Kitabı oku: «Briefe an Ludwig Tieck 3», sayfa 11
Rettich, Julie, geb. Gley
Julie Gley! Ein Name, reich an Erinnerungen für alte Theaterfreunde. Juliens Eltern waren treffliche Künstler aus früherer Schule. Die Mutter, eine gute Sängerin für die sogen. „Spieloper,“ deren „Marianne“ in den „drei Sultaninnen“ uns jugendliche Zuhörer sehr entzückte. Der Vater, ein ausgebildeter, gewiegter Schauspieler, im Helden- und Charakter-Fache, der auch in Liederspielen mit klangvoller Stimme hübsch zu singen vermochte. Man wußte damals, und wahrlich nicht zum Nachtheile dramatischer Darstellung, Beides zu vereinen, weil wildes Geschrei noch nicht unumgänglich nothwendig erschien, um „Effekte“ hervorzubrüllen.
Als Gley in Breslau (vor länger denn einem halben Jahrhundert) den Karl Moor gab, setzte er uns in bewunderndes Erstaunen durch den Vortrag der im Original enthaltenen Gesänge, die er mit der Laute begleitete. Unseres Erinnerns hat sich niemals ein anderer Räuber Moor daran gewagt, „keine Welt für Deinen Brutus mehr“ ertönen zu lassen.
Die Tochter… nun, wer kennt Julie Rettich nicht? Da sie nachstehendes Brieflein schrieb, hieß sie noch Gley; war noch nicht die beglückende Gattin des sie beglückenden Mannes, der mit ihr im Vereine das Vorbild einer künstlerischen Häuslichkeit in’s Leben rief; einer Häuslichkeit, wo Geist und Gemüth walten; wo Jeder gern gesehen und gütig empfangen ist, der dahin paßt.
Der Künstlerin Herz redet vernehmlich aus diesen Zeilen. Was sie über Schreyvogels Absetzung sagt, haben viele edle Herzen mit ihr empfunden, und derjenige dem es gelang, Jenen „bis auf den Tod zu verwunden,“ hat als sein Nachfolger wenig gethan, am Burgtheater gut zu machen, was er am Hingeopferten verschuldet.
Wien, d. 31ten Mai 18..?
Lieber, verehrter Herr Hofrath!
Henkel, der heute Abend nach Dresden abreist, wünscht, daß ich ihm einige Zeilen an Sie mitgebe, und ich benutze diese Gelegenheit mit großer Freude, denn es ist grade die rechte Zeit, zu Ihrem Geburtstag zu gratuliren, und wenn Sie die innigen Wünsche auch nachträglich erhalten, so werden Sie sie ihrer Innigkeit wegen, doch nicht unfreundlich aufnehmen, wie ich gewiß weiß. Ich wünsche Ihnen all’ das Gute und Schöne, was Sie für den Mondsüchtigen verdienen, und eine ganze Stube voll der herrlichsten Tulpen und Rosen – das ist genug für einen Sterblichen, wenn es selbst ein ganz aparter ist. – Einen so ausgezeichneten Glückwunsch können Sie aber nicht umsonst erwarten, und ich erbitte mir dafür von Ihnen etwas, was mir sehr am Herzen liegt. Ich habe lange nicht an Agnes und Dorothea geschrieben, ich war in dieser Zeit viel, und vielfach bewegt, ich konnte nicht die Ruhe finden, konnte, wollte auch vielleicht nicht; vielleicht bin ich auch Schuld, wenigstens theilweise, und jetzt fürchte ich mich. Sie sollen mich nun vertreten, lieber Herr Hofrath, und Sie können das immer thun, um mir zu beweisen, daß Sie sich nicht gegen mich geändert haben – auch nicht ein bischen – was mir manchmal bewiesen werden soll, was ich aber nicht glaube, und nie glauben werde. Ihre Güte gegen mich, ist mir die liebste Erinnerung, der geistigste Duft meines Lebens, Sie dürfen Ihre herzlichste Verehrerin nicht vergessen, die es doch besser meint, wie alle die gepriesenen vornehmen Leute, die Sie anbeten, um sich interessant zu machen.
