Kitabı oku: «Das geistige Straßburg im 18. und 19. Jahrhundert», sayfa 2
Während die Abschnitte über die gelehrten Widmungsschreiber klar normativ organisiert sind, haben die Ausführungen über die Widmungsempfänger eher deskriptiv-anekdotischen Charakter, allerdings werden auch hier Forderungen wie die nach einer höheren Bildung des Adels formuliert. Etwas ungewöhnlich präsentiert sich schließlich der letzte Teil des Thesendruckes: An der Stelle der eine dissertatio häufig abschließenden corollaria, ergänzender Thesen mit lockerem Bezug zum Hauptteil, findet sich ein Abschnitt mit vier cautelae, praxisbezogenen Ratschlägen, auf die später eingegangen werden soll. – Einen Hinweis verdient noch der bereits als Überleitungspassus benannte Paragraf „Vindiciae pro quibusdam dedicantibus“.29 Hier bemerkt man nicht nur den apologetischen Ton, sondern auch eine Art von Scham angesichts des Umstandes, dass die notorisch geldknappen Gelehrten sich ihre Widmungen zuweilen bezahlen lassen müssen. Wenn es als besonderer Fall herausgestellt und mit Zitaten belegt wird, dass manche Autoren „ut familiam alant, mercede a mercatoribus invitati libros scribunt“,30 erscheint der Gedanke an den „Verkauf“ einer Buchwidmung besonders fragwürdig. Silberrad belegt die prekäre finanzielle Situation der gelehrten Autoren mit den denkbar unverdächtigsten Zeugnissen: Eingerahmt von bekräftigenden Sentenzen aus der Antike präsentiert er mehrere Dokumente, in denen er „unicum Erasmi patria Roterodami exemplum“31 als Gewähr für die Ausweglosigkeit einer Gelehrtenexistenz vorführt. Die einschlägigen Zitate aus Erasmus’ Briefen und sonstigen Schriften werden in den Fußnoten minuziös nachgewiesen, so als wollte Silberrad diese heikelste Frage gelehrter Selbstpositionierung ausschließlich mit der unangreifbaren Autorität des Erasmus, doch mit umso zuverlässigeren Belegen, beantworten. Tatsächlich stößt der nachschlagende Leser in dieser Dokumentation auf ein bewegendes Zeugnis aus der Feder des großen Humanisten, die sorgfältige apologetische Auflistung seiner Widmungen und der Absichten, die er mit diesen verfolgt oder nicht verfolgt hat.32
5. Im Folgenden soll die These, wonach die Disputation auf eine Selbstverständigung der Gelehrten abzielt, an drei Beispielen belegt werden, die auf Aspekte der Textualität beziehungsweise Materialität gegründet sind. Vorab sei darauf hingewiesen, dass Silberrads dissertatio ebenso wie vergleichbare Schriften – beispielsweise Jans De fatis dedicationum librorum – kompilatorischen Charakter hat, weshalb die spezifische Nutzung bestimmter Überlieferungsbausteine durch Vergleich recht anschaulich dargestellt werden kann. Hingegen ist eine genaue Rekonstruktion des Weges, den die Quellen jeweils genommen haben, nicht möglich, da Silberrad und seine Kollegen keineswegs nur die bekannten Abhandlungen von Lilienthal und Mencke ausschlachteten und außerdem immer damit gerechnet werden muss, dass sie auch die Originaldokumente – etwa zeitgenössische Gelehrtenbriefsammlungen – konsultierten. Nachweise in den Fußnoten können, müssen aber nicht Anhaltspunkte für den Rückgriff der Autoren auf die ursprünglichen Quellen sein.33
(a) Im Kapitel über die angebliche Geldgier der Widmungsschreiber wird die in vielen gelehrtenkritischen Schriften tradierte Episode von dem französischen Humanisten François Hotman und dem kurpfälzischen Rat Justus Reuber erzählt.34 Die offenbar zwischen beiden vereinbarte Zahlung einer Geldsumme für die Dedikation eines der Werke Hotmans an Reuber kam nicht zustande, weil dem Rat der Preis letztlich zu hoch war. Quelle für die Anekdote ist – unter anderem – die gedruckte Korrespondenz Hotmans,35 auf die die Autoren zuweilen explizit verweisen. Allerdings wird die Geschichte und zugleich ihre Kommentierung nicht selten auch auf anderem Wege überliefert. Die Passage bei Silberrad sei hier vollständig zitiert:
