Kitabı oku: «Briefe an Ludwig Tieck 4», sayfa 12
VIII
Berlin, den 8t. Septbr. 1824.Mittwoch vor Tisch. Sirocco-Wetter. Keine Lust von keinerSeite; zum Sterben.
In diesem Wetter komme ich so eben von Reimer. Er hat mir erlaubt, daß Ihre Sewennen, Bogen vor Bogen in’s Französische dürfen übersetzt werden, und mit dem deutschen Buche zu gleicher Zeit erscheinen dürfen. Ihre Genehmegung zu erhalten, überlies er gerne mir. Ich denke, ich habe sie schon. Wir haben hier einen jungen Freund bey der Französischen Legation, der sehr gut deütsch weiß; es liebt und pflegt; seine Sprache wie ein Engel schreibt; und vortrefflichst übersetzt – wie jetzt nur die beßten – dieser junge Mann fühlt sich gerüstet zu litterarischen Arbeiten: aber ein Buch zu verfassen erschrikt ihn doch; so beichtete er uns diese Woche in einem langem Gespräch, nach langer Lecture von Originalen, in beiden Sprachen, und Uebersetzungen, die er uns mittheilte, kurtz – im litterarischen Gespräch. Er fragte um Rath und nach einem guten deütschen Werke: ich hatte schon lange H. Kleist’s Erzählungen im Kopf. Varnhagen aber kam den andern Morgen mit dem herrlichen Gedanken als Fund zu mir, Ihre Sewennen übersetzen zu lassen. Der junge Mann kennt bis jetzt weder Meister noch Werk. Er weiß nur, daß er Bogen vor Bogen erhält, und sein Ehrenwort geben muß absolut Niemanden davon zu sprechen, noch zu zeigen!
Wollen Sie das? So lassen Sie mir baldigst ein Wort, nur ein Wort durch meine Schwägrin, oder Agnes, oder Dorothee schreiben: und Sie sind so ehrlich wie vorher; sagt man hier; wie Sie gewiß noch wissen. Könnte mein Vorschlag wie ein gesunder Peitschen-Pfiff im frischen abendlichen Jagdwald Ihren Pegasus ermuntern, und er Sie flugs ganz in die Sewennen entführen! Und mit vielen Blättern beschwert käme er und Sie zu aller Freunde Freude zurük! Fragen Sie einmal Robert wie vortrefflich unser junger Franzose übersetzt! Soll ich nun dem Lebenskenner, dem Dichter, der über alle schaltet und waltet, noch viele Worte machen? Von meinem Leben sprechen? Er weiß was Einer leben kann, der noch nicht todt ist, und von dem nicht das trivialste und höchste etwa, in den Zeitungen berichtet wird. Die Lebensfunktionen müssen aber leidlicherweise vor sich gehen können; aber solch ein Wetter behaupte ich, war noch nicht. Naturforscher, Naturkenner und Beobachter werden Wunder davon berichten, bin ich überzeügt. Der Erde Befinden ist gestöhrt durch ein fremdes Ereigniß, ihr bis jetzt fremdes und ich, wie Hamlet, bin gebohren – nicht – sie wieder einzurenken; aber es zu empfinden. Also wissen Sie auch wie ich mich befinde; trotz, daß mein Körper endlich – wie eine Seele ruhig seyn wollte, gesetzt und gelassen wurde wie Pollonius unter der Treppe! —
Varnhagen weiß nicht, daß ich Ihnen schreibe: grüßt also tüchtig und herzlich: Ich alle 4 Damen Ihres Hauses! Lassen Sie mich wissen ob auch Sie das Wetter empfinden. Im Ganzen weiß ich von Ihrer aller Gesundheit.
Roberts gehn ab. Da ist nichts zu sagen, als es zu leiden. Das wäre ganz genug? Nicht wahr? Gott bewahre! Man hat auch noch Vernunft: und nun muß man dazu rathen. Und nun ist der Mensch fertig – fertig da!
Wenn Sie je etwas auf mich gehalten haben, so lesen Sie Alfons, ou l’Espagne, von Salvandy.
