Kitabı oku: «Camerarius Polyhistor», sayfa 3
Ort und Zeit
Die CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem wurden im Jahre 1545 in Leipzig veröffentlicht. In diesem Jahr konnten die Anhänger der Reformation auf fast 30 Jahre einer Erfolgsgeschichte zurückblicken, die manchem Zeitgenossen gar den Eindruck eines unaufhaltsamen Siegeszuges vermitteln mochte. In der bequemen Perspektive des zeitlichen Rückblicks stellt sich das Jahr 1545 dagegen vielmehr als ein Jahr des Noch-nicht dar: Noch nicht hatte der Schmalkaldische Krieg 1546/1547 die Fähigkeit des Kaisers unter Beweis gestellt, die Protestanten militärisch in die Schranken zu verweisen. Noch nicht war katholischerseits die Gegenreformation als übergreifende und konzertierte Aktion, die Erfolge der Reformation zunichte zu machen, ins Leben gerufen worden, obwohl es an Widerstand gegen die Reformation in den vergangenen Jahrzehnten nicht gefehlt hatte. Das Konzil von Trient, dessen Beschlüsse eine wichtige Grundlage für die Gegenreformation waren, begann erst am 13. Dezember des Jahres 1545, im selben Jahr also, in dem die CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem erschienen.1Melanchthon, Philipp
Die aufstrebende Handelsstadt Leipzig sollte nicht nur vom Schmalkaldischen Krieg unmittelbar betroffen werden – sie wurde 1547 belagert –, sie hatte schon in den ersten Jahrzehnten der Reformation durchaus eine nennenswerte Rolle gespielt: So wurden in Leipzig, das seit Beginn des 16. Jahrhunderts eines der bedeutendsten Zentren des Buchdrucks war,2 LuthersLuther, Martin 95 Thesen schon Ende 1517 auf Latein publiziert, und in den folgenden vier Jahren verließen ganze 156 LutherLuther, Martin-Drucke die Leipziger Pressen.3 Die Leipziger Disputation unter Beteiligung von LutherLuther, Martin, Karlstadt, MelanchthonMelanchthon, Philipp auf reformatorischer und Eck auf katholischer Seite fand im Jahr 1519 statt. In den folgenden Jahren wurde die Reformation allerdings unter Herzog GeorgGeorg (Herzog von Sachsen) mit zunehmender Intensität bekämpft. Nach dem Tod Herzog Georgs im Jahre 1539 fiel das Herzogtum an seinen Bruder HeinrichHeinrich (Herzog von Sachsen). Am 25. Mai desselben Jahres, also gerade einmal sechs Jahre vor Publikation der CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem, wurde in Leipzig die Reformation feierlich eingeführt.4 Was oben allgemein festgestellt worden ist, lässt sich also in gesteigerter Weise auch für Leipzig festhalten: Der Eindruck des Siegeszuges der Reformation war noch frisch, eine – aus protestantischer Sicht – herbe Wendung der Ereignisse stand zwar unmittelbar bevor, war aber so wohl kaum vorauszusehen.