Fr. Hottomannum fatis melioribus dignum virum rogaverat Just. Reuberus, ut sui mentionem publice injiceret, seque, quod risu sane dignum, elogio quodam dignaretur; is ergo simplicitatem hanc et inane gloriae studium, in suos convertendum usus existimans, quas venales habuit laudes, in dedicatione Observationum ad ipsum facienda, ea cum conditione Reubero addixit, si centum Joachimicos praemij loco solvere promitteret. Verum noluit Reuberus tanti emere laudum suarum, quarum alioquin erat appetentissimus cantilenas. Eundem animi characterem in F. Hottomanno etiam notavit A. TEISSIER. Consil. et Historiogr. Pruss. inter alia haec quoque de ipso observans: On voit aussi dans ces lettres qu’il faisoit un negoce de ses Epîtres Dedicatoires, comme plusieurs autres Auteurs, et qu’il cherchoit par tout des Mecenas à qui il put offrir utilement ses livres; qu’il sollicitoit ceux qui étoient auprès des Princes à luy procurer des recompenses considerables, et que lors qu’elles ne repondoient à son atente, il s’en plaignoit et revenoit à la charge. Il paroit par sa lettre 164. qu’il avoit voulu dedier son livre des observations à Reuberus Chancelier du Palatinat, pourveu que Reuberus luy fit présent de cent écus d’or. Mais qu’il luy avoit fait connoître que bien qu’il estimat beaucoup ses louanges, l’état de ses afaires ne luy permettoit pas de les achepter à un si haut prix. Cependant Reuberus luy envoya ensuite trois doubles Ducats d’Arragon pour ses Etrennes. Voyez la lettre 194.36
Silberrad erzählt die Geschichte im Grunde zweimal, zunächst im – nicht markierten – Rückgriff auf Lilienthal, der die Anekdote als Beispiel für Menschen anführt, „qui non nisi aliorum Panegyricis volunt inclarescere“,37 und im Kontext seiner Ausführungen Hotman nicht angreift, ja sein Handeln in der Affäre überhaupt nicht erwähnt.38 Demzufolge wird auch in dieser ersten Erzählung nicht Hotman Gegenstand der Kritik, sondern Reuber, der ja von sich aus in lächerlicher Weise („quod risu sane dignum“) Hotman um die Widmung angegangen sei. Diesem sei dann praktisch nichts anderes übrig geblieben, als die Ruhmsucht des Rates zum eigenen Nutzen zu verwenden („inane gloriae studium, in suos convertendum usus existimans“). Dass Reuber die Widmung letztlich wegen des zu hohen Preises ablehnte, wird dann ziemlich unverhüllt als Geiz bewertet. Scheinbar zur bloßen Illustration des Vorgangs zitiert Silberrad danach aus einer dedikationenkritischen Quelle,39 die die Episode ebenfalls berichtet, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: Demnach sei das Angebot von Hotman ausgegangen, der „faisoit un negoce de ses Epîtres Dedicatoires“ und „cherchoit par tout des Mecenas à qui il put offrir utilement ses livres“. Reuber hingegen habe sich großzügig gezeigt, indem er zwar den hohen Preis aus nachvollziehbaren Gründen nicht zahlte, aber dem Anbieter umsonst ein kleineres Geldgeschenk überreichte. Mit dieser gelehrtenkritischen Alternativversion untergräbt Silberrad eigentlich die Position des eigenen Standes. Es war ihm offenbar wichtiger, verschiedene Perspektiven auf einen heiklen Vorgang zu eröffnen, wozu er sich der Technik des repetitiven Erzählens bediente. Dies scheint eine Besonderheit in der Verwertungsgeschichte dieses „Falles“ zu sein. Auch Jan, der der Anekdote einen ganzen Paragrafen widmet und ebenfalls beide Akteure kritisiert, verfährt anders, indem er zwar mehrere Quellen auswertet und einen ganz neuen Akzent einbringt – nämlich den Anspruch der Buchhändler, an den Dedikationen mitzuverdienen –, die Geschichte selbst aber nur einmal erzählt.40
(b) Wenige Seiten später referiert Silberrad allerlei satirische Schriften, die sich über die Geldgier der Widmungsschreiber mokieren. Wie nicht anders zu erwarten, wird hierunter auch Antoine Furetières Roman bourgeois von 1666 aufgeführt, welcher bekanntlich eine „Somme dédicatoire“ mit ironischen Anweisungen für das möglichst einträgliche Verfassen von Widmungsschriften (genau genommen deren fiktives Inhaltsverzeichnis) sowie ein parodistisches Muster eines Dedikationsschreibens enthielt, nämlich die Widmung eines Werkes an den Henker von Paris.41 Als Begründung für dieses parodistische Vorgehen führt er an,
