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Die andere Hälfte der Kirche
Die Frauenfrage in der katholischen Kirche in Deutschland 1
Christine Boehl (Berlin, Deutschland)
(Auch) Frauen sind Kirche. Sie haben die gleiche Würde, stellen den größten Teil derer, die Gottesdienste besuchen und halten in zahlreichen Haupt- und Ehrenämtern in der Katechese, als Kommunionhelferinnen, Lektorinnen oder in der Caritas das kirchliche Leben aufrecht. Zu Ostern hören wir, wie Maria Magdalena am Grab zur ersten Zeugin der Auferstehung wird (Joh 20,11-18) – seit 2016 wird der Apostola Apostolorum im liturgischen Kalender am 22. Juli gleichrangig mit den anderen Apostelfesten gedacht. (Auch) Frauen wollen gleichberechtigt mitwirken und Leitungsaufgaben in Kirche und Verkündigung übernehmen. Bestärkt durch das Zweite Vatikanische Konzil haben sie dies in der katholischen Kirche in Deutschland seit Jahrzehnten nachhaltig zum Ausdruck gebracht. Seit Mai 2019 hat das Anliegen durch Maria 2.0 eine unerwartet breite Resonanz in die Mitte der Kirche hinein erfahren.
Vom Zweiten Vatikanischen Konzil über die Würzburger Synode bis ins 21. Jahrhundert
Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) hat Katholikinnen in Aufbruchstimmung versetzt, vor allem mit der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes, in der auch die wachsende gesellschaftliche Bedeutung der Frauen angesprochen wird (u. a. GS 8,9 und 29) und dem Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem sowie der Kirchenkonstitution Lumen Gentium, welche die Rolle der Laien neu bestimmt: Sie haben als Teil des pilgernden Volkes Gottes – im Rahmen ihrer je spezifizierten Sendungsaufträge – am Sendungsauftrag und dem gemeinsamen Priestertum aller Getauften teil (LG 10 und 32). Bereits im Vorfeld des Konzils hatten sich deutsche katholische Frauen auch unter Beteiligung der Verbände mit Eingaben an das Konzil gewandt: Die heutige Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) hatte 1961 über ihre Verbandszeitschrift aufgerufen, Bitten an das Konzil zuzusenden und ebenso wie der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) eine Eingabe eingereicht. Zwar wurden die Anliegen der Frauen keinesfalls durchweg umgesetzt, jedoch fanden sie Beachtung bei den Konzilsvätern (vgl. Heyder, 16, 22). Als ab der dritten Sitzungsperiode des Konzils auch Laienauditorinnen zugelassen waren (zunächst 15, die 1965 auf 23 erweitert wurden), waren in Rom mit Sr. Juliana Thomas (ab 1964) und Dr. Gertrud Ehrle (1965) auch zwei deutsche Teilnehmerinnen im Laienauditorium beteiligt (vgl. Heyder, 15f.).
