Kitabı oku: «Ich wünsche mir ... einen Prinzen», sayfa 3

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Kapitel drei

„Weißt du noch, wie wir zum ersten Mal in Cathedral City angekommen sind?“ Avery drehte sich um und sah Susanna in einem Kleid von Jenny Packham in der Tür stehen. In ihre hochgesteckten glänzenden Locken war kunstvoll ein Diamantdiadem eingearbeitet.

„Du hast das Fenster runtergekurbelt und dich aus dem Auto gehangen.“ Leise lachend setzte sich Susanna auf einen Stuhl. Ihr Rock floss über die roten Polster. „Kommt mir vor, als sei es eine Ewigkeit her.“

Avery betrachtete ihre Schwester über den Kosmetikspiegel, während Susannas Stylistin Natasha ihren Lockenstab wie einen Zauberstab durch Averys lange rötliche Strähnen arbeitete.

Susanna war eine wahre Prinzessin. Auf St. Simons geboren, aber vorherbestimmt für das Inselkönigreich Brighton.

„Kopf hoch, bitte, Miss“, sagte Natasha.

„Suz, hast du dir je vorgestellt, du würdest einmal Nathaniel heiraten?“ Die stürmische Romanze schien dem Untergang geweiht, als Nathaniel gestand, dass sein königlicher Status es ihm unmöglich machte, eine Ausländerin zu heiraten.

„Ich war ja nicht einmal sicher, ob ich ihn je wiedersehen würde. Ich wollte ihn heiraten, das weißt du doch.“ Susanna beugte sich vor, ihre schlanken Arme über den Beinen gekreuzt. „Schön siehst du aus, Avery.“

„Fühlt sich komisch an, so herausgeputzt zu werden.“ Sie sah auf ihr Kleid aus braunem Samt hinunter, das sich über Schichten aus blauem Chiffon und weißem Tüll bauschte. Natasha schnappte sich die Seite ihres Kopfes und richtete sie kurzerhand wieder gerade. „Ich bin es gewohnt, auf dem Volleyballplatz oder in der Küche des Shacks zu stehen.“

„Oder zu surfen.“

„Ja, oder zu surfen.“ Avery lächelte. Die Wellen und der Wind des Atlantiks waren ihr Schlaflied. „Wo hast du dieses Kleid gefunden? Es ist der Wahnsinn.“

„Melinda House. Es ist einem Christian-Dior-Kleid aus den 1950ern nachempfunden. Als ich es gesehen habe, habe ich gleich an dich gedacht. Das Braun passt wirklich gut zu deinem kastanienbraunen Haar. Die perfekten Farben für das Erntefest.“

Die Haare noch in Lockenwicklern, kam Mama herein, in einem schulterfreien Organzakleid in dunklem Orange.

„Mama!“ Avery pfiff und beobachtete ihre Mutter durch den Spiegel. „Du siehst … gar nicht aus wie meine Mama.“

„Miss, bitte, wir sind gleich hier fertig.“ Mit festem Griff hob Natasha Averys Kopf.

„Ich mach mich ganz gut für eine, die länger, als sie sich erinnern kann, in der Küche gestanden hat, was?“ Mama legte eine langsame Drehung hin. „Ich glaube, ich rocke dieses Kleid, wie man so sagt.“

Avery lachte. „Hör mal einer an. Meine Mama, der Hipster.“

„Was das nun wieder heißen soll.“ Mama beugte sich über Averys Schulter. „Du siehst bezaubernd aus, Liebes. Nun, ihr beide werdet schleunigst in meiner Suite erwartet. Rollins bringt Tee auf mein Zimmer.“

„Tee in deiner Suite? Schleunigst?“ Avery zog ein Gesicht und tauschte ein Lächeln mit Susanna. Mama trank morgens nur Kaffee. Und sie sagte nie „schleunigst“.

„Nun, wenn man in einem Palast ist, lebt man wie von königlichem Geblüt. Früh genug gibt es wieder Töpfe, Pfannen und Fritteusen. Ich bin dann mal wieder weg, damit meine Zofe mir das Haar machen kann.“ Mama ging rückwärts zur Tür und versuchte sich an einem brightonschen Akzent, während sie so tat, als würde sie aus einer Tasse Tee trinken. Mit abgespreiztem kleinem Finger. „Bin ich nicht eine Augenweide?“

„Das ist keine Zofe, Mama“, rief Susanna hinter ihr her. „Sie ist eine Stylistin, die der Palast für besondere Anlässe beauftragt.“

Zu spät. Mama war weg.

