Kitabı oku: «Das Neue Testament - jüdisch erklärt», sayfa 23
Jesu Tod als „Lösegeld“
Mk 10,45 ist der Höhepunkt im Mittelteil des Markusevangeliums. Die Stellung des Verses im Kontext drückt eine Paradoxie aus: Jakobus und Johannes erwarten, dass der Menschensohn in Herrlichkeit kommt, aber Jesus beharrt darauf, dass „der Menschensohn […] nicht gekommen [ist], dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ Vermutlich liegt dieser Stelle die Vorstellung vom leidenden Gottesknecht aus Jesaja 52–53 zugrunde, aber die Bedeutung und Herkunft des „Lösegeldes“ (gr. lytron) ist in diesem Zusammenhang unklar. Obwohl es in der christlichen Theologie eine langanhaltende Diskussion über das Zustandekommen und die Wirkung dieses Lösegeldes gab, gibt es kein Einverständnis darüber, was „sein Leben gebe[n] als Lösegeld für viele“ im Kontext des Evangeliums bedeutet. Die Theorien reichen von der Vorstellung, dass Jesu Tod die „Schulden“ menschlicher Sünden abbezahle, entweder vor Satan oder vor Gott, um die göttliche Vergeltung (s.o. zum „Kelch“, Anm. zu Mk 10,38) abzuwenden, oder um als Opfer (wie beim Opfer im Tempel) die Jünger Jesu von ihren Sünden reinzuwaschen. Im ersten Jahrhundert war unter Juden und Anhängern Jesu die Vorstellung von Sünden als Schulden und der Erlösung von Sünden als Schuldenerlass verbreitet (vgl. Mt 6,12). In der vorangehenden Perikope wurde das Almosengeben als Erwerb eines „Schatzes im Himmel“ (Mk 10,21) beschrieben. Das Lösegeld, das Jesus bezahlt, könnte in Analogie dazu darin bestehen, dass er durch seinen Tod die Sündenschulden abbezahlt – aber vor Satan oder vor Gott? Der Ausdruck „für viele“ kann ein Opfer als Bezahlung für die Sünden der Menschen (s. die Anm. zu Mk 14,24; Jes 53,12) implizieren, aber diese Vorstellung wurde erst im 11. Jahrhundert in der westlichen christlichen Theologie dominant.
46 Und sie kamen nach Jericho. Und als er aus Jericho hinausging, er und seine Jünger und eine große Menge, da saß ein blinder Bettler am Wege, Bartimäus, der Sohn des Timäus. 47 Und als er hörte, dass es Jesus von Nazareth war, fing er an zu schreien und zu sagen: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 48 Und viele fuhren ihn an, er sollte schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 49 Und Jesus blieb stehen und sprach: Ruft ihn her! Und sie riefen den Blinden und sprachen zu ihm: Sei getrost, steh auf! Er ruft dich! 50 Da warf er seinen Mantel von sich, sprang auf und kam zu Jesus. 51 Und Jesus antwortete ihm und sprach: Was willst du, dass ich für dich tun soll? Der Blinde sprach zu ihm: Rabbuni[*], dass ich sehend werde. 52 Und Jesus sprach zu ihm: Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen. Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege.
Mk 8,22–10,52 Der zweite Hauptteil: Die Passionsankündigungen und lehrhafte Abschnitte zu sozialen Fragen Dieser Abschnitt wird von zwei Wundererzählungen gerahmt, bei denen das Augenlicht von Blinden wiederhergestellt wird. Im Zentrum stehen drei beinahe gleichlautende Vorhersagen von Jesu Leiden und Tod, die mit der Vorstellung eines „Weges“ in Verbindung gebracht werden (Mk 8,27–33; 9,30–37; 10,32–34), sowie lehrhafte Abschnitte zu sozialen Fragen. Das literarische Stilmittel der Rahmung eines Abschnitts wird „inclusio(n)“ genannt; beim Fehlen von Kapitelzäsuren und anderer visueller Indikatoren zeigte sie an, wenn innerhalb einer antiken Erzählung eine Einheit abgeschlossen war. Indem Markus diese Methode verwendet, hebt er sowohl das wahre Verständnis von Jesu messianischer Rolle als auch dessen Missverständnisse hervor.
