Kitabı oku: «Mutter Angelica», sayfa 8

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Die Feuerprobe

Für Schwester Angelica gab es jetzt im neuen Kloster viel zu tun. Im Oktober 1951 waren der Altar für das Eucharistische Altarsakrament und die weiträumigen Wohnbereiche zwar fertiggestellt, doch die Folgen der schnell ausgeführten Arbeiten wurden nun sichtbar. Bei jedem Regen sah man an den Kellerwänden dunkle feuchte Stellen an den Wänden. Schließlich bildeten sich am Putz Wassertropfen, die auf den Boden tropften. Der Architekt hatte versäumt, zwischen der Außenwand aus Ziegelsteinen und der Innenwand einen kleinen Zwischenraum zu lassen. So konnte die Feuchtigkeit nicht entweichen. Schwester Angelica hatte diesen Konstruktionsfehler schon früh in den Plänen entdeckt, doch ihre Warnungen hatte man ignoriert. Angelica hatte nun greifbare Beweise in der Hand und trug ihre Kritik erneut Mutter Clare vor.

„Mutter, wir müssen dieses Haus hier in Ordnung bringen, es fällt sonst zusammen.“

„Wir haben dafür kein Geld, Schwester Angelica“, erwiderte Mutter Clare.

Angelica hatte bereits eine Lösung parat: „Ich werde ein paar von den Jungs holen“, kündigte sie an.

Die „Jungs“ aus ihrer alten Wohngegend aus dem Südosten von Canton wurden überredet, sich den Arbeitern der Nonne anzuschließen. Größtenteils arbeiteten sie ohne Entgelt.

„Ich habe so viele ehrliche Jungs bekommen, wie ich wollte, aber darunter waren auch ein paar andere“, sagte Mutter Angelica mit einem verständnisvollen Lächeln. Damit begann das erste von Angelicas vielen Bauprojekten.

Einfache Arbeiter und Hilfsarbeiter schlenderten durch die Flure des Klosters St. Klara, nachdem ihre Tagesarbeit beendet war. Onkel Nick Francis wurde zum Nachtschichtleiter ernannt. Rings um das Kloster nannte man die Männer Angelicas „Tonys“.

„Lasst es uns diesmal richtig machen, Jungs“, rief die Nonne mit der Brille ihrer Truppe im Untergeschoss zu.

Durch ihren Kurs im Technischen Zeichnen und die regelmäßige Lektüre des Technikmagazins Popular Mechanics sowie weiterer Fachzeitschriften für Architekten und Zimmerleute war Schwester Angelica gut vorbereitet und die perfekte Vorarbeiterin in Ordenstracht. Die geschickte Nonne wusste, wie man mit Werkzeugen umgeht. Sie konnte bei Bedarf undichte Wasserhähne reparieren und Schränke aufbauen.

„Sie war eine Art Alleskönnerin“, erinnerte sich Schwester Mary Anthony, eine damalige Externe. „Wenn irgendetwas nicht mehr funktionierte, dann rief man einfach nach Schwester Angelica.“

Doch ihre Aufgaben beschränkten sich nicht auf den technischen Bereich. Die junge Schwester war im Kloster für eine ungewöhnliche Vielzahl von Arbeitsbereichen zuständig, indem sie gleichzeitig Schatzmeisterin (Buchhalterin), Pförtnerin und Wirtschafterin (Einkäuferin der Vorräte) war.

Zur gleichen Zeit blieb sie oft bis zwei Uhr morgens bei ihren „Tonys“, gab ihnen Arbeitsanweisungen und altbackenes Gebäck. Drei Stunden später stand sie schon wieder mit der übrigen Gemeinschaft auf und begann erneut ihren Gebetstag.