Im Jahre 1541, also gerade einmal zwei Jahre nach Einführung der Reformation dortselbst, trat Joachim Camerarius5 aus Tübingen kommend seine Professur in Leipzig an, nachdem seine Berufung schon seit 1539 von MelanchthonMelanchthon, Philipp und anderen nachdrücklich betrieben worden war. Sein Lehrstuhl war mit 300 Gulden dotiert und damit der bestbezahlte an der Leipziger Universität.6 Leipzig war Camerarius nicht unbekannt, hatte er dort doch von 1513 bis 1518 studiert.7Cicero In den auf seine Berufung folgenden Jahren war Camerarius zum großen Teil mit der Neuausrichtung der Leipziger Universität befasst.8Borner, CasparMoritz (Herzog von Sachsen)
Publikationszusammenhang und zweisprachige Ausgabe
Die CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem (A2r–A6r) sind nicht allein publiziert worden; vielmehr folgen verschiedene andere Texte, die teils auf Latein, teils auf Altgriechisch, teils auf Deutsch, teils in Prosa, teils in Versen verfasst sind. Zunächst schließen sich zwei in Anlehnung an das 20. Kapitel der Apostelgeschichte fingierte Briefpaare an: Der jeweils erste Brief gibt vor, ein Brief des Apostels PaulusPaulus (Apostel) an die Epheser zu sein; der jeweils zweite stellt die Antwort der Epheser dar. Das erste Briefpaar (A6v–B1r und B1r–B4v) ist in griechischer Prosa verfasst, das zweite (B4v–B7r und B7v–C2r) in lateinischen Versen (elegischen Distichen). Es folgt Martin LuthersLuther, Martin „Vermanung zu zucht vnd ehren vnd der bus, ein summarien des buchs Salomonis“ (C2v–C3r) in 24 deutschen Versen, danach ebenfalls sich auf Salomon berufende Ermahnungen wider das Verharren in der Sünde in 44 lateinischen Jamben (C3r–C3v) und in 55 griechischen Jamben (C4r–C5r). Anschließend ist ein in lateinischen Hexametern abgefasstes Gebet des Johann StigelStigel, Johann abgedruckt (C5r–C8v). Es folgen zwei griechische Briefe des Kirchenvaters BasiliosBasilius (Kirchenvater) (die Briefe 140 [D1r–D2r] und 97 [D2v–D3r]), zwei lateinische Gedichte des spätantiken Dichters AusoniusAusonius (Ephemeris 3 [D3v–D4v] und Ad nepotem Ausonium [D5r–D6v]) und zwei griechische Epigramme des Camerarius (D7r–D7v).1Luther, MartinStigel, JohannAusoniusCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem Offenbar handelt es sich um eine Art Lesebuch für den Latein- und Griechischunterricht.
Im Jahr 1546, nur ein Jahr nach dem Erstdruck der CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem, brachte Camerarius eine altgriechisch-lateinische zweisprachige Ausgabe des Werkes heraus.2Georg (Herzog von Sachsen) Dem altgriechischen Text auf dem Verso steht jeweils der lateinische Text auf dem Recto gegenüber. Die lateinische Übersetzung ist ausgangssprachenorientiert und versucht, bis in die Wortstellung hinein den griechischen Text abzubilden. An einigen Stellen ist die angebotene Übersetzung allerdings auffällig. So geht Camerarius offenbar recht frei bei der Wiedergabe der Demonstrativpronomina ὅδε und κεῖνος vor.3 Partizipien von εἶναι werden mehrmals mit ipse übersetzt.4Camerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem Bemerkenswert ist auch die Form vincivit (101. 103, jeweils statt vinxit). In einigen Versen sind einzelne Worte falsch bezogen.5 Auffällig ist außerdem die Übersetzung von ὅτταν mit si (140, statt cum).
Gliederung
Die CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem umfassen insgesamt 222 in Altgriechisch abgefasste Hexameter. Es ist sicher kein Zufall, dass die genau in der Mitte des Gedichtes befindlichen sechs Verse 109–114 den Umschwung von völliger Hoffnungslosigkeit nach der Kreuzigung Christi zu Auferstehung und Herrschaft Christi behandeln. Diese sechs Verse gehören wiederum zu einer größeren Partie von 34 Versen (83–116), in denen Jesus Christus, insbesondere seine Geburt, sein Tod und sein Sieg über den Tod behandelt werden. Um dieses Zentrum herum gruppieren sich die übrigen Teile der CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem: Es folgt unmittelbar eine große Versgruppe mit 39 Versen (117–155), in denen es um die Ausrichtung des Lebens auf Jesus Christus geht, wobei insbesondere einerseits die Gefährdung des menschlichen Lebens, andererseits der wirksame Beistand Gottes betont werden. Die erste Hälfte des Gedichtes ist nach dem Proöm (1–13) insofern gewissermaßen chronologisch angelegt, als zunächst die Schöpfung (14–42) und dann die Zehn Gebote (43–69) behandelt werden. Der nächste Abschnitt (70–82) thematisiert die Sündhaftigkeit des Menschen, aber auch die Möglichkeit zur Vergebung der Sünde und die Existenz von Hoffnung, womit zu dem anschließenden zentralen, Jesus Christus betreffenden Abschnitt übergeleitet wird. In der zweiten Hälfte des Gedichtes schließt sich an den schon genannten Abschnitt über die Ausrichtung des Lebens auf Jesus Christus ein Abschnitt über die Eschatologie an (156–179). Es folgt die Behandlung der Kirche (180–199), ein Abschnitt über das Gebet, der fast vollständig von einer altgriechischen Fassung des Vaterunser eingenommen wird (200–212) und der Schluss (213–222), der in den letzten beiden Versen in einer Apostrophe an Jesus Christus kulminiert.
