. Oder als er am Strand laufen war. Oder in den Momenten kurz vor dem Einschlafen.

„Bist du auf etwas Interessantes gestoßen?“

Nathaniel richtete seine Aufmerksamkeit auf Jonathan, der an den Tisch getreten war und den Stapel betrachtete, durch den sich Nathaniel gearbeitet hatte.

„Nur das, was wir sowieso schon wussten. Das Großherzogtum Hessenberg erlangt die Unabhängigkeit von Brighton, wenn wir einen königlichen Erben dafür auftun.“ Im Moment erschien Nathaniel die Aufgabe, einen verschollenen Hessenbergerben zu finden, der Suche nach der wahren Liebe nicht unähnlich. Unmöglich. „Andernfalls wird das Großherzogtum zu einer Provinz von Brighton.“ Diese Tatsache schürte die Angst in Nathaniels Herzen. Als jemand, dessen Schicksal schon vor seiner Geburt festgestanden hatte, hatte er volles Mitgefühl mit Hessenberg. Es verdiente seine Unabhängigkeit, wenn es nur irgendwie machbar war.

Freiheit, Unabhängigkeit, war von unermesslichem Wert. Gar nicht zu reden von der Beziehung zwischen den beiden Ländern, die inzwischen sehr der von zwei streitenden Geschwistern ähnelte. Immer öfter gerieten sie aneinander. Und im Laufe des letzten Jahrzehnts waren Hessenbergs wirtschaftliche Schwierigkeiten zu einem greifbaren Problem für Brighton geworden.

Sie konnten es sich nicht länger leisten, Hessenberg weiter finanziell auszuhelfen. Aber die Bedingungen des Erblehens waren eisern. Erbe oder Provinz.

„Ich kann mir nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, König Nathaniel I. zu sein oder Prinz Franz … Eine Vereinbarung auszuhandeln, während der Krieg sich immer deutlicher abzeichnete, mit den königlichen Cousins ein diplomatisches Tänzchen über Europa zu tanzen … mit dem Kaiser, König George V., Zar Nicolas II.“ Jonathan blätterte durch die Kopie des Erblehens. „Russland knickt ein, Deutschland droht, die südlichen und nördlichen Häfen Hessenbergs sind Angriffen ungeschützt ausgeliefert.“

„Welche Wahl hat sich Franz denn gelassen? Er hatte Hessenbergs Vermögen und Ressourcen verprasst mit seinem Lebenswandel und gleichzeitig versucht, mit seinen wilden Erfindungen den industriellen Fortschritt zu bringen. Dieses Auto, das er da gebaut hat, Starfire 89, das war wirklich nur etwas für Könige. Für die normalen Leute völlig unbezahlbar.“

„Jetzt ist der Wagen Millionen wert … wenn dann mal einer zu kaufen ist.“

Jonathan klappte die Dokumentenmappe zu und legte sie wieder auf den Schreibtisch. „Diese ganze Sache wird nicht gerade einfacher dadurch, dass Franz möglicherweise gar nicht lesen konnte.“ Er sah auf seine Uhr. „Liam wollte den Wagen vorfahren. Bist du so weit?“

„Ja, ja, lass uns fahren.“ Nathaniel klopfte seine Jacke ab. Wo hatte er seine Notizen eben hingesteckt? Ah, in seiner Brusttasche. „Ich beneide sie nicht gerade darum, im Schatten des Krieges eine Vereinbarung zu entwerfen. Noch dazu eine, die die Aufgabe von Land, Autorität und allen Rechten auf den Thron von Hessenberg verlangte, um die Brightons Souveränität zu gewährleisten.“

„Dann sei dankbar dafür, dass du das Ende der Vereinbarung vor dir hast und nicht den Anfang.“

„Das Ende tröstet mich nun auch nicht gerade.“ Nathaniel legte die Hand auf den Stapel aus Dokumenten und Tagebüchern, als er am Schreibtisch vorbeiging. „Ich dachte, meine größte Aufgabe sei es, die wahre Liebe zu finden.“

Selbst wenn sich Vaters Gesundheitszustand stabilisieren sollte, war es mehr als wahrscheinlich, dass Hessenberg eine Provinz von Brighton sein würde, wenn Nate König wäre. Seit sechzig Jahren hatte man nichts von einem Erbe des Hauses Augustine-Sachsen gehört hatte.

