Kitabı oku: «Besonderes Verwaltungsrecht», sayfa 23
1. Städtebauliche Erforderlichkeit
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Aufgrund ihrer Grundrechtsrelevanz tragen raumrelevante Planungen im Allgemeinen ihre Rechtfertigung nicht gleichsam in sich selbst; sie sind kein Selbstzweck. Vielmehr ist zu verlangen, dass sie einen in dem Planungsgesetz beschriebenen Zweck verfolgen[377]. Diesen für das Planungsrecht allgemein geltenden Grundsatz der Planrechtfertigung hat das Bundesverwaltungsgericht gleichsam als „Einstieg“ in das materiell-rechtliche Prüfprogramm für Pläne definiert[378]. Dabei sind die Anforderungen an diese Prüfungsstufe allgemein nicht sehr hoch. Ihr kommt eher die Funktion einer Plausibilitätsprüfung zu[379]. Auch deshalb ist in der planungsrechtlichen Literatur zum Teil gefordert worden, auf diese Prüfungsstufe ganz zu verzichten. Eine Planung, die sich auf keinen in diesem Sinne rechtfertigenden Gesichtspunkt stützen kann, ist auch nicht in der Lage, in der Abwägung entgegenstehende Belange zu überwinden und wäre damit in jedem Fall abwägungsfehlerhaft.[380]
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Für die Bauleitplanung ist das Erfordernis der Planrechtfertigung in § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB geregelt. Die Vorschrift verlangt, dass Bauleitpläne aufzustellen sind, „sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist“. Die städtebauliche Erforderlichkeit setzt voraus, dass mit dem Plan ein städtebaulich begründbares Interesse verfolgt wird[381]. Welche solche Interessen sind, lässt sich positiv abschließend nicht beschreiben. Einen Anhaltspunkt liefern aber jedenfalls die in §§ 1 Abs. 5 und 6, 1a BauGB aufgezählten Grundsätze und Belange, aus denen sich städtebauliche Ziele ableiten lassen[382]. Diese Kataloge sind jedoch nicht abschließend.
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Nach § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit dies erforderlich ist. Zwar legt die Formulierung das Verständnis von einem gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff nahe[383]. In jedem Fall schlägt aber der planerische Gestaltungsspielraum auch bereits auf die Beurteilung der Erforderlichkeit der Bauleitplanung durch. Maßgeblich ist hierfür die planerische Konzeption der Gemeinde[384]. Der Gemeinde kommt demgemäß ein weites planerisches Ermessen zu, in dessen Rahmen sie Städtebaupolitik betreiben kann[385]. Die Erforderlichkeit setzt nicht voraus, dass ein konkreter Bedarf für die mit der Festsetzung ermöglichte Nutzung besteht[386].
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Eine Fallgruppe, in der die städtebauliche Erforderlichkeit in Zweifel gezogen wird, sind sogenannte Negativ- oder Verhinderungsplanungen[387]. In der Behandlung dieser Fallgruppe durch die Rechtsprechung kommt zum Ausdruck, dass die Gemeinde mit der Aufstellung eines Bebauungsplans ein positives planerisches Konzept verfolgen muss. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Verhinderungswirkung ausgeschlossen ist. Positive Planungsziele können durchaus auch durch Negativfestsetzungen angestrebt werden[388]. Die für das Verständnis der Wirkungsweise von Bebauungsplänen zentrale Regelung des § 30 Abs. 1 BauGB – wonach ein Vorhaben nicht etwa dann zulässig ist, wenn es dem Bebauungsplan entspricht, sondern wenn es seinen Festsetzungen nicht widerspricht – legt es sogar nahe, die Hauptwirkung der Festsetzung eines Bebauungsplans im Ausschluss von Vorhaben zu sehen[389]. Auch muss der Bauleitplan nicht immer eine Entwicklung im Sinne eines auf Veränderung gerichteten Prozesses anstreben. Die Bewahrung der gegebenen städtebaulichen Situation unter Ausschluss von Veränderungen kann ebenso der Zweck eines Bauleitplans sein[390]. Entscheidend ist allein, dass die Bauleitplanung Ausdruck der tatsächlichen, von städtebaulichen Motiven getragenen planerischen Konzeption der Gemeinde ist[391]. Demgegenüber sind vorgeschobene Bauleitpläne, mit denen außerhalb der Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 BauGB liegende Zwecke verfolgt werden, unzulässig[392]. Dies gilt auch für Bauleitpläne, mit denen allein private oder fiskalische Interessen verfolgt werden[393]. Weitere Fallgruppen, in denen die Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB fehlt, sind Pläne, deren Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen[394].
