Kitabı oku: «Mutter Angelica», sayfa 4
Das Geschenk
Eines Tages im Dezember 1940 befand sich Rita auf ihrem Heimweg von der Schule, als sie, wie sie es später bezeichnete, „das größte Geschenk, das ich von Gott jemals erhalten habe“, bekam. Ihr Magen schnürte sich zusammen, als sie das Haus der Gianfrancescos erreichte. An der Türschwelle konnte sie kaum noch auf den Beinen stehen. Ihre Knie und Ellbogen wurden wachsweich. Ihre Großmutter gab ihr einige Gläser warmes Wasser, die sie mit Schweißperlen im Gesicht austrank. Dies brachte jedoch keine Besserung. Die Krämpfe hielten eine ganze Stunde lang an.
Danach wurde Rita in den folgenden vierundzwanzig Stunden von Durchfall geplagt. Ihre einst fülligen Wangen hingen nun wie Satteltaschen an den Schläfen ihres Porzellangesichts. Jedes Mal, wenn sie den Versuch unternahm, etwas zu essen, kam es ihr vor, als zerschnitten Glasscherben ihre Eingeweide. In den folgenden Tagen verweigerte ihr Körper die Aufnahme jeglicher Nahrung, und so war sie gezwungen, eine eingeschränkte Diät mit Zwieback, Tee und weichen Nahrungsmitteln, die ihr Organismus aufnehmen konnte, einzuhalten.
Bis Anfang 1941 befielen die Krämpfe die Achtzehnjährige oft dreimal in der Woche. Doch selbst inmitten dieser körperlichen Belastung blieb Ritas Hauptanliegen die Sorge um das Wohlergehen ihrer Mutter.
Selbst Wochen nach der Ablegung ihrer Prüfung für den öffentlichen Dienst hatte Mae noch immer nichts vom Rathaus gehört. Das angespannte Warten auf das Ergebnis hatte wahrscheinlich ihren zweiten Nervenzusammenbruch verursacht – was zu einem erneuten sechswöchigen Aufenthalt in Philadelphia führte.
Jetzt stand Rita am Vorabend ihres Schulabschlusses vor einem ernüchternden Erwachsenendasein und war erneut mutterseelenallein. Obwohl sie Mae deren Abwesenheit nicht übel nahm, erzählte mir Mutter Angelica dennoch, dass diese Erfahrung sie zu der Erkenntnis führte, dass sie von niemandem Unterstützung erwarten konnte – weder von ihrer Mutter noch von ihrem Vater, noch nicht einmal von ihren Großeltern. Die Zukunft würde gänzlich von ihrem eigenen Einfallsreichtum abhängen. Mit dieser Einsicht fing Rita ganz allein mit der Arbeitssuche an.
Mae Rizzo war emotional ausgebrannt, ohne Arbeit und wieder knapp bei Kasse nach Canton zurückgekehrt. Am 22. Mai 1941 reichte sie beim Bezirksgericht einen Antrag auf Auszahlung ausstehender Unterhaltszahlungen in Höhe von 2098,50 Dollar ein, die sie von ihrem früheren Ehemann einklagte. Ob ihr das Gericht das Geld zusprach, ist zwar nicht klar, doch erhielt Mae am 1. Juli 1941 eine Stelle als Buchhalterin im Büro der Wasserwerke von Canton. Die Prüfung für den öffentlichen Dienst hatte sie ja bestanden. Die Arbeit brachte Maes Leben wieder ins Gleichgewicht, und ein Gefühl der Sicherheit erfüllte sie. Um ihren finanziellen Überfluss zu zeigen, putzte sie den Raum, den sie im Haus der Gianfrancescos mit Rita teilte, fein heraus mit Bettdecken aus Satin, die zudem noch rundherum mit Volants abgesteppt waren, mit Vorhängen an den Fenstern und mit neuen Lampen. All dies hätte sie sich zuvor niemals leisten können. Diese neuen Annehmlichkeiten boten Rita indes nur wenig Trost, denn ihr Magenleiden verschlimmerte sich.
Ende Juli baten Ritas besorgte Großeltern ihren Arzt, Dr. James J. Pagano, den Magen ihrer Enkeltochter zu untersuchen. Seit Anthony Gianfrancescos Schlaganfall hatte Pagano regelmäßig Hausbesuche in der Liberty Street gemacht. Anfangs dachte der Arzt, Rita würde an Magengeschwüren oder einer Entzündung der Gallenblase leiden. Daher verschrieb er zunächst entsprechende Medikamente, doch diese halfen nicht im Geringsten, den Schmerz zu mildern oder die Krämpfe zu beenden – ein Beweis dafür, dass die Diagnose falsch war.
