Kitabı oku: «Briefe an Ludwig Tieck 3», sayfa 10
Louise Reichardt,
des Vorigen Tochter, als Komponistin schöner Lieder bekannt, die sich durch Tiefe des Gefühls und einfach natürliche Declamation auszeichnen.
VII
Hamb. d. 20t. Nov. (ohne Jahrzahl).
Lange habe ich solch eine Freude nicht gehabt wie über Deinen Brief, lieber Tieck, und Du brauchtest zu v. Bielefelds Empfehlung nichts weiter zu sagen, als daß er Dein Freund ist. Die Familien, deren Bekantschaft Dir für ihn lieb wäre, sind noch alle auf dem Lande, aber die nächste Woche pflegt so der letzte Termin zu seyn und dann werd ich ihn mit Vergnügen bey Mad. Sillem einführen; die weiteren haben Runge und der junge Sieveking übernommen, mit denen ich ihn bereits bekannt gemacht habt, und die dazu weit geschickter sind als ich, da ich schon seit mehreren Jahren aus allen Gesellschaften mich herausgezogen habe, weil ich es mit meinem Geschäft nicht vereinbar fand, und auch meine Gesundheit, die mich seit der letzten Reise nach Berlin oft Monathe hindurch im Zimmer hält und ausser aller Thätigkeit setzt, es ohnmöglich machte. – Von Deiner Gicht hörte ich oft mit herzlicher Theilnahme und freute mich, wenn man mir zugleich erzählte, daß Du dabey Deine Heiterkeit nicht verlohren. – Daß Deine Töchter musicalisch sind, ist eine schöne Zugabe, meine Lieder sind mir so fremd geworden, seit ich in Hamb. bin, daß Dein Wunsch, sie zu haben, mich ordentlich einen Augenblick wehmüthig machte, weil es mich an die alte gute Zeit erinnerte. Ich habe durchaus nichts davon, aber ich weiß hie und da noch jemand, von dem ich sie glaube erhalten zu können, und so soll Dein Freund, der Weihnachten zu Euch kommt, Dir wenigstens die Deinen, und was ich sonst der Mühe werth halte, mitbringen. Mein einziger Wunsch ist, bevor ich sterbe, noch etwas für die Kirche zu schreiben, ich habe diesen Sommer mit einzelnen Sprüchen aus der Bibel, die ich für meine Schülerinnen 3 und 4 stimmig gesetzt habe, angefangen und denke hauptsächlich in dieser Absicht eine Einladung nach England anzunehmen, weil ich dort in 2 Tagen mehr verdienen kann, als hier die ganze Woche und dann alle übrige Zeit eine Stunde von London in einer schönen Gegend ganz auf dem Lande zubringen würde, in einem deutschen Hause, welches mir alle Vortheile, deren ich mich in der Sillemschen Familie erfreue, anbiethet, dafür daß ich zwey lieben Mädchen, die schon hier meine Schülerinnen waren, Singstunden gebe.