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§ 1 Abs. 3 BauGB verbietet nicht nur im beschriebenen Sinne nicht erforderliche Planungen, sondern beinhaltet seinem Wortlaut nach auch ein Gebot. Grundsätzlich umfasst das planerische Ermessen – jedenfalls im Hinblick auf den Bebauungsplan[395] – neben dem „Wie“ der Planung auch die Entscheidung, ob überhaupt und wann Bauleitpläne aufgestellt werden. Demgemäß kann die Gemeinde auch planerische Zurückhaltung üben und, soweit die städtebauliche Situation dies zulässt, für die Steuerung der planerischen Zulässigkeit auf die §§ 34 und 35 BauGB vertrauen[396]. Allerdings kann sich das planerische Ermessen auch zu einer Planungspflicht in der Weise verdichten, dass die Gemeinde aus städtebaulichen Gründen gezwungen ist, erstmalig Pläne aufzustellen oder bestehende Pläne zu ändern oder aufzuheben[397]. Zu beachten ist allerdings, dass eine solche Planungspflicht nur in Ausnahmefällen eintreten kann, wenn besonders gewichtige, qualifizierte städtebauliche Gründe dies erfordern. Es reicht demgegenüber nicht aus, dass die Planung vernünftigerweise geboten ist[398].
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Unklar ist, ob es sich hierbei allein um eine objektivrechtliche Verpflichtung handelt[399] oder ob die Planungspflicht sich auch zu einem Anspruch eines Dritten auf die Aufstellung eines Plans verdichten kann. Das Bundesverwaltungsgericht konnte in seiner Entscheidung zu einer Planungspflicht im nicht beplanten Innenbereich[400] noch darauf verweisen, dass im Rahmen der Anwendung des Zulassungstatbestands des § 34 BauGB über die Gemeindegrenzen hinausreichende Fernwirkungen nicht berücksichtigt werden konnten, diese Regelung den Nachbargemeinden also keinen drittschutzgewährenden Anknüpfungspunkt für ein Rechtsschutzbegehren vermittelte[401]. Seit der Ergänzung des § 34 Abs. 3 BauGB, der den Gemeinden ein Abwehrrecht einräumt[402], ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Jedenfalls vermittels der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen auf der Grundlage der §§ 34 und 35 BauGB erlassener Genehmigungen, können Nachbargemeinden sich auf eine Planungspflicht berufen[403].
2. Vorgaben der Raumordnung
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Die beiden Typen von Bauleitplänen stellen in dem mehrstufigen System der räumlichen Gesamtplanungen die beiden untersten, örtlichen Planungsebenen dar. Dem vorgelagert sind die überörtlichen Planungsebenen der Raumordnung. Die Koordinationsfunktion eines mehrstufigen Planungssystems erfordert es, dass auf der höheren, großräumigeren Planungsebene getroffene Festlegungen auf den nachfolgenden Ebenen umgesetzt werden[404]. Diese Funktion nimmt im Verhältnis der Bauleitpläne zueinander das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB wahr. Eines entsprechenden Mechanismus bedarf es auch im Verhältnis der Raumordnung zur Bauleitplanung, um zu gewährleisten, dass die Gemeinden die Vorgaben der Raumordnung in ihre Bauleitpläne aufnehmen. Dabei kann die Bindungswirkung der Aussagen vorgelagerter Pläne durchaus abgeschichtet sein. Am deutlichsten wird das in der Unterscheidung zwischen Zielen der Raumordnung einerseits und Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen der Raumordnung andererseits. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 ROG lösen Grundsätze und sonstige Erfordernisse lediglich eine Berücksichtigungspflicht aus, sind also in der Abwägung überwindbar, während Ziele der Raumordnung die strikte Beachtung durch nachfolgende Planungen verlangen[405]. Die Ziele der Raumordnung entfalten demnach eine stringentere Bindung als das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB, während die Grundsätze der Raumordnung dahinter zurückbleiben[406]. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass das System der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 3 ROG durch das Gegenstromprinzip gekennzeichnet ist. Inhaltlich findet dies seinen Ausdruck auch darin, dass die städtebaulichen Entwicklungsinteressen der Gemeinden bei der Aufstellung der Raumordnungspläne in der Abwägung nach § 7 Abs. 2 S. 1 ROG zu berücksichtigen sind. Verfahrenstechnisch sind die Gemeinden gemäß § 9 Abs. 1 ROG bei der Aufstellung der Raumordnungspläne zu beteiligen[407].