Als Dr. Pagano Rita im November 1941 zur Röntgenuntersuchung ins Mercy Hospital schickte, hatte sie bereits zwanzig Pfund an Gewicht verloren. Schließlich ergaben die Untersuchungen eindeutig, dass Rita an einer Gastroptose litt, was üblicherweise auch als „Magensenkung“ bezeichnet wird. Durch diesen Zustand wird der Mageneingang abgeschnürt. Dies führt zu einer Blockierung der Nahrungsaufnahme. Ein für sie individuell angepasster Gürtel sollte nun Ritas Magen stützen und heilen. Durch diesen Gürtel wurde Ritas Leben erträglich, sogar dann, als die Welt auseinanderfiel.
Im Dezember 1941 griffen die Japaner Pearl Harbor an und zogen damit die Vereinigten Staaten in den weltweiten Konflikt mit hinein. Für eine Stahlstadt wie Canton brachte der Krieg Arbeit und entsprechend auch Arbeitsplätze. Rita schloss sich den Reihen der mehr als fünfzehntausend Frauen von Canton an, die auf der Gehaltsliste der Rüstungsindustrie standen. Ihre zuversichtliche Einstellung und ihre im Abschlussjahr gewählten Kurse ermöglichten es ihr, Anfang 1942 eine Stelle in der Werbeabteilung der Firma Timken Roller Bearing zu bekommen. Zu dieser Zeit war Timken ein regelrechtes Machtzentrum, das innerhalb von zwei Jahren 100.000 nahtlose Kanonenrohre für 37-, 40- und 75-mm-Geschosse herstellte.
Als Sekretärin des Abteilungsleiters der Werbeabteilung, Peter Poss, hatte Rita viele verschiedene Aufgaben. Sie schrieb und korrigierte Texte und gestaltete Entwürfe für Werbekampagnen und lernte sogar, manche Maschinen zu bedienen. „Herr Poss meinte, sie sei spitze“, erinnerte sich Elsie Machuga, die mit Rita bei Timken arbeitete. „Sie war so eine Art Allroundsekretärin.“
Im April 1942 ruhte sich Rita eines Tages im Aufenthaltsraum der Frauen bei Timken aus. Sie lag auf dem Sofa, legte ihre Füße hoch und versuchte dadurch, die Magenkrämpfe, deren Kommen sie bereits spürte, aufzuhalten. Kurz darauf fuhr ein stechender Schmerz durch ihren Unterleib. Selbst der für sie angefertigte Gürtel konnte ihren sich aufbäumenden Magen nicht mehr länger unter Kontrolle halten.
Am 13. Mai untersuchte Dr. Wiley Scott Rita zum ersten Mal. Er entschied, dass der Gürtel zu einer Art Korsett erweitert werden sollte, und empfahl ihr gleichzeitig, beim Schlafen die Füße ungefähr zwanzig Zentimeter hochzulagern, um den Magen zu stützen. Das Korsett durfte sie erst dann ausziehen, wenn sie im Bett die Füße hochgelagert hatte. Sie befolgte die ärztlichen Anweisungen, und ihre Magenschmerzen ließen nach. Rita kehrte zur Arbeit zurück.
Am 10. Juli 1942 wechselte Mae Rizzo gerade die Bettwäsche ihres Vaters, als „zwei große Männer ganz in weiß“ den Raum betraten. Die Männer riefen nach Anthony Gianfrancesco, während Mae ein Ende des Kissens mit den Zähnen festhielt und nur stumm zuschaute. Als sie sich noch damit abmühte, das Kissen in einen frischen Bezug hineinzustopfen, richtete sich der Vater auf. Anthony blickte die Fremden unverwandt an, murmelte ein „Ja“ und fiel zurück in die Arme des Todes. Es wird immer ein Geheimnis bleiben, ob diese weißgekleideten Männer tatsächlich engelhafte Erscheinungen waren. Doch Mae war sich sicher, sie gesehen zu haben. Sie erzählte diese Geschichte in den kommenden Jahren immer wieder.