Der starke Impuls des Zweiten Vatikanums mündete in die Würzburger Synode (1971-75). Die 300 Teilnehmenden, darunter 140 Laien, die in den Diözesen gewählt beziehungsweise durch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), dem höchsten Gremium katholischer Laien, und die Arbeitsgemeinschaften der Orden benannt wurden, wollten das Zweite Vatikanum für die deutsche Kirche umsetzen. 18 Beschlüsse wurden gefasst, von denen für die Frauen jener über den Diakonat der Frau besonders interessant war, der wegen der weltkirchlichen Entscheidungsdimension an den Vatikan gesandt werden musste. Bis heute steht eine explizite Rückmeldung zu diesem Votum aus. Für die künftige Mitwirkung von Frauen und Männern im Gemeindeleben und an der Kirchenleitung waren Beschlüsse zu den Diensten und Ämtern und den pastoralen Strukturen, aber auch der Jugendarbeit bedeutend. Wesentlich wirkte sich die infolge des Konzils erfolgte Öffnung der Habilitationen für theologische Laien und damit auch Frauen und deren Anstoß für die wissenschaftliche Theologie aus (gleichwohl ist der Frauenanteil unter den Professuren noch gering, obwohl inzwischen mehr weibliche Studierende in der katholischen Theologie eingeschrieben sind, vgl. Emunds/Hagedorn; DBK 2019/20, 16; AGENDA). In den nachkonziliaren Jahrzehnten folgte Ernüchterung, was die Forderung nach einer geschwisterlichen Kirche anging, jedoch hat in den letzten Jahren auch die Deutsche Bischofskonferenz zunehmend erkannt, dass die Stellung der Frau für die Glaubwürdigkeit und Zukunftsfähigkeit der Kirche entscheidend ist. Es wurden Mentorinnenprogramme und Führungstagungen für weibliche Beschäftigte im kirchlichen Dienst eingeführt und die Bischöfe verpflichteten sich selbst (2013 auf einem Studientag, 2019 als verbindlich bekräftigt) zu einer Frauenquote von einem Drittel bei den Leitungspositionen ohne Weiheerfordernis. Dabei sollen auch Öffentlichkeitsarbeit, Priesterausbildung sowie Beratungsgremien berücksichtigt werden. Die Anstrengungen wirken (vgl. Qualbrink, 230); einige Bistümer haben mittlerweile das Seelsorgeamt oder die Caritasdirektion mit Frauen besetzt, München-Freising hat im Januar 2020 in der Bistumsleitung eine Doppelspitze mit Amtschefin Dr. Stephanie Herrmann neben dem Generalvikar installiert. Im Februar 2021 haben die Bischöfe mit Dr. Beate Gilles erstmals eine Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz gewählt.
Kirchen- und Religionszugehörigkeit in Deutschland
Für alle Belange von Frauen in der Kirche sind die nationalen Gegebenheiten in der Kirchen- und Religionszugehörigkeit prägend, daher ist es angezeigt, sich hier kurz die spezifische Situation in Deutschland vor Augen zu führen: Nur etwas über die Hälfte der Menschen sind Mitglied einer der großen christlichen Kirchen; circa ein Drittel gehören keiner Religionsgemeinschaft an, wobei mitgezählt wird, wer aus der Kirche ausgetreten ist. Beim Blick auf die Zahlen der Kirchenaustritte ist mit zu berücksichtigen, dass das Staatskirchenrecht Religionsgemeinschaften, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sind, erlaubt, eine sogenannte Kirchensteuer zu erheben (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV) mit der die Kirchen ihr Angebot im Wohlfahrtsstaat verlässlich aufrechterhalten können. Viele Menschen treten daher aus, wenn sie sich ihrer Kirche nicht mehr ausreichend verbunden fühlen, um die Kirchensteuer weiter zahlen zu wollen. Bei anderen mögen verschiedene Gründe dazukommen oder ausschlaggebend sein, so ist die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle 2010 merklich, in den letzten beiden Jahren noch weiter gestiegen (DBK 2019/20, 76f.). Die hohe, regional sehr unterschiedliche Zahl der Menschen ohne Kirchenzugehörigkeit ist einer Vielzahl historisch bedingter Faktoren geschuldet, unter denen neben den Folgen der Aufklärung und Säkularisierung vor allem die Kirchenfeindlichkeit des Nationalsozialismus und die Vergangenheit der ostdeutschen Bundesländer, die von 1949 bis 1989 zu der sich als atheistischer Weltanschauungsstaat begreifenden Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gehörten. Zu diesen gehören mit Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt auch die Stammlande der Reformation. Ein Trend zu weiterer Entkirchlichung zeichnet sich auch heute noch ab. 27,2 Prozent (22,6 Millionen) der Menschen in Deutschland sind katholisch, 24,9 Prozent evangelisch (20,7 Millionen) sowie circa 2,9 Prozent andere Christen in orthodoxen Kirchen (1,8 Millionen) oder freikirchlichen Gemeinschaften (DBK 2019/20, 72; EKD, 3). Daneben sind circa 4,4 bis 4,7 Millionen Menschen Muslime (BMI) sowie rund 97.791 Mitglieder in den 105 jüdischen Gemeinden, die vom Zentralrat der Juden vertreten werden (Zentralrat der Juden).