id non alio factum ab ipsis [Furetière und Scarron, der eine ähnliche Parodie verfasste] fine est, quam ut in scriptores quosdam misellos, adulatoriis suis dedicationibus Magnatibus subinde molestos, eosque hoc pacto, utut conatu saepius irrito, nummis emungere sperantes, calamum liberius stringere, eosque risui exponere possent. Digni profecto quos omnes rideant, imo digni quibus omnes indignentur, qui tam turpiter literas prostituunt, invidiamque universo ordini literario apud alios perversis moribus suis contrahunt.42
Silberrad unterstellt also dem Autor Furetière, er habe seine Satire aus keinem anderen Grunde („non alio […] fine“) verfasst, als um jene Schreiberlinge zu verspotten, die mit ihren Schmeicheleien die Großen der Welt belästigten. Seine Invektive gegen diejenigen, „qui tam turpiter literas prostituunt“, fällt ungewöhnlich scharf aus. Die Formulierungen „perversis moribus“ und „ordini literario“ zeigen deutlich, dass das Standesethos der Gelehrten hier über die verständlichen Interessen der Widmungsschreiber gestellt wird. Der in der Realität akzeptierte Tauschcharakter der Dedikation wird erst recht abgelehnt, wenn Silberrad sogleich einen Beleg für die angemessene Rache der angeblich mit solchen Anerbietungen belästigten Adressaten hinzufügt: Papst Leo X. habe einem Autor, der ihm sein Buch über die Goldmacherkunst gewidmet habe, als Gegengabe boshafter Weise einen Sack geschickt, in dem dieser das mit seiner Kunst zu verfertigende Gold aufbewahren könne.43 Nachdem Silberrad auf diese Weise die Gepflogenheit des Dedizierens mit hämischen Worten geschmäht hat, ruft er sich freilich selbst zur Ordnung:
Absit vero omnes, qui, ut munera obtineant sua aliis scripta dedicant, in eadem collocemus classe, vel facti turpis accusemus. Injurij sane ratione hac in eos essemus, quos sors qua vivunt iniqua, ad hoc vel invitos compellit.44
Genau diese Ansicht, dass nämlich keineswegs alle diejenigen, die für Geld Widmungen verfassten, aus niedrigen Beweggründen handelten, dass vielmehr die materielle Not der Autoren durchaus als probater Rechtfertigungsgrund zu akzeptieren sei, vertrat ja auch der von Silberrad als Gewährsmann für die Gelehrtenkritik herangezogene Furetière. Auch wenn Silberrad, wie man vermuten kann, nicht den ganzen Roman, sondern nur das fiktive Widmungsschreiben gelesen hatte,45 hätte er gerade hieraus die doppelte Stoßrichtung der Kritik – gegen Widmungsschreiber und Mäzene – entnehmen müssen und den Verfasser nicht explizit auf eine einzige Absicht festlegen dürfen. So heißt es bei Furetière in einer ganz ironiefreien Passage: „[…] l’injustice du siecle est si grande que beaucoup d’illustres, abandonnez de leurs Mecenas, languissent de faim, et, ne pouvant supporter leur mépris et la pauvreté, ils sont reduits au desespoir.“46 Eine objektive Wiedergabe von Furetières Text lag freilich nicht in Silberrads Interesse. Vielmehr bedient er sich rhetorisch geschickt der häufig zitierten Anekdote von der parodistischen Widmung an den Henker, um zunächst, auf diese Autorität gestützt, eine kritische und spöttische Haltung gegenüber den Widmungsschreibern zu provozieren. Umso überraschender kommt einige Zeilen später dann die revocatio („Absit vero“), die den Leser womöglich auf sein eigenes Vorurteil hinweist. Silberrad bedient sich hier, was die Leserlenkung angeht, gegenüber der Hotman-Reuber-Episode eines umgekehrten Verfahrens: Er lässt eine empathische, identitätsstiftende Argumentation erst folgen, nachdem er zuvor in gezielt einseitigem Rekurs auf Furetière – und damit in provokanter Weise – ein finsteres Bild des geldgierigen Autors gezeichnet hat. Wiederum bleibt es den Lesern beziehungsweise den Teilnehmern und Zuhörern der Disputation überlassen, sich aufgrund eigener Erfahrung und eigener Überlegungen ihr Urteil zu bilden.
