Kitabı oku: «Briefe an Ludwig Tieck 3», sayfa 13
IV
Dresden, 29/8. 1821.
Dürfte ich Sie wohl um den Prinzen von Homburg bitten; ich bedarf ihn, um einige Worte öffentlich darüber zu sagen und schon Morgen sollen Sie ihn wieder zurück erhalten.
Meine undiplomatische Aufführung von gestern Abend thut mir leid, man soll nie in Gesellschaft ein wahrhaftes und tiefes Gefühl äußern, weil eine solche Aeußerung, ihrer Natur gemäß, laut werden muß, welches die Andern, Kalten still macht; und weil heiliger Eifer imponirt, das heißt stumm macht. Stumm-Machen aber ist noch unverzeihlicher als Still-Machen. Kurz ich habe sehr unrecht gehabt ein Gespräch vor fremden Herrn zu führen, das sich höchstens in Ihrer Studierstube geziemt hätte; aber auch Sie haben mich etwas dazu verführt und deßhalb reicht Hohenzollern dem Churfürsten diese Bittschrift ein.
IhrL. Robert.
V
Berlin, 6ten April 1823.
Hochverehrter Freund!
Daß ich meine Antwort auf Ihr liebevolles Schreiben so lange aufgeschoben habe, daran ist die stets arbeitende und zu nichts kommende Direction des neuen Theaters Schuld. Uebermorgen aber gewiß sende ich den ausführlichen Geschäftsbrief an Sie ab.
Diese Zeilen sollen in den edeln Kreis Ihrer Häuslichkeit ein Talent für die Bühne – Demoiselle Pfeifer13 aus München – einführen, das ich für ein höchst eminentes halte. Dabei eine südliche lebhafte, für die Kunst begeisterte, unterrichtete und sehr angenehme Persönlichkeit. Möge sie Ihnen so sehr gefallen, daß sie Ermunterndes von Ihnen hört und dadurch auf der Bahn weiter gefördert wird, die sie eingeschlagen hat. Dies mein Wunsch und die Absicht dieses Schreibens. Bald mehr von Ihrem Sie liebenden
Lud. Robert.
VI
Berlin, 8t. April 1823.
Hochverehrter Freund!
Gestern ist eine Mamsel Pfeifer aus München, ein sehr bedeutendes, tragisches Talent, nach Dresden gereist und ich konnte weder ihr noch mir die Genugthuung versagen, sie Ihnen zu empfehlen. Und nun zu unserm Geschäft mit dem Nebentheater: Seit der Zeit, daß ich Ihnen nicht schrieb, habe ich tiefer dort hineingesehen und zu meinem Schrecken eine ganz andere Ansicht von den Leuten und deren Unternehmen bekommen. Das Resultat dieser Ansicht heißt: Es wird eher Alles aus diesem Unternehmen, als eine Kunstanstalt. Der Justizkomissarius Kunowsky ist der einzige der Unternehmer, der noch eines Gedankens fähig ist; aber nicht eines eignen, sondern fremder und ich darf sagen, Alles was er weiß, weiß er von mir. Dabei ist er zersplittert, treibt Astronomie als Steckenpferd, hat hundert Dinge im Kopf, kommt vom Hundertsten ins Tausendste und kann sich keiner Sache einzig und begeistert hingeben, wärend ihm für diesen einzelnen Fall, nicht nur Brettererfahrung, sondern auch die gewöhnlichsten litterarischen Hilfskenntnisse fehlen. Daher ist ihm Bethmann eine Authorität und wie es mit dessen Kunstsinn und Urtheil steht wissen Sie. Ohne Gesinnung und Tendenz, ohne Ahnung von Kunst, ja ohne alle praktische Erfahrung, glaubt er ein Bühnenverwaltungsheros zu seyn, weil er abgekuckt hat, wie Iffland sich räusperte; ist aber dabei so weltklug, daß es ihm eigentlich um nichts zu thun ist, als um Geld zu gewinnen, noch mehr aber, um sich am Grafen Brühl zu rächen, der ihm das consilium gegeben hat. Letzteres aber dürfte ihm nicht gelingen, da Brühl schon jetzt mit allen ihm zu Gebothe stehenden Kräften gegen die entstehende Anstalt anwirkt, neue Lustspieler überall werben läßt und schon jetzt für ein neues komisches