Natasha gab die letzte Strähne von Averys Haar frei und ließ sie über ihre Schulter fallen. Sie beugte sich vor, um Avery im Spiegel zu betrachten. „Da. Nun schauen Sie sich bloß mal an, mit Ihrem Hals wie dem von Audrey Hepburn. Was meinen Sie, Hoheit?“ Natasha wandte sich an Susanna.

„Ich finde, meine Schwester sieht wunderschön aus.“

„Dann bin ich hier weg.“ Die Stylistin sammelte ihre Sachen zusammen. „Ich werde gehen und Leslie mit der Königinmutter helfen und bei Seiner Majestät vorbeischauen. Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Zeit heute Abend.“

„Haben Sie vielen Dank, Natasha.“ Susanna erhob sich, als die Tür ins Schloss fiel. „Avery, wie geht es Mama? Ich meine, wie geht es ihr wirklich?“

„Sie ist anders. Irgendwie gedämpft, auch wenn kleinlaut nicht das passende Wort für sie wäre. Aber seitdem wir hier sind, ist sie lebendiger, als ich sie erlebt habe, nachdem Papa gestorben ist.“

„Sie weiß nicht recht, was sie ohne Daddy machen soll. Diese ganze Pseudozankerei hat nur versteckt, wie sehr sich die beiden geliebt haben und wie abhängig sie voneinander waren.“

„Was ist mit dir? Geht es dir gut?“ Avery schlüpfte in einen passenden Bolero und strich mit den Händen über den weiten Rock. Sie liebte prachtvolle Kleider.

„Ich schlage mich tapfer, obwohl es schwer war, so weit weg zu sein. Nathaniel hat mir geholfen, mit der Trauer zurechtzukommen. Er vermisst seinen Vater immer noch.“ Ihre Hand bewegte sich auf ihren Bauch und blieb dort liegen. „Das Kleine hier hilft.“

„Hast du Angst, es zu verlieren?“ Avery hakte sich bei ihrer Schwester unter. „Lass uns unseren Glauben zusammentun und darauf vertrauen, dass alles gut werden wird.“

Susannas Augen glitzerten. „Wir beten jeden Abend für dieses Baby. Aber ja, lass uns unseren Glauben zusammentun.“ Sie küsste ihre Schwester auf die Wange. „Ich bin so froh, dass du zur Welt gekommen bist. Du warst wie so eine lebendige, atmende, braunäugige, rothaarige Babypuppe für mich.“ Sie grinste und kniff in Averys Wange. „Die zu einer echten Landplage herangewachsen ist.“

„Hey. Aber nur weil ich so sein wollte wie du.“ Avery lachte und machte sich zum vorderen Zimmer auf. „Und wenn du meinst, ich sei eine Landplage, dann warte nur, bis dieses Baby auf der Welt ist.“

„Immer her damit, Schwester.“ Aber der Humor in Susannas Stimme spiegelte sich nicht in ihren Augen. Stattdessen sah Avery dort eine tiefe Ernsthaftigkeit. „Wir sind jetzt über vier Jahre verheiratet. Ich war fünfmal schwanger und habe sie alle verloren. Es fängt langsam an, sich wie eine schlechte Angewohnheit anzufühlen.“

„Nicht dieses Mal.“ Avery nahm das zum Kleid passende Täschchen zur Hand, das Melinda House mit herübergeschickt hatte, und stopfte ein Stück Kaugummi, einen Lippenpflegestift und ihr Lieblingslipgloss hinein. „Ich spüre das.“

„Leider spüre ich das auch. Bei diesem Baby geht es nicht nur darum, dass Nathaniel und ich uns eine Familie wünschen. Da geht es um das Hause Stratton und darum, einen Erben abzuliefern. Die Presse ist völlig verrückt deswegen und bringt Monat für Monat neue Schlagzeilen über unsere Fortpflanzungsfähigkeit. Als ob eine 450 Jahre alte Dynastie nur von meinem Uterus abhängt. Zum Glück versuchen es Corina und Stephen auch.“

Stephen war Nathaniels jüngerer Bruder. Seine Frau, Corina, noch ein Mädel aus Georgia, man mochte es kaum glauben, war eine amerikanische Milliardärstochter, die den Reserveerben heimlich geheiratet hatte.

