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Kitabı oku: «Briefe an Ludwig Tieck 4», sayfa 13

Various
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Ludwig Tieck an Waagen
II

Ziebingen, d. 30. März 1815.
Lieber Gustav

Nimm meinen herzlichsten Glückwunsch an auf dem Wege zu Deiner neuen Bestimmung. Gewiß wirst Du Dir einen neuen Muth zum Leben fassen und immer mehr einsehn lernen, daß unser guter Wille eins und alles ist, was wir bringen können, um zu erlangen, was wir erstreben. Darum wirst Du auch gewiß Deine Aengstlichkeit verlieren und Deine Anlage zur Heiterkeit wird sich immer mehr entwickeln. Du findest ja auch Freunde in dem Orte Deiner Bestimmung, und ich hoffe, daß die Einlagen Dir einigen Nutzen gewähren sollen. Meinst Du, daß ich Dir bei irgend wem sonst noch helfen kann, so brauchst Du mir nur einen Wink darüber zu geben, um mich bereitwillig zu finden. Vergiß ja niemals, daß die Universitäten nicht dazu da sein können, den Gelehrten zu vollenden, sondern nur um dem Studirenden den ganzen Apparat, alles Werkzeug, alle Handhaben zu geben, damit er in Zukunft ein Gelehrter werde. Denn nur zu oft geschieht es, daß ein junger Mann sich abängstigt, wenn er sieht, wie viel ihm fehlt, wie vieles so manche seiner Lehrer schon besitzen. Er übertreibt oft Arbeit und Anstrengung, um denen gleich zu werden. Aber Umsicht soll er gewinnen, sich zurecht finden lernen, Ordnung, Zusammenhang begreifen. Die Köpfe, die schon als Studenten sich als wahre Gelehrte ankündigen und oft die schönsten Hoffnungen erregen, haben nur selten diese Hoffnungen erfüllt. Man stürzt sich auch gar zu leicht auf ein einseitiges Studium, gewinnt hier wirklich Grund und Boden, und hat es in spätern Jahren dann um so schwerer, den Zusammenhang wieder zu finden, den man über einseitiger Anstrengung verfehlen mußte. Alle guten Köpfe müssen doch eigentlich Autodidacten werden, nur nicht zu früh: Die Universität schlägt uns das Gesammte der Wissenschaft wie ein Buch auf, damit wir in so weit uns und die Gelehrsamkeit kennen lernen, zu sehen, wohin wir unsre Wünsche richten möchten; wir ahnden dann, wo noch Dunkelheit, Lücke ist, die wir erhellen oder ausfüllen möchten, sei’s im Einzelnen oder im Ganzen. Schreibe mir doch ja von Zeit zu Zeit, und suche im Griechischen weiter zu kommen.

An Raumer findest Du einen reichen und hellen Kopf; Hagen ist sehr bewandert im Fach des Altdeutschen. Steffens kennst Du; nur, (unter uns gesagt) laß Dich von der Philosophie nicht so reizen, daß sie Dir, wie so vielen jungen Leuten, alle Zeit und Kräfte wegnimmt. Denn des bösen Einflusses nicht zu gedenken, den eine solche Einseitigkeit auf Gesinnung und Charakter meist hat, so vergiß nicht, daß man Philosophie immer studiren kann und in reifern Jahren um so besser, daß man aber nicht so die versäumten Sprachen, die gründliche Geschichte nachholen kann. Doch übe Dich im Denken, weise nichts ab, was Dir Anfangs nicht einleuchten will, sei aber wo möglich eben so wenig polemisch gegen, wie anbetend und bekehrend für Deine Lehrer gestimmt. Logik besonders haben die neuern Philosophen zu sehr vernachlässigt; sie ist die Vorschule. Hast Du Dich geübt, so wird Dein Sinn Dich später schon auf die Philosophie führen, die Dir die rechte ist, oder Du siehst ein, daß Du kein Talent dazu hast. Denker sollen wir alle, aber nicht alle Philosophen sein, so wenig wie Violinspieler. Sprachen, Geschichte, Alterthümer, und wo möglich alles recht im Zusammenhang, das muß Dein Haupt-Augenmerk sein, wenn Du noch die Absicht hast, keines der eigentlichen Brodstudien zu erwählen.

Grüße vorerst Steffens und seine Frau, und Raumers recht herzlich von mir, recht bald sollen sie auch einen Brief erhalten. Sei nur froh und heiter, und erhalte Dich gesund.

Dein
Dich liebender Freund
L. Tieck.