Von dem Wichtigsten, was bei unserm Theater in letzter Zeit vorgefallen ist, vom Göthefest, und von Schreyvogels Pensionirung, kann Ihnen Henkel viel, und weitläuftig erzählen, da er persönlicher Zeuge war. Faust in Wien, ist gewiß merkwürdig, und hat mir viel Freude gemacht, die Entfernung Schreyvogels ist dafür um so trauriger, wenigstens für mich. Man beklagt sich über ihn auf vielfache Weise – aber über welchen Theaterdirector beklagt man sich nicht? mir hat er nur Gutes und Freundliches erwiesen, gegen mich ist er immer wahr, immer derselbe geblieben, ich kann seinen Abgang also nur bedauern. Wäre dies aber auch nicht der Fall, so könnte ich doch einer so tiefen Kränkung nicht ohne Theilnahme zusehen, die ein Mann erfährt, der dem Theater 19 Jahr mit glühender Leidenschaft vorgestanden hat, der alt und kränklich, dabei ehrgeizig ist, und den diese Beseitigung gewiß bis auf den Tod verwundet. Ich bin wüthend auf die, die sich darüber freuen, denn ich dächte, bei solchen Umständen, könnte man auch seinem Feinde Mitleid nicht versagen. —
Henkel ist ein freundlicher, gefälliger, und wie ich allgemein höre, sehr achtungswerther Mann, er ist gegenwärtig ohne Engagement, und wünscht sehr, Ihnen empfohlen zu seyn. – Der Frau Hofräthin, der Gräfin, Agnes und Dorothea meine besten, herzlichsten Grüße, und noch einmal die Bitte um Verzeihung. Mir hat neulich Jemand gesagt: „Dorothea Tieck, hat Sie lieber, wie Agnes.“ Fragen Sie doch einmal, ob das wahr ist? – Kommt Vogel viel zu Ihnen? Verzeihen Sie meine Schmiererey, es ist aber die höchste Zeit, ich muß eilen. Leben Sie wohl, liebster, bester, einziger Herr Hofrath, und bleiben Sie, was Sie waren, für Ihre
Julie Gley.
Ribbeck, August Ferdinand
Geb. zu Magdeburg am 13. Novbr. 1790, gestorben am 14. Januar 1847 zu Venedig.
Er war der Sohn des einst in Berlin hochgeachteten Probstes Ribbeck, der jüngere Bruder des vor einigen Jahren verstorbenen ehemaligen schlesischen Generalsuperintendenten. Seit 1813 wirkte er als Lehrer an Berliner Lehr-Anstalten; seit 1828 als Direktor des Friedrich-Werderschen Gymnasiums – (dessen Schüler auch Tieck gewesen;) seit 1838 in gleicher Stellung am „Grauen Kloster.“ In Folge eines deutlich hervortretenden Brustübels wurde er 1846 nach dem Süden geschickt, und liegt auf der Insel St. Christoforo im protest. Friedhofe begraben.
Er war ein Mann, reich an Geist, Witz, scharfem Verstande, unfassender Gelehrsamkeit; bei seinem bedeutenden Formtalente und bei der Tiefe seines inneren Gehaltes, wäre er vor vielen Andern berufen gewesen, durch selbstständige Produktionen Aufsehen zu machen, hätte er nicht die seltene Eigenschaft besessen, schärfere Kritik gegen sich selbst zu üben, als gegen Andere.
Wie Herr Prof. Köpke uns belehrte, sind im Jahre 1848 erschienen: „Mittheilungen aus Ribbeck’s Nachlaß,“ die wir leider nicht zur Hand haben, und die wohl zunächst für den engsten Kreis seiner Verehrer bestimmt gewesen. Möglicherweise könnte auch dieses Scherzgedicht darin enthalten sein? Doch darf uns solche Möglichkeit nicht hindern, es hier mitzutheilen. Die letzten sechs Verse desselben sprechen ein herrliches Wort über Tiecks Erscheinung aus.