Repertoir sorgt, woran jene noch nicht denken würden, wenn ich sie nicht dazu aufgefordert und gedrängt hätte. Der Rest der Unternehmer sind Kaufleute, die jene Anstalt, je nach ihren verschiedenen Temperamenten, aus drei Absichten gründen: Die Einen um Geld zu erwerben; die andern aus allgemeiner Eitelkeit und der besondern dem König zu schmeicheln; endlich aber um sich in den Kulissen umher zu treiben und zu ihrem Privatvergnügen sich von den jungen Schauspielerinnen einen Harem zu bilden: ein Hauptmotiv so bedeutende Summen zu wagen!! An eine Idee, an Kunst, an Volksbildung, ja an Lust zu der Sache selbst ist nicht zu denken; dabei will Jeder kommandiren, Niemand versteht etwas, sie kontrekariren sich aus Privatinteressen und ich habe keiner Versammlung beigewohnt, wo ich es hätte dahin bringen können, daß nur 5 Minuten lang von der Tendenz, von dem Repertoir, von den zu engagirenden Personen, kurz von der Sache selbst gesprochen worden wäre. Immer kam man vom Hundertsten ins Tausendste und Nebensachen interessirten am meisten, und die Oper, die sie verbannen sollten und Maschinen und Melodrams und französische veaudevilles sind das gelobte Land, wohin man steuert. Alles dieses dringt ins Publikum, das schon jetzt über die Sache spottet und vom Judentheater spricht: ein Nahme, der (in Berlin) schon ganz allein die Sache muß fallen lassen – deßwegen habe ich mich auch sachte zurückgezogen und den Herrn gesagt, sie mögten sich in direkte Korrespondenz mit Ihnen setzen. Deßhalb rathe ich Ihnen nun vorsichtig mit diesen Kaufleuten zu seyn. – Ob Sie Sich überhaupt mit denselben einlassen wollen, darüber will ich Ihrem Urtheil nicht vorgreifen; aber das rathe ich Ihnen: lassen Sie Sich praenumerando und gut zahlen. Dafür daß Sie Ihren berühmten Nahmen auf das verlangte Program setzen, müssen Sie Ihnen wenigstens 20 Louisd’or zahlen und für ein Eröffnungsstück, von dem ich aber, trotz der großen Ehre die Sie mir erweisen (Verzeihen Sie mir!) meine Hand abziehe: wenigstens fünfzig Louisd’or. Sie können um so mehr darauf bestehen, als Sie dieses Gelegenheitsstück keiner andern Bühne verkaufen können. – Ich bitte Sie in diesem Fall jede Schonung, jede Delikatesse diesen reichen Ignoranten gegenüber, außer Augen zu setzen. Wenn Sie fest darauf bestehen, so zahlen sie. Crede Rupperto experto! – Hätte ich nicht eine unbegränzte Liebe zum Theater und hoffte ich nicht, daß doch vielleicht die Authorität Ihres Nahmen diesen Menschen imponiren dürfte, so würde ich sagen: Weisen Sie Alles von der Hand! Das sage ich aber nicht. —
Von dem hiesigen Theater könnte ich Ihnen nur wiederholen, was ich im Morgenblatt darüber vielfältig gesagt habe. Sollten Sie Zeit und Lust haben es zu lesen? Mit Wolff’s Spiel habe ich mich in so fern ausgesöhnt, als er ein ganz anderes Subjekt ist, wie der Goethesche Meisterschüler, der uns vor sieben Jahren von Weimar überkam. Auch dies habe ich ausführlich im Morgenblatte auseinander gesetzt. Meine Frau empfielt sich Ihrem und der Ihrigen Andenken und ich küsse der Gräfin Finkenstein die Hand wie Ihrer Frau Gemahlin und den Fräuleins. Gott segne Sie mit Gesundheit und Kraft!
IhrSie verehrenderLudw. Robert.
P.S. Soeben war Herr Teichmann, Theatersekretair, von Paris zurückkommend, bei mir. In seinem Auftrage schreibe ich, daß er Goethen die Verlobten, die dieser noch nicht kannte, hat zukommen lassen; daß der alte Herr sehr erfreut darüber und Sie den guten Tieck nannte.