IX
Sonnab., Berlin, den 8t. April 1826,halb 2 Mittag. Helles warmesWetter mit einem unerzogenenWind, der nicht recht weiß wo erherkommen soll; obgleich er leiderNordost ist.
Gott grüß Sie lieber Freünd! Gleich, vielleicht zur ungünstigsten Stunde – ich werde gewiß unterbrochen, und kann auch ohnehin nicht die Feder führen, wohl einen Brief schreiben – will ich. Ihnen danken für den Heilungstrost den Sie mir in Ihren dramaturgischen Blättern gewähren, wovon ich jetzt eben etwas im 2t. Bande las, gegen den vielen Dummheitsgift, den man so langjährig verschluken muß. Zu 4, 5 Monathen gehe ich nicht in’s Theater: aber es fehlt mir nichts; ich weiß doch davon, denn eine Vorstellung ist alten wahrhaftigen Theaterliebhabern, wie wir gebohren sind, genug, die Schändung desselben zu überschaun! Die jetzt hinein gehen, schreien, rezensiren, klatschen, lesen, sind unfähige, sinnliche Wüstlinge, die der Wüste in sich zu entfliehen gedenken, und sie nach außen treiben, klexen und sprechen. Diese dürren Referirungen, „Referent“!!!, wo hergebrachter Unsinn als fleißigstes Unkraut wuchert, und ein maulsperrendes Parterre toll und stumm macht! mit Staatsdirektoren an der Spitze, die aus vollen Beuteln der Raserey Palläste bauen: steinerne, und wieder hölzerne darin, die eine ganze Natur unter einander wüthen lassen, und eine Kunst zu machen vermeinen! Halt! – ein! so geschrieben! Ha – lt! Sie haben gesprochen, und Gott lob! Sie haben auch schon das Vorurtheil für sich: es wird also rechts und links wirken. Beßter Tieck! Höhren Sie nur nicht auf, lassen Sie alles, was Sie verheißen, bald druken! Geschwind. Zwingen Sie sich zur Tugend; wie Hamlet von der Mutter will. Ja lieber Freünd, es ist eine Tugend; weil Zwang und eine wirklich gute Handlung zusammenkommen. Es ist nicht solche Kleinigkeit, welches Theater eine Nation hat, wenn sie so weit ist eins zu haben. Bey den Deutschen ist es ja schon ein allgemeines Bedürfniß, und an allen Ecken und Enden erbaut. Es ist so wohl der Beweiß was eine Nation will, als ihr Weg zu dem was sie wollen soll. Nehmen Sie um’s Himmels und um der beßren willen, so existiren, und die sich entwicklen können, den Zügel des tollen jagenden Fuhrwerks in Ihre Hand, lassen Sie’s einlenken ehe es noch mehr geladen vom höchsten Fels der Verkertheit zerschmettert stürtzt, oder verfahren in Einsamkeit verwittert und in 50, oder Gott weiß welche Geschichtszahl von Jahren, nicht wieder zu sich kommt. So wie es ist, verdirbt’s die Jugend. – Die Höfe. Noch geht alles von den letztern aus; und die erste umspannt alle Zukunft. Es ist wahrhaftig nicht solche Kleinigkeit wie unumsichtige wähnen! Warum soll Gemeinheit herschen; tausendfache Vor- und Unurtheile aller Art; und alle Abend in diesen Tempeln predigen, wirken, verleiten, hoffärtig, stupid und närrisch machen dürfen? So, daß man nach dem Theater gegen 10 Uhr auch mit keinem Menschen mehr sprechen kann? Mit demselben wohlgepflegten Unverstand richten sie ja nicht minder Thaten und Sitten?! und helfen im strengsten Sinn des Worts unsre Welt so machen wie sie ist. Ein Jeder muß helfen, den sie schlecht findet: und deshalb schreib’ ich, Ihnen. Wissen Sie! Sie haben Freünde, Gleichgesinnte hier. Die letzte Veranlassung, wegen welcher ich Ihnen schreibe, ist Alexander und Darius. Da