Berlin, 19. August 1841.
„Gesellige“ streiten bei Schwiebūs —
Wie Dir es, Hochverehter Mann,
Beiliegend Schreiben zeigen kann —
Gar eifrig, ob es Cārolus
Oder Carōlus heißen muß,
Ob Nōvalis recht, ob Novālis,
Und was der Ziegenwolle mehr.
Dabei nun thun sie mir die Ehr,
(Wie wohl im Grund nur meiner Stelle,
Als ob die instar Tribunalis)
Zu fordern, daß ich Urtheil fälle.
Was ist zu thun? Zwar liegt es nah,
Derlei ad Acta still zu werfen,
Und giebt man eine Antwort ja,
Sie scherzend etwas spitz zu schärfen.
Indessen muß ein Schulmonarch,
So schwer es hält in manchen Fällen,
Gelassen doch zur Welt sich stellen,
Und, treiben sie’s nicht gar zu arg,
Sich hüten, kleinen oder großen
Homunkeln vor den Kopf zu stoßen.
Kaum werd’ ich denn auch hier der Pflicht
Entgehen, den Schwiebuser Brüdern
Ganz ehrbar trocken zu erwiedern:
So muß man sprechen – und so nicht.
Nur Schade, daß der Novalis
Anlangend seine Quantität
Mir selber nicht so recht gewiß.
Zwar hab’ ich ruhig, früh und spät,
Luisae Brachmann nachscandirend,
Bis dato Nōvalis gesagt,
Und wenn darob auch protestirend
Grammatica latina grollte,
Novālis einzig dulden wollte,
Nach solchem Groll nicht viel gefragt,
Weil eines myst’schen Namens Leben
Wohl darf auf freierm Fittich schweben,
Und stets mit geistig feinerm Klang
Mir Nōvalis zu Ohre drang.
Doch scrupulöser werd’ ich nun,
Da mich die zwistigen Gesellen,
Definitiven Spruch zu thun
Auf den Orakel-Dreifuß stellen;
Da gilts zu gründlichem Bescheid
Erforschung aus den echtsten Quellen.
Die sind denn – glücklich! – jetzt nicht weit;
Du bist uns nah, der einst die Weihe
Von dem Verklärten selbst empfing,
Als „Kind voll Demuth und voll Treue“
Geliebt, an seinem Busen hing;
Dir tönt gewiß der echte Klang
Des theuern Namens noch im Ohr;
Und wenn es freilich fast Entweihung,
Dich danach fragend zu behelligen,
Sagst Du vielleicht doch – aus Humor —
Mit freundlich lächelnder Verzeihung
Durch mich den streitenden Geselligen
Ob kurz das A war, oder lang.
Noch einmal bitt’ ich: zürne nicht
Wenn der Dir völlig Unbekannte
In Sachen von – so viel Gewicht
Zu dreist vielleicht sich an Dich wandte.
Vermuthlich hätt’ ich’s lassen bleiben,
Sah ich nicht jüngst (zum ersten Male
Ward mir das lang gewünschte Glück)
Dein Angesicht im Festes-Saale;
Das seh’ ich noch – und dieser Blick
Gab mir den Muth, an Dich zu schreiben.