„Dann entspann dich.“ Avery schob ihren Arm durch Susannas, während sie gemeinsam den vergoldeten, geschmückten Korridor mit der geschnitzten Decke (viele Kronen) und dem mehrere Zentimeter dicken burgunderroten Teppich entlang zu Mamas Suite gingen. „Gott hat all das angefangen, oder nicht? Angst und Sorgen helfen da nicht weiter. Schau dir alles an, was Er bisher für uns getan hat. Erinnerst du dich, was Daddy uns immer gesagt hat? ,Er lässt uns alle Dinge zum Besten dienen.‘ Der wird sich um Nathaniels Erben kümmern, Suz. Und in der Zwischenzeit lebst du mit einem Mann zusammen, der dich verehrt und liebt.“

Susanna berührte ihren Augenwinkel und bemühte sich darum, die Tränen zurückzuhalten. „Hör nur mal hin, wie meine kleine weise Schwester Ratschläge verteilt und dem Daddyismus frönt.“

Avery legte ihre Wange gegen Susannas Schulter. „Ich vermisse ihn. Und dich.“

„Es tut mir leid, dass das alles alleine auf deinen Schultern lastet. Für Mama da zu sein, meine ich.“

„Es läuft eigentlich ganz gut zwischen uns. Wir kommen zurecht. Aber als du angerufen hast, um zu sagen, dass du schwanger bist, und uns zu Weihnachten hierher einzuladen, habe ich ein Licht in ihr leuchten sehen wie seit der Beerdigung nicht mehr. Sie ist ganz lebendig geworden.“

„Dann lass uns das zum besten Weihnachtsfest überhaupt machen.“

„Das beste Weihnachtsfest überhaupt?“ Die Schwestern passierten den stimmungsvollen Lichterschein, den die Wandleuchter in den Flur warfen. „Ich glaube kaum, dass du das Weihnachten von 2006 überbieten kannst, als alle Cousinen und Cousins kamen und ich ein neues Fahrrad bekommen habe.“

„Oh, das war gut!“

„Oder das 2007, als es schneite …“

„Na ja, das, was wir im Süden Georgias eben so Schnee nennen.“

Avery lachte. Sie liebte das Rascheln und Rauschen ihres Rockes um ihre Beine. Sie liebte den Wirbel der Vorfreude auf den anstehenden Abend. Eine große, schnieke Party ohne Sorgen. Wenigstens für ein paar Stunden.

„Aber Junge, Junge, was hatten wir Spaß 2007, oder nicht?“ Sie hatte Colin gegenüber Susanna nicht einmal angedeutet. Am besten ließ sie die Vergangenheit einfach hinter sich. Außerdem sagte ihr ihr Bauchgefühl, dass er sowieso zur See war. Oder im Ausland stationiert. „Ich habe versucht, einen Schneeball zu machen, aber nichts wollte zusammenkleben, also habe ich einfach meinen nassen, leicht mit Schnee bepuderten Handschuh in Marco Hernandez‘ Gesicht geklatscht.“

Susanna lachte. „Ich bekomme Heimweh.“

„Aber du gewöhnst dich so langsam an all das hier, oder?“

„Das tue ich, und ein Kind zur Welt zu bringen“, sie umarmte ihren Bauch fester, „wird das Gefühl, eine Familie zu sein, verstärken.“ Mit dem anderen Arm fasste Susanna den ihrer Schwester fester. „Ich hoffe, du findest jemanden wie Nathaniel, Avery. Gib dich nicht mit weniger zufrieden.“

„Das habe ich nicht vor.“

„Sooo“, sagte Susanna langsam, und in dem einen Wort lagen viele, viele Fragen. „Da warst du nun also vier Jahre auf diesem großen Ohio State Campus und hast niemand Besonderes gefunden?“

„Nein.“

„Warum habe ich das Gefühl, dass du mir da irgendetwas nicht sagst?“ Susanna hielt vor Mamas Tür an.

„Es gibt nichts zu erzählen.“ Sie hatte versucht, auf der Ohio State mit Männern auszugehen, aber wo landet ein Mädchen denn, wenn ihre erste Liebe gleichzeitig auch ihre wahre Liebe war? Und obendrein noch ein Prinz. „Ich war zu beschäftigt mit dem Studium und dem Volleyball.“

„Aber du hast dich doch verabredet?“

„Ja, klar. Nur nie jemand Ernsthaftes.“ Avery griff nach dem Türknauf. „Lass uns besser reingehen, sonst haben wir keine Zeit mehr für Tee.“

„Aves …“ Susanna nahm ihre Hand. „Wegen heute Abend … alle werden bei dem Halligalli anwesend sein.“ Ihre Blicke trafen sich einen wissenden Augenblick lang. „Die ganze Familie, meine ich.“