Ob ich mich um Fritz verdient gemacht habe, daß wird sich erst zeigen, ich habe nach meiner Ueberzeugung gehandelt und es mir viel kosten lassen, aber er entspricht meinen Erwartungen bis jetzt leider nicht. Laß dies unter uns bleiben. – mein seeliger Vater schrieb mir, als er ihn mir schickte: „Suche seinen Verstand auszubilden, so wird es vielleicht möglich, von dieser Seite auf sein Gefühl zu wirken; aber was mich und Dich beglücken kann, das wird er nie haben,“ und ich fürchte, er hat nur zu wahr gesagt. Er hat der Mutter ihren Egoismus und den eisernen Eigenwillen von Carl Alberti. Gott möge sich sein erbarmen! —
Deine Arbeiten erhalte ich immer ganz frisch von Perthes; und Runge, der sehr viel davon hält, liest sie mir vor. Ich muß bey Erwähnung Deiner Arbeiten noch sagen, daß mir mehreres, besonders der Phantasus so werth ist, daß ich viel daraus ganz auswendig weiß. Diese beyden Männer gehören zu den wenigen Menschen meines vertrauten Umgangs, und daß sie Dich achten und lieben, macht sie mir besonders werth. Voriges Jahr hofften wir so sicher, Dich hier zu sehn, kannst Du es nicht einmahl noch machen, wie würden wir uns freuen! Deine Frau grüße tausendmahl; beykommende graue Erbsen lege ich Dir zu Füssen und schicke nicht mehr, weil die großen, die aber jetzt sehr theuer sind, erst in 14 Tagen kommen, wie mir der Mann, von dem wir alles nehmen, hat sagen lassen; willst Du nun davon noch mehr haben, so soll er Dir sie gleich mit der Rechnung schicken, ich hoffe Du sollst aber auch mit diesen, wovon Mad. Sillem, die Dich freundlich grüßt, eine Probe hat kochen lassen, wohl zufrieden seyn. Die gute Sillem ist heute in Trauer, da gestern Abend plötzlich ihre einzige Schwester Mad. Goddefroy gestorben, der Mann ist schon seit dem Frühling todt, und die fromme Frau, die schon lange kränkelte, sehnte sich mit ihm wieder vereint zu seyn.
Entschuldige mein Geschmier und bleibe freundlich Deiner Dir innig ergebenen
L. Reichardt.
VIII
Hamb. d. 24st. Oct. (ohne Jahrzahl9).
Dein freundliches Andenken, Bester Tieck, macht mich so glücklich, daß ich nicht zu sagen wüßte, ob ich mich mehr über Deinen Brief oder über Webers Bekanntschaft, der ich viel schöne Stunden verdanke, gefreut habe. Es gehört zu den wenigen Wünschen, die ich für diese Welt noch habe, Dir einmahl wieder näher zu kommen und Deine Kinder, von denen ich so viel Liebes höre, kennen zu lernen. Webers werden Dir sagen, daß ich immer noch in derselben glücklichen Lage im Sillemschen Hause lebe. England ist mir eine sehr schöne Erinnerung, hauptsächlich weil ich dort den Grund zu einer bessern Gesundheit gelegt habe. Um dort zu bleiben, war grade nicht der rechte Augenbl., indem grade in jenem Sommer all’ die guten Häuser, denen ich empfohlen war, fallierten und zum Theil England verliessen; jetzt sieht es nun gar so bunt aus, daß meine dortigen Freunde sich herzlich freuen, mich nicht gefesselt zu haben. – Welche Freude wäre es gewesen, wenn wir uns dort getroffen hätten, ich weiß, wie ich mich schon an den wenigen Menschen dort, die Dich gesehen hatten, gefreut habe. Daß auch Deine Gesundheit sich bessert, ist gar herrlich! – ich denke im Frühling nach Giebichenst. zu reisen, wo jetzt wieder so viele von den Meinigen beysammen sind, und hätte große Lust einen kleinen Abstecher nach Dresden, was mir in so vieler Hinsicht bedeutend ist, zu machen. Aber du müßtest freylich noch dort sein, wozu ja auch Weber mir Hoffnung giebt. Deine Frau und Kinder sind auf’s Herzlichste von mir gegrüßt. Die Meinigen schreiben mir so wenig, daß ich gar nicht wußte, daß Ihr in Dresden lebet, auch der Fritz hat ganz aufgehört mir zu schreiben, und kommt Ende dieses Monaths ganz zu Raumer ins Haus, was mich sehr glücklich macht, und ich beabsichtige die Reise hauptsächlich, um ihm nicht ganz fremd zu werden. – Herzlich habe ich mich gefreut, auch einmahl wieder etwas von Möllers zu hören, die ich recht sehr werth halte. Dein kirschbrauner Freund v. Bielefeld ist auch wieder hier, ich habe ihn aber noch immer verfehlt. Bey Deinen hiesigen Freunden bist Du in sehr gutem Andenken; Mad. Sillem, die jetzt viel kränkelt, trägt mir herzliche Grüße auf. Die grauen Erbsen, davon Weber nur einige Pf. in seinem Wagen lassen kann, kommen mit der fahrenden Post. – Seegne Dich Gott für Deine Güte und erhalte mir Deine Freundschaft.