Sie wollen über Preciosa schreiben. Das ist wichtig! Ihr unbedingtes Lob dieses Stückes kann zu Saamen sehr schlechter Stücke werden. Ich wage daher zu sagen: Sprechen Sie über das Stück nicht, wenn Sie Ihre Liebe zu dem Autor nicht beseitigen können.
VII
Berlin, 12t. April 23.
Verehrtester Freund!
Hier ein Schreiben der neuen Theaterdirection, das ich Ihnen zusenden soll und worauf ich erwiedert habe, daß Sie direct antworten werden, weil mir die Leute zu konfus scheinen, um mich mit ihnen einzulassen.
Ihnen aber rathe ich, und wäre ich Ihr Geschäftsführer, so würde ich es mir ausbitten, daß Sie keinen Zug thun, bevor Sie Sich nicht über das Honorar jedes Briefes, den Sie schreiben, geeinigt haben.
Höchst indelikat finde ich die Nicht-Frei-Machung des unmäßig dicken, auf grobes Papier geschriebenen Briefes und feig-geitzig, daß man bei Ihnen nicht wegen des Honorars bestimmt anfrägt.
Was den ästhetischen Inhalt des Briefes betrifft, so werden Sie diesen besser als ich zu beurtheilen wissen.
Mit LiebeIhrL. Robert.
VIII
Berlin, d. 10. Juni 23.
Sehr recht haben Sie, mein verehrtester Freund: Nicht allein, daß man nicht immer kann, was man will, man will auch meist nicht, was man kann, ja, was man soll. Das erste ist Schicksal, das zweite negative und das dritte positive Nichtigkeit; man nennt es auch Sünde. Ich will mich nicht ganz freisprechen; aber größtentheils tragen die Umstände die Schuld, daß ich nicht früher nach Dresden kam und noch ein paar glückliche und unterrichtende und befruchtende Monathe mit Ihnen verlebte. Einrichtungen, die meine Vermögensumstände betreffen, mußten und konnten nicht eher genommen werden, als bis sich der politische Himmel wenigstens momentan wieder aufgeklärt hatte. So lange ich unverheirathet war, ließ ich unbesorgt Alles so hingehen, wie es eben wollte, in dem sichern Bewußtseyn, daß mirs für meine Person nie fehlen würde. Jetzt muß für die Zukunft der Besitz fest bestimmt und möglichst gesichert seyn, d. h. flüssig erhalten werden. Das ist nun jetzt – wenn auch mit einigen Opfern – geschehen. Dadurch aber hat mein Reiseplan sich sehr geändert. Wollte ich doch schon jetzt in meinem paradiesischen Baden-Baden zurück seyn und irgend eine liebe Arbeit begonnen haben. Nun aber geht mir der Sommer verlohren und ich muß für Zeitschriften – um die Reisekosten zu erschwingen – Kräfte aufwenden und Zeit, die ich wahrlich zu etwas Besserem gebrauchen könnte. Nach Wien muß ich und da der Sommer dort todt ist, so will ich den September dort und den October in München zubringen. In allen Fällen aber gedenke ich, Sie noch ein Weilchen zu sehen, entweder in Dresden oder in Teplitz. – Und auch, wenn ich dann von Ihnen Abschied nehme, wollen wir das schlimme Wort: „Niewiedersehen“ nicht aussprechen; denn mein Weg führt mich ja doch von Zeit zu Zeit zu meiner Vaterstadt und meinen Verwandten und Freunden. Großes Herzeleid aber macht es mir, daß ich die Hoffnung aufgeben muß, Sie in unserm freundlichen und unschuldigen Carlsruhe zu sehen. Ich bin überzeugt, daß Sie Sich in jener milden Luft, wo man vom Winter nicht viel weiß und Sommers in dem erquicklichen Baden lebt, vortrefflich befinden würden; wärend Dresden mit seiner gichterzeugenden Brücke Ihre Krankheit, die ich übrigens für quälend zwar, aber nicht für gefährlich halte, nährt und steigert. Wie gut und wie wohlfeil würden Sie dort, wie freundlich und produzirend würden wir da zusammenleben! Was haben Sie denn in Dresden von Dresden? Die Fremden? Die kommen auch zu uns und ich denke sogar vielseitigere, wahrhaftere Fremde, statt deren in Dresden nur nordisch-barbarische Brunnengäste, oder Gallerie-Beseher mit längst bekannter Bildung, oder gar Liederkreusler erscheinen. Glauben Sie mir, es ist eine wahre Geistes- und Seelenkur, eine Gemüthsstärkung, eine Herzerfrischung, den in der Unnatur der Kritik und Theorie versunkenen Norden für einige Zeit total zu vergessen; diesen so sehr