„Nun, natürlich.“ Genervt von ihrem plötzlich lauter schlagenden Herzen, tat Avery Susannas versteckte Andeutung schulterzuckend ab. „Ich hätte sowieso erwartet, dass die ganze Familie da ist.“

„Nathaniel besteht darauf, dass im Dezember alle Mann an Bord sind. Beginnend beim Erntefest bis hin zum Weihnachtsball am 28.“ Susanna drückte Averys Hand. „Es ist ein Riesenspaß, wirklich. Hast du seinen Cousin Prinz Tony mal kennengelernt, den vierten in der Thronfolge? Der ist super. Seine Frau, Prinzessin Rachel, ist meine vielleicht beste Freundin.“

„Dann freue ich mich darauf, die beiden kennenzulernen.“ Avery legte ein breites Lächeln an den Tag. „Können wir jetzt reingehen und nachschauen, was die großmächtige Glo macht?“ Sie versuchte noch einmal, nach dem Türknauf zu greifen, aber Susanna fasste ihre Hand nur fester.

„Du weißt, dass er mit der Schauspielerin Lady Jordan Skye ausgeht.“

Komisch, dass er Colin hieß und sie das auch beide wussten.

Avery betrachtete den Boden und die Spitzen ihrer braunen Riemchenpumps. „Ich weiß.“ Sie hatte sich eines Abends, als sie sich etwas sentimental fühlte und über Weihnachten in Brighton nachdachte, einer mutigen Googlesuche gestellt. Dumm, ehrlich gesagt.

„Er wird heute mit ihr hier sein.“

Avery zog ihre Hand aus Susannas. „Nicht meine Angelegenheit.“

Sie war immer ehrlich gewesen mit ihrer Schwester, hatte ihr Herz immer auf der Zunge getragen, aber in diesem Moment schien es ihr lächerlich, ihre Vergangenheit mit dem Prinzen anzusprechen. Bestehende Gefühle auch nur anzudeuten. Es war über vier, beinahe fünf Jahre her, dass ihre Beziehung geendet hatte. Avery fragte sich manchmal, ob alles nicht mehr eine Art ausführlicher Traum gewesen war.

„Aves?“ Susanna blockierte den Durchgang zu Mamas Suite. „Sprich mit mir.“

„Es ist nur … Ich weiß nicht … Wo Daddy gestorben ist und ich aus der Uni raus bin, runter vom Volleyballplatz, da fühle ich mich manchmal neben der Spur. Und ich denke zu viel nach.“

„Vermisst du Colin?“

„Nicht wirklich.“ Avery drehte ihrer Schwester den Rücken zu, starrte den Flur hinunter auf das Licht, das hinter den Ecken hervorquoll, und hielt eine Tränenflut zurück. „Warum sollte ich ihn vermissen? Er hat mich eine Woche vor meinem Abschlussball versetzt. Hat mir eine SMS geschrieben und danach nie wieder mit mir gesprochen.“

„Aber?“ Wie wusste Susanna nur immer, dass da noch mehr war?

„Es ist nur, dass ich nicht nach Brighton kommen kann, ohne mich an unsere erste Reise hierher zu erinnern, weißt du? An Colin und wie er mich quasi überrumpelt hat.“

„Das hat er, und ihr beide habt euch auf Anhieb gut verstanden.“

„Ich habe ihn geliebt.“ Jetzt hatte sie es zugegeben. Die Liebe wollte sich zu Wort melden.

„Und jetzt?“ Susanna war unermüdlich.

„Es ist Jahre her. Natürlich liebe ich ihn jetzt nicht mehr.“ Averys Hohn unterstrich ihr Leugnen nur.

„Ich frage ja nur“, sagte Susanna lächelnd. „Ich glaube, wenn du ihn wiedersiehst, wird dir klar werden, dass du inzwischen ganz woanders stehst im Leben. Außerdem werden bei der Feier heute Abend reichlich gut aussehende, noch verfügbare Männer anwesend sein. Du wirst kein Mauerblümchen sein, verlass dich drauf.“

„Gut. Ich freue mich auf ein bisschen Spaß. Ich will ihm gegenüber nur nicht bemitleidenswert dastehen.“

„Das wird nicht passieren. Und du könntest in seinen Augen nie bemitleidenswert aussehen. Du bist mutig und selbstbewusst. Du bist schön. Sei einfach die Avery Truitt, die Spielerin des Jahres der Big Ten Conference war. Zweimal.“

Die Wahrheit, die Susanna ausgesprochen hatte – und war sie noch so sanft –, erstickte jeden Gedanken daran, dass dieser Besuch dem ersten gleichen könnte, bei dem sie dem schlanken, aristokratischen Prinz Colin ins Auge gefallen war, einem Mann mit der gesunden Gesichtsfarbe derer, die sich gerne im Freien aufhalten, immer mit der Andeutung eines frechen Grinsens auf den Lippen und einem Glitzern in den Augen, das ihr Inneres aufwühlte.