hatte ich die Ehre Wort für Wort zu schreien – und zu vertheidigen – was ich heüte von Ihnen las. Welche Freüde, welcher Trost und Triumpf! Alle Stellen, die Sie rühmen, hab’ ich lobend zitiren müssen. Jedes mein’ ich wie Sie, und todt habe ich mich bey den beßten sprechen müssen. Immer denselben stereotipen Helden wollen sie bald sehen! In einer schlechtern Art als die Franzosen, die sie stupid tadlen. Ich will keine Einheit! Mir gefiel das Gastmal, der Tanz; das andre persönliche häusliche Daseyn des Alexanders &c.: was Sie sagen! und in noch mehr bin ich Ihrer Meinung. Entzükt war ich, einmal kein kritisch Stück zu höhren: wo ja Fouqué doch im Zauberring alles vorweg genommen, durch die Pferde, die 20, 30 Schritte, und noch mehr, vor Heiden-Helden pruschen und scheuen! Mißverstehn Sie mich nicht. Die Unnatur in den höchsten Sphären, und die Unvernunft dort, reizt meine höchste Empöhrung. Varnhagen steht mir treulich bey, auch manchmal mit einem gedruckten Ruf. Er grüßt Sie herzlich und einverstanden! Agneschen wird Sie auch schon gegrüßt haben. Ich war so glücklich sie Mad. Milder in ihrer höchsten Begeisterung en petit comité höhren zu lassen, und ihren höchsten Stücken. Agnes wird Ihnen doch wohl meine medizinische Verordnung mitgetheilt haben! Fragen Sie sie ab im Neinfall! Gott gebe Ihnen Gesundheit! Das ist der treüste Wunsch
Ihrer treüenFr. Varnhagen.
Ich grüße die Damen Ihres Hauses auf’s Schönste!
Bedenken Sie ja das laufende Theater mit Ihrem Fleiß!!! O! hätten Sie ein würdigendes Wort von Mad. Brede gesagt. Sie ist jetzt hier. adio!
X
Berlin, Sonntag, den 18t. März 1827.
Ich verlasse mich auf Ihre Ehrlichkeit, lieber Freund, in Talia und Melpomene! Diese Sache wird immer rarer; die Mißgeburthen und Mißurtheile immer mehr überschwemmend! – und bitte Sie nur, den Hrn. Krüger zu sehn, wenn er in Dresden spielt! für den Rest ist mir nicht bange. Wenn es seyn kann, nur irgend; so lassen Sie ihn den Alexander in Uechtritz’ Stück spielen! Er fürchtet, grade diese Rolle in Dresden zu spielen, in welcher Sie mit dem dortigen Schauspieler so zufrieden waren. Ich fürchte mich aber gar nicht; wie er diese Rolle nahm, und leisten konnte, das war grade sein Wendepunkt. Seit der Zeit ist er ein Anderer; bis dahin war er nicht, was er seyn konnte. Wenn auch der Herr in Dresden diesen Alexander ganz anders nehmen und darthun mag, so spielt Krüger einen Menschen, eine vollkommen gestaltete, zu verstehende Person in ihm. Sie werden doch den Mimen gestatten, was Sie mit unerläßlicher dichterischer générosité dem Dichter zulassen: die Historie in den jetzigen, oder in irgend einen lebendigen zusammenhängenden Moment zu übersetzen! Dies leistete mir Krüger im Alexander; ich sah hell und klar in den Busen eines Erobrers: Nicht trüb und düster war es zu schaun, herrschsüchtig, und Schmerz und Wunden verachtend, zerstörungslustig, oder nicht achtend – wie jetzige und gewesene Helden von der Menge imaginirt, gehaßt und nicht geliebt werden. Es war ein heitere großmüthige Seele, der es nicht einfallen konnte, ein Bürgerleben zu führen, irgend etwas in’s Kleine zu sehn; der wenn es je zur Frage bey ihm gekommen wäre, gewiß lieber den doch alles Leben endenden Tod schnell, heiter, vergnügt vor einem kleinen ihm ganz fremden Leben vorgezogen