„Liebe? Ah, du suchst nach einer Frau, die in der Lage ist, gleichermaßen die Königin deines Herzens und deines Landes zu sein? Um dafür zu sorgen, dass das Haus Stratton weiterlebt?“

„Du verspottest mich, mein Freund.“ Nathaniel klopfte ihm auf die Schulter, als er an ihm vorbei durch die Tür ging.

„Dich verspotten? Nein, ich beneide dich. Es gibt eine ganze Reihe Kandidatinnen, aus der du dir deine Herzkönigin aussuchen kannst.“

„Die meine Krone wollen, nicht mein Herz.“

„Von denen Lady Genevieve die Unbedeutendste ist.“ Jonathans Tonfall war neckend, herausfordernd.

„Ich seh schon, es war dumm von mir, das Thema Liebe aufs Tapet zu bringen. Können wir jetzt einfach mit dem Abend weitermachen?“

Draußen in der Auffahrt stand Liam in seinem dunklen Anzug und Sonnenbrille wartend neben dem Wagen. Er sah aus wie eine Figur in einem Film. Das war einer der Gründe, warum Nathaniel den ehemaligen Major der Sondereinsatzkräfte mochte. Er sah so sehr danach aus, dass man kaum glauben konnte, dass er wirklich ein königlicher Sicherheitsbeamter war.

Auf dem Weg zu Mrs. Butler schwieg Nathaniel nachdenklich, während sie durch das rosige Abendlicht fuhren, das durch die Blätter der mächtigen Eichen fiel, die die Straße säumten. All das Reden über seine Vorfahren und das Abkommen von 1914 befeuerte die Zweifel, die ihm in den Knochen saßen. War dieser Ruf, König von Brighton zu sein, eine menschliche oder eine göttliche Idee?

Welche Wahl hatte er? Welche Wahl hatte Gott? Nathaniel war der Sohn eines Königs, der der Sohn eines Königs war, der wiederum der Sohn eines Königs war … und so ging es weiter, fünfhundert Jahre in die Vergangenheit.

Und was war mit Vaters Gesundheitszustand, der sich immer weiter verschlechterte? Würde er König werden, bevor er überhaupt bereit dafür war?

Und als wären seine Gedanken noch nicht wirr genug, tauchte sie auf einmal darin auf.

Susanna.

Jon blickte forschend auf den Beifahrersitz. „Weißtduwas? Vergiss das Abkommen. Ich glaube, du hast recht. Deine größte Herausforderung ist wirklich, eine Frau zu finden. Du und Prinz Stephen, ihr seid die Hoffnung des Hauses Stratton.“

Hatte er seine Gedanken irgendwie über den Äther geschickt? „Ich würde mich lieber weiter durch das Abkommen wühlen.“ Er wollte heiraten. Aber nicht, weil das zur Stellenbeschreibung eines Kronprinzen gehörte.

Er wollte aus Liebe heiraten.

Susanna blieb in seinen Gedanken, bis er das Bild, das er sich von ihr gemacht hatte, einfing und es in seinen Gedanken ganz nach unten schob. Von ihr zu träumen war komplette Zeitverschwendung. Er würde mehr Glück dabei haben, einen Erben für den Thron von Hessenberg zu finden, als Susanna Truitt zu heiraten.

Aber er wollte sie sehr gerne wiedersehen, er sehnte sich regelrecht danach. So sehr sogar, dass Jon am Sonntag gefragt hatte, warum er so ein Gesicht mache. Nathaniel hatte es schnell auf Sodbrennen wegen zu viel Pizza geschoben.

Am Sonntag war er zweimal fünf Meilen gelaufen – morgens und abends – um sich von ihr abzulenken. Warum sollte er an etwas denken, was so ganz und gar jenseits des Machbaren lag?

Als er dann heute versuchte, den Text des 99 Jahre alten Abkommens zu lesen, rebellierte sein Verstand. Er weigerte sich schlichtweg, ein weiteres „Infolgedessen“ und „bis dato“ anzunehmen, um von einer Frau mit tiefblauen Augen und einem Lächeln zu träumen, das sein Herz blendete.

