Kitabı oku: «Entwicklungslinien des Dolmetschens im soziokulturellen Kontext», sayfa 4
2 WandelTechnologieWandel durch Technologie
Im Globalen Innovationsindex finden sich die deutschsprachigen Länder der DACH-Region auf den ersten Rängen wieder: Schweiz Rang 1, Deutschland Rang 7, Österreich Rang 13 (Global Innovation Index Report 2019:35) und im Allgemeinen wird Technologie überaus positiv wahrgenommen (vgl. Weltbank 2019:2). Trotzdem herrscht angesichts der zunehmenden Digitalisierung häufig Verunsicherung, insbesondere unter älteren Kollegen, was zu dem falschen Schluss führen könnte, Digitalisierung sei ein Generationenproblem. Die Fähigkeit, neue Technologien zu erlernen, sie kritisch zu hinterfragen und allenfalls erfolgreich einzusetzen, ist keine Frage des Alters. Sie darf nicht älteren Sprachdienstleistern, den sogenannten ‚digital migrants‘ pauschal abgesprochen werden und gleichzeitig den jüngeren Generationen, den mit digitalen Medien aufgewachsenen ‚digital natives‘, pauschal zugesprochen werden. Vielmehr liegt die Voraussetzung dafür in der Bereitschaft, sich Neuem zu öffnen und die entsprechenden Kenntnisse jeweils zu erarbeiten.
Geeigneter erscheint daher das DiffusionsmodellDigitalisierungDiffusionsmodell (Rogers 2003:247), das nach dem Zeitpunkt der Anwendung zwischen Innovator:innen, frühen Anwender:innen (‚early adopters‘), der Mehrheit (‚early and late majority‘) und Nachzügler:innen (‚laggards‘‚ ‚late adopters‘) unterscheidet. Innovator:innen bilden zunächst die kleinste Gruppe der Anwender:innen: Sie suchen Neues und sind bereit es auszuprobieren. Die frühen Anwender:innen entscheiden sich für einen Einsatz, sobald die Technologie Vorteile bringt, während die Mehrheit erst bei einem entsprechenden Erfolg der ‚early adoptors‘ zur Anwendung schreitet. Zeitpunkt und Ausmaß der Anwendung unterliegen verschiedenen subjektiven Kriterien: Die wahrgenommene Verbesserung gegenüber dem Bisherigen, die Vereinbarkeit mit den eigenen Erfahrungen und Anforderungen, die Komplexität der anzuwendenden Technologien, die Erprobbarkeit sowie die mediale Präsenz der Technologie (Rogers 2003:248).
Abb. 1:
Diffusionsmodell nach Rogers 2003:247
Vertikal gesehen sind die weltweit agierenden großen Sprachdienstleistungsunternehmen zu den Innovatoren bzw. zu den frühen Anwender:innen zu zählen. Oft sind sie auch zugleich die erfolgreichsten Softwareanbieter im Bereich der Translationstechnologie (zum Beispiel Lionbridge, SDL, Star-Group, u.a.). Mittelgroße und mittlere Anbieter:innen können der großen Mehrheit der Pragmatiker und Konservativen zugerechnet werden, während Nachzügler:innen und Skeptiker:innen eher unter den Einzelübersetzer:innen zu finden sind.
DigitalisierungDigitalisierungArbeitsplatz und Unterstützung durch den Computer haben sich historisch gesehen zuerst für das Übersetzen etabliert: Professionelles Übersetzen, Web- und Softwarelokalisieurng, Untertitelung sowie viele andere Bereiche des Übersetzens sind heute ohne digitale Werkzeuge nicht mehr denkbar (Biau-Gil & Pym 2006, Bowker & Corpas Pastor 2015, Cronin 2013, Sandrini 2017). Erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung haben sich auch für das Dolmetschen entsprechende Werkzeuge durchgesetzt, die den Menschen während und insbesondere vor der eigentlichen Dolmetschleistung unterstützen. Das computergestützte Dolmetschen (Computer Aided Interpreting CAI) (vgl. Ziegler 2019:310) wird von Fantinuoli (2018:5) in prozessorientierte TechnologieTechnologieprozessorientierte Technologie („designed to assist human interpreters in their work“), die direkten Einfluss auf das Dolmetschen hat, sowie in die sogenannte ‚settings-oriented technologyTechnologiesettingorientierte Technologie‘ unterteilt, die indirekt die Arbeit von Dolmetscher:innen beeinflusst („designed to change the way they deliver their service“), wie beispielsweise Telefon- oder Videodolmetschen.