hätte. Den Feldherrn zeigte Kr. im Zelte, der seine Leute genau kennt; der einen schlechten Vorfall nicht anerkennt, und selbst Hand anlegend einen guten daraus macht. Auch gab er den Alex.: den Uechtritz zeigte vortrefflich: bey’m Gelage z. E.: Griechenleben, umgränzt von Allem, was jetziger Anstand fordert. Sehr gut; wenn er’s dort eben so macht. Ueberhaupt; sollte er bey Ihnen diese Rolle geben, so halten Sie ihn an; daß er sie grad eben so gebe, wie hier das Erste Mal. Besonders muß er zuletzt so abgehen und das so sagen, was er zuletzt zu sagen hat. Eine Welt von zu Geschehendem that sich auf! Solch Ende überhaupt will ich: nicht eine Idee, wie sie’s nennen, ein todt-willkührlich-Abgemachtes, wie so etwas nach einer schöngeschriebenen Vorschrift; warum nicht gar! weiter, und weiter entwickelt sich Leben; und Dichtung geht ihm nach und vor! Lassen Sie ihn ja Leister in Maria Stuart spielen! Wolff13 ein geputzter, leerer Hystrione darin: Ifland hoffend, das Publikum würde aus äußern Gestikulazionen, Pausen, Mienenschneiderey – Traurigkeit über die Rolle – Putzkostüm, sich selbst einen Leister zusammenmachen. – Nichts! der spielt ihn: er macht keinen Würdigen daraus: zeigt aber wie so er unwürdig ist; und wie auch als ein Träger solches, doch wahre Angst, Absicht, Furcht, Scheu und Entschluß haben kann. Schiller selber hätte seinen Leister besser erkannt. Krüger hat Stimme und Sprache in seiner Gewalt, steht über seiner Person, macht sie zu einer (weggerissen) spielt nicht einzelne Stellen, und nach einzelnen Ausdrücken, sondern schon aus seinen ganzen Rollen, hat sich ausgeschrieen, ohne der Stimme zu schaden, und declamirt fast nie mehr.
Beschützen Sie solchen gut gerichteten Fleiß, und seinen jetzigen und künftigen Ertrag.
Alles was Sie über Theater sagen, unterschreib ich das ganze Jahr hindurch; aber zu Hause! selten lasse ich mich fangen zu der Ungeduld. Die machen sie mir. Doch sehe ich alles, was zur Geschichte des Bühnenwesens gehöhrt; wann das muß, das unterscheide ich auf dem Punkt. Ich bin einer der größten Theater-Kenner. Das beweisen Sie mir. Wieder; auch; denn ganz allein, würd’ ich es auch glauben.
Seyn Sie gesund! Beßeres weiß ich nicht! Das lernt man quand on est criblé de rhumatisme. Er ist toll; und haust auf mich, in mir. Hr. Krüger wird mir von Ihnen erzählen: Sie schreiben nicht. Wie schwer wird’s mir!!!!!!!! Gift ist es mir. Schöne Grüße all Ihren vier Damen! Keine soll etwa Krüger bey Ihnen verkleinern; sondern, Sie rein und frisch urtheilen lassen. Wie sonst, und immer
IhreFr. Varnhagen.
Varnh. weiß nicht, daß ich Empfehlungen schreibe! Adieu.
Vorholz
Wenn diese Sammlung den Hauptzweck verfolgt: Tieck’s Angedenken unserer jüngeren Generation ehrenvoll wach zu rufen, und gewissen Leuten vor Augen zu stellen, wie tief und innig der oft geschmähete Meister mit seinen Werken in die Seelen der guten, klugen, redlichen Zeitgenossen gedrungen ist, welchen Wiederklang seine Dichterstimme erweckt hat… dann können wir dieß Zeugniß eines schlichten Bürgersmannes nicht hoch genug anschlagen. Es sagt in einfachen ungekünstelten Worten unendlich mehr für Tieck, als spitzige, in Gift und Galle getauchte Federn, auch von gelehrten Gegnern geführt, gegen ihn aufzubringen vermochten.
(Ohne Datum.)
Sehr verehrter Herr!