(c) In Bezug auf ihre Textualität auffällig ist auch die dritte Passage, auf die ich eingehen möchte: Im Abschnitt über die lobenswerten Widmungsempfänger wird das Beispiel Heinrichs IV. von Frankreich erwähnt, der dem Gelehrten Johannes Casaubonus für die Widmung seiner Polybios-Ausgabe eine hohe Geldsumme gewährte.47 Gemäß dem Moralitätsdiskurs, dem Silberrad in der Regel folgt, ist der Fall unproblematisch: Ein gebildeter Monarch belohnt den gleichfalls über alle Zweifel erhabenen Philologen mit einer würdigen Gegengabe. Gleichwohl hält es Silberrad hier für angebracht, nicht nur die Quelle für seine Informationen nachzuweisen,48 sondern in einer eigenen Anmerkung auch auf die außergewöhnliche Qualität des Widmungsschreibens selbst aufmerksam zu machen:
Quae [nämlich die Widmung] T. III. in Edit. Polybij Gronoviana exhibetur et reliquas hujus generis scriptiones in eo longe superat, quod cum rerum tractatarum gravitate (Historiam enim Rerump. Rectoribus prae caeteris disciplinis studiose cognoscendam commendat, vid. p. 51.)49 omnem fere exhauriat latinitatem, et formandi styli exemplum praebeat plane eximium. Ampliori hinc totius operis et exactae tractationis elogio digna visa B. BOECLER. nostro Hist. Princ. Sch. C. 1. §. 2. extr. p. 10. add. p. 120. et 153.50
Freilich war Silberrad zu dieser Rühmung der über sechzigseitigen Widmungsvorrede durch eine andere Quelle motiviert worden,51 entscheidend ist jedoch, dass er hier den Diskurs De moralitate verlässt und – bezeichnender Weise in einer Fußnote – eine ganz neue Option eröffnet: Die Rechtfertigungsfrage lässt sich für den Widmungsschreiber offenbar umgehen, wenn er einen sachlich und stilistisch herausragenden Text abliefert. Das Kriterium der Qualität der dedicatio wird, konsequent weitergedacht, zum unangreifbaren Legitimationsargument, die Widmungsvorrede hat mithin das Potenzial zum Paratext eigenen Rechts. Diese in der modernen Forschung selbstverständliche Einschätzung gilt mutatis mutandis für eine nicht unerhebliche Zahl von Dedikationen frühneuzeitlicher Schriften. Ulrich Maché weist etwa für Martin Opitzens Schäfferey von der Nimfen Hercinie darauf hin, dass in der Widmungsvorrede „the passages that articulate the act of offering this book to the patron amount to less than fifteen percent of what appears to be a dedicatory letter. In the remaining eighty-five percent of the text Opitz addresses topics related to his literary reform, issues that one would expect to find in a preface.“52 Um dieser Bedeutung Rechnung zu tragen, nimmt die kürzlich abgeschlossene Ausgabe der lateinischen Schriften von Martin Opitz grundsätzlich alle lateinisch geschriebenen Widmungen des Autors, auch die zu deutschsprachigen Schriften gehörenden, auf; die wissenschaftliche Kommentierung dieser Texte geht auf rhetorisch-stilistische, pragmatisch-funktionale und sachlich-thematische Aspekte gleichermaßen ein.53 Im frühen 18. Jahrhundert forderte die Konfrontation mit dem Phänomen des Widmungsschreibens hingegen offenbar eine Leserentscheidung heraus: Die drängende Frage nach der „Moralität“ von Dedikationen beschäftigte die Gelehrten; ihre kritische Haltung ist als Ausdruck eines Selbstverständigungsprozesses innerhalb der respublica litteraria zu sehen, der vor allem verhaltensethische Unzulänglichkeiten auf beiden Seiten – bei Schreibern wie Adressaten – in den Blick nahm. Die epistemologische Perspektive, aus der heraus die Widmungsvorrede beispielsweise als Ort grundsätzlicher, auch unorthodoxer Reflexionen über den behandelten Gegenstand eine wichtige Funktion einnehmen konnte, existierte unabhängig davon und musste im Diskurs der gelehrten (Selbst)kritik in den Fußnotenapparat abgedrängt werden.