theoretisch-kritischen Norden, daß er jetzt, auf dem Kulminationspunkt seiner kritischen Theorie, es herausgerechnet hat, daß es weder Theorie noch Kritik gebe und nun, auch von allem wahrhaft Praktischen und Kräftigen entblößt, sich im reinen Nichts umhertreibt. Ist es denn gar nicht möglich, daß Sie Sich zu dieser Ortsverändrung entschlössen; daß wir, wenn ich zurück bin, darüber korrespondirten? Auch in pekuniärer Hinsicht würden Sie Vortheil, nehmlich Verleger finden, die Sie besser bezahlten. Cotta z. B. der vor einiger Zeit hier in Berlin war, hat mir in dieser Hinsicht viel von Ihnen gesprochen und mir aufgetragen, Sie zu bitten, für ihn und für seine Zeitschriften zu arbeiten. Er biethet sich an Sie vorzugsweise gut zu honoriren und frühere Verhältnisse in eine neue Verabredung nicht gleich und unmittelbar einfließen zu lassen. Ich schreibe Ihnen dieses in seinem Auftrag und wahrlich, er ist der Mann – was man auch von ihm sagen möge! – etwas Erhebliches und Fruchtbringendes für Sie zu thun. – Ich setze beiläufig – von größeren Arbeiten und Unternehmungen abstrahirend – hinzu: So sehr mich Ihre Kritiken im Abendblatt erfreut, so sehr sie allgemeine Theilnahme erregt haben, so ist man doch nicht mit dem Organ, das Sie wählen, zufrieden und ich meines Theils glaube sogar das Hemmende heraus zu fühlen, was dieses Süßblatt Ihnen entgegenstellt. Bei dieser Gelegenheit eine Bitte und eine inständige! Sie haben in jener Rezension, wo Sie dem Gehe nur zu viel Ehre anthaten, der Müllnerschen Schuld gedacht und sie kurzweg unter die Mißgeburthen der Zeit gestellt. Seitdem ward Müllner sehr höflich gegen Sie, nannte Sie Meister &c. Ich wußte gleich, daß er seinen Grimm nur verberge; und richtig! jüngst im Litt. Blatt des Morgenblattes sagt er in einer Anmerkung, von seinem beliebten heidnischen Fatum sprechend: es wäre sehr natürlich, daß die dramatischen Schulknaben sich gegen dasselbe erhöhen, aber das wäre zu verwundern, daß ein Ludwig Tieck diesen darin Vorschub leiste und mit in diesen Chor einstimme. Dieses Wort nun zwar nicht – denn Müllners Worte bleiben jetzt ohne Eindruck – aber das allgemeine Aufsehen, welches die Schuld erregt hat, gebiethet, daß Sie die Nichtigkeit dieses Meteors ausführlich und gründlich darthun, besonders weil Sie schon ein Mal wegwerfend, aber zu kurz für eine Erscheinung, die so allgemein geblendet hat, gesprochen haben. Ich fordre Sie im Nahmen der dramatischen Kunst dazu auf, denn ich halte es für nöthig. Ich selbst würde es thun, wenn ich es so eindringlich vermögte als Sie, der ja noch überdies das litterarische Reichssiegel seines Nahmens darunter drücken kann. Auch der Firniß des undramatischen ja oft ungeschickten Verses muß von dieser Lackirarbeit mit beitzend-kritischem Spiritus weggewischt werden. Lassen Sie Sich weder die Mühe, noch die Fehde davon abhalten; es ist Ihre kritische Pflicht. – Ihren Brief an die Direktion des 2. Theaters habe ich eben abgeschickt. Ich bin ganz Ihrer Meinung; doch könnte Ihnen ja wohl die Lust kommen, einmal etwas recht Drolliges und Populäres für eine solche Bühne zu schreiben, und nicht wollte ich, daß Sie dieses ganz und gar aufgäben. Außer meinen (fleißigen und gewissenhaften) Arbeiten für Zeitschriften und ein paar geringen flüchtigen Musengeschenken habe ich hier nichts gemacht, als eine Modernisirung meiner ersten dramatischen Arbeit: die Ueberbildeten nach Molière’s précienses ridicules, die ich mit nach Wien nehmen will; denn hier ist französische Drehkunst und Spontinischer Janitscharenlärm das Einzige was kostumirt, dekorirt und illuminirt wird; in den Zwischentagen giebt man französische vaudevilles und aus alter Schaam selten ein altes gutes aber schlecht ja skandalos besetztes Stück. Nun, ich will meiner Frau noch ein Plätzchen zum Schreiben lassen. Gott stärke Ihre Gesundheit!!!!!! Viele Grüße und herzliche den lieben Hausgenossen. In jedem Falle sehe ich Sie noch im Laufe dieses Sommers.