Er war in Geschäftsdingen seines Vaters auf diese Insel gekommen und um ein bisschen auszuspannen. Nicht mehr, nicht weniger. Romantik überhaupt in Erwägung zu ziehen war unklug.

Weil sein Name, seine Bestimmung, alles, was mit ihm zu tun hatte, dem König und dem Königreich Brighton gehörte.

Bis hin zu seinem Herzschlag.

FÜNF

Um halb sieben schlüpfte Susanna in das schwarze Etuikleid, das sie – samt einem passenden Paar Schuhe – für Hochzeiten und Militärbälle im Schrank hatte.

Schwarz. Wie passend. Nachdem sie herausgefunden hatte, dass sie so schnell wohl kein weißes Kleid tragen würde, erschien ihr ein eleganter Abend ganz in schwarz, in Gesellschaft der Elite des südlichen Georgia, fast ironisch. Aber sie beschloss, das Ganze eher als einen therapeutischen Ansatz zu betrachten.

Sie bekämpfte einen Anflug von Traurigkeit, als sie sich im Badezimmer ihrem Spiegelbild entgegenlehnte. „Du wirst darüber hinwegkommen. Adam hat nur das gemacht, was du schon lange hättest tun sollen – er hat die Wahrheit gesagt.“

Aber zwölf Jahre? Bäh. In ihrem Magen formte sich ein Knoten, der allerlei saure Bedenken absonderte. Warum war sie still geblieben, obwohl sie tief in ihrem Inneren … ganz tief in ihrem Inneren Bescheid gewusst hatte? Sie stellte ihre Integrität und ihr Urteilsvermögen infrage. Ihren Mut.

Aber sie hatte sich von der Aussicht auf ein sicheres Leben an der Seite des kontrollierten und ehrbaren Adam Peters blenden lassen. Natürlich hatten auch sie ihre Auseinandersetzungen und Konflikte gehabt, aber am Ende war er immer ihre sichere und verlässliche Zukunft gewesen. Jemand, auf den sie sich verlassen konnte.

Ein Hupen in der Einfahrt teilte ihr mit, dass die Zeit zum Nachdenken vorbei war. Sie schnappte sich ihre silbrige Clutch von der Frisierkommode und stopfte eilig einen Zwanzig-Dollar-Schein, einen Lippenstift und ihr Handy hinein.

Zeit, auszugehen – und weiterzugehen.

Gage empfing sie an der Haustür mit einem Blumenstrauß in der Hand, den er ihr mit einem unbeholfenen „Hier“ entgegenstreckte.

„Oh-okay.“ Ihre Hand zitterte, als sie die Plastikfolie umschloss. Das Adrenalin und jegliche Hoffnung, schnell über Adam hinwegzukommen, ließen schlagartig nach. Sie fühlte sich schwach und sehr nah am Wasser gebaut. „Gage, ich … danke dir.“

Das ganze Thema Blumen kaufen, schenken, geschenkt bekommen war mit Adam immer eine heikle Geschichte gewesen. Gage wusste das, oder jedenfalls hatte er das vor einiger Zeit einmal gewusst. Damals hatte er sich auf Susannas Seite gestellt, als Adam auf Heimaturlaub war.

„Schenk der Dame mal ein paar Blumen, Adam.“

Der geradlinige Marine betrachtete Blumen als Geldverschwendung. In aller Regel sah Susanna das ja auch ein. Außer an Jahrestagen, Geburtstagen und am Valentinstag. Besonders, weil er die meiste Zeit der letzten sechs Jahre im Ausland verbracht hatte. Bis auf einen einzigen hatte er ihre letzten sieben Geburtstage verpasst.

„Ja, also, vergiss es einfach. Ich hab sie bei Publix gesehen. Die orangenen Blumen gefielen mir. Hör zu …“ Gage machte eine Kopfbewegung zum Auto hin und bot ihr seinen Arm an. „Heute Abend sollten wir folgendermaßen vorgehen –“

„Gage, warte mal, vielleicht solltest du doch ohne mich dorthin gehen.“ Susanna ging zurück ins Haus und legte das Bouquet auf ein Beistelltischchen neben der Tür. Sie konnte das nicht bringen … Sie brachte es einfach nicht … Die ganze Insel wusste Bescheid.

