Kitabı oku: «Ich wünsche mir ... einen Prinzen», sayfa 2

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„Das Erntefest.“

„Das war’s. Wird das nicht spaßig? Das Ende der Erntezeit und der Beginn der Weihnachtszeit. Tschüss, Landwirtschaft und hallo, Jesu Geburt.“

Avery grinste. Keiner konnte uralte europäische Traditionen so auf Felder bestellen und Gebären herunterbrechen wie eine Frau aus Georgia.

Mama legte ihr den Arm um die Schultern. „Was sagst du, Kleine? Du und ich, ab nach Brighton. Dir wird ein Tapetenwechsel auch ganz guttun, würde ich sagen. Komm aus der Deckung, Aves. Schau dir an, wie der Rest der Welt so lebt. Mal eine neue Perspektive auf alles bekommen.“

Avery betrachtete ihre Mutter. Sie würde es ihr nicht abschlagen, nicht nach dem Jahr, das hinter ihr lag. Außerdem liebte sie die Weihnachtszeit in Brighton. Es war ungefähr der bezauberndste Ort der Welt – uralte Tradition, eine historische Architektur, die sich mit sterilen modernen Bauten mischte, schneebedeckte Hügel, über denen sich in mondlosen Nächten Sternenlicht und Meeresleuchten zu einem ätherischen Glanz um die grüne Nordseeinsel vereinten, die man als das Königreich Brighton kannte.

Aber da war immer noch die Angelegenheit mit ihm. Prinz Colin. Sie wollte nicht, dass das überhaupt noch eine Angelegenheit war, nicht nach viereinhalb Jahren, aber dem Ziehen in ihrem Herzen nach zu schließen, das sich jedes Mal einstellte, wenn nur jemand Brighton erwähnte, war es ganz eindeutig eine Angelegenheit.

Vor drei Jahren war Avery an Weihnachten in Brighton gewesen, aber Colin war mit der Marine auf See gewesen, also waren sie sich nicht begegnet.

„Na ja, ich gehe besser zurück an meine Kekse.“ Mama ging mit einer gewissen Leichtigkeit in ihrem Gang zurück zum Vorbereitungstisch und hielt dann inne. „Schau mich nur mal an.“ Sie hielt ihr die Hand hin. „Ich zittere. Ich bin noch nie ohne deinen Daddy verreist.“ Die Kommandeurin der USS Rib Shack zeigte Schwäche. Eine, die sie hinter der Liebe zu ihrem Ehemann versteckte, mit dem sie 34 Jahre lang verheiratet gewesen war.

Avery hatte schon immer vermutet, dass Glo Truitt es hasste, alleine zu sein.

„Ich werde bei dir sein, Mama“, sagte sie. „Mach dir keine Sorgen.“

„Natürlich, natürlich. Wer macht sich denn Sorgen?“ Aber ihr Blick sagte: Danke. „Catfish, Bristol, wir machen eine Lagebesprechung, wenn wir abgeschlossen haben.“ Mama wandte sich in Richtung ihres Büros. „Pass auf, Avery, mach du die Kekse. Ich muss mal telefonieren gehen.“

Jetzt stand Mama unter Strom. Aber auf eine gute Art. Eine Reise nach Brighton, Susanna besuchen, Cathedral City während der Feiertage erleben, all das ließ in Avery eine Kerze entflammen, die hell im Fenster ihrer Seele leuchtete.

Brighton, das bedeutete mehr als der dumme alte Prinz Colin. Genauer gesagt bedeutete der wunderbare Ort den Truitts sogar eine ganze Menge. Familie. Liebe. Das Unerwartete. Oh, besonders das Unerwartete.

Zuerst war da ihre Schwester, die sich in einen Prinzen verliebt hatte, der König wurde. Zeugin davon zu werden, wie sie inmitten von Glanz und Gloria den Mittelgang durchschritt, um den Mann zu heiraten, den sie liebte … Avery wusste, dass das Unmögliche nur von Zweifeln und Angst aufgehalten wurde.

Aber das wahrhaft Unerwartete in jenem Jahr war Prinz Colin gewesen, wie er sie für sich eingenommen, sie auf eine Art mitgerissen hatte, die sie nie für möglich gehalten hätte. Mit ihren siebzehn Jahren war sie Hals über Kopf verliebt gewesen, so richtig. Hätte er sie gefragt, sie hätte ihn geheiratet.