Frauen, die sich aus Deutschland für eine geschlechtergerechte Kirche engagieren, agieren aus einem Raum, in dem sich Christen und Christinnen seit 500 Jahren paritätisch auf die katholische und die evangelische Kirche verteilen. Katholischen Frauen ist damit ein alternatives gelingendes Modell präsent, da die Frauenordination in allen Landeskirchen der evangelischen Kirche in Deutschland – nach heftigen Diskussionen und in verschiedenen Schritten bis zur den Pfarrern gleichgestellten Ordination – eingeführt wurde, so zunächst 1958 in den Landeskirchen Anhalts, der Pfalz und Lübeck bis zuletzt 1991 in der kleinen Landeskirche Schaumburg-Lippe (vgl. Strübind, 174ff.). Neben den evangelischen Landeskirchen sind Pfarrerinnen auch in den evangelischen Freikirchen vertreten, auch die altkatholische Kirche ordiniert seit 1996 in Deutschland Frauen mit allen Vollmachten, nimmt mit circa 15.000 Mitgliedern jedoch nur einen geringen Anteil der Christen und Christinnen in Deutschland ein.
Diese strukturellen Gegebenheiten beeinflussen den Alltag und damit die Wahrnehmung der Katholikinnen auf verschiedenen Ebenen, so gehört die von Frauen geleitete Liturgie durch die große Zahl konfessionsverbindender Ehen zur familiär gelebten religiösen Alltagserfahrung vieler katholischer Frauen. Auch die Herausforderungen der säkularisierten Gesellschaft wirken insofern zurück, als sie die Diskrepanz zwischen der Rolle der Frau in der Kirche und in der Gesellschaft besonders spürbar werden lässt. So ist für deutsche katholische Frauen die Frage nach einem Verbleib in der Kirche unter den gegebenen Alternativen des Wechsels in eine Kirche der Reformation oder dem formalen Austritt aus der katholischen Kirche besonders virulent.
Zudem ist zur Situationsbestimmung deutscher Katholikinnen auch ein Blick in die pastoralen Strukturen der Gemeinden wesentlich, die neben dem Priestermangel von eigenen pastoralen Berufen geprägt sind: 2019 sind von 12.983 Priestern 8.323 im pastoralen Dienst aktiv (bei nur 63 Neuweihen 2019; vgl. DBK 2019, 2). Sie werden von 3.335 ordinierten ständigen Diakonen (viele hauptberuflich) unterstützt. Seit den 1970er Jahren gibt es mehr Gestaltungsspielraum für Laientheologen und -theologinnen, die mit kirchlicher Sendung, aber ohne ein Weiheamt als Pastoralreferenten und -referentinnen mit theologischem Hochschulstudium (3.267, davon 1.538 weiblich) und als Gemeindereferenten und -referentinnen mit einer vierjährigen religionspädagogischen Ausbildung (4.499, davon 3.533 weiblich) das Gemeindeleben gestalten (DBK 2019/20, 81). Gerade für die Kompetenzen der Pastoralreferenten und -referentinnen ist wesentlich, dass die Aufgabenbestimmung für diese pastoralen Berufe der einzelnen Diözese obliegt, so dass die Einsatzfelder differieren und teilweise den Predigt- oder Bestattungsdienst umfassen.
