Kitabı oku: «Sachenrecht III», sayfa 5

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b) Die Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverträgen

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aa) Überblick

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Ein heftig diskutiertes Problem ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Bürgschaftsvertrag gemäß § 138 Abs. 1[28] nichtig ist. Hintergrund der hierzu ergangenen Rechtsprechung[29] ist die (zumindest bis zu dieser Rechtsprechung) übliche Bankpraxis bei der Vergabe von Krediten, insbesondere an selbstständige Unternehmer, immer auch den Ehepartner des Kreditnehmers und oft auch seine Kinder als Bürgen mit in die Haftung zu nehmen. Dabei nimmt der Gläubiger (Kreditgeber) in Kauf, dass diese die Bürgschaft nur aus der Zwangslage (entweder Bürgschaft oder eben keinen Kredit) heraus wegen der besonderen emotionalen Bindung zum Schuldner übernehmen und (gerade bei jungen Erwachsenen) die Folgen der eingegangenen Verpflichtung nicht überblicken können.


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Beispiel

U betreibt einen Autohandel und ist in das Händlernetz des Herstellers X eingebunden. X verlangt von U, dass er seine Verkaufsräume grundlegend umgestaltet und renoviert. Würde er das nicht tun, würde X den Händlervertrag kündigen. U beantragt bei seiner Hausbank einen Kredit über 2 Mio. €. Die jährliche Zinslast beträgt 160 000 €. Die Bank ist bereit, den Kredit zu gewähren, verlangt aber, dass Us Ehefrau F, die als Krankenschwester arbeitet, eine Bürgschaft unterzeichnet. F, die ihren Mann liebt und nicht mit ansehen möchte, wie die Existenz der Familie zerstört wird, unterschreibt. Als U im Zuge der Wirtschaftskrise dennoch in die Insolvenz gerät, nimmt die Bank F in Anspruch.

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Zwar bedeutet Privatautonomie auch Selbstverantwortung.[30] Drastisch gesagt: Der Staat hindert grundsätzlich niemanden daran, sich selbst zu ruinieren.

Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist aber dann überschritten, wenn der Bürgschaftsvertrag Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen ist und für ihn eine nicht hinnehmbare, mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen unvereinbare, finanziell krass überfordernde Belastung begründet.[31]

Sittenwidrigkeit der Bürgschaft nach § 138 Abs. 1

I.Besondere Nähebeziehung zwischen Bürgen und Hauptschuldner?

Bürgschaft des Arbeitnehmers oder von GeschwisternRn. 66

II.Krasse finanzielle Überforderung?

III.Kein eigenes wirtschaftliches Interesse?

IV.Kenntnis des Gläubigers?

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JURIQ-Klausurtipp

Bei Sachverhalten, die Anlass zur Problematisierung der Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages geben, gehen Sie wie folgt vor:

Sie werfen die Frage auf, ob der Bürgschaftsvertrag gemäß § 138 Abs. 1 nichtig sein könnte, und formulieren dies zum Beispiel wie folgt:

„Der Bürgschaftsvertrag könnte aber wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 nichtig sein. Dazu müsste er gegen die guten Sitten verstoßen. Ein Rechtsgeschäft verstößt dann gegen die guten Sitten, wenn es mit dem Anstandsgefühl aller billig und recht Denkenden nicht vereinbar ist.[32]

Dies könnte hier fraglich sein, weil der Schuldner bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages voll geschäftsfähig und grundsätzlich jeder für die Folgen seines geschäftlichen Handelns selbst verantwortlich ist. Vorliegend muss aber die persönliche Nähe zum Hauptschuldner sowie das strukturelle Ungleichgewicht zwischen der Bank und dem Bürgen berücksichtigt werden. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist dann überschritten, wenn der Bürgschaftsvertrag Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit des Bürgen ist und für ihn eine nicht hinnehmbare, mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen unvereinbare Belastung begründen.“

Dann prüfen Sie die Voraussetzungen gemäß obigem (Rn. 63) Prüfungsschema.

bb) Besondere Nähebeziehung des Bürgen zum Schuldner

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Erste Voraussetzung für die Nichtigkeit ist also, dass der Bürge naher Angehöriger des Hauptschuldners ist. Anerkannte „nahe Angehörige“ sind Ehepartner, Kinder, Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, Verlobte sowie die Eltern.

Bei diesem Personenkreis geht man davon aus, dass ihre Entscheidung, die Bürgschaftsverpflichtung zu übernehmen, nicht von rationalen Überlegungen gesteuert, sondern Ausfluss der besonderen emotionalen Bindung ist.