Am Vorbereitungstresen rollte Avery mehr Teig aus und griff nach dem Ausstecher, um die dicken, runden rohen Kekse dann lässig auf das Backblech zu werfen, eine vertraute, tröstliche Routine.

Brighton stand auch für unerwarteten Herzschmerz. Die Liebe, die sie für Colin empfunden hatte, hatte sich nicht wie Susannas Liebe für Nathaniel entwickelt.

Diese Weihnachten war es fünf Jahre her, dass sie ihn kennengelernt hatte, ihren Prinzen, den Cousin des Königs, als sie und Susanna zu Nathaniels Krönung in Brighton gewesen waren.

Dann waren sie fünf Monate lang junge Liebende gewesen. Nicht einmal die fünftausend Meilen zwischen ihnen hatten ihre Zuneigung mindern können. Über Nacht war er ihr bester Freund geworden.

An ihn zu denken weckte einen dumpfen Schmerz, und es irritierte sie, dass er nach all dieser Zeit immer noch etwas Macht über sie besaß. Aber sie musste über ihre Gefühle bestimmen.

Colin war seinen Lebensweg sicher weiter munter vorangeschritten. Sicher wusste sie das nicht, weil sie die Klatschblätter im Supermarkt mied und Susanna nie nach ihm fragte, aber er war ein zu guter Fang, um lange alleine zu bleiben.

Sie hatte gedacht, sie wäre ebenfalls weiter. Dennoch brachte der Gedanke, einen Monat – einen ganzen Monat – in Brighton zu verbringen, alles zurück.

Herr, bitte mach, dass die Marine ihn wieder zur See schickt.

Avery trug das Keksblech zum Backofen, stellte den Wecker und schob dann die Fliegengittertür auf. „Ich komme gleich wieder!“ Sie verließ die Terrasse und schlug den Pfad durch Pinien und Palmettopalmen zum Strand ein.

Das Mondlicht spiegelte sich auf dem ruhigen Ozean, neckte sie, lud sie ein, auf dem Wasser zu gehen. Wenn sie ihre Augen zusammenkniff, schien es ihr, als könnte sie dem weißen Weg nach Nordosten folgen, ganz bis nach Brighton.

Avery näherte sich dem Wasser, wo die Wellen ihre Füße umspielten, den Sand darunter wegspülten. Es wäre besser, sie würde ihr Herz in den Griff bekommen, ihre Gedanken, bevor sie fuhr. Sonst würde sie ganz schnell als ein einziges Häuflein Elend enden.

Aber für den Moment atmete sie aus und erlaubte ihren rohen, wahren Gefühlen, sich die Wahrheit einzugestehen. Die eine Sache, die sich nicht verändert hatte, seit Daddy gestorben war.

Sie war immer noch sehr in Prinz Colin aus dem Königreich Brighton verliebt.


Kapitel zwei

Königreich Brighton

Hinter der Bühne von Madeline & Hyacinth Live! nahm Prinz Colin einen letzten Schluck Wasser. Schweiß rann ihm in den Kragen seines Strickpullovers.

Er war schon auf einem Kriegsschiff durch Stürme gefahren und nicht annähernd so ängstlich gewesen. Denn wenn es darum ging, dem Sturm und den Wellen zu trotzen, kam es auf seine Männer an, seine Crew, dann waren alle Mann an Deck, wo jeder seinen Teil tat.

Bei der Maddie-und-Hy-Show blickten alle Augen auf ihn.

„Zwei Minuten, Eure Hoheit.“ Der Bühnenmanager machte ihm ein Zeichen mit der Hand.

„Bitte, ich bin nicht ,Eure Hoheit‘.“ Seine Stimme krächzte und brach, während der Bühnenmanager weiterging, ohne ihm zuzuhören. „Ich bin kein S.K.H“, murmelte Colin vor sich hin.

Wenn es schon sonst niemanden kümmerte, ihm war es wichtig. Es war eine Ehre, Seine Königliche Hoheit zu sein. Colins Status war der eines einfachen Prinzen. Ein Titel, für den sein Vater gekämpft und den er schließlich gewonnen hatte.

Als Mitglied der königlichen Familie von Brighton, der fünfte in der Anwartschaft auf den Thron des Hauses Stratton, war Colin mehr als bereit gewesen, seinen Teil zu tun, als sein Cousin, König Nathaniel II., ihn darum gebeten hatte, an diesem Nachmittag in der Talkshow aufzutreten.