Die Forderung nach dem Diakonat der Frau
In dieser Situation ist die Weihe zum Diakonat der Frau ein umso wesentlicheres Element einer geschlechtergerechten Kirche. Nachdem das Zweite Vatikanum den ständigen Diakonat für Männer als eigenständiges Weiheamt wiedereingeführt hatte (vgl. LG 29), gewann die Forderung nach dem Diakonat der Frau, die als Eingabe beim Konzil – wenngleich ohne Aussicht auf Erfolg – angesprochen worden war, an Fahrt (vgl. Eckholt, 15). Der Beschluss der Würzburger Synode markierte den vorläufigen Höhepunkt. Bereits hier war die Diskussion auf dem Grund einer fundierten sakramentaltheologischen, historischen, liturgiewissenschaftlichen und exegetischen2 Argumentation erfolgt. Die wissenschaftliche Arbeit zu diesen Grundlagen wurde in den letzten Jahren weiter vertieft, so 1997 auf einem Kongress in Stuttgart, aus dem auf der praktischen Ebene ein „Netzwerk Diakonat der Frau“ hervorging, das in zwei Ausbildungskursen bereits berufene Frauen ausgebildet hat, ein dritter Kurs hat im September 2020 begonnen. Jährlich unterstreichen die Frauenverbände am Gedenktag der Heiligen Katharina von Siena am 29. April, dass sie an ihrer Forderung nach der sakramentalen Weihe für weibliche Diakone festhalten. Dabei können sie sich selbstbewusst auf die Tradition berufen: Die vielgestaltige Wirklichkeit der Diakoninnen in der frühen Kirche ist belegt, v. a. für die ersten sechs Jahrhunderte (vgl. Hainthaler). In jüngster Zeit erfuhren hierzu die Arbeiten von Hubert Wolf eine breitere Rezeption, der auf die frühere Äbtissinnenweihe und deren weitreichende Vollmachten verweist. Der Ritus der ordinatio abbatissae ist in frühmittelalterlichen Sakramentaren ausgeführt und eng an das Formular der Bischofsweihe angelehnt (vgl. Wolf, 46-54; Röttger, 150ff.). Bei der Forderung nach der sakramentalen Weihe für Frauen ist stets mitzubedenken, dass katholische Frauen in Deutschland durch die Ökumene mit den evangelischen Schwestern und Brüdern geprägt sind und Pastoral mit Pfarrerinnen und Bischöfinnen alltäglich erleben. Dies führt zu einem fruchtbaren theologischen Austausch, so zuletzt bei einem Kongress über Ämtertheologie 2017 an der Universität Osnabrück, der auch die Praxis der orthodoxen Kirche und die Wiedereinführung der Diakoninnenweihe in den Patriarchaten von Alexandrien und Jerusalem 2017 in den Blick nahm (vgl. Hainthaler, 223-227 sowie Vasilevich, 261-272).3 Die ökumenische Prägung verstärkt sicherlich auch, dass deutsche Frauen die lehramtliche Gegenargumentation als wenig befriedigend empfinden, die mit dem päpstlichen Sendschreiben Ordinatio sacerdotalis (Papst Johannes Paul II.) den Ausschluss der Frau von der Priesterweihe als jenseits der kirchlichen Vollmacht liegend festgestellt und auch seither im Blick auf den eigenständigen Diakonat der Frau keine überzeugende theologische Argumentation für den Ausschluss von Frauen von dieser eigenständigen Ausprägung des Weiheamtes vorgelegt hat. Damit besteht die Notwendigkeit fort, die theologische Diskussion unter Wahrung der Substanz des Sakramentes weiterzuführen (vgl. Demel). Anfänglich wurden dazu große Hoffnungen in das Pontifikat des Franziskus gelegt, als dieser im Mai 2016 auf die Anfragen der internationalen Vereinigung der Generaloberinnen eine Kommission eingesetzt hat, welche die historische Rolle des Frauendiakonats prüfen soll. Diesen überhöhten Erwartungen hat Papst Franziskus jedoch durch Presseäußerungen und das nachsynodale Schreiben Querida Amazonia später vorgebeugt. Haben die Frauenverbände selbst sich lange Zeit explizit darauf beschränkt, die Diakonatsweihe zu fordern, zeichnet sich jüngst eine pro-solidarische Haltung mit jenen Frauen ab, die auch einer Forderung nach der Priesterweise offen gegenüberstehen (KDFB). Für viele deutsche Katholikinnen ist mittlerweile klar: Theologisch begründungsbedürftig ist nicht die Diakonatsweihe der Frau, sondern der Ausschluss der Frauen von der Weihe (3. Osnabrücker These 2017, Eckholt et al., 465).
Maria 2.0 bis zum Synodalen Weg – ein Hoffnungsschimmer?