L. Reichardt.
Reinbold, Adelheid
Obgleich wir diese Zierde Tieckscher Geselligkeit oft zu sehen und uns an ihr zu erfreuen so glücklich waren, wollen wir doch gern, was wir von ihr zu sagen vermöchten, unterdrücken, und schwärmerisch-begeisterten Klageworten über ihren Tod (siehe den Brief des Baron Maltitz) einen zusammengedrängten Abriß ihres Lebens folgen lassen, wie derselbe auszugsweise, doch wörtlich Rudolf Köpke’s herrlicher Schilderung entnommen ist.
„Unter den zahlreichen deutschen Schriftstellerinnen ist Adelheid R. eine der begabtesten, und doch ist kaum eine weniger anerkannt worden. Was sie besaß und vermochte, selbst ihre Dichtungen, hatte sie dem Leben in hartem Kampfe abgerungen. Schon als junges Mädchen war sie auf sich selbst, auf ihre eigene Kraft angewiesen. Sie stammte aus einer hannoverischen Beamtenfamilie. Früh machte sie manches verborgene Leiden durch. Dennoch erwarb sie reiche Kenntnisse in Sprache und Wissenschaft, und suchte sich dadurch eine selbstständige Stellung zu verschaffen. Zuerst hatte sie in Rehberg’s Familie eine freundschaftliche und für ihre Ausbildung folgenreiche Ausbildung gefunden; dann ging sie nach Wien, wo sie als Erzieherin lebte, in die Welt der großen Gesellschaft eingeführt, und nach Lösung ihrer Aufgabe mit einer Pension entlassen wurde. Sie ging nach Dresden, und lernte Tieck kennen.
Fern von Weichheit und Sentimentalität, besaß sie eine männliche10 Kraft des Talentes. Zu weiterer Fortbildung, zu eigenen Schöpfungen fühlte sie sich hingedrängt; sie wollte aussprechen, was sie in sich unter schweren Verhältnissen erlebt hatte. Die Trauerspiele „Saul“ und „Semiramis“ entstanden. In der Novelle versuchte sie sich mit bestem Erfolg. – Zu ihrer Familie heimgekehrt, führte sie ein Dasein häuslichen Kummers. Dennoch schrieb sie für öffentliche Blätter und trat, unter dem Autornamen Franz Berthold, als Erzählerin im Morgenblatte auf. Im Jahre 1831 ging sie nach München, wo sie eine Zeit lang in Schellings Hause lebte. Später nahm sie abermals eine Stelle als Erzieherin bei fürstlichen Kindern in Sachsen an. Doch weil sie in solcher Existenz die Selbstständigkeit ihres produktiven Talentes gehemmt glaubte, machte sie sich wieder los, und wagte es, sich eine unabhängige literarische Stellung zu schaffen. Seit 1834 lebte sie in Dresden, wo sie einen ihrer jüngeren Brüder auf der Militairanstalt untergebracht. Mit voller Selbstverleugnung und Aufopferung verwandte sie ihren literarischen Erwerb darauf, die Ihrigen zu unterstützen. In der Familie eines einfachen Handwerkers hatte sie sich eingemiethet, deren kleines häusliches Leben sie theilte. In ihrem Zimmer schrieb sie Dramen, Novellen, Kritiken. In der Gesellschaft erschien sie als Weltdame. Sie war eine glänzende Erscheinung, schön, lebhaft, geistreich, von seltener Schnellkraft und Thätigkeit. In Tieck’s Hause zu Hause, ihm selbst fast leidenschaftlich ergeben, war sie heiter, witzig, sprühend, ein Gegenbild zur ernsten, frommen, gelehrten und einfachen Dorothea. Sie beherrschte das Gespräch vollkommen, mochte ihr der Diplomat oder Philosoph, der Engländer, Franzose, oder der deutsche Dichter gegenüber stehen.“ – Wie theuer sie ihrem verehrten Meister gewesen, läßt sich schon daraus entnehmen, daß Dichtungen, der aufregenden Zeit von 1830 entsprossen: „Der Prinz von Massa“ – „Masaniello“ – trotz revolutionairer Färbung nicht vermochten, sein Herz ihr zu entfremden. Sie blieb der Liebling des ganzen Tieck’schen Kreises, nicht minder geachtet als geliebt.