Waagen an Tieck
III

Berlin, den 20ten März 41.
Liebster Onkel

Ich bin überzeugt, Du wirst es nicht für Mangel an Theilnahme halten, daß ich Dir bisher nicht geschrieben. Jeder hat seine Art zu fühlen, und die meinige ist, daß mir in einem solchen Fall, der die Natur bis in ihre geheimsten Tiefen durchschüttert, jedes, auch das bestgemeinte, das innigste Wort so unbeschreiblich dürftig und arm erscheint, daß ich eine gewisse Scheu habe, es auszusprechen. Und was konnt’ ich vollends einem Manne wie Dir sagen, der dieses vor so vielen andern auf seine Weise durcharbeiten muß! Von der Größe Deines Schmerzes konnt ich mir aus dem, den ich empfand und noch empfinde, eine Vorstellung machen, denn nach dem Tode des seeligen Vaters hat kein Fall mich so erschüttert, als dieser. So muß das Gefühl sein, wenn man eine unendlich geliebte Schwester verliert, denn es ist mit Dorothee mir ein Wesen hingeschieden, was zu meinen geistigen Lebenselementen gehörte und mir durchaus unersetzlich ist. Ich habe ihr Todtenopfer auf meine Weise dadurch begangen, daß ich mir alle die schönen Zeiten, welche ich in Deinem Hause von frühster Kindheit mit ihr erlebt, auf das lebhafteste vergegenwärtigt habe. Ihr ganzes Wesen, die wunderbare Einfachheit, Wahrheit und Schlichtheit, womit sie sich über die tiefsten und zartesten Beziehungen des Lebens aussprach, was ich immer am meisten an ihr bewunderte, ist mir dadurch auf das Erquicklichste vor die Seele getreten. Nach einem solchen Verlust müßen alle Deine Freunde sich enger und inniger an Dich anschließen, und so fühle auch ich denn die reine Liebe, mit der ich Dir von ganzem Herzen zugethan bin, liebster Freund, jetzt doppelt lebhaft. Du bist mir von Kindesbeinen an mit Rath und That immer ein treuer Eckhart gewesen. Es hat mich daher sehr beruhigt, daß Dein Schmerz sich bald in Thränen hat Luft machen können. Sehr gefreut hat es mich aber, daß Du den Blick in die Zukunft richtest, daß Du durch Umziehen und Reisen ein neues Leben beginnen willst. Gewiß die rechte und einzige Weise, um einen solchen Schlag in Deinen Jahren zu verwinden, wie die Faßung dieser Entschlüße dafür bürgt, daß es Dir gelingen wird. Wie unendlich leid thut es mir jetzt, daß die vielen Geschäfte, welche der Regierungswechsel im vorigen Jahre mir zu Wege brachte, mich verhindert haben, den alten, beglückenden Zustand als ein Glied Deiner Familie noch einmal zu genießen! Mit Deinem Herkommen im Laufe dieses Sommers, wird dafür ein Lieblingswunsch von mir in Erfüllung gehen. Dein Aufenthalt in Sanssouci gestaltet sich jetzt sehr behaglich; an dem Dich so sehr verehrenden Willisen wirst Du einen treuen und feinen Vermittler in allen Deinen Beziehungen zum König und auch in allen Dingen einen höchst practischen Beistand haben. Du kannst Dich ihm mit dem unbedingtesten Vertrauen hingeben, da er einer der wenigen Menschen ist, die durchaus zuverläßig sind. Wie freue ich mich darauf, Dir bei der Schau des Museums alles möglichst bequem zu machen!

In meinen Arbeiten bin ich seit meiner Rückkunft aus Wien viel gestört worden, indeß wird doch der erste Theil meines Reiseberichts, der das Erzgebirge, die Städte in Franken, so wie Nördlingen und Augsburg umfaßt, in diesem Frühjahr bei Brockhaus gedruckt werden können. – Seit vier Wochen leide ich so sehr an einem heftigen Anfall von Hämorrhoiden, daß ich das Zimmer hüten muß und von Schmerzen und schmaler Diät ganz matt bin.

Da außer Dir Schlegel, Schelling, Cornelius und die Grimms diesen Sommer hier sein werden, wird hier ein recht lebhafter geistiger Verkehr stattfinden. Nur den treuen Raumer wirst Du freilich immer sehr vermißen.

Mit der Bitte der herzlichsten Grüße an die Gräfin, womit auch Blandine die ihrigen für Dich und sie vereinigt in treuer Liebe

Ganz Dein
Gustav Waagen.