Den richtigen Ring gefunden, aber nicht die richtige Frau.

„Jetzt komm schon, Suz. Lass uns diesen Auftrag gewinnen. Dieser Krankenhausflügel wird uns ein Jahr lang solide schwarze Zahlen schreiben lassen.“

„Uns?“

„Ja, uns. Die Firma.“ Er bot ihr einmal mehr den Arm an, aber Susanna ging alleine die Treppe hinunter. So gut er in seinem schwarzen Smoking und mit seinem sorgfältig frisierten Haar auch aussah, war Gage doch einfach nur ihr Chef. Einfach nur ihr Freund.

Bei den Butlers reihte sich Gage ein, um das Auto einem dienstbaren Geist zu überlassen. Er überprüfte sein Aussehen im Rückspiegel und wandte sich Susanna zu, bevor er die Autoschlüssel einem Mann in roter Uniform übergab.

„Einschmeicheln, Honig ums Maul schmieren, umgarnen. Das ist die Strategie für heute Abend. Ach, und die Veranstaltungsmanagerin hat mir gesagt, dass die Mitglieder des Krankenhauskomitees Anstecknadeln mit roten Schleifen tragen werden.“

„Die Veranstaltungsmanagerin?“ Susanna öffnete die Autotür.

„Mit einem Abendessen und einer Fuhre Komplimente kann man ganz schön viel in Erfahrung bringen.“

„Gage, es ist ein Auftrag. Verkauf deine Seele nicht dafür.“

„Wir brauchen diesen Auftrag, Susanna. Wir. Brauchen. Diesen. Auftrag.“

Das Herrenhaus der Butlers war schön. Es war aus alten Flusssteinen gebaut, und das Foyer war ganz in Marmor gehalten. Ein Kristalllüster hing über der handgearbeiteten Mahagonitreppe und Damastgardinen zierten die sechs Meter hohen Fenster.

Susanna war vor vielen Jahren schon einmal im Haus gewesen, als Mrs. Butler sie eingeladen hatte, bei den „Debütantinnen“ mitzumachen, einer Hilfsorganisation. Jedes Jahr im Frühling pflanzten sie Blumen auf der ganzen Insel und hielten an einem Samstagabend einen Abschlussball mit einem jeweils passenden Motto.

Aber die Opulenz und der marmorne Reichtum des Herrenhauses, die Anmut und der offenkundige Wohlstand der anderen Bewerberinnen für die Debütantinnen hatten Susanna schnell wieder zu sich kommen lassen. Zu ihren Wurzeln. Dorthin, wo sie hingehörte … ins Volleyballteam der Schule und zum Kellnern ins Rib Shack, wo ihr Surfbrett an der Außenwand der Küche lehnte.

Dann, im gleichen Sommer, war Adam mit seinen Eltern zum Abendessen ins Rib Shack gekommen. Die Eltern waren irgendwann gegangen, aber Adam hatte auf dem Parkplatz auf Susanna gewartet, um sie ins Kino einzuladen.

„Lasst das Schmeicheln beginnen!“ Gage führte sie in den Ballsaal, in dem es nur so wimmelte von Smokings und paillettenbesetzten Kleidern, die über einem schimmernden Tanzboden aus Walnussholz glitzerten.

Warme Luft umhüllte Susanna. Sie wollte am liebsten sofort wieder gehen. Ein vorübereilender Diener gab ihr ein Glas Wein, und sie trat weiter hinein in die aristokratische Welt Georgias. Beinahe sehnte sie sich nach ihrem Surfbrett und einem Hauch Barbecue.

Als sie eine Frau mit einer Schleife am Träger sah, atmete Susanna tief ein und arbeitete sich durch die Menschenmenge zu ihr vor. Lasst das Schmeicheln beginnen.

„Hallo“, sagte Susanna. Sie waren zu dritt … in Kleider gezwängt, die zu eng und zu tief ausgeschnitten waren.