Es gab in Brighton und im benachbarten Großherzogtum Hessenberg keine beliebteren Moderatorinnen als Madeline und Hyacinth. Die königliche Behörde behauptete, die Frauen seien voll am Puls der Populärkultur.

Colin war hier, um über die Weihnachtszeit und anstehende Veranstaltungen zu sprechen, unter denen ihm eine besonders wichtig war, doch im Konferenzraum seines Vaters oder beim Sport oder auf der Jagd oder auf See in einem königlichen Marineschiff fühlte er sich unendlich viel wohler, als wenn er die Familie im landesweiten Fernsehprogramm repräsentieren sollte.

In seiner Jacke summte sein Handy. Es war die Assistentin seines Vaters.

Ihr Vater sagt: „Hals- und Beinbruch!“

Colin atmete ein und dann grinsend ganz langsam wieder aus. Dad, ein echter Tycoon, besaß kein Mobiltelefon. Er arbeitete unermüdlich an einem iPad, aber SMS oder dergleichen schrieb er nicht. Wenn man mit Edward Tattersall Kontakt aufnehmen wollte, musste man sich schon auf die gute alte E-Mail beschränken.

Dads Stolz ermutigte und ängstigte Colin. Das Zutrauen seines Vaters hatte ihm dabei geholfen, das Mobbing im Gymnasium durchzustehen. Er hatte Colin beigebracht, wie man seinen Mann stand, wie man auch mal austeilte, zur Not mit Fäusten. Dads Führung hatte Colin durch die Universität und die Kadettenschule geleitet.

Dad war sein Held. Die eine einzige Person auf der Welt, die er nicht im Stich lassen durfte. Das verfolgte ihn.

Wäre Dad nicht, wäre Colin nicht einmal Teil der königlichen Familie. Was bedeutete, dass er dann auch nicht hier stehen und im Schweiß zerfließen würde. Das Königtum brachte seine ganz eigenen, äh, Privilegien mit sich.

„Fünf Sekunden, Prinz Colin“, sagte der Bühnenmanager im Vorbeigehen.

Colin wagte einen Blick auf die Bühne. Madeline und Hyacinth standen lächelnd der Kamera und dem recht großen Publikum gegenüber.

„Ladys und Gentlemen, wir freuen uns sehr auf unseren nächsten Gast.“

Colin fühlte sein Blut rauschen. Die Visagistin hechtete zu ihm, tupfte sein Gesicht ab und pinselte ihm durchsichtigen Puder ins Gesicht.

„Versuchen Sie bitte, nicht so viel zu schwitzen.“

„Ich tu mein Bestes.“

Aber er hatte da so seine Zweifel. Die Bühne lag im gleißenden Scheinwerferlicht. Und jedes Auge im Studio und in ganz Brighton würde sich auf ihn richten.

„Bitte schenken Sie unserem Gast, der heute zum ersten Mal hier ist …“

„Aber wir hoffen doch sehr, dass er uns von nun an öfter beehren wird!“

„… ein herzliches Willkommen, wie wir es von der Madeline & Hyacinth Live!-Show gewohnt sind!“

Er sprintete aus den Schatten ins blendend helle Licht, dem vorwiegend weiblichen Applaus, den Rufen und Pfiffen entgegen.

„Willkommen, willkommen!“ Erst Madeline, dann Hyacinth begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange.

Nur ein Schiff auf See, nur ein Schiff auf See … Colin saß zwischen den beiden Moderatorinnen in dem hohen Regiestuhl, zwang seine Nervosität beiseite und besann sich auf sein Selbstbewusstsein.

Sein Blick fiel auf sein Gesicht in einem der Monitore. Er lächelte. Und war zum Glück nicht schweißgebadet.

„Es ist so gut, Sie hier zu haben.“ Madeline stupste ihn mit ihren Notizen am Knie an. „Warum haben Sie denn so lange gebraucht, hier in die Show zu kommen?“

„Sie waren einfach zu vernarrt in Nathaniel und Stephen, aber ja, danke dass ich hier sein darf.“

Das Publikum lachte, und er atmete ein bisschen aus.

„Na, sieh mal einer an. Schön uns den schwarzen Peter zuschieben!“, sagte Hyacinth.