Eine neue Reichweite, um die Anliegen der Frauen stark zu machen, hat die Initiative Maria 2.0 erreicht, aus der, zunächst initiiert von Frauen in Münster, eine bundesweite Reform- und Protestbewegung hervorgegangen ist, die auch außerhalb des kirchlichen Raumes ein großes Medienecho erfährt. Das Besondere an dieser Bewegung ist, dass ihr Anstoß nicht aus der „organisierten Katholikenschaft“ erfolgte und dass sich Maria 2.0 zahlreiche Frauen (und unterstützende Männer) angeschlossen haben, die bis dato ihren Status in der Kirche still akzeptiert hatten. Vielen Frauen hat die Initiative den Mut gegeben, ihr Schweigen zu brechen, sich bestehenden engagierten Netzwerken anzuschließen – und mit neuer Hoffnung auf Veränderung bewusst in ihrer Kirche zu bleiben. Auslöser für Maria 2.0 und sicherlich der Grund für die breite Beteiligung waren die seit 2010 auch in Deutschland bekannt gewordenen Missbrauchsfälle und ihre zögerliche Aufarbeitung. So wird in der offenen Petition von Maria 2.0 an Papst Franziskus zuerst eine vorbehaltlose Aufklärung der Missbrauchsfälle und uneingeschränkte Kooperation mit den staatlichen Instanzen bei der Weiterverfolgung gefordert. Eng mit der Forderung nach einem Ende der Vertuschung verknüpft ist der Wunsch, die männerbündischen Strukturen in der Kirche aufzubrechen, in der einer der begünstigenden Faktoren für die mangelhafte Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gesehen wird. So war die sogenannte MHG-Studie (vgl. Dreßing et al.), welche die deutschen Bischöfe in Auftrag gegeben hatten, ein wesentlicher Schritt, jedoch müssen ihre Einschränkungen ebenso berücksichtigt werden wie später das unterschiedliche Vorgehen einzelner Diözesen mit selbst in Auftrag gegebenen Einzelgutachten. Weitere Forderungen des Schreibens von Maria 2.0 an den Papst, das über 42.000 Menschen unterzeichnet haben, betreffen neben dem Zugang für Frauen zu allen Ämtern die Abschaffung des Pflichtzölibats sowie die stärkere Ausrichtung der kirchlichen Sexualmoral an den Lebenswirklichkeiten der Gläubigen, ein Aspekt, der bereits in den Fragebögen von den deutschen Gemeinden und Verbänden zur Familiensynode 2015 als zentral adressiert worden war. Im Mai 2019 hatte die Initiative zu einer Aktionswoche aufgerufen, in der Frauen dem Gottesdienst und kirchlichen Ehrenamt fernbleiben und damit sichtbar machen sollten, was und wie viel der Kirche ohne sie fehlte. Stattdessen wurde in Gebeten vor der Kirche die Geschwisterlichkeit in der Kirche angemahnt. Viele Frauen haben sich seither angeschlossen und zeigen bundesweit in wiederkehrenden Aktionszeiträumen auf, dass Austreten für sie keine Option ist und sie weiter für eine partnerschaftliche Kirche eintreten, die freudig und glaubwürdig die Botschaft des Evangeliums verkündigt. Zwei der Gründerinnen von Maria 2.0 sind inzwischen leider aus der Kirche ausgetreten.
Ebenfalls durch die Erschütterung aufgrund des Missbrauchsskandals angestoßen wurde der Synodale Weg der Kirche in Deutschland, der als Weg der Umkehr und der Erneuerung auch Antworten auf drängende Fragen der Kirche finden soll. Zwei Jahre lang erarbeiten die 230 Teilnehmenden (in gleicher Anzahl Mitglieder der Bischofskonferenz und Delegierte des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ZdK, ebenso sind die geistlichen Dienste und kirchlichen Ämter sowie junge Menschen und Einzelpersönlichkeiten vertreten) in vier Synodalforen konkrete Reformvorschläge – wobei für den zeitlichen Verlauf berücksichtigt werden muss, dass auch die Synodalversammlung und die Foren durch die Corona-Pandemie nur eingeschränkt tagen konnten. Es ist bemerkenswert, dass neben den Themenfeldern Macht, priesterliches Leben und Sexualmoral auch die Stellung der Frau in der Kirche ein eigenes Forum bekommen hat. Bereits in Protokoll und Geschäftsordnung (der online live übertragenen Sitzungen) gelten ungewöhnliche Gepflogenheiten, so erfolgt die Sitzordnung alphabetisch, ohne die kirchliche Hierarchie zu berücksichtigen. Für die Beschlussfassung ist (neben der satzungsgemäßen Zweidrittelmehrheit der Bischöfe) in der Geschäftsordnung vorgesehen, dass bei Antrag auf getrennte Abstimmung auch eine Zweidrittelmehrheit der weiblichen Delegierten erforderlich ist. Eine spätere Umsetzung von Beschlüssen bleibt jedoch dem Diözesanbischof vorbehalten, Themen mit gesamtkirchlicher Bedeutung bedürfen eines Votums aus Rom.