IV

Berlin, 20/2. 41.
Verehrtester Herr Hofrath

Unser gnädigster Herr und geliebtester König denkt schon jetzt oft mit Freuden an die Zeit, die Sie im nächsten Sommer hier zubringen werden. Unter Besonderem, was er davon hofft, sagte er neulich, wolle er Sie veranlassen, auf dem Theater im Neuen Palais, also nur vor einem kleinen eingeladenen Publikum, die Aufführung eines antiken griechischen Trauerspiels ins Werk zu setzen. Wir sprachen natürlich mehr von der Schwierigkeit des Unternehmens und ich sagte dann bald, daß Sie jeden Falls die Aufgabe wenn nicht besser doch für sich selbst angenehmer lösen würden, wenn sie Ihnen jetzt bekannt würde, als wenn dies nur unmittelbar geschähe, worauf ich dann die Erlaubniß erhielt, Ihnen dieses mitzutheilen. Der König hat sich für keines der Stücke entschieden erklärt, nur sagt er, daß er für Oedipus in Theben eine große Vorliebe habe. Die Wahl wird aber Ihrem Ermessen wesentlich überlassen werden und bleiben. Drei große Fragen sind es vornämlich, die sich bei der Lösung der Aufgabe darbieten. Einrichtung des Theaters; die Masken; Behandlung der Chöre. Sie haben gewiß über alle schon sehr positive und begründete Ansichten und die Vorstellung, es erscheinen zu lassen und ins Werk zu richten, wird Sie über Manches noch zu weiterm Nachdenken veranlassen. Wenn wir dann einmal bei solchen Kuriositäten sind, hoffe ich auf eine echte Vorstellung eines Shakespeare’s, ich verspreche mir sehr viel von solcher Vorstellung ohne das störende Beiwesen der äußern Pracht.

Wie sehr ich mich freue, Sie in diesem Sommer eine längere Zeit zu sehen, kann ich Ihnen gar nicht sagen; es ist mir darin eine Hoffnung nahe gerückt, die ich mit um so mehr Schmerz schon ganz aufgegeben hatte, als sie früher zu meinen sehr innig gehegten gehört hatte. Gebe nur Gott, daß Ihre Gesundheit und Kräfte Ihnen die Reise erlauben. Vor dem Aufenthalt hier brauchen Sie sich nicht zu fürchten, denn es soll alles geschehen, um Ihnen alle Bequemlichkeiten, deren Sie bedürfen, zu verschaffen.

Ich bin sehr erfreut, daß dieser Allerhöchste Auftrag mir Gelegenheit giebt, die ungemessene Verehrung auszusprechen, mit der ich bin und immer sein werde

Ihr
ganz gehorsamster Diener
v. Willisen,
Major und Flügel-Adjutant.

Wackenroder, Wilhelm Heinrich

Geb. zu Berlin 1772, gest. daselbst am 13. Februar 1798.

Die Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (1797) an denen Tieck mitgearbeitet, und der jetzt nicht mehr genauer zu bestimmende Antheil, den andrerseits W. am Sternbald gehabt haben dürfte, sind Alles was dieser wunderbare Mensch hinterlassen. Wir haben deshalb seine Briefe sämmtlich – mit Weglassung weniger kurzer Stellen – aufgenommen. Wir glauben dies im Sinne Derjenigen gethan zu haben, denen überhaupt der Sinn einwohnt für das Verständniß solch’ „ahnungsvoller prophetischer Natur.“ Auf Tiecks Jugend, auf dessen geistige Entwickelung werfen diese Documente schwärmerischer Jünglings-Freundschaft manch’ helles Licht. Ja, sie scheinen wie die Morgenröthe jener ganzen Epoche der Dichtkunst, welche man höhnisch „die romantische“ benennt, und die man mit Tieck und Eichendorff glücklich begraben wissen wollte. – Lächerlich! So lange Sterne flimmern, Blumen blühn, Vögel singen, Bäche murmeln, Baumblätter säuseln; so lange unerklärliche Sehnsucht jugendliche Herzen nach der Welt der Wunder zieht; so lange wird die romantische Poesie auf Erden walten. Und Wackenroder, der selige Jüngling wird ihr erster, reiner Priester bleiben; Er, von dem Rud. Köpke so treffend sagt: „Das Wunder schien die Welt zu sein, in der er eigentlich lebte, während das Alltägliche für ihn zum Wunder wurde.“

In diesen wenigen Worten liegt das ganze Geheimniß der wahren Poesie.

I

Berlin, Dienstags. 1792.

O Himmel, lieber Tieck, wie sonderbar kommts mir vor, daß ich hier stehe an meinem Schreibtisch, um an Dich zu schreiben: es ist das erste Mal in meinem Leben. Doch, es kann ja nun einmal nicht anders seyn.