Mk 10,46–52 Der blinde Bartimäus (Mt 20,29–34; Lk 18,35–43). 10,46 Bartimäus, bedeutet Sohn des Timäus. 10,47 Sohn Davids, erbarme dich meiner, jüdische Heiler dieser Zeit heilten z.T. im Namen Salomos, der wortwörtlich Davids Sohn war (Jos.Ant. 8,42–49). Das „Sohn Davids“-Heilungsformular könnte die Anhänger Jesu beeinflusst haben. In PsSal 17,21 ist der kommende König der Sohn Davids: „Sieh zu, Herr, und richte ihnen auf ihren König, den Sohn Davids, zu der Zeit, die du [auser(sehen)], oh Gott, über Israel, deinen Knecht, zu herrschen“. Sowohl bei Matthäus (Mt 1,6–7) als auch bei Lukas (Lk 1,27; 3,31) ist Josef ein Nachfahre Davids, Markus führt leider keine Genealogie an.
Markus 11
1 Und als sie in die Nähe von Jerusalem kamen, bei Betfage und Betanien am Ölberg, sandte er zwei seiner Jünger 2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt. Und alsbald wenn ihr hineinkommt, werdet ihr ein Füllen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat; bindet es los und führt es her! 3 Und wenn jemand zu euch sagen wird: Was tut ihr da?, so sprecht: Der Herr bedarf seiner, und er sendet es alsbald wieder her. 4 Und sie gingen hin und fanden das Füllen angebunden an einer Tür draußen am Weg und banden‘s los. 5 Und einige, die da standen, sprachen zu ihnen: Was tut ihr da, dass ihr das Füllen losbindet? 6 Sie sagten aber zu ihnen, wie ihnen Jesus geboten hatte, und die ließen‘s zu.
7 Und sie führten das Füllen zu Jesus und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. 8 Und viele breiteten ihre Kleider auf den Weg, andere aber grüne Zweige, die sie auf den Feldern abgehauen hatten. 9 Und die vorangingen und die nachfolgten, schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! 10 Gelobt sei das Reich unseres Vaters David, das da kommt! Hosianna in der Höhe!
11 Und er ging hinein nach Jerusalem in den Tempel und er besah ringsum alles, und spät am Abend ging er hinaus nach Betanien mit den Zwölfen.
Mk 11,1–11 Einzug nach Jerusalem (Mt 21,1–9; Lk 19,28–38; Joh 12,12–19). 11,1 Ölberg, der Schauplatz der bevorstehenden eschatologischen Schlacht (Sach 14,4). Eine messianische Gestalt jener Zeit, der so genannte ägyptische Prophet, verkündete ebenfalls, dass Gott auf dem Ölberg erscheinen würde (Jos.Ant. 20,168–72). 11,2 Von einem Füllen spricht die apokalyptische Vision in Sach 9,9. Sie greift dabei den Segen Abrahams für Juda (Gen 49,11) auf; das Ausbreiten der Kleider (V. 8) wurde mit der Königskrönung in Israel in Verbindung gebracht (2Kön 9,13). 11,3 Der Herr, könnte sich auf jede ehrbare Person beziehen, aus Sicht der Leserschaft jedoch identifiziert der Titel Jesus als Herrn. 11,8 Grüne Zweige, vgl. 1Makk 13,51. 11,9 Hosianna, „rette doch“ auf Aramäisch. Das Zitat, das in das Hallel eingearbeitet wurde, stammt aus Ps 118,25–26 und wurde an den Pilgerfesten Pesach, Schawuot (hebr. für „Wochen“) und Sukkot (hebr. für „Hütten“) sowie zu anderen festlichen Anlässen gesungen. 11,10 Kein Zitat, sondern eine Ergänzung, um die Verbindung zum Kommen des davidischen Reiches herzustellen.
12 Und am nächsten Tag, als sie von Betanien weggingen, hungerte ihn. 13 Und er sah einen Feigenbaum von ferne, der Blätter hatte; da ging er hin, ob er etwas darauf fände. Und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter; denn es war nicht die Zeit für Feigen. 14 Da antwortete Jesus und sprach zu ihm: Nun esse niemand mehr eine Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten das.