Bei all diesen beachtlichen Aktivitäten waren Schwester Mary vom Kreuz und ihre „fast gewalttätigen“ Zornesausbrüche nur eine kleine Ablenkung. Es schien mehr zu sein als ein persönlicher Konflikt. Schwester Angelica war in höchstem Maße beunruhigt über den Ungehorsam, den sie bei der frechen Schwester erkannte. Mehrere Nonnen bestätigten, dass Mary vom Kreuz sogar Mutter Clare widersprochen hatte, und dass sie sogar mit Schreien versuchte, ihren Willen durchzusetzen. In einem Kalendereintrag vom 22. Mai 1959 erwähnte Mary vom Kreuz eine Zurechtweisung, höchstwahrscheinlich von Mutter Clare: „Heute kam es öffentlich knüppeldick – ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Ich ‚grabe mir mein eigenes Grab‘ – werde öffentlich ‚gezüchtigt‘ werden müssen… und das war es für mich! … Maria, ich klammere mich an Dich mit meiner ganzen Liebe. Rufe mich bald heim, Mutter!“

Dieser Eintrag lässt die Situation im Kloster einigermaßen erkennen und zeigt den Grund für Angelicas Beunruhigung über diese Nonne.

Im Frühling 1952 wurde Schwester Angelica von Mutter Clare in das Sprechzimmer gerufen, in dem Besucher warteten. Angelica hoffte, dort ihre Mutter oder vielleicht ihre Onkel zu treffen. Doch auf der anderen Seite des Doppelgitters saß die hagere Gestalt ihres Vaters, John Rizzo. Man hätte ihn malen können, wie er schuldbeladen und zusammengesunken in dem kleinen Zimmer saß in Begleitung seiner Schwester Mary aus Pennsylvania. Mit seinen sechsundfünfzig Jahren sah er noch immer gut aus und war freundlicher, als Angelica ihn in Erinnerung hatte.

„Deine Tante ist hier“, nahm John Rizzo zögernd das Gespräch auf und wies dabei auf die unbekannte Frau neben ihm. „Sie kam zu Besuch. Da dachte ich, dass ich sie zu dir mitbringen kann.“

Ein paar Augenblicke später ging seine Stimme in Schluchzen über. Damit Angelica seine Tränen nicht sah, presste er seine Handballen fest auf seine Augenhöhlen. Vielleicht weinte er wegen seiner zerbrochenen Ehe und der zerstörten Familie, oder er war traurig über die Jahre, in denen er in der Ferne gewesen war und nicht bei der verschleierten Fremden, die seine dunklen Augen hatte – einer Fremden, die John nun nie mehr kennenlernen würde. Als er seine Fassung wiederfand, fragte er Angelica, ohne sie anzuschauen: „Bist du hier glücklich?“

„Ja“, entgegnete die Nonne.

„Er tat mir leid“, gestand Mutter Angelica. „Aus irgendeinem unerfindlichen Grund konnte ich mich nicht daran erinnern, irgendeinen Groll gegen ihn gehegt zu haben. Ich hasste ihn nicht und liebte ihn nicht.“

John bemerkte einige Fettflecke auf Angelicas Ordenstracht und fragte, ob er ihr einen Fleckenentferner bringen könnte. Sie nannte ihm die Marke, die sie am liebsten hatte, und John versprach wiederzukommen.

Ein paar Wochen später tauchte er erneut im Sprechzimmer auf, diesmal mit einem Behälter von etwa drei Litern Fleckenentferner.

„Brauchst du noch irgendetwas anderes?“, fragte Rizzo.

Angelica versprach, die Genehmigung einzuholen, da sie sich wegen der Besuchsregelung unsicher war. Fast wollte John schon gehen, dann setzte er sich wieder hin. „Ich möchte dir sagen, dass es mir leidtut und ich möchte auch, dass deine Mutter weiß, dass es mir leidtut.“

Schwester Angelica war völlig überrascht, als sie diese Worte hörte: „Für mich war das wie ein Gewinn von einer Million Dollar, denn ich kannte ihn nicht gut genug, um bis dahin anzunehmen, dass es ihm wirklich leidtun konnte… und ich wollte ihn tatsächlich gerne wiedersehen.“

Doch die Klosterregel gestattete den Besuch der Eltern nur einmal alle zwei Monate, sodass Angelica gezwungen war, sich zwischen ihrer Mutter und ihrem Vater zu entscheiden. Als Mae erfuhr, dass John Rizzo das Kloster besuchte hatte, stellte sie ein Ultimatum: Falls er ihre gemeinsame Tochter noch einmal besuchen sollte, würde sie selbst nie mehr kommen. Angelica war sich nun nicht sicher, was sie tun sollte und überließ die Entscheidung der Äbtissin.