Mein Abschied von Dir war mir herzlich traurig; und die Stelle vor Bernhardis Thür, wo das Schicksal uns von einander riß, wird mir immer fatal bleiben. Aber schreib mir nur oft, und bleib gesund, und schone Deinen Körper und Geist, und arbeite nicht zu viel, und vergiß mich auch nicht: – Das sind die Bedingungen, unter denen ich Deine Abwesenheit so eben erträglich finden kann. Du weißt, daß jene Ermahnungen aus dem Herzen kommen, und nimmst sie mir daher nicht übel. Daß Du mir noch nicht geschrieben, verdenk’ ich Dir nicht; wenn Du Dich aber fürs künftige an Dein mir mündlich gethanes Versprechen, mir wenigstens alle 14 Tage, wo nicht noch öfter, zu schreiben, erinnern wolltest, und es erfüllen, so würd’s mir gar herzlich lieb seyn. Deinen Brief an Rambach habe ich gelesen, und mich sehr gefreut, daß die Reise Dir so gut bekommen, und Du so vergnügt bist. Bleib dabey. Mein sehnlichster Wunsch würde erfüllt seyn, wenn ich itzt durch irgend eine zauberische Gewalt zu Dir hin versetzt würde, und mit Dir des aufblühenden Frühlings in den schönen Feldern Deines Dorfes genießen könnte. Du führst da ein herrliches Leben. Die Abschrift vom 1. Akt der Anna Boleyn hab’ ich auch gesehen. Hast Du noch etwas drin geändert? Den eingeschobenen Auftritt vor Norris Monolog hab’ ich gefunden. Schmohls und Deine Hand wechselt auf eine kuriose Art ab. Einmal hat Schmohl nur ein Paar Worte geschrieben: es ist viel, daß Du mehr Geduld hast als er. – Bey Rambach bin ich ein paarmal gewesen. Er gefällt mir sehr. Schon das erstemal war er gleich so aufgeschloßen gegen mich, daß er sich für den Verfasser der eisernen Maske bekannte. Ich verspreche mir viel Vergnügen von seinem Umgange. – Vor ein paar Tagen bin ich auch mit Bernhardi nach dem Gesundbrunnen spaziert. Ich habe mich recht sehr angenehm mit ihm unterhalten. Er scheint sehr gern über Musik zu kritisiren und zu ästhetisiren; das ist mein Lieblingsobjekt auch; da haben wir denn so mancherley gesprochen. Ich sagte ihm von manchen Dingen, was ich wußte: es bleibt aber noch immer mein Verlangen, einmal in der praktischen Komposition noch weiter zu kommen, dann würd’ ich weit reichere Quellen des Räsonnements darüber haben; – wenn auch nur so weit, daß ich kleine Arien, Duetten, Chöre u. s. w. komponiren könnte, – daß ich Dein Lamm nach meinen Schallmeyen und Flöten auf der Bühne springen lassen könnte. Aber – in diesen 14 Tagen habe ich noch zu wenig Zeit gehabt, an Dein Lamm, noch an etwas ähnliches mit Ernst zu denken. Wollte der Himmel, ich wäre in einer so herrlichen Lage als Du jetzt. – Mit Bernhardi hab’ ich auch einen Satz abgehandelt, den wir auch zuweilen wohl in unserm Gespräch berührt haben, und der mir jetzt sehr einleuchtend ist: daß nämlich der Geschmack größtentheils seinen Grund im feinern (schwächern, empfindlichern) Bau und Organisation des Körpers habe. – Von Wißmann hab’ ich Abschied genommen. Daß es ihm sehr lieb seyn würde, wenn Du ihm schreibst, ist natürlich. – Grüße Schmohl. – Schreib mir ja bald und oft: mein 2ter Brief wird wohl nach Halle, nicht nach Bülzig gehen. Mein jetziger ist ziemlich kompendiös und aphoristisch: künftig mehr. Ich weiß, daß wir beyde uns doch immer verstehen, wir mögen uns schreiben, was und wie wir wollen. Nicht wahr? Sonst ist es wirklich eine sonderbare Sache ums Briefschreiben. Der ihn schreibt und der ihn empfängt, können in hundert verschiedenen Stimmungen und Situationen seyn; und wenn beyde dann nicht genau mit einander bekannt sind, und der letztere nicht die erforderliche Laune hat, so sieht er jedes Wort durch eine gefärbte Brille. Doch dies gilt nicht für uns. – Leb wohl, lieber Tieck! und bleib mein Freund! Denn das ist meine höchste Freude, und mein größter Stolz. Daß Du 14 oder 30 Meilen von mir entfernt bist, darf ich mir gar nicht deutlich denken; sonst werd’ ich zu traurig. Suche so viel als möglich vergnügt und zufrieden zu leben. Ich werd’s auch. Schreib mir nur oft und bald. Hörst Du? recht oft! Bleib gesund.