I
Göttingen, den 19. Juny 1829.
Wollen Sie mir vergönnen, theurer unvergeßlicher Freund, nach so langer Zeit einmal wieder vor Sie zu treten? Aber Sie standen mir so nah in diesen Tagen, wo ich Ihr herrliches Dichterleben las, daß ich mir es nicht versagen kann, Ihnen wieder einmal ein Wörtchen zu sagen; mir war, als hörte ich alle die schönen inhaltschweren Worte von Ihren Lippen fließen, wie sonst, Sie waren es so ganz selbst; dieses Werk muß vor allen andern, die ich von Ihnen kenne, so recht aus Ihrem Innersten geflossen seyn, denn so nah, so sichtbar möchte ich sagen, hat Sie noch keines vor meinen Geist gestellt. Wie herrlich zeichnen Sie den Kampf der wilden chaotischen Kraft mit dem menschlichen, den Kampf der Götter mit den Titanen, wie lernen wir Ihren Dichter lieben und bewundern, wie trifft er so wahr und so entschieden immer das Rechte, und doch können wir dabey auch dem Titanen Marlowe unsre Liebe und Bewundrung nicht versagen, ja er reißt sie gewissermaaßen noch mehr an sich, als Shakespear, den Sie mehr als die ruhige Critik auftreten lassen, er erobert unsre Zuneigung wie der Handelnde es immer thut, während der andre sie von Rechtswegen gewinnt. Ich finde in dieser Novelle den Stoff zu einem Trauerspiele, welches Sie Marlowe nennen könnten, und über welches ich Göthe’s Motto schreiben möchte: „Auch ohne Parz’ und Fatum spricht mein Mund, ging Agamemnon, ging Achill zu Grund,“ und dem es nur noch an Handlung fehlte, denn den ganzen innern Gehalt eines Trauerspiels, die Gedanken, welche sich unter einander verklagen und nicht aufs Reine kommen können, ja es ihrer Grundanlage nach vielleicht nie können, hat Ihre Novelle schon. Es ist eine Göttergestalt dieser Marlowe, der an nichts als an sich selbst hätte zu Grunde zu gehen können. Und wie schön ist nun wieder der Contrast des sanften weichen Green, der eben in der süßen Milde seines Gemüths uns doch wieder auf dem Sterbebette die poetische Beruhigung zeigt, die sein Leichtsinn ihm auf immer zu entreißen droht. Nun sollten Sie uns aber auch, theurer Freund, Ihren eigentlichen Helden und Liebling einmal im Kampfe mit sich selbst zeigen, und wie er in sich das Ungeheure und die nach allen Seiten überströmende Kraft, durch das Menschliche, und in diesem Sinn Göttliche, bändigt; denn glauben Sie, daß in Shakespeare selbst diese vollendete Harmonie aller Kräfte nicht erst nach manchem geheimen Kampf hervorgetreten ist, der nur nicht laut ward, weil seine Verhältnisse so bescheiden waren? Wer so unendlich tief empfand, daß er so in jede Menschenbrust zu tauchen verstand, wie er, sollte der nicht selbst alles Menschliche empfunden haben, und den Begriff des noch fehlenden nur durch das schon Erfahrene ersetzen, und sollte es nicht eben sein innerer Werth, der Gott in ihm seyn, der ihn diesen Einklang finden ließ? denn wenn es ihm tout bonnement angebohren wäre, so stände er uns zu unbegreiflich fern, als daß wir uns für ihn interessiren könnten, das können Sie also nicht gemeynt haben. Wie