Letztere hatte durch den Einsatz einfacher Technologie wie Mikrophon, Kopfhörer und Tonübertragung bereits sehr früh das professionelle Konferenzdolmetschen ermöglicht. Das ortsunabhängige Remote Interpreting (RI), durch Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglichte Dolmetschleistungen, definiert als „interpreter mediated communication delivered by means of information and communication technology“ (Fantinuoli 2018:4), begann mit Hilfe des TelefonsTelefondolmetschen als ‚Over-the-Phone Interpreting (OPI)‘. In einer Studie zum US-amerikanischen Markt verwendeten 68 % der befragten Dolmetschunternehmen solche Systeme (CSA 2018). Eine etwas geringere Verbreitung verzeichnete in derselben Studie das Video Remote Interpreting (VRI), das 58 % der Befragten benutzten. Technologischer Fortschritt in der Video- und Tonübertragung über das Web nach der Jahrtausendwende führte dazu, dass eine neue Qualität des RI erreicht werden konnte, das Remote Simultaneous InterpretingRemote Simultaneous Interpreting (RSI). Darunter versteht man eine virtuelle Dolmetschkabine mit geographisch unabhängigen Dolmetscher:innen, die Gespräche und Konferenzen in Echtzeit dolmetschen können. Ermöglicht werden dadurch virtuelle Konferenzen, bei denen sich neben Dolmetscher:innen Vortragende und Teilnehmer:innen räumlich unabhängig voneinander zu Konferenzen und Diskussionen zusammenfinden können. In der bereits zitierten US-Umfrage verwendeten 2018 lediglich 23 % diese Form der Unterstützung. Bis vor kurzem wurde noch darüber gestritten, ob diese Form des RI überhaupt zugelassen werden darf. Heute hingegen diskutieren Berufsverbände (zum Beispiel AIIC 2019) darüber, welche Standards dabei eingefordert bzw. wieweit bestehende Standards angepasst werden müssen (vgl. Fantinuoli 2018:5).
Auch in diesem Bereich sind die Innovator:innen bzw. die frühen Anwender:innen unter den großen Technologiekonzernen aus Kalifornien zu finden. So wurden RSI-Plattformen an Entwicklerkonferenzen dieser Unternehmen zum ersten Mal mediengerecht zur Anwendung gebracht: 2018 vom Dienstleistungsanbieter Interprefy.com, 2019 durch das Unternehmen KUDO an der Facebook Entwicklerkonferenz F8.
3 Automatisierung
Nach diesem ersten Schritt der Unterstützung des Menschen durch Technologie scheint nun die nächste Stufe der Entwicklung vor der Tür zu stehen: Die Maschine nicht mehr als Hilfsmittel, sondern als vollständiger Ersatz des Menschen in zentralen Aufgabenfeldern. Das als technologische Singularität bezeichnete Phänomen markiert den Zeitpunkt, an dem die Maschine die Intelligenz des Menschen erreicht und in der Folge übertrifft (vgl. Kurzweil 2001; TAUS 2016).
Erste Versuche, den Menschen in der Sprachmittlung zu ersetzen, gehen zurück auf die Zeit des Zweiten Weltkrieges und der darauffolgenden Ära des Kalten Krieges, einer Zeit des Misstrauens zwischen den großen Mächten, das man u.a. auch durch maschinelle ÜbersetzungssystemeDigitalisierungMaschinelles Übersetzen zu überbrücken versuchte. Die ersten Systeme, die auf einfachen lexikalischen und syntaktischen Regeln beruhten, erfüllten aber nicht die hohen Erwartungen. Auch die stetige Weiterentwicklung brachte nicht den erhofften Durchbruch, bis Anfang der 1990er-Jahre IBM einen grundlegenden Wandel von linguistischen Regeln hin zu datenbasierten statistischen Grundlagen wagte und damit den Weg für eine breitenwirksame webbasierte Maschinenübersetzung bereitete (1997 Altavista, 2006 Google Translate).
Für Lai:innen und für berufliche Übersetzer:innen unterscheidet sich die Zeitkurve der Anwendung maschineller Übersetzungssysteme erheblich: Lai:innen haben sich rasch an die Leichtigkeit von Google Translate und Microsoft Translator gewöhnt, da diese kostenlosen Online-Systeme sehr schnell mühelos große Mengen an Text übersetzen können, auch wenn die Qualität nur zum groben Verständnis reichte. Frühe Anwender:innen dieser Form von MÜ lassen sich etwa gegen Ende des zweiten Jahrtausends ansiedeln, eine allgemeine und breite Durchsetzung fand ungefähr zehn Jahre später statt. So wurde für das Jahr 2010 angenommen, dass ab diesem Zeitpunkt ein größeres Volumen an Text durch die Maschine übersetzt wurde als durch menschliche Übersetzer (TAUS 2016:18).