Wenn jemand zu dieser Zeit Engel gebraucht hätte, dann wohl Rita. Als der November kam, waren ihre „Nerven schlimmer als je zuvor“, und die Krämpfe waren zurückgekehrt. „Ich konnte weder schlafen noch essen. Meine Hände zitterten, und mein linker Arm wurde taub“, schrieb Rita über ihre Krankheit. Ihre einzige Entlastung, das Korsett, fing an, in ihre Hüften einzuschneiden, was Blasen hervorbrachte, die bei fortgesetztem Tragen des Teiles mit der Zeit aufbrachen. Damit die Haut wieder ausheilen konnte, legte sie das Korsett ab und blieb zu Hause im Bett liegen. Während dieser Isolation beschäftigte sich Rita eifrig damit, ihre Lage ernsthaft zu überdenken. Eines Tages beschloss sie, ohne das Korsett aus dem Bett zu steigen. Sie wollte testen, ob sie wieder gesund wäre. Sofort wälzte sich ein widerwärtiger Schmerz durch ihren Magen. Als sie flüchtig nach unten schaute, versetzte ihr das, was sie sah, einen großen Schrecken: Die Haut ihres Unterleibes hatte einen bläulichen Farbton angenommen, als handle es sich um einen verblassenden Bluterguss. Doch noch mehr erschreckte sie, dass an der linken Seite des Unterleibs eine Geschwulst von der Größe einer Zitrone herausragte.
3. Kapitel
Heilung und Berufung
Die Mittel der göttlichen Vorsehung sind oftmals ganz alltäglich und zumeist unspektakulär. Für Rita Rizzo kam der Ruf Gottes nicht von einem Stern im Osten oder einer Feuersäule, sondern aus dem Mund einer Raumpflegerin, die im Außenbezirk von Canton arbeitete.
Mae Rizzo saß am 8. Januar 1943, einem Freitagnachmittag, in einem Bus und war auf ihrem Heimweg in Gedanken ganz mit den qualvollen Magenkrämpfen ihrer Tochter beschäftigt. Mit steifem Rücken, ihr Haar wie eine fein gemeißelte Skulptur zurechtgemacht, starrte sie aus dem Fenster und fragte sich, wohin diese Krankheit noch führen sollte. Rita sah gar nicht gut aus. Wie lange konnte sie noch mit Zwieback, Tee und altbackenem Brot überleben? Rita schrumpfte buchstäblich vor ihren Augen zusammen, und es gab nichts, was sie dagegen hätte tun können. Maes Vater war erst vor Kurzem gestorben. Dieser Tod beschwor bei ihr morbide Gedanken herauf. Sie hätte es nie ertragen können, auch noch Rita zu verlieren. Rita war alles, was Mae noch hatte.
Diese insgeheime Angst kam jetzt offen heraus, als Catherine Barthel den Bus bestieg und sich neben Mae setzte. Die zierliche Barthel war eine Freundin, die für ihren Lebensunterhalt in Häusern putzte, darunter auch in einer maroden Unterkunft im Nordosten von Canton. Mae erzählte der Frau von ihren Ängsten und beschrieb lebhaft Ritas derzeitige Leiden. Der Bus schlingerte hin und her. Gerade fuhren sie am Gerichtsgebäude vorbei, auf dessen Turmspitze zwei Engel goldene Trompeten bliesen.
„Warum gehst du mit Rita nicht einmal zu Frau Wise?“, schlug Barthel vor.
Mae hatte noch nie von Rhoda Wise gehört. Als Stigmatisierte, die angeblich Wunder wirkte, lebte Frau Wise in einem weißen, mit Schindeln bedeckten Holzhaus, gerade einen Häuserblock von der städtischen Mülldeponie entfernt. Dies war eines der Häuser, die Catherine Barthel einmal wöchentlich putzte. Frau Wise glaubte von sich selbst, auf wunderbare Weise geheilt worden zu sein – eine Heilung, die eine Kette von übernatürlichen Vorkommnissen zur Folge hatte.
Die schönen blauen Augen der korpulenten Frau ließen die körperlichen Höllenqualen nicht erkennen, die sie fast ein Jahrzehnt lang durchlitten hatte. In den frühen Dreißigerjahren schwoll der Bauch von Rhoda Wise so stark an, dass sie dachte, sie sei schwanger. Die Ärzte stellten später fest, dass sie eine neununddreißig Pfund schwere Zyste am Eierstock hatte. Der Krankenhausaufenthalt, der notwendig war, um die Geschwulst zu entfernen, sollte nicht ihr letzter gewesen sein. Depressiv und suizidgefährdet wurde Rhoda Wise 1933 in eine staatliche Heilanstalt eingewiesen. Verwachsungen im Unterleib zwangen sie wiederholt in den Operationssaal zurück.