F. Ribbeck,Director.
Richter, Jean Paul Friedrich
Geboren den 21. März 1763 zu Wunsiedel, gestorben am 14. Nov. 1825 in Baireuth. —
Zwischen ihm und Tieck lag eine Welt voll trennender Elemente; verschiednere Naturen kann es nicht geben, und wo Einer vom Andern zu reden kam, blitzte diese – Gegnerschaft läßt sich’s nicht nennen – diese innerlichste Verschiedenheit sichtbar aus jeder Silbe hervor. Die überschwängliche Sentimentalität Jean Paul’s, wodurch er bei seinem Auftreten gerade die Frauen wie mit Blumenbanden an sich gezogen, forderte Tieck’s spöttische Neckereien heraus; die „Clotilden und Lianen“ mußten’s entgelten. Auch gegen gewisse cynische Ausmalungen wehrten sich Tieck’s fein-fühlende Sinne, und er schalt den „Katzenberger“ ekelhaft. Jean Paul war sonst der Mann eben nicht, dergleichen Aeußerungen stillschweigend hinzunehmen. Weshalb hat er sich gegen Tieck immer so sanft gezeigt, und immer, auch tadelnd, mit Liebe seiner gedacht? Zunächst wohl aus wirklich empfundener Achtung. Dann aber auch, weil er’s im Herzen trug, und bis zum Tode treu darin bewahrte, daß Tieck im ersten Abschnitt des Phantasus ihm eine Huldigung dargebracht, wie nur wenigen Auserwählten zu Theil ward. Wenn in jenem Buche die Freunde und Freundinnen nach langem, geistvollen, Erd’ und Himmel umfassenden Gespräche noch einmal das Glas heben, um Derer mit Ehrfurcht zu gedenken, welchen ihnen als die Höchsten, die Edelsten gelten; wenn Shakspeare, Göthe, Schiller, Jacobi, Friedrich und August Wilhelm Schlegel, Novalis begrüßt werden, da ruft Manfred auch:
„Feiert hoch das Andenken unseres phantasievollen, witzigen, ja wahrhaft begeisterten Jean Paul! Nicht sollst Du ihn vergessen, Du deutsche Jugend. Gedankt sei ihm für seine Irrgärten und wundervollen Erfindungen! Möchte er in diesem Augenblicke freundlich an uns denken, wie wir uns mit Rührung der Zeit erinnern, als er gern und mit schöner Herzlichkeit an unserm Kreise Theil nahm!“
Solch’ ein Trinkspruch verhallt nimmermehr im Herzen Desjenigen, dem er galt.
I
Weimar, d. 19. März 1800.
Mein lieber Tieck!
Zuerst meine Bitte, welche die eines Andern ist. Ein Anderer wünschte die größere Büste Bounapartes, die man in Berlin verkauft und welche die H. Schlegel haben sollen. Er bittet also durch mich Sie und durch Sie diese, ob Sie ihm die ihrige, die sie doch nur die Transportkosten nach Berlin zum zweitenmale kosten würde, nicht überlassen wolten. —
Neulich wollt’ ich Sie besuchen; da ich aber alles leichter finde als Wege und Häuser: so fand ich Sie nicht. Ich wolte Ihnen danken für Ihre Phantasien über die Kunst, die selber Sprößlinge der Kunst sind. So viele Stellen darin wie überhaupt Ihre Prosa scheinen mir poetischer als Ihre andere Poesie, und jene hat statt jedes fehlenden pes einen Flügel. Ich lies mir sie, wie die Alten die Gesetze, unter Musik promulgieren; ich meine, ich spielte sie im eigentlichen Sinne auf meinem Klaviere vom Blatte. Die Musik – besonders die unbestimmte – ist ein Sensorium für alles Schöne; ja unter Tönen fass’ ich sogar Gemälde leichter. —
Leben Sie gesund! Diesen nöthigen Wunsch thu’ ich aus innigster Seele!
J. P. F. Richter.
II
Bayreuth, d. 5. Okt. 1805.
Nur die Ungewißheit Ihres wechselnden Aufenthaltes verzögerte so lange mein Schreiben, dessen Wunsch am stärksten nach der Lesung Ihres Oktavianus war. Es wäre wol in dieser lauten und doch tauben und nichts sagenden Zeit – wo sogar ein erbärmlicher Krieg seinen erbärmlichen Frieden ausspricht und roth genug unterstreicht – der Mühe werth, daß Leute sich sprächen, die sich lieben, wozu ich nicht nur mich rechne, sondern auch Sie. Wie froh wär’ ich gewesen, seit ich aus der lauten Stadt in die stumme gezogen, mit Ihnen sogar zu – zanken, wenn nichts weiter möglich gewesen wäre als ich der Alte und Sie der Alte; – was wol bei uns zweien, wenigstens bei mir nicht ist. Meine Aesthetik sollte Ihnen, dächt’ ich, mehr gefallen als ich sonst; und ich wünschte herzlich Ihre Worte darüber, und über 1000 andere Sachen und über den 3ten und 4ten Titan und über was Sie wollen. Der Himmel gebe, daß Sie uns bald Ihre Jocosa geben, von denen ich gehört; oder wenigstens mir etwas davon, unfrankirt.