Fallhöhe und Hoffnung sind entsprechend groß: Sollten aus dem synodalen Weg konkrete Reformschritte hervorgehen – gar das Frauendiakonat? –, könnte die deutsche Kirche entscheidende Anstöße für die Weltkirche geben. Sollte nach dem hoffnungsvollen Start der Weg ohne konkrete Ergebnisse enden, würde die katholische Kirche (nicht nur in Deutschland) zu Lasten der Frauen und Männer erheblich geschwächt.
Literatur
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Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/staat-und-religion/islam-in-deutschland/islam-in-deutschland-node.html;jsessionid=F0288139FEF6F03052ADA42F1AFEDBA3.2_cid373.
Demel, Sabine, Weniger als Priester, aber mehr als Laien. Ein Argument für die Einführung eines Frauendiakonats?, in: Stimmen der Zeit 8/2012, 507-519.
Dreßing, Harald et al., Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (MHG-Studie). Mannheim – Heidelberg – Gießen 2018, online: www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2018/MHG-Studie-gesamt.pdf.
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Eckholt, Margit et al. (Hg.), Frauen in kirchlichen Ämtern. Reformbewegungen in der Ökumene, Freiburg i. Br. 2018.
Emunds, Bernhard/Hagedorn, Jonas, Zur Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses in der deutschsprachigen Katholischen Theologie. JCSW 58 (2017), 341-403 | urn:nbn:de:hbz:6:3-jcsw-2017-20892.
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Strübind, Andrea, „Ich habe euch kein Frauengeschwätz geschrieben, sondern das Wort Gottes als ein Glied der christlichen Kirche“. Frauen in kirchlichen Ämtern – eine kirchenhistorische Spurensuche, in: Eckholt, Margit et al. (Hg.), Frauen in kirchlichen Ämtern. Reformbewegungen in der Ökumene, Freiburg i.Br. 2018, 160-185.
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Wolf, Hubert, Krypta. Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte, München 2015.
Zentralrat der Juden, https://www.zentralratderjuden.de/der-zentralrat/aufgaben/.
Bibliographischer Nachweis der lehramtlichen Texte: S. 283
[Links alle zuletzt eingesehen am 05. Juni 2021]
1Der Artikel ist im Erstdruck auf Italienisch erschienen und liegt hier in einer aktualisierten Version vor: Boehl, Christine: La questione delle donne nella chiesa cattolica in Germania (Übersetzung Elena Raponi), in: munera, rivista europea di cultura, 3/2020, 45-54. Wir danken dem Verlag für die Abdruckerlaubnis.
2V.a. Röm 16,1-2 wird mit dem Gruß an die Diakonin Phoebe herangezogen (wissend, dass die exegetische Diskussion um den Begriff sowie die zeitliche Abfassung vor der Ausprägung der kirchlichen Ämter Interpretationsraum lässt) (vgl. Hainthaler, 227f.).
3Am Ende des Kongresses wurden sieben Osnabrücker Thesen verabschiedet (plus vier Selbstverpflichtungen der Unterzeichnerinnen) als Grundlage der weiteren notwendigen (ökumenischen) Diskussion um die Frage nach Frauen in kirchlichen Ämtern (vgl. Eckholt et al., 25; 465-467).