Dein Freund
W. H. Wackenroder.

II

Sonnabend, Abends, den 5ten May.
Liebster Tieck

Dein Brief hat mir unaussprechliches Vergnügen gemacht; ja, er hat mich wirklich bis zu Thränen gerührt. Wenn Du weißt, wie weich ich bin, wirst Du mir das glauben. Tieck, ich bin entzückt, daß Du mich so liebst! Werther sagt ganz himmlisch schön, daß er sich selber anbetete, wenn seine Geliebte ihm die Neigung ihres Herzens kund thäte, – und er wiederhohlt sich selbst einmal über das andre die Worte: Lieber Werther, in dem Tone wie sie sie ihm ausgesprochen hat.

O Tieck, ich möchte mich auch selber anbeten, wenn ein Mensch, wie Du, dessen Worte mir Orakel sind, mich so mit dem veredelten Bilde meiner selbst in Rausch und Taumel versetzt. – Und wenn ich ja in Deinen Augen etwas werth bin, wem hab’ ich es anders zu danken, als Dir? Dir verdank’ ich Alles was ich bin, Alles! Was möchte aus mir geworden seyn, wenn ich Dich nie kennen gelernt hätte? O Tieck, lies Dir diese Worte mit Feuer vor, und sey stolz darauf, daß Du einen Menschen auf immer glücklichst machst durch Deine Freundschaft, – so stolz als ich bin, daß Du mich würdigst, mein Freund zu seyn. Bleib es, lieber Tieck, bleib’s; Du weißt, daß ich in alle Ewigkeit Dich über alles lieben werde.

Herzlich freue ich mich, daß Du so schön und angenehm jetzt auf dem Lande lebst. Ueber Deinem ganzen Briefe schwebt ein so sanfter, schöner, heiterer Geist des Frohsinns, den Dir das Ergötzen an den Naturschönheiten eingeflößt hat. Suche ja in dieser Stimmung zu bleiben, und befolge ja doch selber die Regel, die Du Bernhardi giebst, nicht so viel zu sitzen. Möchte übrigens Deine traurige Ahndung seinethalber nicht eintreffen. Er ist so freundschaftlich und wirklich zärtlich gegen mich, als ich es nur immer erwarten kann, und ich werde ihm sehr, sehr gut. Wir sprechen nicht selten von Dir. Gestern bin ich mit ihm im Komödienhause gewesen; wo sich eine Mamsell auf der Harmonika hören ließ. Er hörte das Instrument zum erstenmal und freute sich sehr darüber. Ich hörte es (zum 3tenmal) mit sehr vielem Vergnügen. – Wenn ich in ein Konzert gehe, find’ ich, daß ich immer auf zweyerley Art die Musik genieße. Nur die eine Art des Genußes ist die wahre: sie besteht in der aufmerksamsten Beobachtung der Töne und ihrer Fortschreitung; in der völligen Hingebung der Seele in diesen fortreißenden Strom von Empfindungen; in der Entfernung und Abgezogenheit von jedem störenden Gedanken und von allen fremdartigen sinnlichen Eindrücken. Dieses geizige Einschlürfen der Töne ist mit einer gewissen Anstrengung verbunden, die man nicht allzulange aushält. Eben daher glaub’ ich behaupten zu können, daß man höchstens eine Stunde lang Musik mit Theilnehmung zu empfinden vermöge, und daß daher Konzerte und Opern und Operetten, das Maaß der Natur überschreiten. Die andre Art wie die Musik mich ergötzt, ist gar kein wahrer Genuß derselben, kein passives Aufnehmen des Eindrucks der Töne, sondern eine gewisse Thätigkeit des Geistes, die durch die Musik angeregt und erhalten wird. Dann höre ich nicht mehr die Empfindung, die in dem Stücke herrscht, sondern meine Gedanken und Phantasieen werden gleichsam auf den Wellen des Gesanges entführt, und verlieren sich oft in entfernte Schlupfwinkel. Es ist sonderbar, daß ich, in diese Stimmung versetzt, auch am beßten über Musik als Aesthetiker nachdenken kann, wenn ich Musik höre: es scheint, als rissen sich da von den Empfindungen, die das Tonstück einflößt, allgemeine Ideen los, die sich mir dann schnell und deutlich vor die Seele stellen. – Wie ich bey Schauspielen die Musik zwischen den Akten genieße, habe ich Dir wohl schon sonst gesagt. Die erste Symphonie vor dem ersten Akt, höre ich immer mit gespanntem Gefühl und inniger Theilnahme an; aber bey allem folgenden ist mir das unmöglich, und ich sehe die Zwischenmusik nur als eine Leinwand, als ein Tuch an, (dies Bild hab’ ich mir schon immer davon gemacht,) worauf ich mir die Scenen des vergangenen Aktes noch einmal vormale. Wird die Musik alsdann unterbrochen; so ists, als würde mein Gewebe zerrissen, und ich habe nichts, woran ich die Bilder meiner Phantasie anheften kann. Hat jeder dies Gefühl?? Ich möchts gern wissen.