Zunächst aber waren im Bereich des professionellen Übersetzens die Vorbehalte gegenüber der Qualität der ersten regelbasierten maschinellen ÜbersetzungssystemeDigitalisierungMaschinelles Übersetzen sehr groß, was zu einer allgemeinen Ablehnung und Abgrenzung führte. Erst nach der breiten Einführung und Durchsetzung der statistischen maschinellen Übersetzungssysteme – Google Translate stellte sein Online-System 2007 um – und der Verfügbarkeit entsprechender Software, die sich auf der Basis eines umfangreichen Korpus an Textmaterial relativ einfach zu maßgeschneiderten maschinellen Übersetzungssystemen trainieren ließen (zum Beispiel Moses), sowie einer Steigerung der Qualität wurden diese für bestimmte Zwecke auch von Übersetzungsunternehmen eingesetzt. Rund 30 % der Unternehmen sehen 2019 in einer Umfrage zu den Erwartungen und Sorgen der europäischen Sprachdienstleister:innen Maschinenübersetzung als positiv, 2018 waren es noch 15 %, während 20 % gegenüber 22 % 2018 sie als negativ einschätzen (ELIA 2019:37). Wesentlich negativer werden in dieser Studie die Auswirkungen der Maschinenübersetzung von Einzelübersetzer:innen eingeschätzt, 28 % beurteilen diese negativ und nur 8 % positiv.
Eine deutliche Steigerung der Anwendungskurve kann im professionellen Umfeld nach der Optimierung der maschinellen Übersetzung durch das Einbinden Künstlicher IntelligenzDigitalisierungKünstliche Intelligenz in neuronalen maschinellen Übersetzungssystemen (zum Beispiel 2016 DeepL) beobachtet werden. Die dadurch erreichte Qualitätssteigerung ermöglichte den erfolgreichen Einsatz neuronaler Systeme in immer zahlreicheren Kontexten und brachte mit sich, dass sich kaum jemand mehr diesen Werkzeugen entziehen kann. Beigetragen hat dazu vor allem eine verringerte Erwartungshaltung gegenüber dem Output maschineller Übersetzung im Allgemeinen. Im berühmten ALPAC (American Language Processing Advisory Comitee) Bericht des Jahres 1966, der ein ernüchterndes Fazit zu den ersten maschinellen Übersetzungssystemen gezogen hatte, war noch die Rede vom erstrebenswerten Ziel der vollautomatischen hochqualitativen Übersetzung („fully automated high quality translation“, FAHQT), während dies in den letzten Jahren relativiert wurde und TAUS (2016) heute von der vollautomatischen verwendbaren Übersetzung („fully automated usable translation“, FAUT) spricht.
Neuronale MaschinenübersetzungDigitalisierungNeuronale Maschinenübersetzung bindet Künstliche Intelligenz durch das maschinelle Lernen aus zweisprachigen Textkorpora ein, was zu einer deutlichen Verbesserung der Lesbarkeit des Zieltextes führte. Je höher die Qualität der vorliegenden Übersetzungen, je konsistenter Terminologie und Übersetzungen, desto besser wird auch das Produkt solcher Systeme sein.
MT language is all retrospective, based on past language production, whereas human language use is creative and adaptable dependent on entirely different rules to those used in the algorithms that re-create past language. (Griffin-Mason 2018:76)
Die Übersetzung ist jedoch fehleranfällig, wenn ein Ausgangstext nicht durch entsprechende Beispiele im Trainingskorpus abgedeckt wird oder gegensätzliche Übersetzungen bzw. Fehler im Dateninput vorkommen.
Der Einsatz der Maschine beim Dolmetschen erweist sich als komplexer Vorgang, da in Echtzeit zuerst gesprochene Sprache anhand von Spracherkennungsalgorithmen in Text umgewandelt, dieser dann von der Maschine übersetzt und schließlich durch automatische Sprachsynthese wieder in gesprochene Sprache umgewandelt werden muss. Trotz einiger einfacher Anwendungsbeispiele konnte für den professionellen Dolmetscheinsatz bisher noch keine zufriedenstellende Anwendung entwickelt werden.