Mit Achtung und Liebe
IhrLudwig Robert.
Es ist mir recht lieb, verehrtester Freund! daß Sie mit Rob. über sein Wegeilen von Dresden zanken. Diesen Winter war ich sehr oft nahe dran, das Heimweh nach Ihnen und Ihren lieben Haußgenossen zu bekommen, doch jetzt wo der häßliche Winter sich entfernt und das Frühjahr sich einstellt – befinde ich mich ziemlich angenehm hier und will ich einmal wieder die Wintervergnügungen der deßhalb berühmten Stadt mitmachen so komme ich im Sommer, wo im Thierjarten dieselben Thees getrunken und dieselben belustigenden Gespräche geführt werden, die den Winter erwärmen sollen. Lassen Sie sich doch meines Mannes Zureden wegen Karlsruhe und Baden zu Herzen gehen; ich hoffe Sie bei unserm Wiedersehen nicht ganz abgeneigt zu finden, vielleicht nächsten Sommer unsern Zaubergarten Baden zu bewohnen. Eine Harfenspielerin-schlägerin macht mich mit ihrem ewigen tik tak tak so confus, daß ich nichts mehr beifügen kann als meinen herzlichsten innigsten Wunsch, Sie Alle recht bald gesund und vergnügt zu sehen.
IhreergebensteFrid. Robert.
IX
B. d. 20t. Dec. 1823.
Ein rundes Jahr habe ich mir vorgenommen, Ihnen zu schreiben und da es nun endlich einmal dazu kömmt, bin ich so schüchtern, daß ich nicht weiß, wie ich anfangen soll. Wären Sie kein so berühmter Mann, so hätten Sie, wenn es Ihnen Spaß machte, ein Dutzend Briefe von mir in dieser Zeit erhalten, aber so – was kann ich Ihnen schreiben, das interessant genug wäre, Ihnen einige Minuten Ihrer kostbaren Zeit zu rauben? Glauben Sie ja nicht, daß das Komplimente sind, die ich als Einleitung oder Lückenbüßer einschiebe, nein es ist mein wahrer Ernst, und ich würde vielleicht noch immer geschwiegen haben, wenn ich nicht vor einiger Zeit ein Gedichtchen von Ihnen (in Musik gesetzt von Fanny Mendelsohn) gehört hätte, was mir so wohl gefiel, daß ich mir vornahm, es Ihnen zu schicken. Mit nächster fahrender Post wird es folgen, und ich lasse, damit Sie auch die Componistin kennen lernen, das Billet von ihr dabei. Sie hat noch mehrere Gedichte aus Ihrem Reiche componirt, doch kann ich nichts darüber sagen, da ich sie nicht gut habe vortragen hören, dieses aber ist hier schon oft mit Beifall gesungen worden, und es wäre zu wünschen, daß Mdme. Devrient, die hier so sehr gefiel, es Ihnen zuerst vorsänge.