Rambach hat mir einen Theil einer neuen Ausgabe von Sineds (Denis) Liedern geliehen. Die Ausgabe ist in 4to 1791 in Wien prächtig gedruckt, (so wie hier Unger druckt) und enthält in 6 Bänden die Uebersetzung Ossians, und die eigenen Gedichte. Ich lese jetzt diese, worunter auch seine Uebersetzungen aller nordischer Gedichte, aus der Edda u. s. w. mit aufgenommen sind. Er scheint zu denen zu gehören, welche gerne die schönen Götter des griechischen Parnaßes mit den schlechten Dichtern, deren heisere Stimme ihre Namen entweiht hat, in Eine Polterkammer werfen, und die alten nordischen Gottheiten aus ihrem langen Schlummer erwecken und auf den Thron der Dichtkunst setzen wollen. Aber dies widerstreitet noch immer meinem Gefühl. Daß die alten Barden und Skalden der Natur treu auf der Spur folgten, und die Empfindung rein und ungeschminkt darstellten, weiß ich. Auch find’ ich in manchen von Denis Uebersetzungen, sanfte, wenigstens sich dem sanften nähernde Stellen, die den Stempel der Natur an sich tragen. Und daß die Eigenthümlichkeit der Bardenlieder, die sie fast alle zu Kriegsliedern macht, worin Tapferkeit und Muth im wilden Schlachtengetümmel als die erhabensten Männertugenden gepriesen werden, daß dieses ein Anstoß für den gebildeten Ton unsers Zeitalters sey, fang’ ich auch an, nicht mehr zu glauben. (Denn gern überzeug’ ich mich von Deinem Grundsatz: „ein wahrer Dichter macht alles dichterisch-schön!“) Allein, – wird es ein Gewinn seyn, wenn wir die ausgebildete Mythologie des edelsten, feurigsten, feinsten Volks, das je die Erde trug, mit dem rohen Wuste der Nord. Barbaren vertauschen? Und was ist der Grund? Denis will blos darum Barde und Skalde seyn, weil Odin und Thor u. s. w. sonst vaterländische Götter waren. Dieser Grund ist mir nur sonderbar. Was will man denn in unsern Zeiten mit dieser Vaterlandsliebe? Doch scheint jetzt eine gewisse Mode hierin zu herrschen. Gemeine Schullehrer scheinen wirklich zu glauben, daß sie wer weiß wie große Fortschritte in der Pädagogik gemacht haben, wenn sie ihren 8jährigen Knaben jetzt die Brandenb. Geschichte, als Geschichte des Vaterlands recht weitläuftig erzählen. Ein Bürger, oder sonst einer, der nicht Gelehrter werden will, braucht doch wahrlich in unsern Zeiten, im Grunde die vaterländische Geschichte so wenig als eine andre; und es würde nach meiner Meynung also zweckmäßiger seyn, wenn man irgend eine interessante Geschichte, ohne Rücksicht, ob dieses oder jenes alten oder neuen Volkes? – in unteren Schulen vortrüge. – Wie gesagt, ich glaube man könnte eine ganze Menge Gründe wider die unzeitige Vaterlandsliebe von Denis und seiner Anhänger, vorbringen. Wer noch jetzt die Trümmer der nord. Mythologie zu einem Gebäude zusammensetzen und die Lücken ausfüllen wollte, würde ein schönes Flickwerk zu Stande bringen. Und es ist doch gar nicht zu läugnen, daß bey aller vortrefflichen, großen Simplicität, bey aller der erhabenen und feurigen Phantasie, die die alten nordischen Dichtungen zeigen, dennoch so viel Ungeheures, was ans Lächerliche und Ungereimte gränzt, so viel Schwerfälliges, so viele entsetzlich harte, unschmackhafte Bilder vorkommen, daß man, wenn man beständig sein Auge auf die eingepelzten Götter Skandinaviens heften wollte, allen Sinn für ein sanftes griechisches Profil verlieren würde. Der Unterschied ist wie Nebeldämmerung und Morgenröthe, wie – nun Du magst Dir selbst Vergleichungen aussinnen.