6. Der Aspekt der akademischen Selbstverständigung findet sich auch in den „lokalen Bezügen“, die fast systematisch in den Thesendruck integriert erscheinen.54 Die intendierte enge Verflechtung zwischen dem Adel der Geburt, dem – wenn man so will – Adel des Geldes und dem Adel des Geistes wird durch die Wahl der Bezugspersonen im städtischen Kontext anschaulich gemacht: Wer im seit 1681 französischen Straßburg auf ideale – das heißt bildungsbeflissene – Herrscher hinweisen wollte, tat gut daran, Könige wie Heinrich IV. oder den jüngst (1715) verstorbenen Ludwig XIV. zu rühmen, wie es Silberrad denn auch tut.55 Die wohlhabenden Honoratioren der Stadt erhalten, wie oben gezeigt, ihren Ehrenplatz auf der Widmungstafel. Und im Zentrum der Abhandlung werden immer wieder prominente Vertreter der Straßburger Gelehrtenrepublik erwähnt, zu denen der Verfasser in persönlicher Verbindung steht oder die in früheren Zeiten den Ruhm der Academia Argentinensis ausmachten. Die insgesamt neun mit Straßburg in Beziehung stehenden Passagen erscheinen für die Argumentation keineswegs unerlässlich, so wird beispielsweise die Unterscheidung zwischen angemessenem und schmählichem Widmungsverhalten ohne zwingenden Grund aus einer Abhandlung von Johann Caspar Khun, „Venerando Facultatis nostrae Seniore Amplissimo“,56 zitiert, einem Text, der überhaupt nur an dieser einen Stelle kurz auf den Brauch des Dedizierens eingeht.57 Noch auffälliger auf das lokale „name dropping“ zielend ist eine Passage im Proömium, wo zum Stichwort der vorgetäuschten Gelehrsamkeit auf eine Vorrede verwiesen wird, die einer Dissertationensammlung von Thomas Bartholin vorangestellt ist und deren Verfasser bezeichnet wird als „eruditionis elegantissimae Theologus M. R. DN. Jo. Gerh. MEUSCHEN, Illustr. et Celsissimi Comitis Hanoici Primarius hodie sacrorum Antistes et Ecclesiasticus Consiliarius gravissimus, Patronus Fautorque noster honorandus, amandus“.58 Auf der diachronen Ebene nutzt Silberrad die im Rahmen der Gelehrtenkritik zu erwartende Topik der Zeitklage, um auf die ruhmreiche Frühzeit der Straßburger Akademie hinzuweisen.59 Im Kontext seiner Äußerungen über die Notwendigkeit der Fürstenbildung heißt es hier:
Utinam ergo fata illa Academiis Scholisque redirent, qualibus circa An. 1590. Melchiore Junio perpetuum Rectoratum gerente, Argentinensis nostra gavisa fuit!60
Vermutlich nimmt Silberrad damit auf den Umstand Bezug, dass in dieser Zeit besonders viele adlige Zöglinge die aufstrebende Straßburger Hochschule besuchten,61 während die Attraktivität Straßburgs in den Jahren um und nach 1700 infolge von Kriegswirren stark zurückgegangen war.62 – Um schließlich auch den konfessionellen Schulterschluss im streng lutherischen Straßburg zu festigen, fügt der Autor die bekannte Anekdote von den Sozinianern ein, die die Geschmacklosigkeit begingen, ihren Rakówer Katechismus ausgerechnet der Universität Wittenberg zu widmen.63 Die Episode ist ein wenig deplatziert64 in einen Kontext durchaus berechtigter Dedikationsakte eingeschoben; womöglich wollte Silberrad neben der Suggestion eines harmonischen Zusammenspiels der bildungstragenden Akteure auch noch ein deutliches Bekenntnis zur eigenen Rechtgläubigkeit abgeben.