Wie oft ich mich schon nach Dresden zu Ihnen zurückwünschte, kann ich nicht sagen, an den gastfreundlichen runden Tisch, Niemand daran als Sie, Ihre theuren Haußgenossen und wir, erzählend und bis ins Innerste vergnügt. So war es hier noch nie. Die Erinnerung hat etwas rührendes, und ich weiß nicht, ob ich weine oder lache. Ich soll Platz lassen zum Siegeln, sagt mein Schicksal, das heißt mein lieber Mann, und ich gehorche
Ihreergebenste Friderike Robert.
X
Carlsruhe d. 15. Obr. 1824.
Verehrtester Freund
Ihre Besorglichkeit war ungegründet. Ich habe mich in dem ungesellschaftlichen München nicht länger aufgehalten, als eben nöthig war, es kennen zu lernen. Um eine alte Krummstadt herum, und in sie hinein entsteht eben eine neu’st-modige, griechisirende und romantisirende, und giebt so ein Bild der geistigen Baulichkeiten: der Bildung. Man steht mit dem Einen Fuße tief unten im Wust und Schlamm noch nicht weggeschafter Barbarei, und hat den andern über viele Mittelstufen hinweg, so plötzlich und so hoch erhoben, daß man gar nicht begreifen kann, wo man die Kraft zu einem solchen Sieben-Meilen-Schritt hernehmen soll. Auch macht man diesen Schritt nicht; man spreitzt sich eben nur und wähnt unter Anderm z. B. Preußen weit überflügelt zu haben. Reinlichkeit der Straßen und unelegante finstere Kaufläden; Gewühl von Menschen, Pferden, Soldaten und Güter- und Bier-Wagen, und keine Equipagen, außer denen des Hofes und zweier Gesandten; Napoleonische Polizei und andre Einrichtungen, bei altfränkischen ärgerlichen unnützen Formen; Soldaten-putz und wissenschaftlich-militärisches Treiben, bei höchstem Spießbürgersinn des Volkes; eleganter Pariser Damenputz im Theater, und Fraubasen-Gespräche mit breiter unangenehmer Mundart; ächt deutsche und höchst rührende Liebe zu dem angebohrenen Herrscher, und doch im Ganzen ein höchst undeutsches, ungemüthliches, egoistisches Wesen, das auf den sarmatischen Ursprung des Stammes hindeutet – und so könnt ich noch hundert Gegensätze anführen, die man hier dicht neben einander findet und die Einen bald unangenehm berühren, bald wieder mit Hoffnung für die Zukunft erfüllen, dabei ein rauhes unangenehmes Klima bei ganz unfruchtbarem Kiesboden. Man sieht den Schnee auf den Alpen liegen, der Südwind bringt Eiskälte und in gewöhnlichen Jahren schneit es noch in Juni – Gott sey also gedankt, daß ich wieder in meinem milden, einsamen und freundlichen Carlsruhe bin. – Und nun zur Hauptsache, zu Ihren Geschäften. Ich habe mit Cotta gesprochen und gegen Ihren Forderung von 10,000 Rthlr. für Ihre sämmtlichen Werke hat er, nachdem ich ihm das Geschäft anschaulich machte, Nichts einzuwenden gefunden; dagegen verlangt er hauptsächlich, daß Sie ihn sicher stellen, daß Ihre früheren Verleger nichts gegen diese neue Auflage einwenden und er nicht mit Jenen in Streit komme; dann rechnet er auf die Vor- oder Einleitungsreden, von welchen ich ihm, Ihrem Auftrage gemäß, gesprochen habe; auch wünschte er die Zahl der Bände zu wissen, die ich ihm nicht angeben konnte, aber ungefähr auf einige und zwanzig anschlug; endlich fordert er die baldigst schnelle Erscheinung des Werks und will sich vor dem Beginne des Drucks zu keinem Vorschusse verstehen. – Dies ist, mit kurzen Worten, das Resultat eines langen Gesprächs. Sie mögen ihm nun schreiben, sich auf diese Punkte beziehen und sich mit ihm einigen, welches ich Ihnen um so mehr rathe, da mir seine Forderungen billig scheinen und mit ihm, hinsichtlich der prompten