Mit den Händen auf den Armlehnen des Stuhls lehnte sich Colin zurück. Entspann dich, du bist ein gestandener Seemann. Ein Prinz in der Geschäftswelt, wenn schon nicht in diesem Königreich. Sein Vater würde sagen: „Du bist der Sohn deines Vaters!“

„Hört mal, wir wollen über all die tollen Sachen sprechen, die während der Vorweihnachtszeit im Palast und in der ganzen Stadt stattfinden werden.“ Madeline war die ernsthaftere der beiden Zirkusdirektorinnen hier.

„Wie zum Beispiel der Abend für die Kinder im Palast“, sagte Hyacinth. „Ihr Onkel, Prinz Aris, spielt den heiligen Nikolaus, stimmt’s?“

„Prinz Aris?“ Colin täuschte Überraschung vor. „Aber ganz und gar nicht. Wir wissen aus zuverlässigen Quellen, dass der echte Sankt Nikolaus im Palast nach den Kindern schauen wird.“ Er zwinkerte Hyacinth zu, die verschwörerisch nickte. „Aber ich werde auch da sein. Es macht Spaß, mit den Kindern Zeit zu verbringen.“

„Oh Maddie, ich glaube, mein Herz ist gerade dahingeschmolzen.“ Hyacinth, die mit der rauchigen Stimme und dem atemberaubenden Aussehen einer echten Diva gesegnet war, warf ihr langes Haar über die Schulter.

Colin brauchte keinen Monitor, der ihm bestätigte, dass er gerade royalrot angelaufen war.

„Hör auf, du machst ihn verlegen“, sagte Madeline. „Seit Ihr Cousin Prinz Stephen die amerikanische Milliardärstochter Corina Del Rey geheiratet hat, sind Sie der begehrteste Junggeselle des Landes.“

Madeline und Hyacinth waren regelrecht versessen darauf, den begehrtesten Junggesellen Brightons zu küren. „Ich weiß nicht, begehrtester Junggeselle …“

„Ich weiß, das ist ganz verkehrt“, sagte Madeline. „Sie sind mehr so … der begehrenswerteste Junggeselle.“

Jetzt lachte er. „Auf gar keinen Fall. Sie können gerne meine Mutter danach fragen, wie ordentlich ich nicht bin.“

„Na, Sie sind jederzeit herzlich willkommen, bei mir zu Hause ein Durcheinander zu veranstalten.“ Hyacinth wandte sich an die Kamera. „Aber werdet mir nicht zu aufgekratzt, meine Damen. Unser Prinz hier geht mit einer brightonschen Schauspielerin aus, der charmanten Lady Jordan Skye, deren letzte romantische Komödie Ein ganzes halbes Wir ein echter Blockbuster war.“

„Also, ist da Liebe im Spiel bei Ihnen beiden?“ Madeline runzelte die Stirn, so begierig war sie in ihrer Neugier.

Die königliche Behörde hatte ihn vorgewarnt, dass Madeline und Hyacinth gerne ans Eingemachte gingen.

„Wir verstehen uns sehr gut“, sagte er.

„Heirat?“

Ah, ja, hier kam nun also der sichtbare Schweiß. „Machen Sie mir etwa gerade einen Heiratsantrag, Hyacinth?“

Das Publikum schnappte nach Luft und brüllte dann, als sich Hyacinth mit geröteten Wangen zurücklehnte.

„Jetzt hat er dich, Hyacinth.“ Madeline hielt Colin die Hand zu einem high-five hin. „Er ist ein Fuchs, dieser Prinz. Also, lassen Sie uns über die großartigen Weihnachtstraditionen in Brighton sprechen, von denen viele hier in unserer Hauptstadt, Cathedral City, beheimatet sind.“

Die Moderatorinnen begaben sich auf bekannten, stabilen Grund. Ehe, das war für ihn ein heikles Thema. Mit Jordan hatte er noch nicht einmal ansatzweise darüber gesprochen. Was ihr ganz gut in den Kram zu passen schien. Immerhin war er erst 26. Sie war eben erst 28 geworden, und ihre Karriere nahm gerade so richtig Fahrt auf.

Wenn sie je heiraten sollten, hatten sie noch eine Menge Zeit.