Mamas Tür schwang auf. „Was um alles in der Welt macht ihr denn hier draußen? Der Tee ist kalt geworden. Aber egal. Rollins hat angerufen. Die Sicherheitsleute sind da.“ Sie stöckelte auf die weite, geschwungene Treppe zu und scheuchte Susanna und Avery vor sich her. „Jetzt mal munter voran. Die Königinmutter und Henry warten im Foyer.“

„Ich treffe euch dann dort.“ Susanna löste sich von ihnen und eilte in die andere Richtung den Korridor hinunter. „Ich werde Nathaniel Beine machen müssen. König hin oder her, der Mann ist ein Trödler.“

„Dann eben wir beide, Aves.“

An der Seite ihrer Mama schritt Avery die prächtige Treppe hinab und traf gleich vor den großen, breiten, bollwerkgleichen Türen auf Nathaniels Mutter, Queen Campbell, und ihren Ehemann, einen früheren Premierminister.

Die Tradition des Erntefests schrieb vor, dass die königliche Familie außen um den Palast herum zum großen Ballsaal ging und den Gratulanten und Zuschauern zuwinkte, die sich an den entfernten Toren versammelt hatten.

Die zugelassenen Pressevertreter gingen mit ihnen, stellten Fragen und machten Fotos.

„Was halten Sie von den Feierlichkeiten, Mrs. Truitt?“

„Ich habe einen Riesenspaß.“ Mama winkte den Leuten zu, als hätte die Königin des Barbecues im Königreich Brighton tatsächlich was zu melden.

Avery ging mit hocherhobenem Kopf, einem fixen Lächeln im Gesicht, aber ihre Gedanken rasten. Verflixt noch mal, was musste Susanna auch Colin zur Sprache bringen. Eine große Nervosität zerstörte ihre innere Ruhe.

Die Vorstellung, ihn zum ersten Mal wiederzusehen, nachdem er für den Abschlussball abgesagt hatte, holte ihre Erinnerungen an die vorderste Front. Ließ ihre längst weggeschlossenen Gefühle frei.

Sie liebte ihn immer noch. Und auf einmal erinnerte sich ihr Herz daran, wie sehr.


Kapitel vier

Mit Lady Jordan am Arm tauchte er aus der Limousine auf. Kameras blitzten und drängten die Nacht zurück. Von den Toren bis zu den Stufen war das dumpfe Raunen der Menschenmenge zu hören.

Colin knöpfte seine Smokingjacke zu und half Jordan, als sie gemeinsam die Stufen zum Ballsaal hinaufstiegen. Rufe und Pfiffe klangen durch die Nacht.

„Lady Jordan, hier drüben …“

„Lady Jordan, wir hören, Sie sind an einem neuen Film dran.“

„Wir werden sehen.“ Sie lächelte und flirtete, bewegte sich wie von Zauberhand, fing alle Blicke ein.

Sie war atemberaubend schön, keine Frage. Ihr langes, kastanienfarbenes Haar floss ihr über die nackten Schultern, und ihre Rundungen waren in ihrem perfekt auf den Leib geschneiderten smaragdgrünen Kleid unübersehbar.

Die Presse bombardierte Colin mit Fragen.

„Was sind Ihre Gedanken zu den Brighton Eagles ohne Ihren Cousin, Prinz Stephen?“

„Ist das mit Ihnen beiden etwas Ernstes? Steht uns bald eine Prinzenhochzeit ins Haus?“

„Wir haben Sie im Fernsehen gesehen, Prinz Colin. Werden Sie die Glocke im Pembroketurm läuten?“

Colin winkte, lächelte und verschwand mit Jordan im Ballsaal, ohne eine einzige Antwort gegeben zu haben.

Es war nämlich so: Er mochte Jordan. Sehr. Für jemanden, der so schön und so begehrt war, war sie ziemlich bodenständig. Aber sie erinnerte ihn an die Porzellanpuppen seiner Schwestern. Etwas, das man in ein Regal setzte und von Weitem betrachtete. Sie war nichts, was man mit ins Leben hinausnahm, das man im Garten herumkarren und mit dem man im Dreck spielen konnte, mit dem man einen Versuch starten konnte, was dieses Ding namens Liebe und Ehe anging.