Mutter Clare erläuterte in einem Brief an John Rizzo die Besuchsbeschränkungen des Klosters und fällte ein Urteil: Da Mae Rita allein aufgezogen hatte, entschied Mutter Clare, dass sie der einzige Elternteil sein sollte, der Angelica besuchen durfte.

Der Brief hatte, den Worten seiner Schwester zufolge, eine niederschmetternde Wirkung auf John Rizzo. Sechs Monate später, am 29. Oktober 1952, starb er an einem Herzinfarkt. Schwester Angelicas einziger Trost war die Tatsache, dass er im Krankenhaus die Sterbesakramente empfangen hatte.

Im Kloster fuhr Schwester Mary vom Kreuz weiter fort, Angelica auf die Nerven zu gehen. „Ich dachte, sie sei das Schlimmste, was es überhaupt geben konnte“, erinnerte sich Mutter Angelica noch Jahre später. „Jeden Tag war ich wütend über irgendetwas Neues, das sie schon wieder angestellt hatte. Zu dieser Zeit war ich überhaupt nicht andächtig, weil sie mir immer im Kopf herumging.“

Während achttägiger Exerzitien im Jahre 1952 beichtete Angelica bei einem Pater Paulinus und bekannte ihre Abscheu gegenüber Mary vom Kreuz. Soweit sie sich erinnern konnte, endete die Beichte so:

„Wie heißen Sie?“, fragte der Priester.

„Schwester Angelica.“

„Angelica, Sie sind ein Esel.“

„Was bin ich?“, fragte die Nonne ungläubig nach.

„Sie haben richtig gehört. Ich sagte, Sie sind ein Esel.“ Dann wechselte der Priester seine Taktik. „Warum sind Sie hierhergekommen?“

„Ich bin hierhergekommen, um heilig zu werden.“

„Und warum lieben Sie sie dann nicht?“

„Selbst Gott dem Allmächtigen muss es schwerfallen, sie zu lieben.“

„Ich habe aber gefragt, warum Sie sie nicht lieben?“, bohrte der Priester weiter. „Wenn Sie heilig werden wollen, müssen Sie damit rechnen, dass es jemanden gibt, mit dem Sie nur schwer zurechtkommen. Sie sollten diese Art des Leidens erwarten – und sich alle Mühe geben, sie zu lieben.“

Schwester Angelica fing an einzusehen, dass die Befolgung der Ordensregeln nicht ausreichte, um zur Heiligkeit zu gelangen. Angesichts schmerzlicher Schimpftiraden und eines Verhaltens, das sie als „schizophren“ bezeichnete, unternahm Angelica nun einen ernsthaften Versuch, sich mit Schwester Mary vom Kreuz anzufreunden.

„Als ich mir Mühe gab, sie zu mögen, ertappte ich mich plötzlich dabei, dass ich allen anderen gegenüber geduldiger und liebenswürdiger sein konnte“, sagte Mutter Angelica. „Wenn man sich nämlich auf alles konzentriert, was einen im Leben stört, dann kann man wirklich niemanden mehr lieben.“

Auf ihrem Weg zu den ewigen Gelübden machte sich Angelica die Selbstvergessenheit und die Selbstverleugnung des Ordenslebens zu eigen. Sogar die Demütigungen von Mutter Clare waren nun leichter zu ertragen.

Da sie der Überzeugung war, dass „diejenigen, die Leitungsaufgaben übernehmen werden, gedemütigt werden müssen“, musste die neunundsiebzigjährige Äbtissin bei Schwester Angelica wohl schon Führungsqualitäten entdeckt haben. Einmal sagte sie zu ihr: „Schwester, wenn Sie Ihr Betragen nicht ändern, werde ich Ihren Namen ändern.“

„Wenn Mutter Clare etwas gegen die Gemeinschaft vorzubringen hatte, musste Angelica ihren Kopf hinhalten“, erinnerte sich Joan Frank, eine ehemalige Nonne des Klosters St. Klara. „Wenn alle das Gleiche getan hatten, wurde Angelica als Einzige herausgegriffen.“

Doch trotz einer solch strengen Behandlung hatte die Äbtissin eine große Achtung vor der neunundzwanzigjährigen Nonne. Als Zeichen des Vertrauens in Angelicas Führungsqualitäten beauftragte Mutter Clare sie mit der Organisation der Arbeitseinteilung für die Schwestern. Auf eigene Faust führte Angelica einmal eine Gruppe von Nonnen als Putzkolonne in den Keller. Eine der Schwestern, die von einem anderen Orden übergetreten war, protestierte gegen diese Arbeit und beschwerte sich bei Mutter Clare.

