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Kitabı oku: «Briefe an Ludwig Tieck 4», sayfa 14

Various
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Du stiehlst meiner eigenen Werkstätte von Gedanken etwas, wenn Du mir die Bemerkung machst, daß um das Große in den schönen Künsten zu fassen, ein selbst groß und erhaben denkender Geist der Kritiker seyn müsse. Das hab’ ich schon immer gedacht, und, wenn ich nicht irre, Dir auch schon gesagt. Aber das was Du hinzusetzest, kann ich nicht ganz billigen. Ich weiß nicht recht, warum das Erhabene Dich eher zu Thränen rühren sollte, als das Empfindsame. Ad vocem Empfindsam, will ich Dir doch einen Zweifel und eine Bemerkung mittheilen. Ich bin nicht recht mit mir einig, was man eigentlich Empfindeley nennen solle. Mir scheints am Ende blos affektirte Empfindung zu seyn; ich will Dir sagen, warum. Empfindungslose Empfindsamkeitspötter nennen oft etwas Empfindeley, was an sich schöne, feine Empfindsamkeit ist, und nur dann falsche Empfindung oder Empfindeley wird, wenn jemand es affektirt, zu haben. Ich sehe z. B. nicht ein, warum der Vorsatz, nicht aufs Feld gehen zu wollen, weil man da mit jedem Tritt eine Menge kleiner im Sonnenschein spielender Geschöpfe vernichtet, – in gewissen Situationen, auf eine kurze Zeitlang, nicht wahre, ächte Empfindung seyn sollte. Sagt aber jemand, der an der Modesucht krankt, solche Dinge, und sehe ichs ihm an den unnatürlich verdrehten Augen an, daß er gern beliebte Paradoxa hervorbringen will, kurz, erkenn’ ich an ihm die Symptome der Affektation, so würde ich sagen: er empfindelt. Denn an sich sehe ich nicht ein, warum es nicht möglich seyn sollte, bey allen Dingen unter der Sonne, unter gewissen Umständen, etwas zu empfinden. Und wenn jemand in eine Stimmung versetzt wird, daß er Empfindungen in seinem Busen fühlt, in welchen er noch keinen Vorgänger gehabt, so muß diese seine Empfindung doch für ihn wahr und richtig seyn. Oder willst Du noch falsche Empfindung und Empfindeley unterscheiden? Ich habe mich verirrt und erwarte Deine Fackel in diesem kleinen dunkeln Labyrinth. – Sey so gut und belehre mich doch über dergleichen Anfragen, Dubia u. s. w., wenn Du Lust hast. —

– Um noch einmal zu Deiner Materie vom Erhabenen zurükzukehren, so scheinst Du mir da etwas verwechselt zu haben. Daß das Erhabene Dich in eine Art von Wuth d. i. in den höchsten Paroxismus der Begeisterung und Entzückung versetzt, will ich glauben. Aber Thränen kann wohl nur das Rührende entlocken, – und, – (wie wir es mündlich ausgemacht haben) – das Schauerliche, Schreckliche.

Daß Schmohl durchaus kein freiwilliger Diener der Musen werden, nicht auf dem Altar der Grazien opfern will, wundert mich doch. Sein fremdes, frostiges Betragen gegen Deinen vertrauten Freund Shakespear muß Dich wohl natürlich beleidigt haben. Sollte Dein Geschmack denn gar nicht an seiner Denkungsart abfärben, wie an der meinigen?