Ich habe den jungen Tischlermeister gelesen. Wenn je ein prosaisches Buch mir Nahrung für Herz und Seele gewährte, so ist es Dieß, Ihr herrliches Product. Wie bin ich froh, nicht nach dem ersten Durchlesen gleich Gelegenheit gehabt zu haben, Ihnen Verehrter meine Herzensmeinung darüber zu sagen, Sie hätten gewiß geglaubt, es sei in meinem Oberhause nicht richtig. Aber! ich habe den Tischler nochmal gelesen und werde ihn wieder lesen! und bei der zeitigen Ueberschauung ist der Nachhall nur desto dauernder. Ist die ganze Auffassung breit und lang, so habe ich es recht gefunden, der Tischlermeister kommt mir vor, wie ein in die kleinsten Bedeutungen ausgeführtes Gemälde, mit Naturschönheiten, belebten Stellen und Personen. Freilich! an dem Urtheil des Laien liegt in der Regel wenig, doch wenn ich Ihnen sage: daß ich diesen Leonhard nicht nur empfunden, sondern durchlebt habe, wird es Sie nicht wundern. Wer anders könnte ihn zeichnen, als eine große Seele, die den tiefsten Blick in das Leben der sogenannten Stände gethan. Wer wie ich, es erfahren hat, daß der Stand des Handwerkers oft das Einzige Hinderniß, daß Personen, die sich gerne ihm hingeben möchten, sich zurückhalten, der wird finden, wie treu Sie den Elsheim zeichneten, als er verlangte, Leonhard müsse als Professor aufgeführt werden. Wie sehr füllte er im Hause der Baronin seine Stelle aus, sogar die reizende Charlotte verliebte sich in den verheuratheten Handwerksmann und doch hätte er Nichts gegolten, wenn er als Tischler erschienen wäre, man hätte über ihn mitleidig gelächelt und ihm seinen Plaz bei der Bedienung angewiesen! wie schön deßhalb bald nach dem Eingang des Buches, wie schön die Schilderung des patriarchalischen Standes des deutschen Hausvaters und Bürgers im Gegensaze mit den französirten Halbherren der Neuzeit, o wie ganz aus meiner Seele genommen! Das Gasthofgemälde mit der rüstigen Wirthin, dem trägen Wirth und Allen den vielen Gästen bildet schon für sich ein anziehendes Bild. Sie wissen es selbst, wie wenig sich die sogenannten höhern Stände um die Andern bekümmern, hätten Sie es sonst nicht gefügt, daß die ganze Gesellschaft im Schlosse der Baronin in Leonhard keinen Tischler vermuthete? den alten Bedienten allein ließen Sie ganz richtig die Wahrnehmung machen. Die Färbung des Pietismus ist so ganz Wahrheit und wie richtig, wie die lockende Verführerin gar bald eine Fromme wird und ihr eroberter Eheherr muß demüthiglich mit beten, sammt dem Hof und Haushalt.
Sollte ich mich aber versteigen und Ihnen über die Zeichnungen der Theaterstücke und ihre Aufführung etwas sagen? Das sei ferne von mir. Ich empfinde Ihre hohe Meisterschaft, sie auszudrücken bin ich nicht berufen, die Welt hat Ihren hohen Rang darin anerkannt. Ich bleibe hübsch in meinem Geleise der Bürgerlichkeit und wandre mit Leonhard in das altteutsche Nürnberg, wo ich vor zwei Jahren die weite Reise zum Dürerfeste hin nahm und welches von Ihnen so treu, so wahr mir wieder vorgeführt ward, wo ich so viel erfahren, was Sie an Leonhard der Welt anschaulich machten.
Sie, verehrter Herr, haben es durchschaut und ein großer Dichter hat es irgendwo ausgesprochen: daß es nichts poetischeres gebe, als der Handwerksstand in Teutschland. Sie fühlen es ferner, wie sehr sich Alles aus diesem Stande hinausarbeitet, Sie durchschauen aber auch, daß der Titular-Fabrikant mit einem Taglöhner arbeitend, mehr gilt, als der wackere Handwerksmann mit sechs Gesellen, daß äußerer Anstrich mehr gilt, als die stille anspruchlose Bescheidenheit mit ihrem heitern Loose.