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§ 1 Abs. 4 BauGB konkretisiert und erweitert die Beachtenspflicht des § 4 Abs. 1 Nr. 1 ROG[408]. Hiernach sind die Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen. Bauleitpläne, die neuen Zielen der Raumordnung entgegenstehen, treten aber nicht außer Kraft[409]. Durch die ausdrückliche Anordnung der Anpassung stellt § 1 Abs. 4 BauGB die Handlungspflicht der Gemeinde, die aktiv tätig werden muss, in den Vordergrund[410]. Die Pflicht zur Anpassung bezieht sich nicht lediglich auf bestehende Bauleitpläne, sondern löst auch eine Erstplanungspflicht aus, wenn anderenfalls die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung auf unüberwindbare – rechtliche oder tatsächliche – Hindernisse stoßen oder wesentlich erschwert würde[411]. Des Weiteren setzt sich bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB gegenüber dem Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB durch, wenn der Flächennutzungsplan dem Ziel der Raumordnung nicht entsprechende Darstellungen enthalten sollte[412]. Im Übrigen reicht § 1 Abs. 4 BauGB auch insofern weiter als § 4 Abs. 1 Nr. 1 ROG, als er alle Bauleitpläne, nicht nur die im raumordnungsrechtlichen Sinne raumbedeutsamen, einschließt[413].
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Ziele der Raumordnung sind gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG verbindliche Vorgaben, die sachlich und räumlich bestimmt oder bestimmbar sein müssen. Überdies zeichnet sie aus, dass sie, wie auch § 7 Abs. 2 S. 1 ROG zum Ausdruck bringt, abschließend abgewogen sind. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 4 ROG sind Ziele der Raumordnung als solche zu kennzeichnen. Fehlt die Bezeichnung als Ziel, steht in jedem Fall fest, dass es sich bei der Festlegung nicht um ein Ziel der Raumordnung handeln kann[414]. Umgekehrt folgt aus der Bezeichnung als Ziel nicht in jedem Fall die Zielqualität einer Festlegung, wenn diese die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG nicht erfüllt[415]. Allerdings können Ziele der Raumordnung durchaus unterschiedliche Abstraktionsgrade aufweisen. In den meisten Fällen sind die Zielfestlegungen nicht so konkret, dass den Gemeinden im Rahmen der Anpassung des Bauleitplans kein planerischer Spielraum mehr eröffnet wäre. In diesen Fällen stellt sich die Anpassung nach § 1 Abs. 4 BauGB nicht als schlichter Normvollzug, sondern als planerische Konkretisierung einer rahmensetzenden Zielvorgabe dar[416].