Während einer der seltenen Phasen, in der sie sich guter Gesundheit erfreute, trat Rhoda Wise im Dezember 1936 auf ihrem Heimweg von einer Weihnachtsfeier unglücklicherweise in einen offenen Kanalisationsschacht. Das zerfetzte rechte Bein entzündete sich und begann, sich während der nächsten Monate nach innen zu drehen. Eine Reihe von Gipsverbänden, die das Bein wieder begradigen sollten, hatte keinen Erfolg.
Im Jahre 1938 dann wurde Frau Wise anlässlich einer weiteren Serie von Unterleibsoperationen im Mercy Hospital von einer Barmherzigen Schwester des hl. Augustinus besucht. In einer weißen Ordenstracht betete Schwester Clement mit der von Schmerzen geplagten Frau und machte sie mit dem Rosenkranz und anderen katholischen Andachtsgebeten bekannt. Als Protestantin lehnte sie alle diese Vorschläge der Nonne ab, insbesondere den Vorschlag, neun Tage zur hl. Theresia vom Kinde Jesu um ihre Heilung zu beten. Aber ihre Schmerzen überzeugten sie schließlich doch.
Bei einem darauffolgenden Krankenhausaufenthalt betete Rhoda Wise die neuntägige Novene zur hl. Theresia und konvertierte alsbald zum katholischen Glauben. Sie verließ das Mercy Hospital mit einem neuen Glauben und einer offenen Wunde, die einen Teil ihres Darmes freilegte. Der aufgebrochene Darm entleerte sich häufig und sonderte eine Flüssigkeit ab, die beim Heraustreten die Haut von Rhoda Wise verätzte.
In der Nacht des 27. Mai 1939, versicherte Wise, betrat Jesus ihr Zimmer und setzte sich auf einen Stuhl, der neben ihrem Bett stand. Der Erlöser erschien in leuchtender Gestalt. Sein Licht erfüllte den ganzen Raum. Bevor er ging, versprach Christus wiederzukommen.
Rhoda Wises Schmerzen waren so groß, dass sie bis zum Abend des 27. Juni 1939, als das Licht in ihr Zimmer zurückkehrte, um ihren Tod betete. Ihrem Tagebuch zufolge stand Jesus in der Tür und die hl. Theresia näherte sich ihrem Bett. Die Heilige legte ihre Hand auf ihre offene Wunde und sagte: „Früher hast du an mir gezweifelt. Du bist im Feuer erprobt und nicht für zu leicht befunden worden. Der Glaube heilt alles.“ Als sich das mystische Paar zurückgezogen hatte, war Rhoda Wise „überrascht zu sehen, dass die Wunde an meinem Unterleib… vollkommen geschlossen… und auch der durchgebrochene Darm völlig verheilt war“.
Frau Wise versicherte auch, dass die hl. Theresia sie später noch einmal besucht und dieses Mal ihren Gips entzweigebrochen hatte, bevor sie ihr rechtes Bein heilte. Nach langwierigen Untersuchungen und Befragungen berichtete der zurückhaltende geistliche Führer von Rhoda Wise, Monsignore George Habig, Freunden und Amtsträgern der Kirche, dass er die Heilungen für echt und übernatürlich halte. Die Nachricht von den wunderbaren Heilungen lockte jede Woche drei- bis fünfhundert Menschen zum Haus von Rhoda Wise. Schaulustige, Skeptiker und Pilger standen Schlange, um in das kleine ärmliche Haus einzutreten und eine Gelegenheit zu bekommen, die Seherin zu berühren. Rhoda Wise wurde zu einer Kultfigur.
Am Karfreitag 1942 quoll aus der Stirn von Rhoda Wise Blut. Im Laufe der nun folgenden Jahre sollte sie immer wieder die Passion Christi erleiden. Es traten dann freitags zwischen zwölf und fünfzehn Uhr starke Blutungen am Kopf, an den Händen und Füßen auf. Ihre Anhänger wussten damals noch nicht, dass Rhoda Wise sich zwei Jahre zuvor selbst als „Opferseele“ (wie die hl. Theresia) für gute Priester und Ordensleute Gott angeboten hatte. Sie ging dabei von der in der katholischen Tradition verwurzelten Vorstellung aus, dass man sein Leiden als Wiedergutmachung für die Fehler anderer Gott aufopfern kann.