Bernhardi hab’ ich in dieser Woche einmal, Rambach zweymal nicht zu Hause getroffen. Daher hab’ ich mir von diesem auch noch nicht Deine Anna Boleyn geben lassen können, so gern ichs gethan hätte. Es geschieht aber noch: ich werde sie noch aufmerksam lesen, und soviel ich kann, Dir darüber sagen, wenn auch nur in Kleinigkeiten. – Unter allen den Abhaltungen, die mich an tausend Dingen verhindert haben, nur nicht an Dich zu denken und zu schreiben, habe ich denn doch auch eine höchst angenehme gehabt. Du weißt, oder weißt nicht, daß ich in Sachsen, bey Jena, einen Freund habe: er ist es wirklich, denn ich schätze ihn sehr, und habe mich überzeugt, daß er zur Freundschaft geschaffen ist. Vor ein paar Jahren lernte ich ihn hier kennen, und seitdem habe ich meinen unterbrochenen Umgang mit ihm durch Briefe fortzusetzen gesucht. Sein Nahme? Er heißt Schuderoff und ist Prediger in Drakendorf und Zöllwitz, 1 Meile von Jena, ein liebenswürdiger junger Mann, dessen jugendlichschöne, feine Gesichtsbildung eine geläuterte Denkungsart und ein edles Herz ankündigt. Er ist zum Besuch hier und kommt bey seiner Rückreise vielleicht durch Halle. Er ist Kantischer Philosoph, und hat neulich Briefe über die moralische Erziehung herausgegeben, die ich itzt lese und die recht schön sind. Zweymal bin ich mit ihm im Thiergarten gewesen. Das frische Grün ist da ganz zauberisch schön. Die gewölbten Birkenalleen sind das lieblichste Bild des Frühlings. Und weißt Du wohl was ich gestern in der gekreuzten Birkenallee für eine Freude hatte? Du wirsts errathen. Verschwunden war die verdammte Statue ohne Kopf. Ich möchte wissen, welcher gute Genius sie fortgeschleppt, oder in die Tiefen der Erde hinuntergeschleudert hat. Der Gang ist nun noch einmal so schön.

Vom Theater willst Du etwas wissen. Hier ist etwas fragmentarisches, so viel ich Dir geben kann. – Vor einiger Zeit ist ein neues Stück von Jünger: die Geschwister vom Lande, gegeben, das nicht vorzüglich seyn soll. Die Hagestolzen und Axur werden oft wiederholt. Ein gewisser Lißner scheint hier zu bleiben; und ein andrer Schauspieler, Garly, soll auch hier engagirt seyn. Dieser soll eine sehr schöne Bildung haben und viel Anlage besitzen. Diesen Mittwoch ist Emilia Galotti aufgeführt: ein durchreisender Däne, Herr Preisler, hat den Prinzen, und Garly den Marinelli gespielt. Ob es wahr ist, daß Czechtizky und Mattausch noch wegkommen werden, weiß ich nicht. – (N. B. Seit dem Don Juan, der, als Du in Fredersdorf warst, gegeben ward, bin ich nicht im Schauspiel gewesen.)

Dank für das kleine Gedicht von Deinem Freunde Toll. Es ist süß und lieblich, und wird mir sehr werth bleiben. Ich werds, wie Deine Briefe, als ein Kleinod aufbewahren. – Verzeihe nur meiner Armuth, daß ich Dir jetzt unmöglich etwas mitschicken, und meinem Mangel an Zeit, daß ich Dir nicht etwas abschreiben kann. Wolltest Du so gefällig denken, die Länge meines Briefes als einen Ersatz dafür anzunehmen? – Unsre Korrespondenz soll sich nun nicht wieder verwirren. Du bist wohl so gut, und schreibst mir zuerst wieder, wenn ich nicht zu viel verlange. Doch schreib so wenig oder so viel Du Zeit hast; je mehr natürlich, je besser, aber nur bald. Doch beinahe möcht’ ich glauben, mit diesem dringenden: Bald, Deine Delikatesse zu verletzen, weil mir Deine 2 schnell aufeinander folgenden Briefe eine sehr hohe Idee von Deiner reizbaren Briefschreibethätigkeit eingeflößt haben. Ich werde Dir dann gewiß bald antworten. Oder hoff’ ich zu vorschnell, und bin ich unbillig wenn ich von Halle aus, wo Du in mehr Verbindungen und Geschäfte kommst, so oft etwas von Dir zu lesen erwarte? – Aber was schwatz’ ich denn? Du bist mein Freund, und wirst schon wissen, was mir gut und lieb ist. So will ich denn mit festem Muth auf Dich hoffen, und mein Vertrauen allein in Deine Freundschaft setzen.

Den 12ten May Sonnabend Mittags.