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Bei anderen Personen – wie z.B. erwachsene Geschwister oder Arbeitnehmer des Hauptschuldners – gilt diese Rechtsprechung nicht.[33]

Hinweis

Wenn Sie feststellen, dass der Bürge nicht zu dem Personenkreis zählt, bei dem eine Bürgschaft bei krasser Überforderung sowie fehlendem eigenen Interesse sittenwidrig ist, kann die Bürgschaft dennoch nach § 138 Abs. 1 nichtig sein. Dazu muss aber mehr vorliegen, als nur die krasse Überforderung und das fehlende eigene wirtschaftliche Interesse. Eine solche Bürgschaft ist dann sittenwidrig, wenn der Gläubiger bewusst die geschäftliche Unerfahrenheit ausnutzt, die wirtschaftlichen Folgen einer Bürgschaft gegenüber dem Bürgen bagatellisiert oder eine Zwangslage missbraucht.[34]

Im Gegensatz zur Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger trägt aber hier der Bürge die volle Beweislast.

cc) Krasse finanzielle Überforderung

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Zweitens muss der Bürge durch die Übernahme der Bürgschaft finanziell krass überfordert sein. Wenn dies der Fall ist (siehe gleich folgende Definition), dann besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Übernahme der Bürgschaft nicht aus rationalen, sondern aus rein emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde.[35] Dies hat für den Bürgen folgende prozessuale Konsequenz: Legt er dar, dass er Angehöriger ist und dass die Bürgschaft ihn wirtschaftlich krass überfordert, muss er nicht mehr beweisen, dass er die Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit übernommen hat. Vielmehr muss der Gläubiger nachweisen, dass die Übernahme der Bürgschaft rational motiviert war.


Eine finanziell krasse Überforderung liegt dann vor, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal in der Lage ist, die Zinsen des Kredites, für den er mithaftet, aufzubringen.

dd) Kein eigenes wirtschaftliches Interesse

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Drittens müssen Sie feststellen, ob der Bürge nicht ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Kredit für den Hauptschuldner hatte. Erlangt nämlich der Bürge durch den aufgenommenen Kredit unmittelbar einen Vorteil, so ergibt die Gesamtwürdigung, dass trotz der Überforderung keine Sittenwidrigkeit anzunehmen ist.[36]

Dies ist hauptsächlich dann der Fall, wenn der Bürge Miteigentümer des durch den Kredit angeschafften Gegenstandes oder Mitunternehmer bei dem mit dem Kredit finanzierten Vorhaben wird und dabei erhebliche Gewinnaussichten hat.[37]

ee) Kenntnis des Gläubigers

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Schließlich muss der Gläubiger in Kenntnis dieser Umstände die Bürgschaft verlangt und somit die besonderen Umstände ausgenutzt haben. Ein bewusstes „Sichverschließen“ vor Tatsachen, die auf der Hand liegen, wird noch als „Kenntnis“ gewertet und ist damit nicht geeignet, den Gläubiger zu entlasten.[38] Ein bewusstes Ausnutzen des Gläubigers wird bei Bürgschaften naher Angehöriger bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.

Hinweis

In den Fällen von Bürgschaften naher Angehöriger trägt der Gläubiger also auch hier die volle Darlegungs- und Beweislast. Liegen alle objektiven Voraussetzungen vor, dürfte es einem Gläubiger (fast immer Banken) sehr schwer fallen, diese Unkenntnis tatsächlich zu beweisen.

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Sollten die Voraussetzungen der Nichtigkeit einer Familienbürgschaft nicht vorliegen, so kann die Bürgschaft dennoch gemäß § 138 Abs. 1 nichtig sein. Denkbar sind hier Fälle, in denen der Gläubiger eine (seelische) Zwangslage ausnutzt, die geschäftliche Unerfahrenheit des Bürgen missbraucht oder die Gefahren einer Bürgschaft bagatellisiert.[39]

Die Schwierigkeit hier ist weniger, ob ein solcher Fall vorliegt, sondern mehr, ob der Bürge in der Lage ist, dem Gläubiger ein solches u.U. Jahre zurück liegendes Verhalten auch zu beweisen.