Im Ballsaal erklang Musik. Die Violinen spielten das „Lied der Ernte“, eine Komposition, die König Leopold III. in Auftrag gegeben hatte, um das Ende der Erntezeit zu feiern.

Bei einem flüchtigen Blick in die Runde erkannte Colin die meisten Gesichter. Da war sein Kumpel Guy Smoot, sein Verbündeter bei der Pembroke-Chapel-Gaudi. Er hoffte, dass Madelines und Hyacinths Geplauder über die längst tote Tradition nicht irgendeinen schwachsinnigen Trottel dazu bringen würde, heute Abend die Glocke für seine wahre Liebe zu läuten. Die Fragen seitens der Presse danach machten ihm Sorgen.

Colin dagegen freute sich ziemlich auf die Tradition mit Guy, freute sich darauf, auf der Turmspitze zu stehen, auf das schöne Cathedral City hinunterzuschauen, mit der Vorfreude auf Weihnachten im Herzen und einer guten Pfeife und einem schönen Pint in den Händen.

„Colin“, sagte Jordan und beugte sich zu ihm. Ihr Parfüm hüllte ihn ein. „Ich sehe Lord Wallaby. Der ist so ein großer Filmliebhaber. Lass mich eben zu ihm hinübergehen und Hallo sagen.“ Sie zog ihre Hand von seinem Arm, aber er bekam sie zu fassen, bevor sie davonging.

„Du brauchst nicht die ganze Zeit auf Sendung zu sein.“

„Dann hast du nie im Kulturbetrieb gearbeitet.“ Sie schenkte ihm einen neckischen Blick, viel zu perfekt, als dass es lustig gewesen wäre, und ließ ihn am Rande der Tanzfläche stehen.

Paare schlenderten um ihn herum und an ihm vorbei. Ihre Gesichter strahlten, sie waren begierig auf einen angenehmen Abend voller Leichtigkeit und Freude. Jede Frau war schön, jeder Mann schneidig.

Das dreihundert Jahre alte Erntefest war eins der Dinge, die Brighton einzigartig unter seinen europäischen Geschwistern machten. Man feierte eine gute Ernte, dankte dem Herrn für seinen Segen und ging dann direkt zu den einen Monat lang andauernden Weihnachtsfeierlichkeiten über.

Diese Zeit des Jahres hatte Colin am meisten vermisst, während er zur See gewesen war.

Am entfernten Ende des Saals saß Nathaniel mit Susanna auf dem Podium, neigte sich plaudernd zu ihr, streichelte ihre Hand. Sie hielten den Raum in ihrem Bann, die beiden, und merkten es nicht einmal. Wenn er haben könnte, was die beiden hatten … eines Tages …

Die Frau neben Susanna sah lächelnd auf und winkte. Colin runzelte die Stirn. Winkte sie etwa ihm zu? Sie sah bekannt aus, aber wer …

Ihm stockte der Atem. Mrs. Truitt. Averys Mum. Er fuhr herum und schaute sich im Saal um. War Avery in der Nähe? Er hatte nichts von ihrer Ankunft gehört.

Seine Suche ließ ihn bei jedem weiblichen kastanien- und rotbraunen Schopf innehalten.

„Lady Jordan also?“ Guy rammte ihm den Ellbogen in die Seite. „Das sieht alles ziemlich ernst aus.“

Colin drehte sich zu seinem Freund um. „Was?“

„Jordan. Du. Ernsthaft. Schau dich an. Kannst deine Augen nicht von ihr abwenden.“

„Ja, natürlich … Jordan.“ Wie es schien, reiste Avery nicht mit ihrer Mutter. Gut … gut. Er war nicht darauf vorbereitet, ihr zum ersten Mal wieder zu begegnen, seitdem … nun, seitdem er die Sache beendet hatte. Er hatte immer gewusst, dass dieser Tag einmal kommen würde. Er würde es nur schlichtweg vorziehen, wenn es nicht gerade dieser Tag wäre. Trotzdem durchmischte ein Hauch Enttäuschung seine Erleichterung. Colin forderte Guy mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen. Er brauchte etwas zu trinken. Seine Kehle war ausgetrocknet. „Also, mit wem bist du denn heute hier?“

„Lady Sarah Frizz. Mit wem sonst?“, sagte Guy ohne großen Enthusiasmus.

„Wenn du sie nicht magst, warum bist du dann mit ihr hier? Ihr beide zofft euch die ganze Zeit über.“ Ah, ein Kellner mit einem Tablett Punsch. Colin nahm zwei Kelche.