Ich wollte, wir kämen gegeneinander recht in Wort- und Briefwechsel. Ich lebe in einem Kunst-öden Lande und bedarf wie ein Rhein-Ertrunkener zuweilen des fremden Athems, um den eignen zu holen. Antworten Sie mir bald, lieber Tieck. Ich grüße Sie und Ihre Gattin.
Jean Paul Fr. Richter.
Auf der Adresse:
An
L. Tieck in
Raum und Zeit.
Robert, Ludwig
Geb. am 16. Dezember 1778 zu Berlin, gestorben am 5. Juli 1832 zu Baden-Baden.
Kämpfe der Zeit (1817). – Die Macht der Verhältnisse, bürgerl. Trauerspiel. – Die Tochter Jephta’s, Tragödie. – Cassius und Phantasus, eine dramatische Satyre. – Die Nichtigen. – Die Ueberbildeten. – Die Wachsfiguren in Krähwinkel und manche andere Bühnenscherze. – Der Waldfrevel, eine dramatisirte Dorfgeschichte. – Ein Schicksalstag in Spanien, phantastisch-romantisches Lustspiel – u. s. w.
Durch sein ganzes Leben und Streben zog sich eine verbitterte und verbitternde Stimmung, die zuletzt doch nur aus verletzter Eitelkeit hervorging, und seine angeborene Herzensgüte überbietend ihn oft ungerecht machte. Durchdringender Verstand, künstlerischer Fleiß, redliches Wollen, entschiedenes Talent berechtigten ihn gewiß Ansprüche zu hegen, deren Erfüllung ein eigenthümliches Mißgeschick niemals recht gestatten wollte. Seine Briefe sprechen das in jeder Zeile aus. Wir haben den größeren Theil der vorhandenen unbenützt zurücklegen müssen, aus gebieterischen Rücksichten auf den Umfang dieser Sammlung. Doch schon die aufgenommenen genügen, ihn darzustellen wie er war. Schwankend in Groll und Liebe, in Zutrauen und Argwohn, in Lob und Tadel; von jedem Windhauche abhängig in seiner Meinung. Man betrachte nur seine Urtheile über das Königstädter Theater (dem er später leidenschaftlich anhing), über München (wofür er später schwärmte!) und ähnliche, aus momentaner Verstimmung hervorgehende Aeußerungen. Dabei aber doch blieb er edel, redlich, aufopfernder Freundschaft fähig und dankbar jedem Beweise wohlwollenden Antheils. Im persönlichen Verkehr gefällig, mittheilsam, unterhaltend und witzig wie – nein, doch nicht so witzig wie sein Bruder Moriz. Wir haben auch einige Zeilen der schönen Frau Friederike eingeschoben, deren Bild Jedem lebendig bleiben wird, welchem es jemals vor Augen getreten ist.
Sie entflohen aus dem Kreise ihrer Berliner Freunde, aus Besorgniß vor der Cholera, um beide in Friederikens Heimath dem damals dort epidemischen Typhus zu unterliegen.
Daß Ludwig der Bruder Rahel’s Varnhagen von Ense war, ist bekannt.
I
Berlin, am 30t. Merz 1816.