„Weihnachten ist der königlichen Familie die liebste Zeit des Jahres“, sagte Colin, der es einfach fand, sich dazu vom Grund seines Herzens zu äußern. „Eine Zeit, die wir lieben, weil wir den Menschen etwas zurückgeben und alte Traditionen aufrechterhalten können.“

Am besten daran, zur königlichen Familie zu gehören, fand er seine Möglichkeiten, anderen helfen zu können. Stimme und Anwalt zu sein. „Wir wollen alle dazu ermuntern, zu allen öffentlichen Veranstaltungen zu kommen. Und wenn Sie selbst etwas in Ihrem Kiez oder Ihrer Nachbarschaft veranstalten, geben Sie bitte der königlichen Behörde Bescheid. Die wird es umgehend auf die Weihnachtsseite im Internet stellen.“

Madeline zeigte auf die grüne Wand hinter sich. „Hier ist eine Liste der anstehenden Veranstaltungen … Weihnachtsliedersingen auf dem Platz in der Innenstadt, am Sonntag ein weihnachtlicher Filmnachmittag und -abend im Königlichen Kino ,Zum Dämmerschuppen‘, Eintritt frei. Die Weihnachtsfeier im Palast für Kinder unter zehn Jahren … bitte melden Sie Ihre Kinder über Ihre jeweilige Schule an.“ Sie beugte sich zu Colin hinüber. „Und natürlich die Weihnachtssymphonie, von der wir wissen, dass es eine Tradition der Familie Tattersall ist.“

„Richtig.“

„Und der Höhepunkt, der Weihnachtsball am 28., die aufregendste und traurigste Nacht der Saison. Ein rauschendes Fest, aber gleichzeitig das Ende der Weihnachtszeit.“

„Aber dann geht es ab ins neue Jahr.“ Colin lächelte das Publikum an, ermunterte es, zu applaudieren. Neujahr war eine ruhige Zeit für die meisten Menschen in Brighton, nachdem alle Energie in die Weihnachtsfeierlichkeiten geflossen war. Die meisten Leute feierten eher im kleinen Kreise mit Freunden und Familie.

„Wir sind so gespannt, was das neue Jahr angeht“, sagte Hyacinth. „Denn wir dürfen die erste in Brighton live im Fernsehen ausgestrahlte Silvesterparty moderieren. Wir werden im Stadtzentrum in der Leopold Hall feiern, und es wird bestimmt bombig. Kommt bitte alle dorthin, und lasst uns das neue Jahr zusammen einläuten.“

„Aber die Hauptnachricht für heute ist Prinz Colins Organisation, der er gemeinsam mit Prinzessin Susanna vorsteht: ,Verdien-ein-Pfund-und-kauf-ein-Geschenk‘ heißt sie“, las Madeline vom Teleprompter ab. „Im Maritime Park werden Kinder ihre Kunstwerke verkaufen, um Geld für Weihnachtsgeschenke zu verdienen.“

Endlich ging es um den eigentlichen Grund, aus dem er seine Teilnahme an der Sendung zugesagt hatte. „Das ist eine wirklich wichtige Wohltätigkeitsveranstaltung. Studien haben bewiesen, dass Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Selbstbewusstsein entwickeln, wenn sie Geschenke mit Geld bezahlen können, das sie selbst erwirtschaftet haben. Deshalb veranstalten wir im Maritime Park einen Adventsbasar für Kinder, bei dem sie Dinge verkaufen können, die sie in der Nachmittagsbetreuung hergestellt haben, um Geschenkegeld für ihre Familien zu verdienen.“

Herzlicher Applaus brandete auf.

„Das klingt wirklich nach einer sehr guten Sache“, sagte Madeline. „Letztes Jahr haben Sie sehr erfolgreich einen Probelauf an einer Schule gemacht.“

„Ja, ganz genau. Dieses Jahr haben wir beschlossen, das auf die ganze Stadt auszudehnen. Nächstes Jahr wollen wir auch in andere Städte und Schulen gehen.“

„Das ist so toll. Was gefällt Ihnen an dem Markt am besten?“

„Die Gesichter der Kinder zu sehen, wenn sie am Ende des Tages ihr Geld zählen. Letztes Jahr hat ein Bub mit seinen geschickt gemachten Skateboards 500 Pfund verdient. Rupert. Den werde ich nie vergessen. Und für jedes Pfund, das eingenommen wird, legt unsere Familie ein Pfund obendrauf.“

„Wir werden jedenfalls am nächsten Wochenende auf dem Marktplatz sein, stimmt’s, Maddie?“ Hyacinth heizte die Zuschauer an, und sie reagierten darauf. Colin wäre am liebsten aufgestanden und hätte ihnen eine Predigt gehalten.

Darum geht es doch an Weihnachten!