„Nicht mögen? Nein, mein Guter, das Wort, das du suchst, heißt extreme Geringschätzung.“ Auch Guy ergriff einen der Kristallkelche. „Aber mein Vater liebt sie, und er hält die Fäden meiner Zukunft in der Hand.“

„Ah, das Geld, natürlich.“ Colin nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher in seiner rechten Hand. Der unerwartete Gedanke, Avery Truitt könnte im Ballsaal sein, hatte sein Inneres in eine Wüste verwandelt.

„Höre ich da etwa ein Urteil?“ Guy hob seinen Punsch zum Gruß für irgendjemand auf der anderen Seite des Raumes. „Du bist doch selbst nicht besser, hast dieses arme amerikanische Mädchen hängen lassen an ihrem … was war es noch gleich? Ein Abschlussball oder so etwas? Und nur weil dein Vater nicht einverstanden war.“

„Das ist nicht das Gleiche, und das weißt du auch.“

„Ha! Nichts dergleichen weiß ich. Du stehst ebenso unter der Kontrolle deines Vaters wie ich. Nur gebe ich das zu. Und ich entscheide mich dafür, mit Frauen auszugehen, mit denen er einverstanden ist. Wie kann ich da was falsch machen?“

„Mein Vater mag alle Frauen, mit denen ich ausgegangen bin.“

„Außer die Amerikanerin.“ Guy hob die Augenbrauen und forderte Colin zum Widerspruch heraus.

„Und das ist lange her.“ Dieses Gespräch irritierte ihn. Colin stellte seinen leeren Kelch auf dem Tablett eines vorbeieilenden Kellners ab und trank aus dem in seiner Linken. Warum kam Guy gerade jetzt auf Avery zu sprechen? Vielmehr: Warum saß ihre Mutter bei Nathaniel auf dem Podium?

„Sag, was du willst.“ Guy klopfte Colin auf die Schulter. „Aber wir wissen doch beide, dass wir unserem sozialen Status entsprechend heiraten werden. Und die Stimme dieses Status sind unsere Väter. In deinem Fall auch noch dein Titel.“

„Steck mich nicht mit dir in eine Schublade, alter Freund. Ich mag meinen Vater ziemlich und vertraue ihm. Er ist immer für mich da gewesen. Der würde sich der wahren Liebe und meinem Glück nicht in den Weg stellen.“

Die verklingende Musik ließ Colins Antwort nackt und offen im Raum stehen. Er räusperte sich und trank den letzten Schluck Punsch, während die munteren Töne eines brightonschen Walzers die Tänzer in Bewegung setzten.

Mit einem Lachen auf den Lippen entledigte sich Guy seines leeren Bechers. „Ich würde sagen, dein Vater hat sich schon längst der wahren Liebe und deinem Glück in den Weg gestellt.“ Er nahm Colin seinen Kelch ab und schob ihn zur Tanzfläche. „Aber lassen wir das. Ich bin zum Tanzen hergekommen. Wie sieht es aus – du und Sarah? Jordan und ich?“

Schön. Ihm war alles recht, um seine Gedanken von Avery und Guys Beobachtungen abzulenken. Dad sollte sich seiner wahren Liebe in den Weg gestellt haben? Sicher nicht. So war er nicht. Vor dreißig Jahren hatte er Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um Mum zu heiraten. Hatte noch einmal alles dafür getan, um seinem Sohn und seinen zwei Töchtern zu ihren rechtmäßigen Titeln als Prinz und Prinzessinnen zu verhelfen, als ihr Onkel sie mit niedrigeren Titeln adeln wollte.

„Da ist sie“, sagte Guy und zeigte auf Lady Sarah.

Die entdeckte Colin und lächelte. Guy musste verrückt sein, sie so zu verschmähen. Sie war schön und charmant. Außerdem ziemlich gebildet. Ihr fehlte Lady Jordans erotisches Funkeln, aber wie viele von der Sorte brauchte die Welt denn? Sarah war die Art Frau, mit der ein Mann zusammenleben konnte.

Colin bewegte sich, neue und alte Freunde begrüßend, durch die Tanzenden und hielt inne, als ein weiterer alter Kumpel aus den guten alten Zeiten vorbeitanzte. David Simpson, der nach dem verfrühten Tod seines Vaters kürzlich ernannte Lord Chrysler, war ein alter Weggefährte. Ein Schulfreund.