3. Sonstige zwingende Vorgaben
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Bauleitpläne unterliegen neben den beschriebenen Regelungen des § 1 Abs. 3 und 4 BauGB noch weiteren zwingenden Vorgaben. Diese können sich unmittelbar aus gesetzlichen[417] Regelungen oder aus anderen Verwaltungsentscheidungen ergeben, die gegenüber der Bauleitplanung Bindungswirkung entfalten. In der Rechtsprechung und im Schrifttum findet sich hier der Begriff der Planungsleitsätze, zum Teil differenziert nach internen und externen Planungsleitsätzen. Erstere ergeben sich aus den Regelungen des jeweiligen Planungsgesetzes selbst, Letztere aus anderen fachgesetzlichen Zusammenhängen[418]. Abgesehen von der missverständlichen Begriffsbildung – es handelt sich gerade nicht um Leitsätze, an denen sich die Abwägung auszurichten hätte, sondern um strikt bindende Regelungen im Sinne der Begrenzung der Abwägung – beschreibt die Kategorie nicht mehr als die nicht zu bestreitende Bindung auch der planenden Verwaltung an den Vorrang des Gesetzes[419]. Ohnehin hat das Bundesverwaltungsgericht diesen Begriff – soweit ersichtlich – im beschriebenen Sinne vornehmlich im Bereich des Fachplanungsrechts benutzt und dort auch in jüngerer Zeit kaum noch[420]. In der Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht findet sich der Begriff hingegen in jüngerer Zeit im Sinne des eigentlichen Wortverständnisses[421]. Da der Begriff keine eigene analytische Kategorie kennzeichnet, sollte auf seine Verwendung verzichtet werden. Beispiele für zwingende Regelungen innerhalb des BauGB sind – wie gesehen – § 1 Abs. 3 und 4 BauGB sowie § 8 Abs. 2 BauGB. Außerhalb des BauGB sind als Beispiele die Regelungen des FFH-Schutzregimes nach § 33 ff. BNatSchG[422] und die Beschränkungen in Überschwemmungsgebieten nach § 78 WHG[423] zu nennen.
4. Abwägungsgebot
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Die Einhaltung des Abwägungsgebots ist der zentrale Maßstab, der an die materiell-rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bauleitplänen anzulegen ist. Zugleich kommt hierin die große Gestaltungsfreiheit der Gemeinden im Rahmen ihrer städtebaulichen Entwicklung zum Ausdruck. Die städtebauliche Entwicklung ist zu vielgestaltig und eröffnet zu viele Optionen, als dass sie einem konditional strukturierten Entscheidungsprogramm unterworfen werden könnte. Der Gesetzgeber reagiert hierauf konsequent durch die finale Strukturierung eines Entscheidungsprozesses, dessen Ergebnis wenig determiniert ist[424]. Den Kontrollmaßstab für die so entstehende planerische Gestaltungsfreiheit – oder das planerische Ermessen[425] – liefert das Abwägungsgebot. § 1 Abs. 7 BauGB ordnet die Geltung des Abwägungsgebots an, indem er verlangt, bei „der Aufstellung der Bauleitpläne (…) die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“. Die Rechtsprechung bezeichnet das Abwägungsgebot als „dem Wesen rechtsstaatlicher Planung innewohnende[n] Grundsatz“[426]. Es wird also neben der einfachgesetzlichen Begründung unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet und trägt insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung[427]. Diese verfassungsrechtliche Verankerung hat zur Folge, dass das Abwägungsgebot gleichsam als Universalprinzip für alle Bereiche raumwirksamer Planung unabhängig von seiner ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung Geltung beansprucht[428].
a) Anforderungen des Abwägungsgebots
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§ 1 Abs. 7 BauGB ordnet lediglich die Abwägung der berührten Belange an. Darüber hinausgehende Konkretisierungen, welche Anforderungen aus dem Abwägungsgebot erwachsen, enthält die Regelung nicht. Auch die Planerhaltungsregelungen der §§ 214 f. BauGB liefern keine entscheidende Klarstellung. § 214 Abs. 3 BauGB nimmt zwar auf die Abwägung und ihre Mängel Bezug, ohne jedoch festzulegen, worin diese Mängel im Einzelnen bestehen könnten. Allein § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB lässt erkennen, dass das Abwägungsgebot Anforderungen sowohl an den Abwägungsvorgang als auch das Abwägungsergebnis stellt, ohne diese Einteilung näher zu erläutern. Seit der Änderung durch die BauGB-Novelle 2004 stellt § 214 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB zudem über den Verweis auf § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB eine Verknüpfung zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen im Sinne des § 2 Abs. 3 BauGB her, ohne dass jedoch deutlich würde, wie diese Verweisung zu verstehen ist. Der Gesetzgeber hat sich somit also der Normierung der Anforderungen des Abwägungsgebots weitgehend enthalten. Selbst der grundlegenden Vorschrift des § 1 Abs. 7 BauGB kommt allein deklaratorischer Charakter zu.