15 Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an, hinauszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler stieß er um 16 und ließ nicht zu, dass jemand etwas durch den Tempel trüge. 17 Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht. 18 Und es kam vor die Hohenpriester und Schriftgelehrten, und sie trachteten danach, wie sie ihn umbrächten. Sie fürchteten sich nämlich vor ihm; denn alles Volk verwunderte sich über seine Lehre. 19 Und am Abend gingen sie hinaus vor die Stadt.
20 Und als sie am Morgen an dem Feigenbaum vorbeigingen, sahen sie, dass er verdorrt war bis zur Wurzel. 21 Und Petrus erinnerte sich und sprach zu ihm: Rabbi, sieh, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. 22 Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Habt Glauben an Gott! 23 Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spräche: Heb dich und wirf dich ins Meer!, und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte, dass geschehen würde, was er sagt, so wird‘s ihm geschehen. 24 Darum sage ich euch: Alles, was ihr betet und bittet, glaubt nur, dass ihr‘s empfangt, so wird‘s euch zuteilwerden. 25 Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.[*]
Mk 11,12–25 Der Fluch über den Feigenbaum und das prophetische Gericht über den Tempel (Mt 21,12–13.18–22; Lk 19,45–48). 11,15–18 Im Johannesevangelium wird die Tempelaktion sehr früh platziert (Joh 2,13–22), aber Markus, dem Matthäus und Lukas folgen, schildert sie erst zu Beginn der Passionserzählung. Für Markus beschwört die Szene im Tempel die Hinrichtung Jesu durch die römischen Autoritäten herauf. Das Jerusalemer Tempelareal war flächenmäßig das größte der Antike. Im äußeren Vorhof (manchmal auch Vorhof der Heiden genannt) tätigten Geldwechsler und Viehhändler die nötigen Geschäfte, damit Pilger ihre Opfer darbringen konnten. 11,14 Der Text nennt keinen Grund für diesen Fluch. Die Zerstörung eines Feigenbaums ist ein Bild für das göttliche Gericht (Jes 34,4; Jer 5,17). 11,15–17 Warum Jesus Einspruch erhebt, ist unklar. Vorschläge umfassen: (1) Er erkennt eine Verletzung der Heiligkeit des Tempels (vgl. mBer 9,5, nicht auf Geld, sondern allgemein auf das Verhalten im Tempelbezirk bezogen); (2) Für alle Völker bedeutet ein Ende des Ausschlusses der Nichtjuden; oder (3) er verurteilt die angebliche ökonomische Ungerechtigkeit der von den Römern eingesetzten Oberschicht des Tempels, die verlangt, dass Geld am Tempel gewechselt werden soll. Der Text jedoch erwähnt keine dieser Beweggründe. Der Untergang des Ersten Tempels wird in manchen prophetischen Texten als Folge von Sünde betrauert, z.B. Jes 64,8–11. 11,17 Markus verbindet Jes 56,7 und Jer 7,11, während die johanneische Tempelszene (Joh 2,16–17) Ps 69,10 zitiert und auf Sach 14,21 anspielt. Die markinischen Zitate werden oft dahingehend interpretiert, dass sie die umfassende Eingliederung der Nichtjuden im anbrechenden neuen Zeitalter betreffen, aber das Zitat aus Jesaja bezieht sich eigentlich auf die Annahme von Eunuchen einerseits und Fremden andererseits; erstere sind mitinbegriffen und letztere befolgen die Gebote Gottes, ohne selbst Jüdinnen und Juden zu werden. Räuberhöhle, die Anspielung auf Jer 7,11 könnte andeuten, dass Markus sich gegen den Missbrauch durch die Tempelelite oder den Verkauf von Opfertieren im äußeren Vorhof des Tempels ausspricht, wie es V. 15 andeutet. Der Kontext von Jer 7,1–15 ist eine Verurteilung des Missbrauchs durch das Volk und des falschen Gefühls von Sicherheit, das sie im Tempel empfinden; es ist unklar, welche Art des Missbrauchs Markus vorschwebt. 11,20–25 In der markinischen Darstellung wird der Feigenbaum jetzt mit einem Gebet in Verbindung gebracht, dass der Tempelberg – der Ort der geordneten Anbetung und Anerkennung der Herrschaft Gottes – sich aufhebe und ins Meer werfe, in den Ort des ursprünglichen Chaos, das Gott in der Schöpfung unterwirft (Jes 27,1; Ps 89,10; Hiob 26,12). Indem er die Symbolik der Feigen von den Propheten übernimmt (Hos 9,10; Mi 7,1; vgl. Lk 13,6–9), spricht Markus von der bevorstehenden Zerstörung des Tempels und seiner Führung. 11,25 Vergebt […] damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe, Markus überliefert das Vaterunser (Mt 6,9–13; Lk 11,2–4) nicht, aber diese Formulierungen könnten andeuten, dass er es kannte. Vater, vgl. Anm. zu 14,36.