Von 1940 bis zu ihrem Tode sollte Rhoda Wise ein Werkzeug für zahllose Wunder sein. Es gibt Berichte aus dieser Zeit, die Zeugnisse von Menschen enthalten, die an Krebs, Ohrenentzündungen, psychischen Krankheiten und Kropferkrankungen litten – und geheilt wurden, nachdem sie die beleibte Mystikerin besucht hatten. Während ihrer Busfahrt schilderte Catherine Barthel dies alles Mae Rizzo.
Barthels wunderbare Erzählung erweckte neue Hoffnung in Mae. Denn schließlich kannte Catherine diese Frau und arbeitete für sie. Dann musste es ja stimmen. Auf ihrem Weg nach Hause machte sie der Gedanke richtig froh, dass Rhoda Wise vielleicht Rita von ihrem Magenleiden befreien konnte. Auch wenn die Chancen vielleicht nur gering waren, so war es dennoch einen Versuch wert.
Rita war sich da gar nicht so sicher, und die angeblichen Zeichen und Wunder von Rhoda Wise waren alles andere als überzeugend: „Ich war mit meinem Überleben viel zu sehr beschäftigt, um mich um die Religion zu kümmern… Mein Glaube befand sich auf keinem hohen Niveau, wenn er sich überhaupt auf irgendeiner Stufe befand. Jedoch war ich froh darüber, dass meine Mutter hingehen wollte. Deshalb dachte ich mir: Was kann ich schon verlieren?“
Am selben Abend im Januar trotzten Rita und Mae einem Schneesturm und bestiegen ein Taxi, um Rhoda Wise zu besuchen. Als sie das Haus erreichten, stand die untersetzte, joviale Hausbesitzerin mit rosafarbener Gesichtsfarbe, die an eine Nelkenblüte erinnerte, bereits an der Tür.
Frau Wise bat Rita und ihre Mutter in ihr Schlafzimmer. Ein großer Altar beherrschte den Raum, auf dem Statuen der hl. Theresia, der Muttergottes und eine Herz-Jesu-Statue standen. Vor dem Altar an der rechten Seite stand der Küchenstuhl aus Holz, auf dem Jesus, wie Rhoda Wise berichtet hatte, während seiner Besuche bei ihr saß. Sie schlug Rita vor, sich auf den „Stuhl unseres Herrn“ zu setzen, während sie sich mit Mae unterhielt. Bevor der halbstündige Besuch zu Ende war, gab Frau Wise Rita „Gebete zur Kleinen Blume“ mit und sagte ihr, sie solle „irgendeine Art von Opfer bringen und versprechen, nach ihrer Heilung die Verehrung der hl. Theresia zu verbreiten“. Das war alles. Frau Wise hatte Rita weder berührt noch über sie ein Gebet gesprochen. Sie schenkte ihr lediglich ein Gebetskärtchen für die Novene und begleitete dann ihre Gäste hinaus.
Rita ging nach Hause und tat alles, was Frau Wise ihr aufgetragen hatte. Jeden Tag beteten ihre Mutter und Großmutter mit ihr die neuntägige Novene. Ritas Krämpfe hörten nicht auf, auch nicht die Schmerzen.
Bis zu den frühen Morgenstunden des 17. Januar 1943, als der neunte Tag der Novene vorüber war, geschah nichts. In der Dunkelheit jener morgendlichen Stunden spürte Rita die „stechendsten Schmerzen“, die sie je empfunden hatte. „Es war, als zöge etwas meinen Magen aus dem Leib heraus“, sagte sie. Um dem Schmerz zu begegnen, den sie erfahrungsgemäß ja schon erwartete, wollte sie vor dem Aufstehen das Korsett anlegen. Doch dann hörte sie eine Stimme, die ihr befahl, ohne das Korsett aufzustehen und zu gehen.
„Ich wusste nun, dass ich dieses Stützband nicht mehr brauchte, und ich wusste auch, dass ich geheilt war“, sagte Mutter Angelica, auch wenn ihr Magen noch immer wehtat. „Ich hatte zwar tatsächlich immer noch Schmerzen, aber sie waren anders.“
Zaghaft schlenderte sie in die Küche, in der Großmutter Gianfrancesco gerade beim Kochen war. „Oma, ich möchte gerne ein Schweinekotelett“, sagte sie.