Von Denis eigenen Oden, Elegien und Liedern muß ich Dir noch sagen, daß mir manches sehr darin gefallen hat. Am schönsten dünken mich die Gedichte zu seyn, die er Klagen nennt: z. B. über Gellerts Tod, über den Mißbrauch der Dichtkunst u. s. w. Der letztere Gegenstand ist vortrefflich behandelt. Da wirds recht mit lauten dreisten Worten unserer entarteten Dichterrepublik gesagt, daß nur Empfindung, Empfindung der Genius seyn solle, der das Lied beleben könnte, daß Witz ein verzogenes Kind sey, das nur jenseit des Rheins zu Hause gehöre; und mehr dergleichen, was, wie Du weißt, schon lange meine Herzensmeynung gewesen. „Soll Witz, soll Witz im Liede seyn?“ fragt Denis und ich frags mit ihm.

Ich habe nicht länger Zeit, und muß Dir also ein herzliches Lebewohl sagen. Sag mir doch manchmal Deine Meynungen über meine Meynungen, die ich Dir so in meinen Briefen äußre. Schreib mir nur ja bald, recht bald; ich antworte dann gewiß auch bald. Sorge für Deine Gesundheit und grüße Halle. O die liebe Reichard’sche Familie! Wenn ich doch Miekchen auch sehn könnte! Grüße sie herzlich von mir; auch Schmohl; auch die kleinen Mädchen bey Reichards, die ich noch alle bey Namen weiß. Vielleicht versucht meine Muse bald wieder eine Kleinigkeit, ich schicke sie Dir dann. Schreib mir bald und bleib’ mein Freund. —

W. H. Wackenroder.

III

Montag, den 4ten Juni. Abends.

Eben leg’ ich Deinen Brief wieder aus der Hand, den ich wieder gelesen habe. An meinen verlaßnen Freund Tieck soll ich denken? O ich denke oft, und mit ganzer Seele an ihn, – aber daß er verlassen sey, – daß eine düstere Traurigkeit sich wieder wie ein Staar über das heitere Auge seines Geistes gezogen hat, – daß er in Halle noch nicht vergnügt gewesen ist, – das, das hatte ich nicht erwartet. Schreibst Du doch fast grade so, wie Wißmann, dem ich heute früh geantwortet und Trost einzusprechen gesucht habe. Von ihm ahndete ichs; – aber von Dir, wahrlich, von Dir hatte ichs nicht erwartet. Ich glaubte, Du würdet dort Dich zerstreuen, und – wenigstens in den Augen Deiner Freunde, und auch in Deinen eigenen, wenn Du nicht zu tief in Dich hineinblicktest, – einer frohen Heiterkeit genießen. O wehe! daß ich mich getäuscht habe. Du bist in Halle noch gar nicht vergnügt gewesen! Ich bitte Dich, lieber Tieck! Du bist ja lange hinweg über die Periode in dem Lebenslaufe empfindender Menschen, da sie sich alles zu Herzen ziehen, und ihre üble Laune nur pflegen, und es für Sünde halten sich aus ihren Klauen loszureißen! Du weißt ja über Dich zu siegen, Du hast es mich ja gelehrt, so daß ich auch mir wenigstens Mühe gebe, es eben so weit zu bringen. Aus Bülzig schriebst Du mir so heiter, daß ich mich recht freute. Was soll ich nun sagen? Ich möchte mich schämen, daß ich hier noch zufriedner leben soll, als Du in Halle. Tieck, ich bitte Dich, wache auf Dich! – Und, was mich in ein bittersüßes Erstaunen setzt, ist, daß Du mich so vermissest. O Tieck, so liebst Du mich denn mehr, als ich je kühn genug war, und seyn konnte, zu erwarten? Es ist als hättest Du mir meine Empfindungen gegen Dich aus meinem Herzen geraubt und ströhmtest sie nun auf mich zurück. Du giebst mir wieder, alles was ich Dir geben kann? Ich beschwöre Dich, hör’ auf! Es ist die göttliche Seligkeit, die ein menschliches Herz zu fassen vermag, aus dem Munde eines Freundes sein Lob zu hören! aber dieser Nektar möchte Gift für mich werden. Hör auf mit diesem Wiedergeben und Wechseln der Freundschaftsergebenheit, denn du berauschest mich, und wir machen uns in unsrer jetzigen Lage (da kein Sprachrohr einmal dem einen Worte des andern überbringen kann), nur noch unglücklicher. Ich erschrecke aufs heftigste, wenn Du mir in die Augen sagst: ich sey Dir zum leben nothwendig! Noch einmal! Was stiehlst Du mir meine Gefühle, – warum verwechselst Du die Rollen in dem schönen Duodram, das wir zusammen spielen, und nimmst die meine? Tieck, ich müßte mich ja in den Staub legen und trauern, wenn ich wüßte, daß meine Entfernung Dir so viel trübe Stunden brächte. Ich habe das nie so geglaubt! Du hast mir das nie so deutlich zu empfinden gegeben. O ich möchte verzweifeln, – ich weiß nicht was ich thun soll, um Dich glücklich zu machen. Du nennst meine Sprache Schwärmerey. O wenn ich Dich je weniger lieben könnte, – ich wäre der bedaurenswürdigste Mensch unter der Sonne. Und wenn ich je Deiner Freundschaft weniger werth seyn sollte, o so erinnere Dich, daß Du mich geliebt hast, und sey so mitleidig, mich wieder zu Dir hinaufzuziehn; verachte mich nicht! – Aber genug! Tieck laß die wilden Ströhme unsrer Empfindungen sanfter fließen. Wir jagen alles heiße Blut in unsre Adern und bringen uns durch diese schädliche Erhitzung in einen kranken Zustand.