Alles Dieses haben Sie bewiesen in dem Buche, für dessen reichen Inhalt Ihnen ein treuherziger Handwerksmann die teutsche Hand drückt. Ich habe lange gesprochen, aber, Sie haben es auch so gemacht! Könnten Sie in mein Innres schauen, Sie würden das lesen, was ich nicht zu schreiben vermag. Ich sage Sie würden? nein! Sie werden lesen, ein Mann der den tiefsten Blick in die Bildungen des Herzens that, hat schon im Eingange ersehen, was der Unfähige ihm vorlallen wollte.
So schließe ich nun und bitte die Freiheit ab, mit der ich es gewagt, vor den großen Mann zu treten, wie die Maus vor den Löwen! Nehmen Sie dieses nachsichtlich als einen Beweis von Dankbarkeit von einem Manne, der nicht sagen kann, wie sehr er stets sein wird, Hochgeehrtester Herr
Ihr ganz ehrfurchtsvollerC. Vorholz, Bäckermeister.
Waagen, Gustav Friedrich
Geb. zu Hamburg am 11. Februar 1794. – Direktor der Gemälde-Gallerie der königl. Museen; seit 1844 Professor der Kunstgeschichte an der k. Universität Berlin.
Ueber die Maler van Eyck (1822.) – Kunstwerke und Künstler in England und Paris, 3 Bde. (1837–39.) – Kunstwerke und Künstler in Deutschland, 2 Bde. (1843–45.)
Aus vielen vorhandenen Zuschriften, welche W. an seinen verehrten Freund und Oheim im Laufe langer intimster Verhältnisse gerichtet, haben wir nur einen ausgewählt, und diesen gerade, weil er vom Tode der unvergeßlichen Dorothea handelt, und uns die Menschen und ihr Verhältniß zu einander klar macht. An alle übrigen durften wir uns, ihrer Familien-Beziehungen halber, nicht wagen. Als erwünschten Anhang zu diesem Briefe geben wir eine Einlage des späteren königl. General-Adjutanten und Gesandten in Rom14, Freiherrn von Willisen. (Nr. 4.) – Zwei höchst bedeutende Schreiben Tieck’s (Nr. 1 und 2) hat dieser schon, als für den Druck bestimmt, in Abschrift seiner Sammlung beigefügt.
Ludwig Tieck an Waagen
I
Zibingen, den 4. Febr. 1815.
Mein liebster Gustav!
Immer wieder von neuem erfreut mich Deine Liebe zu mir, und jedes Wort von Deiner Hand thut mir wohl, nur schmerzt es mich zu hart, daß Dein Gesundheitszustand so wenig ist, wie er sein sollte, daß Du schon seit vier Monaten das Zimmer nicht hast verlassen können. Ich hoffe, mit dem Frühjahr soll es Dir besser gehn. Dieser Winter ist ungesund, und ich habe mich auch seit lange nicht wohl befunden, so daß auch meine Arbeiten auf mancherlei Art sind unterbrochen worden. Es thut mir, wie Dir leid, daß Du nicht nach Heidelberg gehen kannst, indessen mußt Du Dir nicht schon vorher Deinen künftigen Aufenthalt in der Phantasie zu sehr verleiden; Breslau hat schöne Denkmäler der Architectur, merkwürdige Alterthümer, herrliche Bibliotheken, in denen sich wahre Seltenheiten, auch treffliche Manuscripte befinden. Das Volk gefällt mir eben so wenig, wie Dir, indessen leben doch viele ausgezeichnete Menschen dort, wovon Dich viele, wie ich hoffe, gut und freundlich aufnehmen werden: was ich Dir dort irgend nützlich sein kann, soll Dir gewiß nicht fehlen, ich will Dir an v. d. Hagen einen Brief schicken, den zweiten Raumer kennst Du durch den Bruder, doch werde ich noch Deinetwegen an ihn schreiben. Du hast doch den Vortheil zum wenigsten, daß Du bei Verwandten im Hause wohnen wirst, wo Du wie ein Sohn und Bruder wirst sein können, und Dich nicht plötzlich in eine fremde ferne Welt hinausgestoßen fühlen, was Einem in den jungen Jahren recht bange thun kann. Vielleicht hast Du in der Zukunft doch noch Gelegenheit zu reisen, vielleicht auch noch auf einer andern Universität zu studiren. Hüte Dich nur, das ist das Wichtigste, vor der Hypochondrie, lerne Dich ein, jede Stunde des Lebens zu genießen und froh zu sein; der heitre Mensch lernt und denkt in einer Stunde mehr, als der trübe und verstimmte in Wochen. Nur Heiterkeit bringt den wahren, gedeihlichen Fleiß hervor. —