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Eine nähere Ausgestaltung und Konkretisierung hat das Abwägungsgebot hingegen durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die Literatur erfahren[429]. Nach der ständigen Rechtsprechung verlangt das Abwägungsgebot, „dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.“[430] Das Bundesverwaltungsgericht lehnt damit die Anforderungen an das Abwägungsgebot nicht an die herkömmliche Ermessensfehlerlehre an und betont auf diese Weise die besondere Struktur der Planung als Verwaltungsaufgabe[431].
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Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung werden in der Literatur zumeist vier Stufen des Abwägungsgebotes unterschieden[432], wobei zum Teil die dritte und vierte Stufe zusammengefasst werden[433]. Positiv formuliert verlangt das Abwägungsgebot die Erfüllung folgender Anforderungen[434]:
1. | die Gemeinde muss eine sachgerechte Abwägung überhaupt durchführen und darf sich nicht irrtümlich für gebunden erachten; |
2. | alle nach Lage des Falls relevanten Gesichtspunkte sind zu ermitteln und in die Abwägung mit einzubeziehen; |
3. | die Bedeutung und Gewichtung der betroffenen Belange muss zutreffend erkannt werden; |
4. | der Ausgleich zwischen den betroffenen Belangen muss so vorgenommen werden, dass er nicht außer Verhältnis zu ihrer objektiven Gewichtung steht. |
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Diese Anforderungen umschreiben einen gestuften Vorgang, der von dem Erkennen des Erfordernisses einer Abwägung über die Ermittlung und Bewertung der Belange bis zur Schaffung eines gerechten Ausgleichs zwischen diesen reicht. Diese positiv formulierten Anforderungen sind Handlungsanweisungen an die planende Verwaltung[435]. Dem Abwägungsgebot kommt darüber hinaus auch eine Rechtsschutzdimension zu. Hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfbarkeit werden aus den genannten positiven Handlungsanweisungen vier der jeweiligen Stufe des Abwägungsgebots korrespondierende Abwägungsfehler abgeleitet[436]:
1. | Abwägungsausfall, wenn eine notwendige Abwägung gar nicht vorgenommen wird; |
2. | Abwägungsdefizit, wenn einzelne Belange nicht erkannt bzw. nicht berücksichtigt werden; |
3. | Abwägungsfehlgewichtung oder -fehleinschätzung, wenn die Bedeutung eines Belanges verkannt wird und |
4. | Abwägungsdisproportionalität, wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. |
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Innerhalb der durch diese Gebote beziehungsweise Fehler formulierten Grenzen ist die Gemeinde frei in ihrer Entscheidung, welchen der gegenläufigen Belange sie den Vorzug einräumt[437]. Die Gewichtung der Belange ist wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der Kontrolle durch die Gerichte entzogen[438]. Insbesondere nehmen die Gerichte keine eigene Abwägung vor, sondern überprüfen die behördliche Abwägung[439]. Dementsprechend bleibt die Umschreibung der Abwägungsfehler hinter der positiven Umschreibung des Abwägungsgebots zurück. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Abwägung ist auf das Vorliegen eines dieser Abwägungsfehler beschränkt. Dabei hängt die gerichtliche Überprüfungsdichte von der jeweiligen Stufe der Abwägung ab. Auf den ersten beiden Stufen räumt das Bundesverwaltungsgericht der planenden Stelle keinen Beurteilungsspielraum ein. Ob überhaupt eine Abwägung stattfindet und welche Belange abwägungserheblich sind, wird demnach in vollem Umfang gerichtlich überprüft[440]. Insbesondere auf den Stufen (3) und (4) besteht jedoch eine gewisse „Toleranz“. So ist eine Abwägungsfehlgewichtung nicht bereits dann gegeben, wenn auch eine andere Gewichtung des betroffenen Belangs zulässig wäre. Voraussetzung ist vielmehr, dass die vorgenommene Gewichtung unter Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten nicht mehr vertretbar ist[441]. Auch eine Disproportionalität ist nicht schon dann gegeben, wenn das Abwägungsergebnis auch anders hätte ausfallen können. Sie liegt erst dann vor, wenn „das Vorhaben mit Opfern erkauft werden muss, die außer Verhältnis zu dem mit ihm erstrebten Planungserfolg stehen“[442].