Sie können nicht glauben, mein verehrtester Freund und Meister, wie viel Freude mir Ihr in jeder Hinsicht werthes Schreiben gemacht hat, und daß mein Vorschlag Eingang bei Ihnen gefunden, und daß Sie die Sache so ernst nehmen und selbst herkommen und den Proben mit beiwohnen wollen; denn Sie in unmittelbarer Verbindung mit unsrer Bühne zu setzen, dahin gieng mein eigentlichstes Bestreben. In meiner Freude lief ich zum Graf Brühl, und theilte ihm das aus Ihrem Schreiben mit, was ich sollte. Er will zu Allem hilfreich die Hände biethen; und erwartet die von Ihnen versprochene nähere Auseinandersetzung Ihres Planes; von dem er freilich bis jetzt wohl noch weniger verstanden hat, als ich, der ich in Prag wenigstens die Hauptideen angeben hörte, die Sie uns damals von den Shaksp. Brettern mittheilten. – Ich halte es bei dieser Gelegenheit für nöthig, Ihnen den Gr. Brühl ein wenig zu beschreiben, damit Sie sein Anerbieten: die Hände zu Allem willig zu biethen, weder zu hoch, noch zu niedrig anschlagen. Redlicher Wille und eine Ahnung des Bessern – und eine fast gänzliche Urtheilslosigkeit und gutmüthige Charakterschwäche, stehen sich in ihm, nicht sowohl einander gegenüber, als sie sich vielmehr durchaus in einander verliehren und verwischen. Er kann nichts abschlagen und selbst, wann er Nein schon gesagt hat, sagt er noch hinterher: Ja. Aber auch dies lezte Ja wird auf die lange Bank geschoben und vergessen, und von dem weit Unwichtigerem verdrängt. Die Gegenwart ist seine Göttin und so ist das Nächste für ihn das unvermeidlich Nothwendige, und hat der Letzte, der mit ihm spricht recht; und so ist überhaupt mit der Rede bei ihm schneller und sicherer etwas durchzusetzen, als mit der Schrift; und doch imponirt ihm wieder ein wohlgedachtes und wohlgeschriebnes. – Seine zu ängstliche Beschäftigung mit dem Detail des Theaters raubt ihm sowohl den freien Ueber- und Herrscherblick über das Ganze, als auch die Zeit und die Kraft es zu führen und zu leiten. Dabei hat er das beste Wollen (freilich ohne Willen) und ist durchaus frei von Lieblingsvorurtheilen, oder eigensinniger Beschränktheit oder sonst dergleichen ärgerlichen Grundsätzen, worauf sich die Flachheit in der Regel so viel zu Gute thut. – Sie werden leicht einsehen, daß mit einem solchen Manne Alles zu machen ist, wenn man ihn nur gehörig bearbeitet und dazu gehört weiter nichts, als daß man ihn oft und öfter sehn und sprechen muß, denn selbst die Begeistrung für irgend ein Unternehmen kann man ihm ein- und ansprechen, und hat er nur mal angefangen wirklich Hand an ein Ding zu legen, so setzt er es auch mit Eifer durch. – Er ist jetzt in den Händen eines zwar etwas modischen, aber doch argen Philisters, in denen seines ehemaligen Präzeptors Herrn Professor Lewezow – dieser Erz-Schulmeister mag vielleicht wissen, wie die Griechen ihre Schuhe gebunden und wie die Römischen Consularen ihren Praetexta gesäumt haben; aber weder von jener Alten eigentlichstem Leben, noch von unserm heutigen, weder von Welt noch von Bühne, weiß er ein Wort. – Seine Haupttendenz geht dahin, unsre Bühne strikt und sklavisch nach der Weimarischen zu bilden, und das deucht mir ist der eigentliche Tod unterm Eise, und viel gefährlicher, als die Ifflandsche Wassergefahr. Franz Horn unterstützt ihn redlich darin, doch ist der Letztre wohl weniger gefährlich, obgleich vielleicht noch langweiliger; ja dieser wäre sogar zum Guten zu gebrauchen, wenn ihm gebothen würde, was er zu thun und zu lassen habe. Eine einzige Unterredung, ein