Die Äbtissin entzog Schwester Angelica umgehend ihren Posten. Die Nonne vergoss in ihrer Zelle wütende Tränen wegen dieser Zurückweisung. „Ich meinte, das getan zu haben, was Mutter Clare von mir wollte, und nun war ich arbeitslos“, erzählte mir Mutter Angelica.

Die Stellvertreterin von Mutter Clare, Mutter Luka, schob sich leise in Schwester Angelicas Zimmer mit dem üblichen mitfühlenden und zerknirschten Gesichtsausdruck. Die alte Nonne setzte sich auf den Bettrand und tröstete sie: „Angelica, eines Tages werden Sie eine gute Oberin sein, aber eben jetzt noch nicht.“

Angelica wäre schon damit zufrieden gewesen, wenn sie endlich den Rang einer Professschwester erreicht hätte. „Es war mir völlig egal, ob ich jemals Oberin werden würde. Das war damals meine Einstellung.“

Nach fast neun Jahren im Kloster erreichte Angelica ihr Ziel und legte am Freitag, dem 2. Januar 1953, ihre ewigen Gelübde in der neuen Kapelle ab. Ihr alter Seelenführer, Monsignore George Habig, fungierte als Zelebrant. Angelica versprach „während des (ihres) ganzen Lebens… in Gehorsam, Armut und Keuschheit zu leben“. Auf dem Höhepunkt der Feier lag Angelica ausgestreckt auf dem Boden, und die Schwestern breiteten ein schwarzes Tuch über sie aus. Die Symbolik dieses Sterbens für diese Welt und des Eintretens in ein neues Leben hinterließ einen tiefen Eindruck bei der Nonne, die die feierliche Profess abgelegt hatte – auch wenn ihr Magen zu dieser Zeit flatterte.

„Irgendjemand beschloss, einen jener Geldgürtel mit all diesen Gebetsanliegen an meinem Bauch zu befestigen. Meine Mutter hatte welche hineingepackt, meine Tante und mein Onkel, die Schwestern und alle meine ehemaligen Schulkameraden“, sagte Angelica. „Ich habe mich gebückt, doch mein Bauch berührte nicht einmal den Boden.“

Am 12. August 1953 reiste Schwester Angelicas Freundin, Mutter Veronica, von Canton ab, um in Washington ein neues Kloster zu gründen. Wie Waisenkinder wurde die Gruppe der Novizinnen in den Händen von Mutter Mary Immaculata zurückgelassen. Die Schwestern vermissten die mütterliche Wärme Veronicas. Sie waren jetzt einer Nonne ausgeliefert, die sie als „stur“, „melancholisch“, „sarkastisch“ beziehungsweise als „hartnäckige Perfektionistin“ schilderten.

Als Lehrerin aus Irland trug Mutter Mary Immaculata tatsächlich den treffenden Namen. In ihrer Kleidung und ihrem Benehmen war sie makellos. Von ihren Schützlingen erwartete sie nichts Geringeres als absolute Perfektion. Obwohl sie in Canton eines Tages eine beliebte Äbtissin werden sollte, konnte sie zu dieser Zeit jedenfalls noch ungewöhnlich streng zu den Novizinnen sein.

„Mutter Immaculata ließ mich glauben, dass ich eines Tages in die Hölle käme“, erinnerte sich Mutter Angelica klagend.

Der Sturz

Mutter Veronicas Weggang und ihr Vorhaben, in Washington ein neues Kloster aufzubauen, gaben Schwester Angelica schon 1953 den Anstoß, über ein neues Kloster nachzudenken, das eine besondere Ausrichtung haben sollte. Joan Frank erinnerte sich, wie sie mit Angelica im Garten arbeitete, als die junge Schwester zum ersten Mal die Möglichkeit erwähnte, „ein Kloster für kleine Neger [sic!] unten im Süden“ zu gründen. Sie stellte sich vor, dort gezielt schwarze Schwestern für das kontemplative Leben anzuwerben. „Sie war alles andere als rassistisch eingestellt. Über schwarze Menschen sprach sie immer sehr liebevoll“, erinnerte sich Frank.