herrlich wäre es, wenn wir durch Sie, denn kein andrer würde ihn so begreifen, einen Blick in den Kampf der innern Kräfte mit sich selbst und der Außenwelt, in die Seele Ihres Shakespeare thun könnten, obgleich wir Ihnen gewiß alle zugeben müssen, daß Ihre Darstellung in diesem Moment seines Lebens vollkommen richtig ist; denn um sein herrliches Trauerspiel zu schreiben, welches ich Jugend benennen möchte, mußte er diesen innern Einklang, diese Geistesfreyheit errungen haben, aber er stand noch auf der Gränze des neueroberten Reiches, und blickte mit wehmüthig süßem Schmerz hinab in die Thäler der Erinnerung, überwundner Freuden und Leiden. – Und nun den heitern kindlich lieblichen Prolog mit seinen schlummernden Gefühlen und Blüthenknospen dabey; ich sah mich wieder, uns alle im Cabinetchen um Ihren Stuhl, und die ahndungsvolle Stille, die das Geräusch der geschäftigen Hausfrau und die schwatzenden Mädchen im Nebenzimmer so oft unterbrach, und die Thränen kamen mir in die Augen. Doch Sie wissen das wohl alles so nicht mehr. Und die Wiederholung dieses schönen Tages dieses Jahr habe ich nicht mit erlebt! Mit Betrübniß sehe ich mein bescheidnes Blättchen, welches Sie vielleicht in Töplitz, oder wer weiß wo, weswegen wir es auch nicht zu schwer beladen wollen, aufsuchen muß, zu Ende gehen; wie viel möchte ich Ihnen noch über die einzelnen großen Worte Ihrer Dichter sagen, aber ich ermüde Ihre Geduld, und habe vielleicht schon manches gesagt, was Sie für dummes Zeug erklären müssen; gemeynt habe ich bey allem etwas, aber es vielleicht schlecht ausgedrückt, die Männer wissen die Sachen, wir fühlen sie, und wenn wir unser Gefühl undeutlich ausdrücken, weiß kein Mensch, was wir gewollt haben. Leben Sie wohl, Verehrter, Theurer, grüßen Sie Ihr ganzes liebes Haus und die gute Solger, und denken Sie in verlornen Augenblicken auch einmal mit Nachsicht und Güte an
Adelaide Reinbold.
II
Waldeck, den letzten May 1831.
Recht sehr verlangt es mich, Ihnen einmal wieder ein paar Worte zu sagen, theurer Freund, obgleich ich nicht hoffen darf, dafür etwas von Ihnen zu hören. Haben Sie Semiramis gelesen, und was sagen Sie dazu? Ich weiß recht gut, daß ich dabey etwas gemeynt habe, werde ich es denn aber recht ausdrücken können? Ich habe zeigen, oder besser, sagen wollen, daß die Moral im höhern Sinne das organische Gesetz unsrer Menschheit ist, welches eben dadurch, daß es aus der chaotischen Masse geistiger Kräfte die Legislation eines Ganzen schuf, etwas höheres producirte, als selbst das ist, welches Geister ohne solches Gesetz aufzuweisen haben, und ich habe zeigen wollen, wie diese Humanität selbst die übermäßigen anarchischen Kräfte eines halb göttlichen Wesens durch ihre moralische Geordnetheit, wenn ich so sagen darf, bezwingt, und dadurch höher steht, als wir uns die Geister, Engel oder wie wir andre geistige Wesen nun einmal nennen wollen, im Allgemeinen denken, obgleich ich überzeugt bin, daß auch sie ein, nur uns natürlich entgehendes, Gesetz ihrer Natur haben.