Wie sehr muß ich es bedauren, daß Schmohl mit Dir nicht mehr harmonirt. Ich hatte auch das nicht erwartet. Er scheint sich eher von Dir zu entfernen als sich Dir zu nähern. Was Du mir von Bothen sagst, Du kannst leicht denken, wie auffallend und unvermuthet auch das mir gewesen ist. Aber ich glaube es, weil Du es sagst. Wie Menschen sich ändern können! Wenn du zwischen diesen beyden Dir heterogenen Köpfen hin und wieder schwankst, so kannst Du freilich nicht in Ruhe seyn. Aber – ach! Gott! eben wollt’ ich einen Trost für Dich aussinnen, und – Du wirst Dir meine Gedankenstriche erklären können. Ja! es ist schwer für mich, Dich zu trösten. Doch wohl Dir, wenn Du keines Trostes bald mehr bedarfst; wenn der rasche Flügel der Zeit die Gewölke vor Deinen Blicken zertheilt hat, wenn der allmählige Aufenthalt Dir behaglicher wird, und Du Umgang, und in Dir selbst Zufriedenheit findest. Nimm deine Kraft zusammen und erhalte Deinen Körper und Geist aufrecht und fest. – Ach! ich schreibe konfuses Zeug! Wollte Gott, Du wärst glücklich. O Du wirst, Du mußt es werden.

IV

Dienstag, den 15ten Juni, Abends.

Mit nassen Augen fang’ ich an, Dir zu schreiben. O Tieck, Du hast mir schon manche Thränen ausgepreßt; tausend süße, für die ich alle Schätze der Welt nicht verlangte; aber auch bittere, herbe Thränen, die in meinen Augen gebrannt, und mich zu einer melancholischen Sympathie erhitzt haben. Du hast mich lange nicht so erschüttert als durch Deinen letzten Brief. Wenn Du weißt, wie heftig ein solcher Donnerschlag, ein solches Ungewitter, das dem Wohl eines Freundes droht, in dem Herzen seiner anderen Hälfte wiederhallen muß; wenn Du Dir vorstellen kannst, wie schrecklich wahr und lebhaft alle Züge und Bilder vor mir stehen, die Dein flüchtigkühner Pinsel auf das Papier wirft; o so wirst Du empfinden wie das, was Du mir zu erzählen wagst, den kältesten Schauer über mein Gebein gegossen, und alle meine Nerven gewaltsam durchbebt hat. Gütiger Himmel! auf welchem entsetzlichen Rande hast Du gestanden! O Tieck, – Gott möge verhüten, daß unsre Freundschaft, die ein Beyspiel der möglichen Menschenglückseligkeit seyn sollte, keinen Stoff zu einem Trauerspiel gebe.

Um alles in der Welt willen, welcher Dämon macht sich denn ein Vergnügen, Dich unglücklich zu machen? Ich weiß nicht wie meine Zunge zu Dir sprechen soll; sie erstarrt.