c) Inhaltskontrolle von Bürgschafts-AGB

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Häufig werden Bürgschaften (gerade im Massenverkehr der Banken) im Rahmen von vorformulierten Vertragsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 übernommen. Derartige Verträge unterfallen daher den Regelungen der §§ 305 ff. Anlass für eine Prüfung bieten insbesondere Klauseln, wonach der Bürge nicht nur für die Verbindlichkeit des Hauptschuldners zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages (sogenannte Anlassverbindlichkeit), sondern auch für alle künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners gegenüber dem Gläubiger (Globalbürgschaft) die Bürgschaft übernimmt. Haben Sie mit einem Fall der Globalbürgschaft zu tun, gehen Sie wie folgt vor:

aa) Globalklausel als AGB

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Wurde die Globalbürgschaft unter Verwendung von vorformulierten Vertragsbedingungen übernommen? Ist dies nicht der Fall (liegt also eine Individualabrede vor), ist mangels Allgemeiner Geschäftsbedingung der Anwendungsbereich der Klauselkontrolle durch die §§ 305 ff. schon gar nicht eröffnet.

bb) Kontrolle nach § 305c oder § 307 Abs. 2 Nr. 1

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Sie stellen dann fest, dass die Übernahme der Bürgschaft für Verbindlichkeiten über die Anlassverbindlichkeit hinaus durch eine AGB-Klausel grundsätzlich gegen § 305c (Verbot der überraschenden Klausel) verstößt. Grundsätzlich muss ein Sicherungsgeber, der aus Anlass eines Darlehens eine Bürgschaft übernimmt, wegen der mit diesem Anlass verbundenen Zweckvorstellung in Bezug auf die von ihm gegebenen Sicherheit nicht damit rechnen, auch für alle künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners zu haften. Er wird durch die Klausel gewissermaßen „überrumpelt“.[40] Dem steht auch nicht die Vorschrift des § 765 Abs. 2 entgegen, da die dort vorgesehene Möglichkeit, eine Bürgschaft für künftige Forderungen zu übernehmen, nichts darüber besagt, ob der Bürge mit solchen Erweiterungen der Bürgschaft im konkreten Einzelfall rechnen muss.[41]

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Eine Ausnahme gilt nur für diejenigen, die das Risiko einer Erweiterung selbst steuern können und zudem aufgrund ihrer beruflichen Stellung und Erfahrung mit der Üblichkeit derartiger Globalsicherungsklauseln vertraut sind, so dass diese ausnahmsweise nicht des Schutzes nach § 305c Abs. 1 bedürfen.[42] Dies sind in der Regel die geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH, die für „ihre“ GmbH die Bürgschaft übernehmen.

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Ferner können Sie die Wirksamkeit der Globalbürgschaft im Rahmen von AGB auch an § 307 Abs. 2 Nr. 1 scheitern lassen, in dem Sie § 767 Abs. 1 S. 3 zitieren. Dort heißt es:

„Durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, wird der Umfang der Bürgschaft nicht erweitert.“

Dieses Verbot der Fremddisposition ist ein wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung, von der zwar in individuell ausgehandelten Verträgen, nicht aber in AGB abgewichen werden darf.[43]

Etwas anderes gilt – wie bei § 305c – nur dann, wenn es der Bürge selbst in der Hand hat, welche Verbindlichkeiten von der Globalbürgschaft erfasst werden sollen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Geschäftsführer einer GmbH sich (auch) für die künftigen Verbindlichkeiten der GmbH verbürgt. In diesem Fall bedarf er ausnahmsweise nicht des Schutzes durch § 307 Abs. 2 Nr. 1.

cc) Rechtsfolgen bei einer unwirksamen Globalklausel

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Ist die Globalklausel nach § 305c bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 unwirksam, bleibt die Bürgschaft für die Anlassverbindlichkeit wirksam. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit besteht also darin, dass (nur) die Einbeziehung der sonstigen Forderungen in die Bürgschaft nichtig ist.[44]

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Hier handelt es sich nicht um eine (grundsätzlich unzulässige) geltungserhaltene Reduktion. Man reduziert die unwirksamen Globalklauseln nicht einfach bis zum „gerade noch“ zulässigen Umfang. Vorliegend liegt der Sachverhalt nämlich anders:

Die Umformulierung der Klausel (Bürgschaft nur für „Anlassforderung“) soll dazu dienen, dass die Bürgschaft einen Leistungsinhalt behält, der den Vorstellungen des Bürgen bei der Abgabe der Bürgschaftserklärung entspricht, sodass seine berechtigten Interessen voll berücksichtigt werden. Die Totalnichtigkeit der Bürgschaft wäre – gemessen am Schutzzweck der AGB-Normen – eine überschießende Rechtsfolge.[45] Deshalb ist es nicht zum Schutze des Bürgen verboten, das von den Parteien bei Vertragsschluss gewünschte Ergebnis durch Umformulierung einer Globalklausel zu bewirken.[46]

4. Entstehen der gesicherten Forderung

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Wir haben es ja nun schon mehrfach erwähnt: Die Bürgschaft ist eine akzessorische Sicherheit. Deshalb gehört zum haftungsbegründenden Tatbestand, dass auch die mit der Bürgschaft gesicherte Forderung entstanden ist, vgl. § 767 Abs. 1 S. 1.