Eine Composition der Art konnte, wegen ihres luftigen Terrains, nur Skizze und Fragment seyn; wer vermag dieser alten Fabelwelt einen festen Boden zu geben? Uebrigens schließt sich Semiramis selbst, trotz ihres fingirten halb göttlichen Ursprungs, eben durch diese Kräfte ihres Innern an jede höhere menschliche Natur, sie sey weiblich oder männlich, an, welche gewaltige Kräfte über das Gesetz hinaustragen, bis die Erfahrung, seine heilsame Beschränkung fühlend, sie wieder zurückführt.
Meine paar Novellchen (ziemliche Jämmerlichkeiten, welche durch die Schürzengunst und Critik der Schelling und Cotta (entre nous soit dit) sich den Weg ins Morgenblatt bahnen mußten) sind im Morgenbl. gedruckt; sie heißen die Kette und Emilie de Vergy. Letztere überraschte mich gedruckt in Leipzig, aber ich fühlte keine Wonne eines zum ersten mal gedruckten Menschen, sondern eine tiefe Beschämung über die Erbärmlichkeit des Products, welche mir da erst recht in die Augen fiel. Aber es war ein Machwerk, à commande geschrieben, fast mit vorgeschriebener Seitenzahl, aus dem das Beste noch weggestrichen wurde. Von hier aus habe ich ihnen auf Verlangen zwey andre Kleinigkeiten nachfolgen lassen, die mehr mein eigen sind. Sie heißen die Gesellschaft auf dem Lande mit Fortsetzung.
Uebrigens bin ich sehr fleißig, ob es hilft, müssen wir erst sehen. Raumer hat mir in den Memoires du Comte de Modène ein vortreffliches Buch geschickt, welches alles enthält, was ich wünschen kann. Ich habe hier keine Seele als mich selbst, der Spaß dauert auch nicht länger als sechs Monate, ich habe schon das Meinige in allem Guten dazu gethan, ihm seine Gränzen zu stecken. Finden Sie das nicht zu voreilig expeditiv; ich mußte! —
Darf ich Ihnen ein schönes, schönes Schwesterchen zuschicken, welches ich in Dresden seit acht Tagen bey der Canzlerin Könneritz habe? Ein gar gutes, liebes, solides Kind mit einem wahren Madonnakopf; empfehlen Sie sie Ihren Damen, und bitten Sie sie in meinem Namen um die Erlaubniß sie besuchen zu dürfen. Ich fürchte, sie wird mich bey Ihnen ganz ausstechen, bey Agneschen und Dorothea gewiß.
Der Gräfin bin ich noch sehr dankbar für ihren letzten Brief, den ich höchst ungern, aber auf ihr Gebot gewissenhaft vernichtet habe. Mit der Zeit schreibe ich einmal mehr von hier, bis dahin bitte ich mich all den Ihrigen zu empfehlen. Darf ich denn diesen schlechten Wisch abschicken? Sie sehen aus seiner Eile den – wollte Gott Früchte bringenden – Fleiß und das Vertrauen
IhrerAdelaide R.
Rellstab, Ludwig
Geb. den 13. April 1799 in Berlin, gestorben am 28. Novbr. 1860 ebendaselbst.