„Natürlich eröffnen wir die Weihnachtssaison mit dem Erntefest“, sagte Hyacinth. „In Städten im ganzen Königreich wird es Tänze und Partys geben, bei denen wir uns vom Herbst und von der harten Arbeit der Erntezeit verabschieden, eine uralte Tradition in Brighton. Ich liebe diese Feierlichkeiten. Sie bilden den perfekten Auftakt für die Vorweihnachtszeit. Prinz Colin, wird die königliche Familie im Palast tanzen?“

„Natürlich. Das ist so Tradition. Ich freue mich schon darauf.“

„Wird Lady Jordan dort sein?“

Schlau. Madeline brachte das Gespräch wieder auf sein Privatleben. Er lachte, entspannte sich ein bisschen, kam hinter den Rhythmus dieser beiden erfahrenen Moderatorinnen. „Sie wird da sein.“

„Nun, wo wir das schon einmal festgestellt haben …“ Hyacinth griff nach einer Karte, die sie unter ihrem Bein versteckt hatte, und winkte damit. „Unser Team hat ein bisschen gegraben, und wir haben eine alte Tradition aufgetan, von der schon seit Jahren niemand mehr gesprochen hat. Ich erinnere mich ganz flüchtig daran, dass meine Oma sie einmal erwähnt hat.“ Sie sah das Publikum geradeheraus an. „Kennt hier vielleicht jemand die Tradition der Glocke von Pembroke Chapel?“

Diesmal fiel der Applaus deutlich spärlicher aus. Colin zog eine Grimasse und tat so, als würde ihn das alles nicht interessieren. Worauf wollte sie hinaus? Er kannte die alte Kapelle nämlich ziemlich gut.

Obwohl sie heute kaum noch eine Kapelle war – nach dem Zweiten Weltkrieg war nur der Glockenturm übrig geblieben. Die Überbleibsel befanden sich auf dem Rasen hinter dem Palast. Er war überrascht, dass Nathaniels Vater, Onkel Leo, den Schandfleck während seiner Regierungszeit nicht hatte abreißen lassen.

„Prinz Colin, kennen Sie diese Tradition? Sie betrifft Aristokraten und Adelige unseres Landes.“ Hyacinth wartete auf seine Antwort.

Er zuckte mit den Schultern. „Da war irgendetwas mit dem Läuten der Glocke um Mitternacht beim Erntefest.“

Wie auch immer die Tradition aussehen mochte, Colin und sein Kumpel hatten eine eigene Tradition im Pembroke Turm – Pfeifen und Pints um eine Minute nach Mitternacht. Sie entflohen Party und Parfüm, kurz bevor es zwölf schlug, schlichen sich zum Turm und erklommen vorsichtig die glitschigen Steinstufen.

Von dort aus sahen sie auf die Stadt hinunter, redeten über den Abend, über ihre Ziele, was das alte Jahr gebracht hatte und was das neue bringen mochte.

Aber die Glocke? Die mieden sie wie die Pest.

Madeline stand weiter zum Publikum gedreht und erzählte lebhaft und gefühlvoll. „Es heißt, die Glocke wurde 1734 zum ersten Mal von einem Prinzen für seine wahre Liebe geläutet. Hundert Jahre lang wurde die Tradition fortgesetzt.“

Hinter ihnen illustrierten künstlerische Darstellungen von Prinzen und Adligen, die den Glockenturm hinaufeilten, die Geschichte.

„Bis hin zu Prinz Michael im Jahre 1834. Er war in Lady Charlene verliebt und wählte die Tradition in der Nacht des Erntefestes, um seine Gefühle für sie zu verkünden. Um Mitternacht rannte er die 182 Stufen des Turms hinauf und läutete eine Minute nach zwölf, gerade als das Geläut der Kathedralen der Stadt verstummte, laut und lange die Glocke. Dann machte er sich auf, um seine wahre Liebe für sich zu gewinnen und am Weihnachtsmorgen in der Watchman Abbey zu heiraten.“

„Doch …“, Hyacinth nahm den Faden auf, „… er rutschte aus und stürzte in den Tod, den er auf dem kalten Steinboden der Kapelle fand. Sein Freund, Lord Paulson Wetherby, wurde Augenzeuge des Ganzen. Es heißt, er sei hinterher nie mehr derselbe gewesen.“

„Seither hat nie wieder ein Mann versucht, die Stufen zu erklimmen oder die Glocke zu läuten.“

Madeline und Hyacinth starrten Colin an.