Allerdings finden sich kaum eindeutige und unmissverständliche Markierungen, dass ein Abschnitt abgeschlossen ist und jetzt ein neuer beginnt. Vielmehr sind die Übergänge zwischen den einzelnen Teilen des Gedichtes eher fließend gestaltet.
Proöm
Um einen Eindruck von dem Gehalt der CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem zu vermitteln, sei hier das Proöm vorgestellt, das auch den Ausgangspunkt für Beobachtungen zu Sprache und Intertextualität der CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem bilden wird:
Δεῦτε φίλοι παῖδες θείων ἀδαήμονες ἔργων,
ὧν τε κακαῖς ἀπάταις κόσμου φρένες ἠερέθονται.
Αἰεὶ γὰρ θνητοῖς θυμῷ φίλον αἴσυλα ῥέζειν,
τῶν δ’ ἄπ’ ἐπουρανίων μάθετ’ ἄσματα θέσκελα μύθων
ὔμμε γάρ ἐστι μάλιστα δέον ταῦτ’ εἰδέν’ ἅπαντα 5
πρωθήβους θ’ ἁπαλούς θ’, οὓς οὔπω ὀνείδε’ ὄνοσσαν
οὕς τε θεὸς φιλέει, καὶ κήδεται ἔξοχα ἄλλων,
τοῖσι δ’ ἔνι ζωὴν εὑρήσε<σθ’> ἄφθιτον αἰεί,
ἄφθιτον ἀθάνατον, μεγάλου δώρημα θεοῖο.
τὸν δ’ ἄρ’ ἀμειβόμενοι σφετέρῳ τάδε θέσθ’ ἐνὶ θυμῷ, 10
πατρὸς ἐφημοσύνῃ θείας γνωρίσματα βουλῆς,
ἧς τε ἄπ’ ἐκγεγάασθ’ ὑμέων φίλα τέκνα γονήων
ἧς τε ἄπ’ ἐν ζωοῖσιν, ἀρούρης καρπὸν ἔδεσθε.
Hierher, liebe Kinder, unkundig der göttlichen Werke,
deren Sinn von den schlimmen Täuschungen der Welt wie eine Flagge im Wind hin und her geschlagen wird!
Immer nämlich ist es den Sterblichen lieb im Herzen, Gottloses zu begehen.
Lernt also aus diesem Text die göttlichen Lieder der aus dem Himmelsbereich herrührenden Worte!
(5) Ihr müsst das alles nämlich ganz besonders wissen,
da ihr gerade erst mannbar und noch zart seid, [ihr], welche noch nicht schändliche Taten beschuldigt haben,
und welche Gott liebt, und um welche er sich mehr als um andere kümmert,
in diesen [göttlichen Liedern] aber werdet ihr für euch das immer unvergängliche Leben finden,
das unvergängliche, unsterbliche, und das Geschenk des großen Gottes.
(10) Legt, indem ihr also auf diesen reagiert, das Folgende in euer Gemüt,
die durch das Gebot des Vaters vermittelten Kennzeichen des göttlichen Willens,
durch den ihr auf die Welt gekommen seid als liebe Kinder eurer Eltern
durch den ihr unter den Lebenden weilend die Frucht des Ackers esst.