„Hi“, antworteten die anderen und warfen ihr einen kurzen Blick zu.

„Glaubt ihr wirklich, dass er kommt?“, frage eine füllige Blondine in einem blauen trägerlosen Kleid, das ihre sehr sichtbaren Vorzüge kaum verhüllte. „Carlene Butler behauptet schon seit Nixons Zeiten, sie habe königliche Wurzeln. Aber ich habe noch nie den kleinsten Beweis dafür gesehen.“ Die Frau trank den Rest ihres Weins und leckte sich die Lippen. „Nicht den kleinsten.“

„Nicht nur königliche Wurzeln, Süße. Sie ist mit der königlichen Familie verwandt.“ Die Brünette mit der roten Schleife unterdrückte ein Kichern. „Ich kann mir schon denken, was die Royals zu Carlene Butlers Ansprüchen zu sagen haben.“

„Jetzt reißt euch aber mal zusammen, ihr alle!“ Die Rüge kam von einer Frau mit leuchtend roten Haaren und einem kanariengelben Kleid. „Carlene ist eine tolle, aufrechte Frau. Behaltet euren Tratsch für euch, bis wir wissen, ob er hier ist oder nicht.“

Er – wer? Susanna stellte ihren Wein auf ein Tablett mit leeren Weingläsern, das gerade an ihr vorbeischwebte. Das Letzte, was ihr verletztes Herz jetzt gebrauchen konnte, war Rebensaft. Sie brauchte ihre Sinne bei sich.

Der Rotschopf reckte seinen Kopf zu Susanna hin: „Bist du nicht Glo Truitts Tochter?“

„Ja, Ma’am.“

„Liz Cane.“ Sie nahm ihr Weinglas in die linke Hand und bot Susanna die rechte an. „Erinnerst du dich an mich? Ich bin mit deiner Tante Jen befreundet. Das hier sind Cybil und Babe.“ Die Blondine und die Brünette. „Egal, meine Liebe. Es tut mir so leid für dich.“ Die Frau presste ihre Hand auf Susannas Arm. „Dieser Peters gehört erschossen.“

Holla die Waldfee. Scham und Verlegenheit trieben Susanna den Schweiß auf die Stirn.

„Warum? Was hat er getan?“ In Babes Augen glitzerte die Gier nach Tratsch, als sie näher an Susanna heranrückte.

„Nichts“, sagte Susanna. Das ging sie nichts an. Aber sie war dankbar, dass wenigstens eine Person auf der Insel anscheinend noch nichts von ihrem Kummer gehört hatte.

„Er hat ihr gesagt, dass er den richtigen Ring gefunden hat, aber nicht die richtige Frau.“

Cybil und Babe japsten gleichzeitig nach Luft und wichen zurück, die Hände in einer dramatischen Geste aufs Herz gelegt.

„Das hat er nicht.“ Cybils Augen hätten vor lauter Schock kaum größer werden können. „Wie in aller Welt kann es sein, dass du nicht komplett außer dir bist?“

„Ach du meine Güte. Ich wäre hinüber … völlig hinüber.“ Babe betrachtete Susanna, als könnte sie vielleicht irgendwo einen Riss entdecken, der anzeigte, dass sie kurz davor war, aus dem Leim zu gehen. „Ist das nicht der hochdekorierte Marine, der Kriegsheld und all das?“

„Er war einfach nur ehrlich“, platzte Susanna mit dem Geständnis heraus. Im selben Moment wünschte sie sich, sie hätte nichts gesagt, weil es zu Nachfragen einlud. Sie wollte sich wegen des Krankenhausflügels bei der Lady mit der roten Schleife einschleimen. Nicht ihr kaputtes Liebesleben diskutieren.