Aber ich muß, ich muß Dir laut zurufen auf Deinen gefährlichen Irrwegen; Du möchtest, – Gott! wie hat es denn dazu kommen müssen. Halt Dir Dein Ohr nicht zu, wenn ich jetzt mit starker Stimme zu Dir spreche, ich muß. – Sprich? bin ich Dir denn so nöthig, um Dich von Verirrungen und schwelgerischen, verderblichen Ausschweifungen in den Genüssen des Geistes zurückzureißen? Ist Schmohl denn so ein kaltes, stummes, theilnehmungsloses Marmorbild? Ich bitte Dich, um alles was Dir heilig ist: wende ein Körnchen Deiner Vernunft an, und betrachte was Du gethan hast. Welch ein entsetzliches Unternehmen, 2 Bände in einem Nachmittage und einer Nacht hintereinander in einem Athem zu lesen! Nicht genug! Ein Buch, was alle Phantasie aufs äußerste umherjagt, über die Gränzen der Besinnung herumjagt! Wie ist es denn möglich, daß Du Dich selber nicht mehr kennst? Oder opferst Du einer lüsternen Begier, einem Kitzel, etwas außerordentliches Dir selbst vorzuthun, Deine Zufriedenheit auf, deren Zerstörung Du voraussiehst? Tieck, ich schäme, ich verdamme mich, daß ich solche Ausdrücke brauchen muß, aber ich kann nicht anders. Das Todte, Unbelebte des Buchstabens mag der Nachdruck der Worte ersetzen. Ist Schmohl denn so blutwenig um Dich besorgt? Wie ist es zu begreifen, daß er Dir immer hat zuhören, und, als wärst Du eine Sprechmaschine, dabey einschlafen, ruhig einschlummern können?