„Ihre Mutter mochte die Schwarzen gern“, erzählte Schwester Michael. „Ich glaube, dies färbte sich vermutlich auch auf Schwester Angelica ab.“ Die Beobachtung, wie Mae Francis völlig ungezwungen mit den Schwarzen umging und mit ihnen befreundet war, bevor es überhaupt Ansätze zu einer gesellschaftlichen Integration gab, legte sicher das Fundament für Angelicas Idee. Wie die von der Gemeinschaft abgehaltene Veranstaltung zur Rassenintegration zeigte, bestand im Kloster St. Klara ein Interesse an der Rassenfrage. Dies bestärkte Schwester Angelica sicher noch in ihrer Vision. Sie erwähnte gegenüber den ihr freundlich gesinnten Nonnen vorsichtig die Möglichkeit einer Neugründung im Süden, doch vorläufig blieb es beim Gespräch und ging nicht darüber hinaus.

Dann sollte eines Nachmittags im Jahre 1953 die Vorsehung abermals schmerzvoll in das Leben von Schwester Mary Angelica einwirken, und zwar mit nachhaltigen Folgen. Sie war mit der Reinigung des Ganges und der Schlafzimmer in der Novizinnenabteilung im zweiten Stock beauftragt und wählte eine moderne Reinigungsmethode. Um die Arbeit zu beschleunigen, goss sie Seifenwasser auf den Fußboden und steuerte eine elektrische Scheuermaschine darüber. Sie besaß die nötige Körpergröße und war wohl auch kräftig genug, um diese bockige Maschine zu beherrschen. Als sie dieses Gerät in engen Streifen hin und her durch den Schaum schob, verfing sich das Kabel in den Bürsten. Die schwere Maschine bockte und zitterte, und Angelica verlor das Gleichgewicht.

„Die ganze Maschine ging hoch, der Haltegriff traf mich in den Magen und warf mich auf diesen rutschigen Fußboden“, erklärte Angelica und zuckte zusammen, als sie daran dachte, was danach geschah. „Ich fiel also hin und verspürte einen großen Schmerz.“ Die linke Seite ihres Rückens tat weh. Der Schmerz strahlte unten vom Rücken bis auf die Mitte ihres linken Beines aus. Angelica stützte sich an der Wand ab, um wieder auf die Beine zu kommen. Sie schaffte es auch. Dann schleppte sie sich zu der umgekippten Maschine, stellte sie wieder auf und beendete ihre Arbeit. Sie dachte, die Rückenschmerzen würden schon von alleine wieder verschwinden. Drei Jahre später wartete sie noch immer darauf.

Ende 1953 litt Mutter Clare wieder unter ihren alten gesundheitlichen Problemen. Die Äbtissin erlitt zwei Herzinfarkte und kam schwer angeschlagen in die Gemeinschaft zurück. In ihrem geschwächten Zustand wandte sie sich ruhig an Schwester Angelica, ihre so oft gedemütigte Tochter, damit diese bei der Führung einsprang.

Die Befreiung der Gefangenen

Im Herbst 1953 hatten elf Novizinnen St. Klara verlassen, um dem strengen Regiment von Schwester Mary Immaculata, der Novizenmeisterin, zu entkommen. Die Nonnen, die in dieser „extrem strengen“ Umgebung zurückgeblieben waren, litten an Darmerkrankungen, Weinkrämpfen und Gefühlen des Unwürdigseins. Die dauernden Verweise und das unnötige Hervorheben von kleinen Schwächen führte bei einer der Schwestern zu einem Nervenzusammenbruch und ebnete den Weg für einen weiteren. „Es war so eine Art Sklaverei“, wie es Schwester Raphael nannte.

Als Schwester Mary Immaculata zu achttägigen Exerzitien fuhr, bat die Äbtissin Schwester Angelica, ihre Stelle einzunehmen.

Im November 1953 schritt Angelica mit einem frohen Optimismus in das Noviziat, der genau das Gegenteil der gedrückten Stimmung war, die normalerweise auf der zweiten Etage in St. Klara herrschte. Acht Tage lang war Schwester Angelica für die religiöse Unterweisung und Ausbildung sowie für den Tagesablauf der Novizinnen verantwortlich. Sie betonte Gottes Liebe für die Schwestern und ermutigte jede Einzelne, sich Ihm ganz hinzugeben.