„Ehrlich?“, höhnte Cybil und hielt eine Servierkraft an, um sie mit einer weiteren Runde Wein zu versorgen. Sie nahm zwei Gläser und gab eins an Babe weiter. „Es gibt ehrlich, Schätzchen, und es gibt brutal.“

„Aber ich bin nicht die richtige Frau.“ Hör auf zu reden, Susanna. Diese Frauen waren ihre Bekenntnisse nicht wert. Sie waren Fremde mit einem ausgeprägten Hang zum Voyeurismus. „Babe, Sie sind im Komitee für den Krankenhausflügel?“

„Versuch es gar nicht erst, Süße. Wir wissen, dass du für Gage Stone arbeitest.“ Babe sah sie über den Rand ihres Weinglases an. „Was denkt der sich eigentlich dabei, dich hierherzuschleppen, um uns in den Hintern zu kriechen, während du in einer solchen Liebestragödie steckst.“

Meine Herren. Na gut. Kein Honig um Babes hübsches Schnütchen. Susanna sah sich nach Gage um und entdeckte ihn schließlich an der Seite einer majestätischen Frau mit silbernem Haar, die ein elegantes cremefarbenes Kleid trug. Carlene Butler. Er fing ihren Blick auf und winkte sie zu sich herüber.

„Bitte entschuldigen Sie mich.“ Susanna schob sich durch die dichte Menge. Es konnten sich kaum weniger als dreihundert Menschen in diesem kleinen Ballsaal befinden. „Entschuldigung.“ Sie hielt die Luft an und zog den Bauch ein, während sie versuchte, sich durch die Ansammlungen kleiner Frauengrüppchen zu drängen.

Wieso rückten die denn noch enger zusammen, anstatt ihr Platz zu machen?

„Lassen Sie mich doch bitte einfach hier durch …“ Sie lächelte Hinterköpfe an. Passierte da irgendetwas Interessantes am Eingang? Jeder einzelne der Körper strahlte so viel Wärme ab. Susanna fühlte sich langsam, als könne sie keinen einzigen richtigen Atemzug mehr tun.

Muss … hier … raus.

„Er ist hier.“

„Wo?“

„Ist er das?“

„Ach du liebes …“

In ihrem Kopf dröhnte das Flüstern. Wer war hier? Endlich ergab sich eine kleine Öffnung inmitten der Smokings und Kleider. Susanna kam in einer kleinen kühlen Schneise heraus, als gerade drei dunkelhaarige Männer mit einer greifbaren Aura der Autorität die Gäste zurückweichen ließen. Susanna wurde aus ihrer Schneise heraus wieder in die flüsternde Hitze hineingeschoben.

„Er ist es nicht.“

„Oh, wie schade. Bist du sicher?“

„Wahnsinn, er ist es wirklich. Großer Gott, er ist hier.“

Ja, nun, sie jedenfalls war draußen. Vergiss Gage und die Schmeicheleien, Susanna brauchte frische Luft. Es war nicht nur der überfüllte heiße Ballsaal, es war das ganze Leben, das sich auf sie stürzte und ihr die Luft nahm. Als ihr Handy in ihrer Clutch klingelte, war es die perfekte Ausrede, sich fürs Erste aus dem Staub zu machen.

„Entschuldigung. Bitte entschuldigen Sie mich.“ Susanna schlug sich nach Osten zum Ausgang des Ballsaals durch und ließ den geheimnisvollen Gast und die Menschenmenge hinter sich. Außerdem hatten die besonderen Gäste alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sodass vorläufig sowieso jegliches Einschmeicheln zum Erliegen gekommen war.

Gage hätte sein Abendessen und seine Komplimente besser darauf verwendet, die Veranstaltungsmanagerin nach dem Überraschungsgast auszufragen. Aber so, wie sie ihn kannte, interessierten ihn nur die Namen der wichtigen Entscheidungsträger im Komitee für den Bau des Krankenhausflügels.

„Hallo?“ Ihre Stimme hallte durch das hohe, kuppelüberspannte Foyer, als sie den Ballsaal verließ. Ihre Absätze klackerten auf dem polierten Boden.

„Suzy, wo – wo bist du?“ Avery.

„Ich bin mit Gage unterwegs. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung bei den Butlers. Aves, geht’s dir gut?“ Susanna trat durch die Haustür in die diesige rosa Nacht. Ihre Schwester war 17, athletisch, schlau, beliebt und ein bisschen verwöhnt, aber der Unterton in ihrer Stimme klang nach mehr als der üblichen Teenagerdramatik.