Sein Vater, Inhaber einer bekannten Buch- und Musikalien-Handlung in Berlin, erzog die Kinder entschieden für Musik. Ludwig’s ältere Schwester wurde als Sängerin beim Breslauer Theater angestellt, und gewann, obgleich Anfängerin auf den Brettern, durch liebliche Stimme, ausgebildete Schule und weibliche Bescheidenheit allgemeinen Beifall. Leider starb sie, einem dortigen Regierungsbeamten verlobt, in der Blüthe ihrer Jahre, da ihr Bruder noch ein Knabe war. Als sechszehnjähriger Jüngling griff dieser, den der Vater auch zum „Musiker von Métier“ bestimmt hatte, nach dessen Tode (1815) zu den Waffen, machte die Feldzüge mit, wurde Offizier in der Artillerie, Lehrer an der Brigade-Schule, und nahm 1821 seinen Abschied. Dann hielt er sich abwechselnd in Frankfurt a. O., Dresden, Heidelberg, Bonn u. s. w. auf, ein „freies Dichterleben“ führend. Mannichfach enttäuscht durch die nicht in Erfüllung gehenden Hoffnungen, wie sie ein junger Poet in seine ersten Tragödien setzt, kehrte er nach Berlin zurück und warf sich, gleich manchem andern, im ersehnten Erfolge gehemmtem Autor, auf die Kritik, worin er besonders für musikalische Besprechungen eine gefürchtete Autorität wurde, und den Anmaßungen des Ritter Spontini fest entgegen trat. Doch hörte er daneben nicht zu produciren auf und schrieb Gedichte, Abhandlungen, Dramen, Novellen, Romane &c., die als „Gesammelte Schriften“ (von 1843 bis 1860) mehr als dreißig voluminöse Theile bilden.
Wenn er hier und da sich hatte verführen lassen, die spitzige Feder in einigermaßen vergiftete Tinte zu tauchen, und Schriften in die Welt zu senden, die vielleicht besser ungeschrieben geblieben werden (z. B. „die schöne Henriette“), oder wenn er in der kritischen Polemik zu einseitig, manche Gegnerschaft hervorrief, so war und blieb er doch ein redlicher, wohlmeinender, ja weichherziger Mensch, der mit kalter Absicht Niemanden verletzten wollte. Für seinen ehrenhaften Charakter spricht wohl am deutlichsten sein Verfahren beim Konkurse der von ihm, mit einem ehemaligen Kameraden unternommenen Buchhandlung, wo er, – nachdem Jener „schlechte Geschäfte gemacht,“ – mit seinem väterlichen Erbtheil das Defizit deckte, ohne als ungenannter und nicht in Anspruch zu nehmender Kompagnon verpflichtet zu sein. – Vierunddreißig Jahre hindurch ist er unermüdet thätiger Mitredakteur der Vossischen Zeitung gewesen.
Weimar am 21sten September 1821.
Geehrter Herr Professor!
Die Dreistigkeit, Ihnen zu schreiben, kann ich nur damit entschuldigen, daß ich sowohl die Verpflichtung fühle, Ihnen noch einmal meinen Dank für Ihre so freundliche, mir unvergeßliche Aufnahme abzustatten: als auch Ihnen anzuzeigen, daß ich meinen Aufenthalt in Heidelberg verschiedner Umstände wegen um ein halbes Jahr verschoben habe. Die mir von Ihnen für diesen Ort gütigst mitgegebnen Briefe habe ich daher couvertirt und mit einigen entschuldigenden Worten nach Heidelberg gesandt in der Hoffnung, daß meine Verspätung mich nicht des Glückes berauben werde, mich persönlich vorstellen zu dürfen. Den Brief an J. P. F. Richter habe ich übergeben und dadurch große Freude gemacht. Höchst wahrscheinlich befindet sich J. P. jetzt in Heidelberg, wohin er gleich nach meiner Abreise von Bayreuth (am 30ten August) zu reisen gedachte. Er prophezeihete das beste Wetter, allein es ist so übles eingetroffen, (wenn dort und hier sich gleichen), daß er vielleicht deshalb die Reise gar unterlassen haben mag, indem er um eine solche mit Vergnügen machen zu können das heiterste Wetter fordert.
Noch einmal sage ich Ihnen besten und herzlichsten Dank für das Freundliche, das Sie dem ganz unbekannten und unbedeutenden erwiesen, und hege nur den Wunsch, daß ich (wenn auch nicht es erwiedern, denn dazu ist schwerlich Hoffnung) doch zeigen können möchte, daß Sie Ihre Güte nicht an einen ganz Unwürdigen verschwendet haben.
Mit größester Hochachtung
IhrergebensterL. Rellstab.