Hinweis

Ist die gesicherte Forderung entstanden, aber später (ganz oder teilweise) erloschen, so begründe dies eine rechtsvernichtende Einwendung des Bürgen. Kraft Akzessorietät besteht die Bürgschaft nur noch in der restlichen Höhe der gesicherten Schuld. Ist die Schuld vollständig getilgt, besteht überhaupt kein Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen mehr.[47]

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Zwar ist es möglich, eine Bürgschaft für eine künftige oder bedingte Forderung zu übernehmen, wie § 765 Abs. 2 ausdrücklich sagt. Der Gläubiger kann aber erst in dem Zeitpunkt Rechte aus der Bürgschaft herleiten, in dem die Forderung auch wirklich entstanden und noch nicht wieder erloschen ist.

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Problematisch wird es allerdings dann, wenn zwar die eigentlich gesicherte Forderung nicht entstanden ist, an ihre Stelle aber ein Ersatzanspruch getreten ist.

Beispiel

Kredithai G gewährt Schuldner S, der dringend auf das Geld angewiesen ist und außer K keinen Kreditgeber finden kann, ein Darlehen zu 28% Zinsen p.a. (= pro anno = (lat.) jährlich). Zusätzlich verlangt G eine Bürgschaft, die der Freund F des S schließlich schriftlich übernimmt. F sind die Vertragsbedingungen des Darlehens bekannt.

Ohne auf die Einzelheiten eingehen zu können: Der Darlehensvertrag zwischen G und S ist nach § 138 Abs. 2 nichtig (Wucherdarlehen).[48] G hat zwar keinen Anspruch auf Zinszahlung, wohl aber einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf die Rückzahlung der Darlehensvaluta aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1.[49]

Fraglich ist, ob dieser Anspruch durch die Bürgschaft, die sich auf einen Darlehensanspruch bezog, abgesichert ist. Die Frage ist streitig.

Die eine Meinung argumentiert formal: Der Anspruch des Gläubigers sei nie entstanden und deshalb habe es auch nie eine diesen Anspruch absichernde Bürgschaft geben können.[50]

Die (wohl herrschende) Gegenmeinung argumentiert, dass es für die rechtsunkundigen Beteiligten gleichgültig sein dürfte, ob der Rückzahlungsanspruch nun aufgrund des Darlehensvertrages oder aufgrund eines Bereicherungsanspruches begründet ist.[51]

Ich empfehle Ihnen, sich der herrschenden Auffassung anzuschließen, zumal sie auch von der Rechtsprechung vertreten wird.

5. Umfang der Haftung

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Das Gesetz geht als Regelfall davon aus, dass sich der Bürge für eine Verbindlichkeit des Hauptschuldners komplett, d.h. in voller Höhe verpflichtet. Sollte diese Schuld z.B. durch Erfüllung ganz oder teilweise untergegangen sein, so entfällt damit auch eine Haftung des Bürgen (s.o. Rn. 78). § 767 Abs. 1 S. 1 stellt dies noch einmal klar. Ansonsten enthält § 767 zwei Erweiterungen der Bürgschaftsschuld sowie eine Einschränkung:

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Der Bürge haftet auch für die Verzugskosten, die dem Gläubiger gegen den Hauptschuldner zustehen, wie sich aus § 767 Abs. 1 S. 2 ergibt.

Hinweis

In einer Klausur kann damit im Rahmen eines Bürgschaftsanspruchs inzident ein Fall aus dem Allgemeinen Schuldrecht zum Verzug eingebaut werden.

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Ferner haftet der Bürge dem Gläubiger für die Kosten der Kündigung des Darlehensvertrages sowie für die Kosten der Rechtsverfolgung, § 767 Abs. 2.

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Alle anderen Rechtsgeschäfte, die der Hauptschuldner mit dem Gläubiger nach Abschluss der Bürgschaftsvereinbarung trifft, belasten den Bürgen hingegen nicht (§ 767 Abs. 1 S. 3).