27 Und sie kamen wieder nach Jerusalem. Und als er im Tempel umherging, kamen zu ihm die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten 28 und sprachen zu ihm: Aus welcher Vollmacht tust du das? Oder wer hat dir diese Macht gegeben, dass du das tust? 29 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich will euch eine Sache fragen; antwortet mir, so will ich euch sagen, aus welcher Vollmacht ich das tue. 30 Die Taufe des Johannes – war sie vom Himmel oder von Menschen? Antwortet mir!
31 Und sie bedachten es bei sich selbst und sprachen: Sagen wir, sie war vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt? 32 Oder sollen wir sagen, sie war von Menschen? Doch sie fürchteten sich vor dem Volk; denn sie meinten alle, dass Johannes wirklich ein Prophet sei. 33 Und sie antworteten und sprachen zu Jesus: Wir wissen‘s nicht. Und Jesus sprach zu ihnen: So sage ich euch auch nicht, aus welcher Vollmacht ich das tue.
Mk 11,27–33 Die Frage nach der Vollmacht (Mt 21,23–27; Lk 20,1–8) 11,29–30 Die Anführer versuchen Jesus zu einer gefährlichen Aussage zu verleiten, er aber wendet ihre Provokation gegen sie selbst.
Markus 12
1 Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. 2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs nähme. 3 Da nahmen sie ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 4 Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. 5 Und er sandte einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. 6 Da hatte er noch einen, den geliebten Sohn; den sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 7 Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! 8 Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg.
9 Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. 10 Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22–23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. 11 Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen[*]«? 12 Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.
Mk 12,1–12 Das Gleichnis vom Weinberg (Mt 21,33–46; Lk 20,9–19). Das Gleichnis, das im Vergleich zu anderen Gleichnissen eher das Gericht als das Reich Gottes im Blick hat, gründet auf der Allegorie von Jes 5,1–7, wobei bei Markus die Weingärtner die Anführer Israels sind, die Knechte die Propheten Gottes repräsentieren und der Erbe für Jesus selbst steht. Bei Jesaja wird der Weinberg verurteilt, weil er keine essbaren Trauben hervorbringt (Götzendienst und Unrecht werden mit wilden Trauben verglichen), und seine Zerstörung wird vorhergesagt. Christliche Traditionen sehen mitunter in diesem Gleichnis Jesu die Ankündigung, dass das Judentum durch die Kirche ersetzt werden würde, aber das Gleichnis kann auch als Verurteilung jüdischer Amtsträger durch Jesus verstanden werden, weil diese mit Rom zusammenarbeiteten. 12,10 Ps 118,22–23. Eckstein, gr. kephalēn gonias; hebr. rosch pina, übersetzt „Haupt der Ecke“. Ein „Schlusstein“ ist der oberste Stein am Scheitel eines Bogens, der den Bogen fixiert; ein Eckstein ist der Stein, auf dem alles andere aufliegt. Die allgemeine Aussage des Psalms wird auf Jesus bezogen.
13 Und sie sandten zu ihm einige von den Pharisäern und von den Anhängern des Herodes, dass sie ihn fingen in seinen Worten. 14 Und sie kamen und sprachen zu ihm: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und fragst nach niemand; denn du siehst nicht auf das Ansehen der Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes recht. Ist‘s recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt, oder nicht? Sollen wir sie zahlen oder nicht zahlen?