Adressaten der capita sind ganz explizit παῖδες, also Kinder (so auch an anderen Stellen des Gedichtes). Der griechische Titel der CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem lautet sogar ΚΕΦΑΛΑΙΑ ΧΡΙΣΤΙΑΝΙΣΜΟΥ προσφωνηθέντα τοῖς παιδίοις. Παιδίον aber deutet als Deminutiv auf jüngere Kinder hin. Dazu passt auch die Angabe, dass die Kinder „unkundig der göttlichen Werke“ (1) seien. Andererseits werden sie aber auch als „gerade erst mannbar“ angesprochen (6). Hier werden wir mit einem Spannungsverhältnis konfrontiert: Wenn die Kinder „gerade erst mannbar“ sind, handelt es sich offenbar um Jugendliche.1 Da ist es nun aber bemerkenswert, dass diese als παῖδες (Kinder) bzw. sogar als παιδία (kleine Kinder) bezeichnet werden und in ihrem ja nicht mehr völlig kurzen Leben noch „unkundig der göttlichen Werke“ sein sollen. Das ist umso erstaunlicher, als die genannten Adressaten in den capita pietatis kaum Glaubensinhalte gefunden haben dürften, die ihnen völlig neu waren.2Camerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem
Weitere Beobachtungen lassen sich machen: Charakteristisch für die gesamten capita pietatis ist, dass die Adressaten direkt angesprochen werden und Ziel nachdrücklicher Appelle sind. Es gibt allerdings keine Abfolge von Fragen und Antworten, wie sie für die Gattung des Katechismus typisch ist. Mehrmals wird in den capita pietatis einerseits die Sündhaftigkeit des Menschen, andererseits die Reziprozität in der Zuwendung Gottes zum Menschen und umgekehrt betont.
Sprache in den CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem
Die Wahl der altgriechischen Sprache ist sicherlich nicht als zufällig zu erachten, sondern verleiht dem Text ein elitäres Gepräge. Die Herausforderungen, mit denen der altgriechische Text die Leser konfrontiert, dürften den in Frage kommenden Rezipientenkreis stark eingeschränkt haben.1 Vor diesem Hintergrund kann es kaum verwundern, dass die CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem – wie bereits erwähnt – nur ein Jahr nach der Erstpublikation erneut, und zwar diesmal mit gegenüber abgedruckter lateinischer Übersetzung, veröffentlicht worden sind.
Die Sprache der CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem entspricht nämlich keineswegs dem ‚gewöhnlichen‘ Altgriechisch, sondern ist sehr weitgehend durch die homerische Dichtersprache geprägt. Bereits die ersten beiden Wörter des Gedichtes δεῦτε φίλοι finden sich auch bei HomerHomer am Beginn des Hexameters, wenn auch in deutlich anderem Zusammenhang:2HomerHomerIl.HomerOd. Allein schon im Proöm (1–13) lässt sich eine Fülle von Anlehnungen an und Zitaten aus den homerischenHomer Epen benennen.3HomerOd.HomerHomerIl.HomerCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemHomerHomerIl.HomerOd.Camerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemHomerHomerIl.Camerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemHomerHomerIl.HomerOd.Camerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemHomerHomerOd.Camerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemHomerHomerIl.Camerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemHomerHomerIl.HomerHomerIl. Im Ausgang von Vers 7 scheinen dagegen eher die Argonautica des Apollonios RhodiosApollonios Rhodios Pate gestanden zu haben,4Apollonios RhodiosHomerHomerOd.Apollonios Rhodios ebenso am Beginn von Vers 11.5Apollonios RhodiosApollonios Rhodios Die griechische Dichtersprache schlägt sich auch darüber hinaus in der Morphologie6 und Syntax7 nieder. Andererseits findet sich aber auch ein äußerst unepisches Wort wie γνωρίσματα (11). Anspruchsvoll ist auch die Verwendung des Iterativ-Infixes -σκ- in Vers 91 (καλέσασκεν).