Heute fand ich in der Allg. Deutschen Bibliothek recensirt: Poetische Versuche von Hamann. Ist denn das der unsrige? Mich dünkt, eine schläfrige Erinnerung sagt mir halblaut ins Ohr, daß er einmal in die Berlin. Zeitung ein Gedicht eingerückt hat. Die mitgetheilte Probe, die ich in dem Journale las, war vom Schlage des Gewöhnlichen; zuweilen schien der Reim auch den Sinn, der drein hätte liegen können, geraubt zu haben. Der Recensent urtheilte auch so.

Spillner habe ich nur noch einmal besucht. Er wird wohl diesen Donnerstag abgereiset seyn. – An Piesker schreibe ich, was Du verlangst, (morgen nämlich,) und bitte ihn, mir auf alle Fälle zu antworten, damit, wenn er auch in der kurzen Zeit, die Du noch in Bülzig bleibst, Dich nicht sollte sehen können, ich Dir doch den Grund seines Ausbleibens künftig schreiben kann. – Den Brief an Deine Schwester habe ich abgegeben, und dabey Deine liebe Stube wiedergesehen. Wäre ich Alexander, so würde ichs mit der eben so machen, wie jener mit Pindars Hause. Sie müßte eine ewige Reliquie bleiben, wenn auch ganz Berlin untergienge. Ich werde die Stube nie ohne Rührung, nie ohne von wehmüthigen Erinnerungen gepreßt zu seyn, ansehn. Es ist eine herrliche Stube!

Könnte ich doch bey Dir seyn, und auch mit Deinem allerliebsten Lamme spielen. Die Mutter von Matthison würde mir, wie Dir, eine sehr interessante Bekanntschaft gewesen seyn. – Was Schmohl betrifft, so grüß ihn herzlich. Ich sollte denken, daß Dein Feuer nothwendig durch längern Umgang in sein kühleres Blut übergehen, und ihn immer mehr vom Felde der trockenen Betrachtung abziehen müßte, um ein Jünger Deiner Götinn, der Phantasie, zu werden.

Es ist bald 12 Uhr Nachts. Ich lege mich jetzt schlafen. Ich merke daß es eine wahre Wonne ist, an Dich zu schreiben. Selig, selig ist der Tag, den ich mit dem Gedanken an Dich beschließe. Er wird mich auch im Schlafe nicht verlassen. Träume Du auch von mir. Denkst Du jetzt an mich? Oder träumst Du von mir? – Eine allerliebste schmelzend-sanfte Elegie von Voß fängt an:

 
„Denkt mein Mädchen an mich?“
 

Es ist eine höchst natürliche schöne Empfindung darin. – Jetzt hat es grade 12 geschlagen. Gute Nacht. Tieck, fliege her, und ich drücke den feurigsten Kuß auf Deine Lippen. Gute Nacht, der Himmel sey mit Dir! Gute Nacht!

Den 6ten May, Sonntag, Morgens.

Sieh! ists nicht schön, daß ich mit dem Gedanken an Dich zu Bett gegangen, und mit dem Gedanken an Dich wieder aufgestanden bin? – Du siehst, daß ich prompt im Antworten gewesen bin. Meinen ersten Brief, den Rambach eingeschlossen hat, wirst Du wohl empfangen haben. Ich schrieb ihn grade an demselben Tage, da Du Deinen schriebst, den 1sten May. Du wirst mir nun wohl nicht eher, als aus Halle antworten; aber wenn Du kannst, erfülle meine Wünsche bald. Ich werde mein Versprechen in Ansehung des Schreibens gewissenhaft halten. – Noch eins! Sey so gut und mache künftig keinen Brief an mich mehr frey. Wozu sollst Du meinetwegen unnütze Ausgaben haben? Hörst Du? Du mußt es aber auch gewiß thun. Es bleibt dabey. —

Ja lieber, bester Tieck, wir müssen uns auf Michaelis wiedersehen, ich harre sehnlich auf diese Zeit. O auch mir ist das Andenken an unsre Spaziergänge das heiligste, das ich kenne. Du kannst wohl leicht denken, wie ich mich itzt im Thiergarten befinde, wann ich ihn besuche; jeder Gang, jeder Baum ruft mir Dich zurück; bey jedem Schritte denk ich an Dich und will Deinen Arm in den meinigen nehmen, und fühle, daß mir immer etwas fehlt. Aber dennoch, – oder, was sag ich – vielmehr eben deswegen, werd ich den Thiergarten noch beständiger und häufiger als jeden andern Ort mit Vergnügen besuchen. Die Bäume darin prangen itzt mit dem herrlichsten, frischesten Grün; einem Grün, das man im Sommer in der verdörrten und versengten und bestäubten Farbe des Laubes gar nicht mehr wiedererkennt. – Mitschicken kann ich Dir noch nichts. Ich habe seit Ostern noch so viel fatale und häßliche Abhaltungen gehabt, daß ich kaum meine gemeinen Alltagsverrichtungen habe thun können.