„Schauen Sie nicht mich an.“ Er rutschte in seinem Stuhl herum. „Es hat schon seinen Grund, warum fast zweihundert Jahre lang keiner mehr diese Stufen hinaufgerannt ist. Den Tod von Prinz Michael nämlich.“

Madeline sah in die Kamera mit dem rot leuchtenden Licht. „Es ist Zeit, die Glocke wieder erklingen zu lassen. Gibt es einen mutigen Mann da draußen, der sich den 182 Stufen stellt? Um das Herz seiner wahren Liebe in 24 Tagen zu gewinnen und sie am Weihnachtsmorgen in der Watchman Abbey zu heiraten?“

Hyacinth hob zu einem leisen, langsamen Sprechgesang an. „Prinz Colin, Prinz Colin, Prinz Colin …“

„Nein, nein, wow, nein, nicht ich. Das könnt ihr einem Knaben wie mir nicht antun.“ Er schlug sich die Hand auf die Brust. „Ich bin gerade erst aus der Marine raus, habe eine neue Arbeitsstelle bei meinem Vater. Wäre es nicht langsam Zeit für die Werbung?“

Madeline spornte den Sprechgesang weiter an, bis seine Brust im Rhythmus des Klagelieds pulsierte und drohte, an den Geheimnissen seines Herzens zu rühren.

Dann neigte sich Hyacinth vor. „Es ist 182 Jahre her, seitdem ein Prinz die Glocke geläutet hat.“ Sie hielt ihre Moderationskarten hoch. „Und es sind 182 Stufen, die zur Turmspitze führen?“ Sie zitterte und wurde unter ihrem Make-up blass. „Das ist seltsam.“

„Ich habe eine Gänsehaut.“ Madeline fuhr sich mit der Hand über den Arm.

„Es ist ein Zeichen.“

Angesichts der Dynamik der beiden Frauen zuckte Colin schmerzhaft zusammen. Es war kein Zeichen. Jedenfalls nicht für ihn. Er mochte Lady Jordan sehr – Lady Jay für ihre engeren Freunde –, aber er war nicht in sie verliebt. Es gab Zeiten, in denen er sich fragte, ob er sich je wieder verlieben würde.

Wohin ging ein Mann, wenn er die Liebe seines Lebens einmal aufgegeben hatte?

„Das macht mich nervös“, sagte Hyacinth in die Kamera. „Wir werden darüber nachdenken, während wir eine Pause machen. Wir kommen gleich mit mehr über Prinz Colin zurück.“

Die Scheinwerfer senkten sich, und die Kameras glitten zurück.

„Sie machen das großartig“, sagte Madeline, indem sie von ihrem Stuhl aufstand. Die Zuschauer machten es sich bequem, griffen nach ihren Handys und machten Fotos von Colin und dem Set.

Jemand reichte Colin eine Flasche Wasser. Die Visagistin tauchte auf, tupfte sein Gesicht ab und bestäubte ihn mit etwas Puder.

„Sie machen das gut. Versuchen Sie nur, ein bisschen weniger zu schwitzen.“

„Die Lampen sind so heiß.“

Sie zwinkerte ihm zu. „Das Gespräch aber auch.“

Colin schnitt eine Grimasse und sah ihr hinterher, während er einen Schluck Wasser nahm. Er würde sich nicht dazu bedrängen lassen, irgendeine Glocke zu läuten oder einem Mädchen, das er nicht liebte, einen Antrag zu machen.

Außerdem konnte man heutzutage von keiner Frau mehr erwarten, mit nur 24 Tagen Vorlauf in der berühmtesten Kathedrale des Landes zu heiraten. Er hatte zwei jüngere Schwestern, und wenn er eine Sache über Frauen und Hochzeiten gelernt hatte, dann dass die ganze Heiraterei nach den Bedingungen der Braut abzulaufen hatte.

Neben ihm blieb Hyacinth völlig ungerührt. „Ist das nicht eigenartig? Dass wir diese Tradition, 182 Jahre nachdem Prinz Michael in den Tod gestürzt ist, wieder ansprechen? Und dann sind es genau 182 Stufen von ganz unten bis zur Spitze.“ Sie zitterte wieder. „Ich fühle mich, als hätte ich etwas jenseits des Schleiers berührt.“

Colin nippte an seinem Wasser. „Alles Aberglaube, wenn Sie mich fragen. Da ist nichts dran. Das ist purer Zufall.“

„Waren Sie mal oben im Kapellenturm?“ Hyacinth wies ihn mit einer Geste an, ihr auf die andere Seite des Sets zu folgen. Sie wollten für das Erntefest typische Tänze und Reigen vorführen.