15 Er aber merkte ihre Heuchelei und sprach zu ihnen: Was versucht ihr mich? Bringt mir einen Silbergroschen, dass ich ihn sehe! 16 Und sie brachten einen. Da sprach er zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. 17 Da sprach Jesus zu ihnen: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! Und sie wunderten sich über ihn.
Mk 12,13–17 Steuern für den Kaiser (Mt 22,15–22; Lk 20,20–26) Wie in Mk 11,27–33 versuchen die Gegner Jesu, ihm eine politisch kompromittierende Äußerung zu entlocken. Hintergrund dieses Abschnittes könnten die Geschehnisse von 6–7 u.Z. sein, als ein prophetischer Anführer namens Judas (in Apg 5,37 erwähnt) eine Bewegung zur alleinigen Verehrung Gottes und zur Verweigerung von Steuerzahlungen ins Leben rief (Jos.Bell. 2,117–18).
18 Da traten die Sadduzäer zu ihm, die sagen, es gebe keine Auferstehung; die fragten ihn und sprachen: 19 Meister, Mose hat uns vorgeschrieben (Deuteronomium 25,5–6): »Wenn jemandes Bruder stirbt und hinterlässt eine Frau, aber keine Kinder, so soll sein Bruder sie zur Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen erwecken.« 20 Nun waren sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau; der starb und hinterließ keine Kinder. 21 Und der zweite nahm sie und starb und hinterließ auch keine Kinder. Und ebenso der dritte. 22 Und alle sieben hinterließen keine Kinder. Zuletzt nach allen starb die Frau auch. 23 Nun in der Auferstehung, wenn sie auferstehen: Wessen Frau wird sie sein? Denn alle sieben haben sie zur Frau gehabt.
24 Da sprach Jesus zu ihnen: Irrt ihr nicht darum, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes? 25 Denn wenn sie von den Toten auferstehen, so werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie die Engel im Himmel. 26 Aber von den Toten, dass sie auferstehen, habt ihr nicht gelesen im Buch des Mose, bei dem Dornbusch, wie Gott zu ihm sagte und sprach (Exodus 3,6): »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? 27 Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Ihr irrt sehr.
Mk 12,18–27 Das Streitgespräch mit den Sadduzäern (Mt 22,23–33; Lk 20,27–40) Im frühen Israel glaubte man, dass das Leben sich nach dem Tod in Form von Kindern und im jeweiligen Geschlecht fortsetzte (z.B. Ps 25,13). Die „Scheol“, ein Ort von schattenhafter Existenz (Ps 6,5), ist ein Totenreich ähnlich dem griechischen Hades; in 1Sam 28 nimmt Saul die Dienste eines Mediums, einer „Frau, die Tote beschwören kann“, in Anspruch, um Samuel aus dem Totenreich („dem Boden“) zu erwecken, damit er prophetisch zu ihm spreche (die Scheol wird in diesem Abschnitt nicht erwähnt, aber die schattenhafte Existenz wird deutlich). Eine Vorstellung der Auferstehung der Toten erscheint zuerst in der sog. „Jesaja-Apokalypse“ (Jes 26,19) und in Dan 12,2–3 (vgl. Weish 2–5; 2Makk 7; 4 Makk; 1Kor 15). 12,18 Sadduzäer, eine aristokratische Gruppe, die die schriftlichen Gesetze der Tora befolgte, nicht aber die pharisäischen „Überlieferungen der Ältesten“ (vgl. Anm. zu 7,3–4). Sie unterschieden sich auch darin, dass sie die Auferstehung verneinten; die Pharisäer glaubten wie die Anhänger Jesu an die Auferstehung (Apg 23,6–10) und die rabbinische Tradition folgte dem pharisäischen Glauben (bSan 90b–92b). 12,19–23 Die Absurdität des Testfalles soll die Vorstellung der Auferstehung widerlegen. 12,25 Wie die Engel, beschreibt ähnliche Glaubensüberzeugungen, wie sie auch in den jüdisch-apokalyptischen Texten dieser Epoche zu finden sind (syrBar 51,5). 12,26–27 Bei dem Dornbusch, vgl. Ex 3,1–6. Die Argumentation beruht überraschenderweise nicht auf Vorhersagen von Jesu Auferstehung, sondern auf Schriftbeweisen über die lebendige Gegenwart von Abraham, Isaak und Jakob (vgl. Anm. zu 10,40; vgl. Mt 8,11; Lk 13,28).