Schwester Raphael, die damals Novizin war, „war sehr erbittert“ darüber, dass Angelica die Novizenmeisterin ersetzte. Nachdem sie versucht hatte, sich an die starre Struktur des Ordenslebens anzupassen, wie diese von Mutter Mary Immaculata aufgebaut wurde, hatte man es nun mit der Außenseiterin der Gemeinschaft zu tun, die etwas völlig anderes einführte. Schwester Raphael wollte nichts damit zu tun haben, und sie benahm sich „unmanierlich, um es gelinde auszudrücken“.

In dieser ersten Woche ließ Angelica nichts unversucht, um das Vertrauen der Novizin zu gewinnen, jedoch hatte dieses Bemühen wenig Erfolg. „Lassen Sie mich in Ruhe“, konnte Schwester Raphael sagen. „Ich will Ihre Hilfe nicht.“ Wenn die Anforderungen des Klosterlebens zu anstrengend wurden, zog sich Raphael in ihr Schneckenhaus zurück und verbarg sich in ihrer Zelle. Schwester Angelica hatte das schon vorher einmal gesehen. Um die junge Frau herauszuholen, schob sie eines Tages einen Zettel unter Raphaels Tür. Als sie keine Antwort erhielt, griff sie zur Selbsthilfe und betrat das Zimmer der Novizin. Raphael lag zusammengerollt unter ihrer Zudecke und weinte vor Selbstmitleid. „Sie kommen jetzt hier raus“, sagte Angelica, riss ihr die Betttücher weg und zog auch noch die Matratze unter ihr heraus. Raphael, hingestreckt auf dem Fußboden, fing an zu lachen – und damit war der Funke für eine lebenslange Freundschaft entzündet.

Angelica führte Raphael und die anderen Novizinnen in die Welt der geistlichen Klassiker ein, mit denen sie sich in ihrem Ordensleben beschäftigt hatte. Einen besonderen Schwerpunkt legte sie auf den hl. Johannes vom Kreuz und seine „dunkle Nacht der Seele“ – eine Zeit der geistlichen Trockenheit auf dem Weg zu einer tieferen mystischen Vereinigung mit Gott. Ganz nach dem Geist von Bruder Lorenz von der Auferstehung wurden die Schwestern angeleitet, die „vollständige Hingabe an Gott“ zu praktizieren und „das Glück im Tun Seines Willens zu finden, ganz gleich, ob Er uns führt… durch Leiden oder durch Tröstung.“ Sie führte Beispiele aus dem Leben der Heiligen als Vorbilder für ein religiöses Leben an. Schwester Angelica lehrte, dass die Heiligen „nicht gegen die Regeln verstießen, sondern einfach über sie hinauswuchsen“. Joan Frank dachte darüber nach: „Und anscheinend sah sie sich auch selbst so: Sie ragte über die Norm hinaus.“

In den acht kurzen Tagen trat eine Veränderung im Noviziat ein. Ein befreiendes, mitreißendes Licht drang plötzlich in das verkrampfte Leben der jungen Nonnen ein. Mit ihren lebendigen Vorträgen über die Hingabe an die göttliche Vorsehung und über das tägliche und fortwährende Gespräch mit Gott schmiedete Schwester Angelica dauerhafte Freundschaftsbande mit Schwester Joseph, Schwester Raphael und den anderen.

Als die Exerzitien von Mutter Mary Immaculata zu Ende gingen und sie wieder ins Kloster zurückkehrte, gaben einige der Novizinnen an, sich mitten auf dem „Weg der Reinigung“ in ihrem Gebet zu befinden, während andere gerade die „dunkle Nacht der Seele“ durchlitten. Angelica hatte also ihre Spuren hinterlassen. Doch Mutter Mary Immaculata war nicht gerade begeistert.