Nimmt man nun über das Proöm hinaus auch die restlichen CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem in den Blick, so stellt man fest, dass der Leser – offenbar absichtsvoll – vereinzelt auch mit solchen sprachlichen Phänomenen konfrontiert wird, die nicht für die homerische Dichtersprache, sondern gerade für die nichthomerische Dichtersprache charakteristisch sind. So gehört das griechische Wort für „gerade erst mannbar“ in den CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem (6) nicht zur a-Deklination (πρωθήβης), sondern zur o-Deklination (πρώθηβος). Der laut Thesaurus Linguae Graecae (TLG) einzige Beleg für die Zugehörigkeit zur o-Deklination findet sich bei dem Lyriker BakchylidesBakchylides (Dithyramben 4, 57). Dem stehen Dutzende Belege für die Zugehörigkeit zur a-Deklination gegenüber, darunter auch drei aus den homerischenHomer Epen. Ein anderes instruktives Beispiel bietet CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem 128: Dort verwendet Camerarius als Personalpronomen der zweiten Person τύ statt σύ. Tύ gehört der nichthomerischen Dichtersprache an (besonders der Bukolik), kommt im Attischen, im Koiné-Griechisch oder in der homerischenHomer Dichtersprache aber nicht vor. In beiden Fällen ist offenbar in absichtsvoller Weise eine wesentlich seltenere und in den homerischenHomer Epen nicht belegte Form gewählt worden, um den Leser mit nichthomerischer Dichtersprache zu konfrontieren.
Darüber hinaus finden sich sogar im Proöm selbst Formen, die auch für den im Griechischen bewanderten Leser durchaus eine Herausforderung darstellen: Die aktivische Form ὄνοσσαν (6) soll offenkundig dem medialen Deponens ὄνομαι zugeordnet werden.8Aristoteles Einen Eindruck von der Schwierigkeit des hier vorliegenden Altgriechischen vermittelt auch die Tatsache, dass die CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem, obwohl sie nur 222 Verse umfassen, gleich mehrere Vokabeln enthalten, die nicht im Liddell-Scott-Jones, teilweise nicht einmal im Thesaurus Linguae Graecae erfasst sind.9Camerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem Dagegen dürfte bei εὑρήσεται (8) ein Druckfehler vorliegen, der offenbar auch in späteren Ausgaben nicht korrigiert worden ist. In der von Camerarius selbst besorgten lateinischen Übersetzung in der zweisprachigen Ausgabe von 1546 findet sich an dieser Stelle invenietis. Auf dieser Grundlage bietet es sich an, εὑρήσεται in εὑρήσεσθε „ihr werdet für euch finden“ zu korrigieren.10
Intertextualität in der CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem
Über die erhobenen sprachlichen Befunde hinaus lassen sich auch einige bemerkenswerte Beobachtungen hinsichtlich der intertextuellen Beziehungen der CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem zu antiken Prätexten anstellen. Im Folgenden sollen nur einige wenige Stellen1Camerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilemCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem etwas näher in den Blick genommen werden, eine systematische Aufarbeitung der intertextuellen Bezüge muss einer zukünftigen Arbeit vorbehalten bleiben.
Dass ein katechetischer Text biblische Prätexte aufruft, kann schwerlich verwundern und ist im Falle der Zehn Gebote (43–68) und des Vaterunser (202–212) auch offensichtlich. Andere biblische Prätexte sind dagegen dem durchschnittlichen Leser heute vielleicht weniger präsent. Hier seien nur wenige Beispiele genannt: Die Verse 134–137 stehen in Zusammenhang mit dem Neuen Testament (Mt 6,26;2 10,29. 31),3 ebenso Vers 152 (Mt 10,30; Lk 12,7). Auch die Ermunterung, sich nicht zu fürchten (130), findet sich in den genannten biblischen Prätexten oder ihrer unmittelbaren Umgebung.4 Vers 218 dürfte auf 1 Tim 2,5 zurückgreifen.
In CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem 32 wird über Gott ausgesagt: „Nicht verderblich ist er, mein Kind, sondern barmherzig.“ Das griechische Wort für „verderblich“, δηλήμων, das bei Camerarius eine Eigenschaft bezeichnet, die (dem christlichen) Gott dezidiert nicht zukomme, ordnet dagegen in der Ilias kein geringerer als Apoll den Göttern zu, die nichts gegen die Misshandlung des Leichnams des Hektor durch Achill unternehmen.5HomerHomerIl.
Schon etwas komplexer ist der Fall in CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem 20–22: Camerarius hebt hervor, dass Gott nach der Schöpfung der Welt die Sorge um und Herrschaft über die Welt in keiner Weise aufgegeben oder delegiert habe „wie einer, der ein Schiff auf dem Meer gedankenlos betrachtet von der himmlischen Schwelle“. Der Schluss des Verses 21 νῆ’ ὡς ἐνὶ πόντῳ findet eine fast genaue Entsprechung in dem Schluss von Hom. OdHomerOd.. 23, 234 νῆ’ ἐνὶ πόντῳ. Dort wird die Freude des glücklich mit seiner Gattin Penelope vereinten Odysseus mit der Freude von Schiffbrüchigen, die an Land gelangen, verglichen. Das Schiff (νῆ’ = νῆα = attisch ναῦν) wird freilich bei HomerHomer nicht wie bei Camerarius betrachtet (und, wie der Kontext deutlich macht, geleitet), sondern (von Poseidon) zerstört. Der fürsorglichen Herrschaft Gottes bei Camerarius steht also die zerstörerische Einwirkung Poseidons bei Homer gegenüber. Der Halbvers ἀπὸ βηλοῦ θεσπεσίοιο (CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem 22) bildet ebenso den Schluss eines Hexameters in Hom. IlHomerIl.. 1, 591. Dort ist der Zusammenhang freilich ein deutlich anderer: Zeus schleudert Hephaistos „von der himmlischen Schwelle“. Auch hier ist von gewalttätigem Verhalten einer heidnischen Gottheit die Rede. Beide homerischenHomer Prätexte ließen sich einem Diskurs zuordnen, der die ‚Despotie‘ heidnischer Gottheiten der fürsorglichen Herrschaft (des christlichen) Gottes gegenüberstellt. Dieser Diskurs wird freilich explizit nirgends in den CPERCCamerarius d.Ä., JoachimCapita pietatis et religionis Christianae versibus Graecis comprehensa ad institutionem puerilem thematisiert.
Camerarius scheint aber auch auf lateinische Prätexte anzuspielen. Diese These lässt sich durch die sich unmittelbar anschließenden Verse 23–25 belegen: Das Bild des politisch Verantwortlichen als Steuermann war bereits in der klassischen Antike etabliert und der Übergang vom Staats- zum Weltenlenker naheliegend. Besonderes Augenmerk verdient nun aber die von Camerarius Gott ausdrücklich zuerkannte Fähigkeit, während seiner Steuerungstätigkeit nicht einzuschlafen. Nun kann schon im Alten Ägypten der schlafende Gott negativ, nämlich im Zusammenhang mit fehlendem Weltregiment und daraus resultierender Ungerechtigkeit, gewertet werden.6 Viel näher liegt es aber, hier einen Rekurs auf die Palinurus-Episode im fünften Buch der Aeneis VergilsVergil zu sehen.7 Dort wird der Steuermann Palinurus nämlich tatsächlich, während er das Schiff steuert, vom Schlaf übermannt und stürzt ins Meer in sein Verderben (5, 833–871). Wiederum wird ein Kontrast markiert zwischen dem ohnmächtigen Menschen, der von dem als Gottheit personifizierten Schlaf überwältigt wird, und dem allmächtigen (christlichen) Gott.