28 Und es trat zu ihm einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? 29 Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (Deuteronomium 6,4–5). 31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Levitikus 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
32 Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm; 33 und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. 34 Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.
Mk 12,28–34 Das höchste Gebot (Mt 22,34–40; Lk 10,25–28) 12,29 Jesus zitiert Dtn 6,4–5 und Lev 19,18 (in Lk 10,25–28 entlockt Jesus das Zitat einem Gesetzeslehrer; die Kombination der zwei Verse findet sich nicht nur im Munde Jesu); Hillel, der mit einer ähnlichen Frage konfrontiert wurde, fasste das Gesetz mit folgendem Diktum zusammen: „Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht“ (bSchab 31a; vgl. Tob 4,15; Mt 7,12). Höre, hebr. schema; das Verb wurde zum Namen des Gebetes, das aus Dtn 6,4–9; 11,13–21 bestand; vgl. Num 15,37–41, es wurde der jüdischen Praxis nach zweimal täglich gebetet. 12,32–34 Schriftgelehrter, trotz des Kontextes der vorangegangen und folgenden Perikope antwortet er Jesus auf positive Art und Jesus reagiert in gleicher Weise. Matthäus und Lukas lassen diese Zeilen aus. 12,33 Basiert auf Hos 6,6; Mi 6,6–8. 12,34 Nicht fern vom Reich Gottes, wird als warmherzige Antwort Jesu präsentiert.
35 Und Jesus fing an und sprach, als er im Tempel lehrte: Wieso sagen die Schriftgelehrten, der Christus sei Davids Sohn? 36 David selbst hat durch den Heiligen Geist gesagt (Psalm 110,1): »Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße lege.« 37 David selbst nennt ihn ja »Herr«. Woher ist er dann sein Sohn? Und die große Menge hörte ihn gern.
Mk 12,35–37 Der Messias und der Sohn Davids? (Mt 22,41–46; Lk 20,41–44). Hier wird ein kurzes Schriftargument dahingehend eingeworfen, dass der Messias nicht nur der Sohn Davids ist (d.h. ein König von davidischer Abstammung), sondern etwas Größeres (vgl. Anm. zu 10,47). An anderer Stelle bekräftigt Markus die Verbindung Jesu zu David (Mk 2,25–26; 10,47). 12,36 Ps 110 wird eröffnet mit „Ein Psalm Davids. Der Herr sprach zu meinem Herrn [dem Messias, nicht David]: […]“. Dem Argumentationsgang liegt zugrunde, dass David, der angenommene Sprecher von Ps 110,1, den Messias „mein Herr“ nannte, was folglich bedeutet, dass der Messias David übergeordnet war.
38 Und er lehrte sie und sprach: Seht euch vor vor den Schriftgelehrten, die gern in langen Gewändern umhergehen und sich auf dem Markt grüßen lassen 39 und sitzen gern obenan in den Synagogen und beim Gastmahl; 40 sie fressen die Häuser der Witwen und verrichten zum Schein lange Gebete. Die werden ein umso härteres Urteil empfangen.
41 Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. 42 Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das ist ein Heller. 43 Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. 44 Denn sie haben alle von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.
Mk 12,38–44 Reiche Schriftgelehrte und eine arme Witwe (Mt 23,6; Lk 20,46–47; 21,1–4) Mt 23 entwickelt diese Kritik weiter. Die markinische Version erwähnt die Pharisäer nicht und ist ausdrücklich ökonomischer orientiert: Die Ansprüche der Schriftgelehrten führen zu einem Vergleich mit einer armen Witwe (was bei Matthäus ausgelassen wird). 12,43–44 In der Forschung wurde teilweise erwogen, dass Markus die Großzügigkeit der Frau kritisiert, aber der Text deutet das nicht an. Der Tempel ist ein Ort, an dem sowohl Reiche als auch Arme etwas beitragen können.