Tieck, ich wollte vieles aufopfern, wenn meine Freundschaft ein einziges von Dir verlangen könnte. Ich weiß, daß Du das Leben nicht achtest, daß Du Dich als einen der Welt schon abgestorbenen betrachtest, der in einem gleichgültigen Mittelzustande lebt, alles um sich her wie aus dem Grabe, wie durch das Gitterfenster eines düstern Gewölbes ansieht; der ohne Ueberlegung aus Laune seinem Körper und Geiste Pönitenzen auflegt, und sich selbst wie einen Nichtswürdigen behandelt, weil er nichts an sich verlieren zu können glaubt. Wann wirst Du von dieser unseligen Krankheit genesen? O daß ich alle Beredsamkeit, die in allen Welttheilen je menschliche Herzen gebeugt hat, zusammenrufen, und auf einen Punkt konzentriren und damit wie durch den Sonnenstrahl vom Brennspiegel Dein verirrtes Herz mit Wahrheitsglanze blenden könnte! Tieck ich beschwöre Dich bey allem was Dir heilig ist, bey der göttlichen Kraft die die Welt beseelt, und deren Funken in Deiner Seele glüht; ich beschwöre, frage Deine übertäubte Vernunft um Rath. Unaufhörlich stürmst Du auf die Gesundheit Deines Körpers und Deiner Seele los, – wie kannst Du etwas anderes als Mißbehagen fühlen? In einem Anfall schrecklicher Melancholie würde der Gedanke, das Innere des heiligen Geheimnisses, des Lebens, zu zerstören, zu welchem die Natur allein den Schlüssel hat, er würde in einem heiteren Lichte Dich umschweben, und es würde Deinem Schooßkinde, der Phantasie, gar herzlich kitzeln, wenn sie die Vernunft wie eine weinende Bettlerinn, vor ihrem Thron harren sähe. Aber hier, hier ist es Zeit an Deine Liebe zu appelliren! Hier stelle ich unsre Freundschaft Dir vor die Füße; diese mußt Du zuvor umstürzen, ehe Du die abentheuerlichen, zauberhaften, erquickenden Freuden eines lebenlosen Lebens oder – des Nichtdaseyns selbst kosten kannst. O sammle Dich Freund, in diesen Augenblicken muß ich Dich mit dem kühnsten Stolze angreifen, mit der gespanntesten Empfindung Dich in das Geleise des gemeinen Nachdenkens zurückbringen; – doch es ist Unsinn was ich schreibe, Du hast kein Acht auf mich, Du hörst mich nicht. Soll ich Dich feiner angreifen? Soll ich Dir im Spiegel der Zukunft die thränenvollen Tage, das unglückselige Schicksal zeigen, das mich verfolgen würde, wenn Du, aus Ungeduld der langsamen Natur zu folgen, oder Lust ein großer Geist zu werden, Dich immer unglücklicher machtest? Und bin ich der einzige? Du weißt nicht, wie sehr z. B. Bernhardi Dich liebt; ich weiß es. Und Du, Du, Tieck, Du könntest unbesonnen genug seyn, aus muthwilligem Humor, aus bloßem armseligem Kitzel, aus Sucht, Dir ein schaales kleines Vergnügen zu machen, etwas zu thun, wodurch Du Deine Freunde auf ihre Lebenszeit unglücklich machst, Elend auf ihr heiteres Leben säest, und durch sie auf die sie umgebende Welt auch noch trübsinnige, melancholische Gefühle verbreiten willst? Du denkst: „Ich möchte doch sehen, ob ich das Buch in einem Abend ganz durchlesen könnte, – ich möchte doch wissen, ob ich es aushielte, mehrere Nächte hintereinander oder in einer heftigen Geistesspannung zu arbeiten, – ich hätte wohl einmal Lust, in einem Tage 14 Meilen zu gehn, – ich möchte gern aus Spaß einmal in einer ganz finstern Nacht auf den Giebichensteiner Felsen an den gefährlichsten Stellen heraufklettern“ – und tausend andre Sachen. Entsetzlich! Deine Laune, die durch einen elenden Genuß einer angenehmen Stunde befriedigt seyn will, Deine Laune soll der Götze seyn, an dessen Altar Du die Freundschaft, die Glückseligkeit von wahren Menschen schlachten willst, die Du zu lieben, über alles zu lieben vorgabst? Alle die hohen Gefühle, die wir Dir geweiht haben, alle die Seligkeiten, die Dein wachsender, immer wachsender Geist uns künftig versprach, stößest Du die unter nichtsbedeutendem Lächeln, und mit abgewandtem Gesicht, in den furchtbaren Ocean des Nichts? Tieck, ein Engel ruft durch mich Dir zu: Erhalte Dich, schone Dich, mache Dich glücklich um Deiner Freunde willen!!

Pfui, daß ich so abscheuliches Zeug habe sagen müssen. Ließ es schnell, und zerreiß’ es, – zerreiße das Papier und die Worte, – aber den Sinn, den ich Dir durch dieses Gewirre krasser Ausdrücke ins Herz habe prägen wollen, den präge hinein, – mit brennenden Flammenzügen. Alles, alles bezeugt meine innige Liebe zu Dir, und diese, wenn Du mich kennst, und mich zu durchschauen würdigst, wirst Du auch durch alle heftigen Vorwürfe, die ich Dir je gemacht habe, hell und glänzend durchscheinen sehen. —

Ach ich hatte doch geglaubt, daß Du froher in Halle leben würdest; Deinen Rückfall, was sag’ ich, Dein Fortschreiten in der fürchterlichsten Schwermuth, hatte ich wahrlich nicht erwartet. Du flößest mir eine tiefe Betrübniß ein. Mir kommen wirklich wieder die Thränen in die Augen: Tieck – Du hast es jetzt nicht ganz vergessen, daß Du vor – langen Jahren einmal mit mir vergnügt warst? Oder erinnerst Du Dich, daß Du in Deinem Leben mehr als einmal gelacht hast? Um Gotteswillen! Ist die Trennung von mir, von Deinen Freunden die Ursach Deiner beklagenswürdigen Stimmung? Willst Du zu eben der Zeit, da ich Deine Lehren über eine weise Gleichmüthigkeit gegen die Kleinigkeiten des vulgären Lebens, auszuüben anfange, wieder mir durch ein entgegenstehendes Verhalten Anlaß zur Trauer geben? O Wehe, Wehe! daß ich in der That einen schwarzen Trauermantel um meinen Freund, um meinen besten, einzigen Freund anlegen möchte! Denn mein Freund ist – unglücklich! O wenn mein heißes Gebet zum Himmel Erhörung herabzöge! – Tieck, es muß besser werden mit Dir, besser sag’ ich, – schiele nicht nach dem traurigen Platz um die Kirche hin, wo Hügel und Kreuze stehn, und falber Wermuth wächst, – nein! besser in diesem Leben. Sollte der Himmel Dir einen erhabenen Geist blos zu Deiner eigenen Qual gegeben haben? Und willst Du, unter dieser Voraussetzung, immer selbst Deiner vermeyntlichen Bestimmung zum Unglück, entgegenarbeiten? – Es ist nicht möglich, Tieck! Du bist ein Engel! und Du solltest ewig unglücklich seyn?