7. An Stelle der so genannten corollaria, also locker gefügter Thesen, die im Anschluss an die Kerndisputation gegen Ende des universitären Aktes fakultativ bearbeitet werden konnten, enthält unsere Disputation am Schluss vier Paragraphen mit cautelae, also Vorsichtsmaßnahmen, die es zu ergreifen gilt, wenn man sich auf dem glatten akademischen Parkett angemessen zu bewegen versucht:
Haec ergo quum Dedicationum sit conditio haud abs re erit, de Prudentia Viri sapientis, circa scriptorum suorum dedicationes, paucula addere, et quomodo famae suae ut parcat, versari in illis debeat, inquirere.65
Schon die erste cautela macht deutlich, dass die spannungsfreie Integration des Gelehrten in sein Umfeld für Silberrad von höchster Priorität ist, heißt es da doch, man solle, um nicht bei anderen den Anschein eines neumodischen oder absonderlichen Menschen zu erwecken, den altehrwürdigen Brauch, Bücher mit Widmungen zu versehen, nicht rundweg ablehnen.66 Weiter ist dann davon die Rede, dass man mit seiner abweisenden Haltung leicht ins Abseits geraten könne, weil ja selbst die erklärten Gegner des Disputationswesens Widmungen verfassten. In der Folge vertritt Silberrad eine pragmatische, ausgleichende Position, die davon abrät, angesichts des geläufigen Missbrauchs der Dedikationen das Kind mit dem Bade auszuschütten („cum sordibus infantem ipsum ejicere“),67 zugleich aber immer wieder mahnt, jeden Anschein von Geldgier oder Ehrgeiz zu vermeiden, was beispielsweise dadurch geschehen könne, dass man das Angebot einer finanziellen Gegenleistung für die Widmung ablehne oder seine Schriften Personen von gleichem sozialem Rang dediziere.68 Zur souveränen Haltung des Gelehrten gehört für Silberrad auch, dass man übergroßes Misstrauen vermeidet. Die Ansicht, jedes Lob komme einer Lüge gleich („laudare prope mentiri esse“),69 zeugt für ihn von einer unangebrachten Menschenfeindlichkeit. Diese „rigidam […] philosophiam“70 lehnt er ab und wendet sich damit explizit gegen die mehrfach erwähnten „Observatores Hallenses“ und damit auch gegen den Mitherausgeber dieser Hallischen Zeitschrift, Christian Thomasius, den er in einer Fußnote explizit als Autor der Vorrede des relevanten dritten Bandes zu identifizieren glaubt.71 Wenn die cautelae schließlich in einen Appell zur Gelassenheit angesichts der prekären Situation der Autoren münden, so ist damit nicht nur eine Warnung vor überzogenen Hoffnungen auf mäzenatische Förderung verbunden, sondern die respublica litteraria formiert sich in der Perspektive des Verfassers zugleich als Schicksalsgemeinschaft, die auf Rückschläge gefasst zu sein hat.
8. Der Disputationsdruck endet mit einem Gebet,72 was in Texten dieser Art nicht ganz exzeptionell, aber auch nicht sehr verbreitet ist. Es markiert den Übergang vom Aufruf zur akademischen Selbstverständigung hin zu einem kaum verdeckten Appell an die Mäzene, womit auf subtile Weise an die dem Druck vorangestellte Widmungstafel angeknüpft wird. Gott dient ja ungeachtet des Gebetsgestus fraglos als Mittler einer Botschaft, die sich an die wohlhabenden Patrizier beziehungsweise an die Obrigkeit der ehemaligen Reichsstadt richtet, heißt es doch, er möge nicht nur das ungünstige Schicksal („fata duriora“) von der Gelehrtenrepublik abwenden („a Republ. literaria clementer avertat“), sondern auch
eosque qui pietatis ac sapientiae studiorum strenui adhuc sunt assertores gratiose conservet, et ut nutrices vindicesque verae eruditionis Academias inque his docentes diligere ac ornare pergant, faxit.73
Mit den „studia pietatis ac sapientiae“ war überdies die Maxime Johannes Sturms (1507 bis 1589), des legendären Begründers der Straßburger Akademie im 16. Jahrhundert, aufgerufen. Mit Sturm und dem in altrömischer Manier apostrophierten „DEUS O. M.“ an ihrer Seite, so das Kalkül der Disputanten, würden sie die Mäzene74 schon bei der Stange halten. Für die richtige Einstellung zum Disputationswesen und die angemessene Praxis des Dedizierens sollte im akademischen actus, zu dem der Thesendruck einlud, jedenfalls gestritten werden.