Ein recht ärgerlicher Streich! und ich bin Schuld daran. Ich erfahre eben, daß, da die Post heute früh um 9 Uhr abgeht, die Briefe schon gestern Abend um 7 hätten hin gebracht werden müssen. Meine dumme Unwissenheit hat also über meine Gutwilligkeit, Dir gleich zu antworten, den Meister gespielt. Verzeihe mir’s. Der Brief könnte nun erst den Mittwoch abgehn (nach Bülzig), und weil er Dich alsdann vielleicht nicht mehr in Bülzig treffen sollte, so schick’ ich ihn lieber nach Halle.

Den 11ten May, Freitag, Mittags.

Ich vollende jetzt meinen Brief und ärgre mich nochmals, daß meine Bereitwilligkeit mir und Dir nichts geholfen hat. Mein Brief wird Dich nun wohl in Deiner neuen Residenz in Halle begrüssen. An Piesker habe ich gleich geschrieben, und so dringend als möglich: aber die kalte, unbeugsame Seele hat mir nicht einmal geantwortet auf meine rührenden Klagen und Vorwürfe. Gestern Abend bekomm’ ich ganz unerwartet einen Brief von Wißmann.

Abends.

O Freude, o Freude! heut Mittag hab’ ich schon einen zweyten Brief von Dir bekommen; Du kannst gar nicht glauben, wie ich triumphirt habe. Aber ein Ding ist sonderbar. Du hast meinen ersten kleinen Brief – (3 Oktavseiten lang, – es war nichts Merkwürdiges darin) – den ich den Dienstag vor 8 Tagen, als den 1sten May an Rambach zum Einschluß gab, nicht bekommen. Und was noch sonderbarer ist: ich bringe heut nach Tische gleich den Brief an Deine Schwester, und sie sagt mir, sie hätte 2mal an Dich geschrieben, und in Deinen Briefen sagtest Du, daß Du auch nichts von ihr bekommen hättest. Liegt die Ursache von diesen Konfusionen in Einer Ursache? Ist der Herr Fuhrmann in Wittenberg etwa Schuld? – Fast verdenk’ ich es Dir, daß Du nicht unruhig darüber geworden bist, oder nicht deswegen auf mich ein wenig mehr gescholten hast, daß ich, nach Deiner Meynung, noch nicht, wenigstens mit der Feder in der Hand, an Dich gedacht habe. Du weißt indeß nun den ganzen Zusammenhang und den Verlauf der Sachen: und ich werde also wohl in Deinen Augen exculpirt seyn.

Ist es denn wirklich Dein Ernst, lieber Tieck, daß Du mich nicht vergessen kannst? O! er muß es wohl seyn! Es hat mich recht gerührt, daß Du schreibst: „es war recht unvorsichtig von uns, daß wir uns die letzte Zeit in Berlin so oft sahen.“ Es hat mich recht gerührt. O Tieck, Tieck, ich habe es geglaubt, daß Du mir gut wärst; aber kaum, kaum hab’ ich es je glauben können, daß Du so zärtlich gegen mich denkst. Und daß Du mir nichts als wahre Empfindung Deines Herzens äußerst, weiß ich. Womit soll ich’s Dir vergelten? Du demüthigst mich. – Ich breche ab.

Wie bist Du denn zu den ausgebreiteten Bekanntschaften in Koswig gekommen? Und, ums Himmels willen, wie ist es möglich, daß Du in einer Gesellschaft so lange hast Karten spielen können? Das ist ja ganz schrecklich. Ich glaub’ ich hätte vor Aerger geweint, wenn ich Dich in eine solche Situation geklemmt gesehen hätte, – Dich am Spieltisch, dem Thron von Affen und Laffen, – Dich! Es ist wahrlich viel? Ich bedaure Dich. – Auch die andre Gesellschaft, die Du in Koswig gehabt hast, muß gar herrlich für Dich gepaßt haben. Aber daß Du Karten spielen mußtest, und in die Nacht hinein, das ist mir noch immer das schauerlichste. Ich kanns gar nicht vergessen. Das Fatum muß nothwendig einen Fehlgriff in der Urne gethan haben, da es das Looß dieses Tages für Dich zog: das fatale Fatum!

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