Die abgespannte Frau drehte sich schnell um. „Testadura! [„Dickkopf!“] Du kannst doch keine Schweinekoteletts essen!“
„Doch, Oma, das kann ich.“ Rita schob das Oberteil ihres Schlafanzuges hoch und zeigte ihren Bauch. Die blaue Färbung war verschwunden, ebenso die Schwellung. „Ich bin geheilt!“
Die alte Dame wandte sich wieder ihrer Bratpfanne zu und fing an, ein Schweinekotelett zu braten. Als Mae in die Küche kam und die Neuigkeit erfuhr, wurde sie hysterisch. Zwischen Begeisterungsstürmen und ängstlichen Befürchtungen hin- und hergerissen, regte sich Mae derart auf, dass Großmutter Gianfrancesco ihr erst einmal eine Ohrfeige geben musste, um sie in ihren Gefühlsausbrüchen zu beruhigen. Mae schleuderte die Küchentür auf und brüllte über die Weinstöcke zum Haus ihres Bruders Nick hinüber: „Rita ist geheilt. Rita ist geheilt. Es ist ein Wunder!“
Rita strahlte, als sie auf dem freien Platz neben dem Haus stand, umringt von den Gianfrancescos. Um die Echtheit des Wunders zu überprüfen, ermunterte sie ihre zehnjährige Cousine Joanne, mehrmals auf ihren Bauch zu schlagen. Das machte das Kind auch. Heute ist Joanne noch immer überzeugt: „Der Bauch war völlig geheilt.“
Am 6. Februar 1943 wurde eine Röntgenaufnahme von Ritas Magen gemacht, vermutlich um die Heilung zu bestätigen. In einem Brief an Monsignore Habig vom 19. März 1943 beschrieb der Arzt Dr. Wiley Scott das Mädchen als „eine neurotische Frau mit einer Mentalität, die jederzeit offen ist für Suggestionen“. Wie Mutter Angelica selbst zugab, litt sie zu dieser Zeit zwar an einer bestimmten Form der Neurose, doch ihr cholerisches Temperament und ihr starker Wille schienen indes kaum anfällig für solche äußeren Einflüsse zu sein.
Dr. Scott argumentierte, dass seine Änderungen an Ritas Korsett im Mai 1942 eine „mentale Suggestion“ hervorgerufen hätte, weshalb sie meinte, ihr Zustand hätte sich verbessert. Das war nicht gerade überzeugend, denn sonst hätte sich Rita wohl weder darüber beklagt, dass ihre Schmerzen acht Monate später noch schlimmer wurden, noch hätte sie die Dienste von Rhoda Wise in Anspruch genommen, um durch ein Wunder geheilt zu werden. Es wäre auch schwer vorstellbar, dass eine bloße „mentale Suggestion“ die Kraft hätte, eine verfärbte Unterleibsgeschwulst zu beseitigen.
Gegen Ende seines Briefes verwarf Dr. Scott die Möglichkeit einer Heilung, wobei er eindeutig feststellte, dass „keine anatomische Veränderung im Röntgenbefund vom 6. Februar 1943“ vorhanden sei. Doch eine solche Diagnose ist zu bezweifeln. Denn Dr. Scott widersprach sich selbst zuvor im gleichen Brief, als er nämlich schrieb: „Ich hatte mir die Röntgenbilder angesehen, die von ihr zuerst im Mercy Hospital gemacht wurden. Die Aufnahmen vom 6. Februar 1943 habe ich nicht gesehen.“ (Hervorhebung als Kursivschrift durch den Autor). Wenn er also diese nach der vermuteten Heilung aufgenommenen Bilder nicht gesehen hatte, wie konnte der Arzt dann Ritas gegenwärtigen Zustand glaubwürdig einschätzen oder ein ehrliches, auf einer Vergleichsstudie beruhendes, medizinisches Gutachten erstellen? Entweder war das nun ein eklatanter Druckfehler, oder aber es deutet alles darauf hin, dass Dr. Scott die Röntgenaufnahmen nach der Genesung niemals zu Gesicht bekam und somit ein Urteil abgab, das sich weitgehend auf Ritas emotionalen Zustand und frühere Besuche stützte. Doch da Ritas medizinische Akten vernichtet wurden, gibt es keine Möglichkeit mehr, ein unabhängiges Urteil einzuholen.
„Ich weiß nur, dass ich wieder so viel an Gewicht zunahm, wie ich vorher verloren hatte. Der ärztliche Befund interessierte mich überhaupt nicht. Er war mir egal“, sagte Mutter Angelica. Für Rita war die Heilung eine umwerfende Erfahrung, ein Meilenstein, der ihrem Leben eine ganz neue Richtung gab.