„Was ist passiert?“

„Es geht um Daddy. Er hat in der Küche gearbeitet … und auf einmal lag er auf dem Boden und hielt sich den Arm.“

„Ruf den Notarzt!“

„Das hat Catfish schon gemacht, aber Suz, Daddy sagt, er will nicht ins Krankenhaus, und Mama ist nicht hier.“

„Erinnere ihn daran, dass sie früher oder später zurückkommen wird.“

„Daddy.“ Averys Stimme klang dumpf. „Suzy sagt, Mama kommt sowieso früher oder später nach Hause.“

Susanna konnte ihren Vater im Hintergrund reden hören.

„Okay, er sagt, er fährt mit.“ Avery klang sehr erleichtert.

„Ruf mich an, wenn ihr im Krankenwagen seid. Ich mache mich auf den Weg zum Krankenhaus.“ Sie kehrte um und ging zum massiven doppeltürigen Eingangsportal der Butlers. Sie musste Gage finden.

„Suz, ich habe Angst.“

„Es wird alles gut werden, Avery. Die Sanitäter werden sich um ihn kümmern. Bleib einfach ruhig.“

„Mach ich. Aber bitte, bitte bete.“

Susanna lehnte sich gegen eine der Säulen des Portals und konzentrierte ihre Gedanken. Ihr Gebet war kurz, kam aber voller Kraft aus der Tiefe ihres Herzens. Mach Daddy gesund.

Durch das Telefon hörte sie Averys Weinen und das Tatütata des Krankenwagens.

„Sie sind hier.“

„Dann fahr mit. Sei bei Daddy. Ich treffe euch im Krankenhaus.“

Als Susanna das Foyer wieder betrat, klatschten die Gäste gerade und versuchten, an das Stirnende des Raumes zu kommen.

Gut, Gage, wo bist du?

Ihr Lächeln ließ die Gesichter der Gäste warm aufleuchten und ihr ursprünglich zweifelndes Flüstern war nun voller Überzeugung.

„Kannst du das glauben? Und das hier auf St. Simons Island.“

„So eine wunderbare Rede.“

„Kurz und auf den Punkt. Genau wie ich es mag.“ Das Kreischen einer Rückkopplung zerschnitt die Luft und ließ die Gäste mit viel „Oh“ und „Ah“ zurückweichen.

„In 15 Minuten wird das Abendessen serviert. Bitte begeben Sie sich in das Speisezimmer.“

Susanna drängte sich durch die Menschenmenge bis dorthin vor, wo sie Gage zuletzt gesehen hatte. Die Gäste drängten sich in den schmalen Türen zum Speisezimmer. In diesem Durcheinander würde sie ihn nie finden.

Sie versuchte, Gage auf dem Handy anzurufen, aber schon nach dem ersten Klingeln sprang die Mailbox an.

Warte. Denkfehler. Gages Auto und die Autoschlüssel waren doch bei der Parkaufsicht. Der Wachmann würde ihren Notfall sicher verstehen und den Wagen vorfahren.

Als sie sich unvermittelt umgedreht hatte, machte Susanna genau einen Schritt, bevor sie in einen Mann hineinrannte.

„Entschuldigung, tut mir leid, aber ich muss wirklich ganz schnell –“

„Susanna?“

Sie sah hinauf in das kantige Gesicht von Nate Kenneth. „Nate? Hallo. Was machen Sie denn hier?“

„Das Gleiche könnte ich Sie fragen.“ Er lächelte und verbeugte sich leicht. Eine Art Stromschlag fuhr ihr durch den Bauch. „Ich bin hier, um die Finanzierung des neuen Krankenhausflügels zu unterstützen.“

„Ich bin mit meinem Chef hier. Er versucht, den Auftrag für die Erweiterung an Land zu ziehen.“ Sie warf einen Blick zurück in den Ballsaal. Letzte Chance, Gage zu finden, bevor sie sich seinen Wagen auslieh. Er würde wahnsinnig wütend werden, aber wenn er herausfand, was passiert war, hätte er sicher Verständnis. Vollstes Verständnis. Oder? Gut, mal davon abgesehen, dass sein Auto seine erste und einzige große Liebe war.