Hauch von Ihnen würde den Einfluß dieser Leute vernichten, oder – was leicht möglich wäre – sie würden sich geschmeichelt fühlen, mit ihnen verbunden für die bessere Erscheinung der Shaksp. Stücke wirken zu dürfen, oder auch nur ihr weiches und aprobirendes Ja hören zu lassen. Denn Shaksp. ist glücklicherweise eine Autorität und auch Ihr Nahme ist von keinem übeln Klange in Deutschland und Klang und Autorität ist ja Alles bei Leuten, die unfähig sind in das Wesen einzudringen, unfähig sich einem Kunstwerke, ohne vorgefasste Meinung, ganz und gar hinzugeben. – Darum freut es mich so, daß Sie herkommen wollen; denn sind Sie einmal hier und haben den Grafen Brühl und den genialen Schinkel, und allenfalls jene beiden Leute gesprochen, so wird sich Alles leicht und willig fügen und ich würde mir dann mit Stolz sagen, daß ich (wenn auch nur mittelbar) mehr für die deutsche Bühne gethan habe, als wenn ich zehn mittelmäßige Stücke geschrieben hätte. – Lassen Sie mir also sobald als möglich die versprochene Ausarbeitung zukommen, daß ich sie dem Gr. Br. vorlege und er sich in Korrespondenz mit Ihnen setze, welche dann Ihr Hieherkommen unfehlbar zur Folge haben wird. – Die Abhandlung, die das Publikum auf den richtigen Standpunkt stellen soll, ist ein ganz vortrefflicher Gedanke und unendlich nützlicher und heilbringender, als die hinterdreinkommenden Kritiken, die dennoch den ersten Eindruck nie zerstören. Möchte nur Ihr Gesundheitszustand in alle diese schönen Hoffnungen keine Störung bringen. Die unberufne Feder, die sich in den Zeitungen über Dekorationen hat vernehmen lassen ist die des konfusen aberwitzigen, aber witzigen Brentanos, der mir als Schriftsteller und Dichter höchst zuwider, als litterarischer Hanswurst und lustiger Rath am Hofe des Apolls aber doch gar nicht übel ist. Wahrhaft schmeichelhaft (ich meine damit: wohlthätig und beruhigend für mich) ist der Antheil, den Sie an meinen Bemühungen in der Kunst nehmen, und daß Sie sich noch des bürgerlichen Trauerspiels entsinnen, das ich in Prag Ihnen vorlas. – Mit der Wirkung, die es hier machte, kann ich vollkommen zufrieden seyn; es herrschte eine Stille im Theater, wie man sie hier nur im Ballette kennt, und diese Stille errang sich das Stück nach und nach; da im ersten Akt – auf öffentlich an den Ecken angeschlagne Aufforderungen: eine Sudelei von einem Juden, die man Abends im Theater geben würde, auszupochen – mannigfach gehustet, geschnaubt und gescharrt wurde. – Man gratulirte mir folgenden Tages wegen meines doppelten Triumphs; ich hatte aber bei dem letzteren ein Gefühl, als ob ich mit goldenen Ketten vor dem Wagen des Vespasians einhergieng, als er nach der Zerstörung Jerusalems triumphirte. Ich hätte mich über diese Gemeinheit, die von ein Paar Buben herrühren konnte, trösten können; wenn die Schmach und die Kränkung nicht durch eine Rezension in den hier herauskommenden dramaturgischen Blättern erneuert worden wäre, worin wieder auf den Juden zwar etwas versteckter, aber noch viel beleidigender angespielt wurde. Dieser wahrhafte Rückschritt in wahrhafter Bildung treibt mich von hier fort; ich will als ein fremder in der Fremde leben, da mein Vaterland doch nicht von dieser Welt seyn kann. – Ich gedenke im Laufe des nächsten Mais an den Rhein zu reisen, dort einige Zeit zu weilen, um mich zu einer Reise nach Italien vorzubereiten. Zuvor aber muß ich hier ein größeres Gedicht vollenden, das ich begonnen habe, und wovon ich Ihnen den Plan, da Sie es mir erlauben, mittheilen will. —