Es ist schön, daß Du so fleißig bist, ich hoffe, Du bist es nicht zu sehr; nur, Liebster, hast Du denn auch gute Ausgaben der Classiker? Denn das ist die Hauptsache, um sie in Deinen Jahren mit Nutzen zu lesen. Vielleicht kann Dir Gustav Alberti damit aushelfen. Theile Dir Deinen Tag etwas ein, und ermüde Dich nicht zu lange über einem und demselben Buch. Lies ja auch Griechische Autoren, Plutarch, wenn Du schon so weit bist, den Thucydides, und neben dem Homer den Sophocles. Tacitus ist erst wahrhaft groß in seinen Annalen und der Geschichte. Was Du mir vom Horaz und Virgil schreibst, begreife ich wohl. Ich habe an mir selbst und an Mitschülern in der Jugend die Erfahrung gemacht, daß diejenigen jungen Leute, die wirklichen Sinn für die Poesie hatten, lange Zeit den Alten keinen Geschmack abgewinnen konnten. Trifft es sich, wie es natürlich geht, daß wir unter den Neuern Lieblinge antreffen, und uns irgend einen großen Dichter der neuern Zeit befreunden, so werden dadurch leicht die größten Schönheiten des Alterthums auf gewisse Weise verdunkelt, so daß uns erst späterhin wieder der Sinn für diese aufgeht. Dazu kommt, daß die einfache, rührende Größe des Alterthums erst recht einleuchtet, wenn wir vieles in uns überwunden, durchlebt, Irrthümer erfahren und abgelegt haben. Warum soll denn auch die Jugend das Interessante, Blendende, Sonderbare nicht vorziehen dürfen? Doch laß Dich, mein Lieber, ja nicht in Deiner Verehrung für den Cervantes irre machen, so ist es nicht gemeint, und ich wünschte nur, Du könntest diesen großen Meister erst Spanisch lesen, um ihn noch mehr zu verehren; studire nur recht den Shakspeare und Goethe, und wohin Dich Deine Neigung führt, die bei Deinem wahrhaft poetischen Gemüthe gewiß nichts Abgeschmacktes oder Unedles ergreifen wird. Es kann ja auch sein, daß in Dir selber ein zukünftiger Dichter schläft, und jemehr dies der Fall ist, je bestimmter und einseitiger wirst Du vieles von Dir zurückstoßen und Dir andres gewaltsam aneignen: die Universalität sollen wir in der Jugend, und vielleicht nie, haben; ein frühzeitiges Streben danach erstickt Talent und Urtheil, und viele neuere Schulen, die neben der Sprachgelehrsamkeit auch ästhetisch hierin haben verfahren wollen, sind auf dem allerfalschesten Wege gewesen. Alles, was ich aber hier gesagt habe, kann sich überhaupt kaum auf die Römer beziehn, und ich theile hierüber nur Deine Gefühle, denn genau zu sprechen, haben sie wohl keine Dichtkunst, wie keine Kunst besessen; Herrschen, Reden, Geschichte schreiben, Krieg führen, dies waren ihre Talente. Was sie an Poesie aufzuweisen haben (wenn nicht das Alte, Einheimische untergegangen ist) ist auch nie national geworden, wie bei den Griechen: was ist Plautus und Terenz anders, als Uebertragung und Verderbung griechischer Vorbilder? Wie mögen die Verse der griechischen Lyriker anders ausgesehen haben, als wir sie beim Horaz wieder finden? Da, wo wir ihm auf der Spur sind, sehn wir den Unterschied nur gar zu deutlich. Der originellste Dichter der Römer ist nach meiner Meinung Ovid, nur ist er oft gering und klein; Catull ist mir sehr lieb, und im Horaz seh ich den feinen, edlen Weltmann, mich erheitert die Urbanität seiner Gesinnungen und mich reizt