„Sie sehen besorgt aus.“

„Ich muss ins Krankenhaus.“ Komm schon, Gage. Wo bist du? Ich leih mir mal schnell dein Auto. „Meine Schwester hat angerufen …“ Sie sah Nate an, und seine ruhige Aufmerksamkeit ließ ihre Knie weich werden. „Mein Vater …“

„Wieso stehen Sie dann noch hier? Auf geht’s, sehen wir zu, dass wir Sie ins Krankenhaus schaffen. Kommen Sie.“ Er knöpfte seine Smokingjacke auf und bot ihr die Hand an. „Ich fahre Sie.“

„Nein, nein. Darum kann ich Sie wirklich nicht bitten, Nate. Danke.“ Sie sah sich noch einmal um. „Ich kann das Auto von meinem Chef nehmen. Wenn der Sicherheitsmann seinen Autoschlüssel herausrückt.“

„Mein Auto steht genau da drüben.“ Er schnappte sich ihre Hand, ohne auf ihre Antwort zu warten, und zog sie in einen dämmerigen, schmalen Flur, während er sein Mobiltelefon aus der Tasche holte. „Liam, fahr den Wagen vor. Eine Freundin braucht eine Fahrt ins Krankenhaus.“

„Nate, ich kann Sie nicht von diesem Abendessen hier wegholen.“ Sie musste sich beeilen, um mit seinen langen Schritten mithalten zu können. „Haben Sie mitbekommen, dass ein königlicher Ehrengast erwartet wird?“ Sie blieb mit dem Absatz im tiefen Flor des Teppichs hängen und fiel gegen seinen Arm.

Er hielt an. „Ein königlicher Ehrengast?“

„Ja. Das haben jedenfalls die Kunstfaser-Tanten behauptet. Irgendeine königliche Verwandschaft von Mrs. Butler.“

Er ging weiter. „Was glauben Sie, von wem sie wohl gesprochen haben?“

„Ich weiß es nicht … Hey“, sagte sie leise. „Sie sind doch aus Brighton. Wäre es nicht lustig, wenn Sie der Ehrengast wären?“

„Ein echter Schenkelklopfer. Sollen wir zusehen, dass wir ins Krankenhaus kommen?“

„Ich hab mich sowieso noch nie für Königshäuser interessiert. Wer heiratet schon einen Prinzen, außer Kate Middleton, meine ich?“

„Ganz genau.“

Nate führte sie durch eine Tür unter der Treppe, und sie kamen in einer eingebauten Garage heraus.

„Eine geheime Garage?“ Luxuslimousinen standen aufgereiht vor den verschlossenen Garagentoren. Ein Bediensteter hastete auf sie zu.

„Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?“

„Öffnen Sie bitte schnell das Tor. Wir müssen ins Krankenhaus.“

„Ja, Sir.“

„Nate, sind Sie sicher … Wie ist denn Ihr Auto hier hineingekommen?“

„Ah, da ist ja Liam.“

Ein Schrank von einem Mann mit einer sehr stämmigen Erscheinung, der sich in seinem Smoking sichtlich unwohl fühlte, marschierte auf sie zu.

„Gib Gas, Liam.“ Nate öffnete die Beifahrertür für Susanna, bevor er sich selbst auf den Rücksitz setzte.

Der große Mann sagte keine Silbe, während er den Wagen zügig rückwärts aus der Garage setzte. Als er den Vorwärtsgang einlegte, streifte er Susanna kurz mit einem Blick und fragte: „Southeast Medical?“

„Ja.“ Hinter ihr legte ihr Nate eine Hand auf die Schulter und lehnte sich in seinem Sicherheitsgurt so weit es ging nach vorne, um die Straße besser sehen zu können.

Der große Wagen donnerte vorwärts, während Liam ihn durch den Verkehr lenkte.

„Danke. Ihnen beiden.“ Sie hatte nur einen Moment lang Gelegenheit, um die Stimmung zwischen den beiden Männern zu erkunden. Es war, als ob der eine dem anderen diente. Aber ihr Telefon klingelte, bevor sie weitere Schlüsse ziehen konnte.

₺361,96