„Ein paar Mal.“ Colin wollte dieser Medientussi sein Geheimnis nicht verraten. Sonst würde sie es womöglich nach der Werbung ins ganze Königreich hinausposaunen.

„Je daran gedacht, die Glocke zu läuten?“

„Niemals.“

Die Moderatorin lächelte. „Ich mach Ihnen bestimmt keine Vorwürfe deswegen. Sie sind jung. Leben Sie ein bisschen.“ Sie zwinkerte. „Aber für die Show musste ich schon meine Rolle spielen und ein bisschen sticheln.“

„Und ich musste meine spielen und alles abstreiten.“

„Stimmt, mein Lieber, wie wahr, wie wahr.“

Seltsamerweise hatte Dad neulich ins gleiche Horn gestoßen. „Wird es nicht allmählich Zeit?“ Mum hatte sich an Dads Andeutungen gehängt und schon einen Platz beim Weihnachtsessen für Lady Jordan eingeplant.

„Ich habe gehört, die Stufen des Turms seien glitschig wie Wintereis“, sagte Hyacinth. „Da würde ich nie rennen wollen.“

„Das habe ich auch gehört.“ Colin wusste nur zu gut, dass sie glitschig waren, abgenutzt und rund vom Alter, das Regenwasser lief ungehindert an ihnen herunter, aber er und sein Kumpel kamen schon zurecht.

Vor ein paar Jahren wäre Guy Smoot beinahe in sein Verderben gestürzt. Das Geländer war nach Prinz Michaels Unglück repariert worden, aber nach all der Zeit, die seither vergangen war, war es abgenutzt und ausgedörrt. Guy hatte sich nur gerade eben so noch einmal fangen können.

Vielleicht hatten sie ein Glas zu viel getrunken. Der Vorfall ernüchterte sie auf einen Schlag. Colin hatte sein jugendliches Trinkverhalten seitdem ziemlich eingeschränkt.

„Man muss schon Hals über Kopf verliebt sein, um die Glocke zu läuten, ohne dass die Angebetete vorher davon weiß“, sagte Hy. „Und um sie dann zu umwerben und an Weihnachten zu heiraten.“

„Ein mutigerer Mann als ich“, sagte Colin.

„Waren Sie schon einmal Hals über Kopf verliebt?“ Sie beugte sich zu ihm vor. „Lady Jay ist bezaubernd, aber ich sehe da kein ‚Ich-bin-verrückt-nach-ihr‘ in Ihren Augen.“

Er hatte Hyacinth unterschätzt. „Versteht überhaupt irgendjemand die Liebe?“

„Genau. Das sage ich Maddie auch immer.“

Der Bühnenmanager rief: „Eine Minute!“

Aber Hyacinths Frage hallte in Colin wider. War er jemals Hals über Kopf verliebt gewesen? Doch. Ja. Einmal. Vor langer Zeit. Vor beinahe fünf Jahren. In ein Mädchen, das Welten entfernt war. Doch damals war er ein anderer gewesen als der Mann, der gerade kurz davor war, einen traditionellen brightonschen „Reel“ bei Madeline & Hyacinth Live! vorzuführen.

Er war ein junger, sorgenfreier Collegestudent namens Colin Tattersall gewesen, der ganz und gar nicht darauf vorbereitet war, sich so leidenschaftlich in Avery Truitt zu verlieben.

Aber sein Vater hatte ihm geholfen, seine Dummheit zu erkennen. Colin war ein Mann mit Bestimmung, einer mit Verpflichtungen, Verantwortlichkeiten und Plänen, an denen er mit seinem Vater über Jahre gearbeitet hatte. Seitdem er in das Familienunternehmen eingetreten war, musste er sich mehr denn je konzentrieren. Da war keine Zeit für die Liebe.

Eines Tages mochte vielleicht wieder einer die Glocke zu Pembroke läuten. Wer wusste das schon? Aber so sicher er wusste, dass sein Name Colin Edward Stratton Tattersall war, ein Prinz im Königreich Brighton, so sicher wusste er auch, dass er das nicht sein würde.