Beispiel

Vereinbart der Hauptschuldner mit dem Gläubiger bei Streit über die Darlehensforderung ein Anerkenntnis (mit der Folge des § 212 Abs. 1 Nr. 1, Neubeginn der Verjährung), so gilt dies nur für das Verhältnis Gläubiger-Schuldner, nicht aber zwischen Gläubiger und Bürgen.

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In der Praxis sind aber vertraglich vereinbarte Grenzen der Haftung des Bürgen möglich und üblich. Der Hauptfall ist die sogenannte Höchstbetragsbürgschaft. Üblicherweise[52] verbürgt sich in einem solchen Fall der Bürge für eine bestimmte Schuld des Bürgen, vereinbart aber mit dem Gläubiger, dass er nur bis zu einer betragsmäßigen Höchstgrenze haften will.[53]

Beispiel

G ist Minderheitsgesellschafter in der A GmbH. Die A GmbH beantragt einen Investitionskredit bei der B-Bank. G verbürgt sich für diesen Kredit mit der Maßgabe, dass er nur bis zu einem Maximalbetrag von 100 000 € haftet.

6. Sonstige Voraussetzungen/Einwendungen

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Den Parteien eines Bürgschaftsvertrages steht es frei, weitere Voraussetzungen für die Entstehung einer Bürgenhaftung (etwa aufschiebenden Bedingungen) zu vereinbaren.

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In bestimmten Fällen kann die Haftung des Bürgen nach dem Gedanken des „Dolo Agit“-Einwands[54] (§ 242) wegen eines gegenläufigen Schadensersatzanspruches aus c.i.c. nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1, 249 Abs. 1 von Anfang an ausgeschlossen sein.[55]

Hinweis

§ 242 wirkt über sein Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens als immanente Schranke eines Rechts. Besteht der Vorwurf bereits von Anfang an, begründet § 242 eine rechtshindernde Einwendung gegen einen treuwidrig erlangten Anspruch.[56]

Beispiel

Die geschäftlich unerfahrene Großtante T des N begleitet den N auf sein Bitten hin mit zur Bank. N füllt dort eine Menge Papiere aus. Plötzlich drückt der Sachbearbeiter S der überrumpelten T einen Stift in die Hand und fordert sie auf, an einer bestimmten Stelle zu unterschreiben. Auf ihre Nachfrage, was das denn solle, erklärt der Sachbearbeiter der Bank, das sei reine Formsache und sie müsse sich keine Gedanken machen. N unterschreibt daraufhin das mit „Selbstschuldnerische Bürgschaft“ überschriebene Formular.

In diesen Fällen (die leider kein Produkt fantasiebegabter Juristenhirne, sondern bittere Realität sind),[57] kann man der T auf vielfältige Weise helfen. Einmal ist zu prüfen, ob hier nicht der Bürgschaftsvertrag infolge Anfechtung[58] oder wegen § 138 Abs. 1 nichtig ist. Die Voraussetzungen haben wir bereits in Rn. 61 ff. besprochen.

Sollten diese Tatbestände nicht vorliegen, prüfen Sie weiter, ob dem Bürgschaftsanspruch der Dolo-Agit-Einwand nach § 242 wegen eines gegenläufigen Schadensersatzanspruches entgegensteht.

In dem Verhalten des Sachbearbeiters kann man nämlich eine Pflichtverletzung im Rahmen des Schuldverhältnisses mit der T erblicken (Verletzung der Aufklärungspflicht). Der daraus resultierenden Schadenersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, begründet dann einen rechtshindernden Einwand gegen die Verpflichtung des Bürgen.[59]

JURIQ-Klausurtipp

Den „Dolo-Agit-Einwand“ erkennen Sie ganz deutlich durch eine einfache „Nagelprobe“: Angenommen, die T würde auf die Bürgschaft zahlen. Dann würde sich ihr Aufhebungsanspruch gegen die Bank aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 sofort in einen Rückzahlungsanspruch verwandeln. Die Bank müsste die Zahlung also postwendend zurückerstatten.

Die nach § 249 Abs. 1 geschuldete Naturalrestitution ist auf Aufhebung bzw. Rückabwicklung des Vertrages gerichtet, wenn der Schaden in dem Zustandekommen des Vertrages und der damit verbundenen Belastung mit einer Verbindlichkeit besteht.[60] Hat der Geschädigte die Verbindlichkeit bereits erfüllt, begründet die geschuldete Naturalrestitution eine Pflicht zur Rückerstattung der Leistung.[61]

2. Teil Die Personalsicherheiten › A. Die Haftung des Bürgen › II. Anspruch erloschen?

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