Sonnabend, Mittag.

Auch Deine Antwort auf meine Zweifel wegen meiner Wahl einer Akademie, hat mich etwas frappirt. So hatte ich sie nicht ganz erwartet. Du überzeugst mein Herz, wie wehe es dem Deinigen thun werde, Dich aus Deiner Situation in Halle herauszureißen, und doch setzest Du mit einer Kälte, mit einer Trockenheit, die mich erschreckt hat, weil sie die Frucht einer verzweiflungsvollen Stimmung zu seyn scheint, hinzu, Du würdest am Ende doch wohl noch mit mir nach Erlangen gehen. Bedenke genau was Du thust; frage dich selber sorgfältig um Rath, ehe Du hierüber etwas, vielleicht aus Uebereilung, die Du späterhin bereuen möchtest, zu beschließen wagst. Zürne nicht, und (was noch tausendmal ärger wäre) mißverstehe mich nicht, argwöhne nichts, was ich Dir verschwiege, unter dieser Vorsicht versteckt. Es ist dies ein Punkt, über den ich mit der nacktesten Offenheit mit dir sprechen muß. Also noch einmal: bedenke zuvor, ehe Du Dich entschließest; und glaube nur um Gotteswillen nicht, daß ich aus einer gehässigen Kälte und aus Vernünfteley zu unrechter Zeit die Wirkung Deiner leidenschaftlichen Liebe zu mir stören will. Es ist zu Deinem besten, was ich sage. Du wirst in Halle bis Ostern gewiß immer mehr Behagen fühlen, wirst in angenehme Verbindungen verkettet werden und manchen schönen Umgang anspinnen. Nun prüfe Dich selber ja mit Strenge, ob Du stark genug bist, alles dies aufzuopfern, um – einem einzigen Menschen zu gefallen, von dem Du doch nach 1 oder 1½ Jahr alsdann wieder getrennt wirst, 30 Meilen weiter in die Mitte von Deutschland hinein zu ziehen. Es würde nichts kränkender für mich seyn, als wenn Du dies mißverständest, und nur auf einen Augenblick verleitet werden könntest zu glauben, meine Liebe zu Dir wäre um einen Gran verringert geworden. Mein Vater meynt, es würde Dir vielleicht nicht leid thun, mehr von Deutschland gesehen und in Erlangen einige Zeit gelebt zu haben. Nun – vielleicht ist uns der Himmel günstig. Vielleicht, daß es möglich wäre! – könnte meine Gegenwart die Wolken von Deiner Stirn scheuchen. Aber dann die Trennung wieder! Welch ein neuer Blitz für uns beyde! – Nur keine Aufopferung von Deiner Seite, Tieck! Ich will keine Schuld auf mich geladen wissen! Und wenn ich künftig auch nur etwas weniger Deine Liebe verdienen sollte, und Du auch nur etwas von Deiner heißen Liebe nachgelassen hättest, – doch, wo gerath’ ich wieder hin. O, ist es denn nicht vergönnt, daß wir zusammen glücklich seyn können? Nun – vielleicht! Die Hoffnung soll mich nie verlassen! Möchte sie Dir auch beystehen!

Vergieb mir, wenn mein Brief heftig und sonderbar ist. Ich küße Dich zärtlich, und – verspreche, wenn es nur irgend angeht, Dir künftigen Posttag wieder zu schreiben. Gott sey mit Dir.

W. H. Wackenroder.

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Litres'teki yayın tarihi:
01 kasım 2017
Hacim:
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