Baarzahlungen durchaus nichts zu befürchten ist, welches bei minder reichen Buchhändlern doch mehr oder weniger der Fall seyn dürfte. – Was die Beiträge zum Morgenbl. betrifft, so scheinen sie ihm sehr angenehm zu seyn. So wie ich den Mann kenne, so werden Sie Sich auch hierüber mit ihm einigen, wenn Sie damit beginnen, ihm sogleich einen gewichtigen Beitrag einzusenden. Versäumen Sie aber ja nicht, diese Angelegenheiten zu betreiben!!! Und schmieden Sie das Eisen, dieweil es glüht!!!!! Es ist schon nicht vortheilhaft, daß Sie ihm nicht, wie Sie mir versprachen, bereits geschrieben hatten; ich kam dadurch in einige Verlegenheit. – So weit die Geschäfte! Nun will ich als Unterhändler aber auch ein Douceur haben; und das soll darin bestehen, daß Sie über meinen jetzt herausgekommenen Paradiesvogel ein öffentliches Wort irgendwo sagen. Daß ich kein unbedingtes Lob erwarte, brauche ich Ihnen, der Sie mich kennen, nicht zu sagen; aber – da Sie doch einigen Antheil an meinen Arbeiten nehmen, warum sollte ich nicht begehrlich hoffen, daß mir auch die Ehre werde, daß Sie ein Wort darüber drucken lassen? – Aber nun kommt etwas, das ich fast für eine Pflicht, die Ihnen obliegt, halte. Nehmlich eine Beurtheilung jener Novelle zu geben, die in den diesjährigen Rheinblüten vom Mahler Müller in Rom abgedruckt ist. Sie haben Sich früher für dieses Talent interessirt, sie waren Herausgeber desselben, er hat eine lange Reihe von Jahren geschwiegen und erscheint nun endlich wieder auf dem Felde der deutschen Literatur. Ich glaube, daß Sie dieses nicht ignoriren dürfen und gut wäre es, wenn man den derben Tüchtigen, wenn auch ein wenig Unmodischen, neben die süßlichen Zierbengel unserer Almanache zu Nutzen und Frommen des nervenschwachen Publikums hinstellte. Die moralische Kraft in seinen obscönen Schilderungen, die nicht nur nicht lüstern machen, sondern Abscheu erregen und dennoch Produkte der Kunst bleiben, ist bewundernswürdig, ist kunstreich, künstlich und sogar ein Kunststück. Wäre das Ende der Erzählung minder breit, so wäre, ich wenigstens, vollkommen mit ihr zufrieden. Ich bin begierig, was Sie darüber sagen werden; aber thun Sie es ja! Es kostet Sie ja nur ein Stündchen. Aber thun Sie es bald, denn dadurch würden Sie den Debit des Taschenbuchs und also meines Schwagers Nutzen vermehren. Sie dürfen ihm wohl diesen Gefallen erzeigen. Ueber die ihm zum neuen Jahre versprochene Novelle wird er Ihnen selbst schreiben, und ich füge meine Bitte hinzu, diese Angelegenheit nicht zu verschieben, dagegen verpflichte ich mich, Ihnen auch sogleich nach der Einsendung des Mspts. für die rasche Einsendung des Honorars zu sorgen. Schreiben Sie mir doch ein Wörtchen. Grüßen Sie Ihre mir höchst verehrten Hausgenossen freundlichst
vonIhremL. Robert.
So wenig Platz und so viele Gefühle und Einfälle! Gedanken kann ich nicht sagen, denn dazu kömmt es noch lange nicht, denn jetzt habe ich zu viel mit der Poesie, Begeisterung, zu thun; ich richte meine Haushaltung ein, damit Sie nächsten Sommer eine „schöne“ Tasse Thee bei mir trinken können und kaufe Tischchen, einen Lehnstuhl und Leuchter zum Vorlesen! Ueber München bin ich mit Rob. ganz einverstanden, und so wie ich Zeit habe, schreibe ich ausführlicher, für Ihre und Ihres verehrten Hauses Gastfreundschaft zu danken, die ich in München nach ihrem ganzen Werthe hätte können schätzen lernen, wenn mein Herz nicht schon ganz davon überzeugt wäre und überflöße. Mich best. empfehlend
IhreFrid. Rob.