„David, hallo …“ Colin hielt an, als er einen Blick auf die Frau in Davids Armen erhaschte. Sie war wunderschön, mit einem klaren Profil. Außerdem kam sie ihm irgendwie bekannt vor.

War er ihr schon einmal begegnet? Im Sommer? An der Küste mit seinen ehemaligen Kameraden zur See?

Ein vertrauter Duft umschwebte ihn. Einer, der ihn an warme Südseestrände erinnerte. Sein Puls ging in die Höhe. War sie das? Er ging los, wollte David folgen, aber Guy legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Sarah, Prinz Colin wäre entzückt, wenn du ihm diesen Tanz schenken würdest.“ Guy schob sie auf ihn zu.

„Hör auf, mich zu schubsen, du grober Trampel.“ Sarah machte sich mit einem Ruck von Guys Griff los. „Colin, ernsthaft, wie hältst du es nur mit ihm aus?“ Sie sah ihre Verabredung zähnefletschend an. „Er ist so ein Fiesling.“

Colin zwang seine Aufmerksamkeit von David und der Frau, mit der er tanzte, weg, weg von dem sich verflüchtigenden Duft nach Salzluft und Palmen, und schloss Sarah in seine Arme. „Er sagt, er verabscheut dich.“

„Das beruht auf Gegenseitigkeit“, pöbelte sie Guys verschwindendem Rücken hinterher. „Lass mich raten. Er will mit Jordan tanzen.“

„Wollen das nicht alle?“

Sie lachte, ein netter, solider Klang. „Ich bestimmt nicht.“ Sie bewegte sich leichtfüßig zur Musik, folgte Colin durch die geraden Schritte. „Wer war die Frau, mit der David tanzt?“

Er sah Sarah prüfend an. „Was?“

„Ich habe gesehen, wie du ihr hinterhergeschaut hast. Entschuldigung, das kommt wohl von der Ausbildung zur Psychiaterin.“

„Ich weiß es nicht. Sie kam mir bekannt vor. Ihr Parfüm …“

„Natürlich. Wahrscheinlich trägt sie den neuen Duft von D’amond. Das ist der letzte Schrei diese Saison. Bis Weihnachten wirst du die Nase voll davon haben. Selbst ich bin seiner Beliebtheit erlegen.“

Aber der Hauch von Moschus auf Lady Sarahs Haut war nicht das, was ihm eben noch in die Nase gestiegen war.

Dieser andere Duft war ihm nicht neu. Er war tröstlich, hatte etwas davon, nach einem langen, schweren Tag nach Hause zu kommen.

„Sag mal, Sarah, warum hängst du eigentlich mit Guy herum, wenn ihr beide euch hasst?“

„Ah, die Frage aller Fragen. Unsere Eltern haben uns zusammen in einen Laufstall gesetzt, als wir gerade zwei Monate alt waren. Hat er dir das nie erzählt? Es heißt, wir seien so leise gewesen, dass unsere Mütter nachschauen gekommen sind. Wir hätten tief und fest geschlafen, und Guy hätte meine Hand gehalten.“

„Also war es vorherbestimmt?“ Colin bewegte sich mit Sarah geschmeidig über die Tanzfläche, ein Auge auf seiner Partnerin, das andere beständig auf der Suche nach David.

„Keine Ahnung, was das angeht, aber ich habe schon lange den Verdacht, dass er mich eigentlich vergöttert.“

Colin lachte. „Du bist jetzt schon perfekt für ihn.“

„Und was ist mit dir, Prinz Colin? Ist Lady Jordan deine Angebetete? Es gibt immer mehr Hochzeitsgerüchte. Dein Auftritt bei Madeline & Hyacinth Live! hat alle neugierig gemacht.“

„Dann dürfen die neugierig bleiben. Ich bin erst 26. Was weiß ich schon von Liebe?“

Er hatte das Thema ziemlich heftig mit seinen Freunden im Schwert & Schild diskutiert, war aber zu keinem Ergebnis gekommen.

Was macht man, wenn man meint, man habe das Mädchen verloren, das „die Eine“ sein könnte?

Die Jungs hatten keinen Schimmer gehabt.

Sarah wurde ernst. „Ich sag’s mal so, Colin, immerhin weißt du, was du nicht willst.“

„Ist das so? Wendest du jetzt deine Psychiaterinnentricks bei mir an?“

„Jetzt sollte ich wohl besser Ja sagen, aber nein, ich wende meine weiblichen Tricks bei dir an.“

„Ah, dann bin ich geliefert. Und kann mich nirgendwo in Sicherheit bringen.“

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23 aralık 2023
Hacim:
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