die Eleganz seines Ausdrucks, aber wenn ich an große, an wahre Dichter denke, ist er der Letzte, der mir in’s Gedächtniß kommt. Darum sind auch seine Satyren eigentlich nur das Werk, von dem man als einem recht eigenthümlichen sprechen kann. Welchen falschen Einfluß sein lustiger Brief ad Pisones, den man ars poetica hat nennen wollen, auf die Bildung der neuern Welt gehabt hat, wird Dir wohl noch einmal in Zukunft recht deutlich werden. Kann es eine unglücklichere Aufgabe für einen Poeten geben, als überhaupt die Art des Landbaus beschreiben zu wollen und zu lehren, oder gar wie es Virgil gethan hat? Das sind die Gedichte, die nur entstehn können, wenn ein Volk Luxus genug hat, um auch Dichter haben zu wollen, mißverstandenen Stolz genug, daß sie lehrreich sein, und Verirrung aller Begriffe, Mangel an Kunst und Enthusiasmus, daß sie sich mit gezwungener Künstlichkeit auf etwas beziehen sollen. Wie sieht dagegen das unschuldige, aus dem Gemüth geschriebene, aber freilich auch unpoetische alte Spruchgedicht des Hesiodus aus! Ueberhaupt, Lieber, mache Dich nur mit frischem Muth an die Griechen, und ich bin fest überzeugt, daß sie Dir einleuchten und Dich begeistern werden, ohne daß deshalb Deiner zärtlichen Liebe für die Neuern Eintrag geschieht.
Wie Du den Homer liebst, weiß ich; auswendig muß man ihn wissen, er ist kein Dichter mehr, er ist Natur, Menschheit und Kunst selbst; kannst Du zum Aeschylos und Sophocles gelangen, so studire sie, und auch nachher den Pindar. Euripides ist eine höchst merkwürdige Zerbrechung griechischer Kunstvollendung und mir darum sehr lieb und wahr, weil er mir manche große Erscheinung der Neuern erklären hilft. Gegenüber die großen Prosaiker Herodot, Thucydides und dann Plato, Aristoteles, welche Namen! Der Theocrit wird Dir gewiß zusagen, um so weniger Dir Geßner gefällt. Livius, Tacitus, alle Geschichtschreiber der Römer studire fleißig und die lateinischen Dichter der Sprache, weniger des Inhalts wegen. Die Philologie ist überhaupt eine Wissenschaft, in der sich alles in einem herrlichen Zirkel vereinigt, und selbst das Unbedeutende wichtig wird, weil es erklärt, etwas Wichtiges erhellt, und so durch das ganze Studium Ein Leben geht. – Erhalte Dich nur gesund, halte gute Diät, bewege Dich im Freien, wenn das mildere Wetter eintritt. Will Dich Melankolie überschleichen, so gedenke an den Wechsel aller Dinge, den Untergang der Staaten und Herrscher, und übe Dich, auch das Größte und Ernsteste im komischen Lichte zu sehen. – Vielleicht findet sich im Frühjahr Gelegenheit, daß Du uns besuchst, ich möchte noch mündlich über vielerlei Gegenstände mit Dir sprechen: in Prag warst Du heiter, sei immer so; damals war die Lage der Welt gewiß trostlos und Deine eigene nicht erfreulich zu nennen. —
Ich bin diesen Sommer acht Wochen in Berlin gewesen; die letzten drei Wochen war Martins da, ich habe ihn aber nicht gesehen, ob ich ihm gleich durch andre sagen ließ, wo ich wohnte. Das hat mir von dem jungen Menschen nicht gefallen, gegen den ich doch, wie Du selbst gesehen hast, in Prag so freundschaftlich und hülfreich gewesen bin, wie ich es nur sein konnte. Ich hoffe, Wilhelm soll in seinem neuen Berufe glücklich und zufrieden werden, ich wünsche ihm alles Glück.
Wenn ich glauben soll, daß Dir dieser lange Brief Freude und nicht Verdruß gemacht hat, so antworte mir recht bald. Quäle Dich nur mit Deiner Hand; glaube nur, es hat mich auch in Deinen Jahren viel Mühe gekostet, deutlich zu schreiben. Dich umarmt
DeinFreundLudwig Tieck.