Bei der Rückkehr von Mary Immaculata und der Wiedereinführung ihrer harten Methoden erlitt Schwester Raphael „einen kleinen Nervenzusammenbruch“, der im Krankenzimmer endete. Zu dieser Zeit war Angelica gerade für die Kranken zuständig. In dieser Zeit war den Schwestern nach der Ordensregel jeglicher Kontakt mit den Novizinnen untersagt. Doch wer kümmerte sich schon im Krankenzimmer darum? Dort überwachte Angelica auch weiterhin Schwester Raphaels geistliches Leben. Wie die Novizin selbst zugab, half Angelica ihr, den „Fallstricken, in denen sie gefangen war“ zu entkommen.

Da sie um die Probleme im Noviziat wusste, fing Schwester Angelica ruhig an, auch die anderen Novizinnen zu bemuttern. Wenn ihr eine junge Schwester deprimiert vorkam, flüsterte sie ihr beim Vorbeigehen im Gang zu: „Jesus liebt dich.“ Wenn eine Novizin von Mutter Mary Immaculata zurechtgewiesen wurde, bemerkte Schwester Angelica: „Mir passierte das andauernd, als ich Novizin war“, erinnerte sich Joan Frank.

Um das Elend der Novizinnen ein wenig zu lindern, erlaubte Mutter Clare insgeheim, dass Angelica die geistliche Führung einiger der jungen Schwestern übernahm. Da sie wusste, dass die älteren Nonnen eine solche Ausnahme von der Ordensregel infrage stellen würden, bestand sie auf einer diskreten Abwicklung.

Schwester Michael erinnerte sich daran, dass Mutter Clare sie 1953 persönlich gefragt hatte, ob sie eine geistliche Führung von Schwester Angelica wünschte. Die junge Nonne lehnte das Angebot ab und kehrte zu ihrem normalen Tagesablauf zurück.

Es war die freundliche Schneiderin, Schwester Joseph, die Angelicas erste geistliche Tochter werden sollte. Sie trafen sich heimlich hinter einer Gartenlaube, dort, wo der Rasen aufhörte. Auch der Holzschuppen auf dem Grundstück der O’Deas diente als Treffpunkt, denn Schwester Michael zufolge „kam normalerweise kaum eine der Schwestern dorthin“.

Selbst mit ihrem verletzten Rücken, der nun auch ihre Körperhaltung in Mitleidenschaft zog, rannte Schwester Angelica durch das Klostergebäude, um Termine mit ihren geistlichen Schützlingen einzuhalten. Schwester Raphael und Schwester Assumpta kamen von dem im oberen Stockwerk gelegenen Nähzimmer zu Unterweisungen in Angelicas Zelle. Schwester Joseph saß dann im Nähzimmer, ließ ruhig ihre Nadel durch den Stoff gleiten und hielt Ausschau. „Ich sollte der Wachhund sein, während sie geistliche Anleitung gab“, verriet Schwester Joseph.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bemerkte Mutter Mary Immaculata aufgrund eines Hinweises bald die geheimen Sitzungen. Sie hielt der Äbtissin vor, dass Angelica im Geheimen die geistliche Führung der Novizinnen übernommen hatte. Dies war ein Verstoß gegen die Ordensregel. Mutter Clare verschwieg die Wahrheit und leugnete, Angelica angewiesen zu haben, die Nonnen zu unterweisen und rief die Beschuldigte in ihr Büro.

Bei einem Gespräch, das jemand mitgehört hatte, erzählte Schwester Angelica Mutter Clare unter Tränen, dass die älteren Schwestern „über sie herfielen“ und sie sehr verletzt hatten. Die Äbtissin tröstete Angelica, forderte sie auf, sich die Tränen abzuwischen. Dabei gestand sie vertraulich, dass „Gott aus irgendeinem Grund die Gemeinschaft nicht segnete“. Wohl um die Situation zu retten und die Novizinnen zu schonen, erlaubte die Äbtissin Angelica, ihre geistliche Führung weiter auszuüben.

In aller Ruhe und trotz der Beschwerden bestimmte Mutter Clare Schwester Angelica für den Weg der Führungsrolle innerhalb der Gemeinschaft. Ihr Vorankommen wurde nur durch die zunehmende Verschlechterung ihres Rückenproblems und durch Rivalitäten innerhalb des Klosters behindert. Doch im Glauben sollten diese offenkundigen Hindernisse sie zu einem Lebenswerk und einem Ziel leiten, das so unergründlich war wie Gott selbst.

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