Bisher gibt es noch keine Technik, die menschliche Dolmetscher ersetzen kann, von Apps, mit denen sich Touristen und Geschäftsleute kurze Sätze übersetzen lassen können, einmal abgesehen. (Gätjens et al. 2019:363)
Neuere Forschungsanstrengungen versuchen mit Hilfe Künstlicher IntelligenzDigitalisierungKünstliche Intelligenz und neuronaler Übersetzungssysteme das maschinelle Übersetzen gesprochener Sprache („speech to speech translation“, S2ST) zu verbesseren und damit die Automatisierung des Dolmetschens voranzutreiben. Innovatoren sind dabei auch hier die großen Technologiekonzerne (Google Translate Conversation Mode, Microsoft Skype Translator, Tencent Mr. Translator-Interpreter). Als kleinere Unternehmen versuchen TranslateLive mit seinem Instant Language Assistant ILA und Wordly for Conferences, automatisierte Dolmetschdienstleistungen auf den Markt zu bringen. TranslateLive erstellt beispielsweise sogenannte ‚online rooms‘, die mit Hilfe einer spezifischen App auf dem Smartphone orts- und sprachunabhängig zur Teilnahme und Diskussion betreten werden können.
Von der technischen Funktionsweise her gesehen, nennt man diese Art der S2ST den Cascading-Ansatz, da mehrere Prozesse nacheinander ablaufen: Von der Spracherkennung über die maschinelle Übersetzung zur SprachsyntheseDigitalisierungSprachsynthese. Ein anderer Forschungsansatz besteht darin, diesen Ablauf durch den Verzicht auf die beiden Schritte der Spracherkennung und -synthese zu vereinfachen, und wiederum mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (Google AI) ein direktes Dolmetschen („end-to-end speech-to-speech translation model“) von Sprache zu Sprache zu ermöglichen. Dazu werden die aufgenommenen Sprachdaten in Form von Schallwellen („Waveform“) ohne verschriftlichten Text direkt übersetzt, d.h. in Schallwellen einer anderen Sprache transformiert, wobei zusätzlich eine gewisse Ähnlichkeit zur Ausgangsrede (Modulation, Stimmlage, Emotion) gewährleistet werden soll. Die Forschung in diesem Bereich steckt noch in den Kinderschuhen, zeigt aber bereits das darin verborgene Potential, rednerspezifische Zusatzinformationen wie emotionalen Kontext mit einzubeziehen.
Anhand dieser Entwicklungen lässt sich zumindest eine Annäherung an die technologische Singularität auch für das Dolmetschen beobachten. Insgesamt könnte der Zusammenhang zwischen Mensch und Maschine im DolmetschenDigitalisierungMaschinelles Dolmetschen sowie die entsprechende Entwicklung folgendermaßen tabellarisch skizziert werden.
Mensch | Mensch + Maschine | Maschine |
Dolmetscher ortsgebunden | Dolmetscher über Internet | Maschine über Internet |
Maschine zur Recherche | Maschine zur Datenübertragung | Maschine zum Dolmetschen |
Simultan-, Konsekutiv- dolmetschen | RSI Remote Simultaneous Interpreting | S2ST Speech-to-Speech Translation |
Tab. 1:
Zusammenhang Mensch-Maschine im Dolmetschen
Dies ist aber nicht zwingend als lineare Weiterentwicklung zu sehen, sondern präsentiert sich zur Zeit eher als ein Nebeneinander der verschiedenen Bereiche, die in jeweils anderen Kontexten und in jeweils unterschiedlicher Frequenz in der Praxis oder experimentell mit all den damit verbundenen Vor- und Nachteilen eingesetzt werden. Dabei gilt es aber, die Auswirkungen und Folgen dieser Entwicklungen auf die mehrsprachige Kommunikation im Allgemeinen und letztlich auf Berufsprofile und Berufschancen im Besonderen zu beachten.
4 Folgewirkungen
Offensichtlich besteht ein Bedarf nach einer effizienten technologischen Lösung für das Problem der Mehrsprachigkeit, das den kostenintensiven Faktor Mensch reduziert bzw. ausklammert. Doch solange automatisierte Lösungen keine deutliche Verbesserung gegenüber dem Einsatz ausgebildeter Sprachmittler:innen aufweisen können, solange der Einsatz dieser Entwicklungen nicht nahtlos und einfach mit den Erwartungen und Anforderungen der Kommunikationsteilnehmer:innen in Einklang gebracht werden kann, bleibt menschliche Sprachmittlung unabdingbar. Die Gefahr, dass die Arbeit ausgeht, besteht zwar kurzfristig nicht, wie das die oben zitierten Statistiken und Umfragen zeigen, bleibt aber längerfristig in Hinsicht auf das Eintreten der technologischen Singularität mit all ihren sozialen Folgen bestehen.
Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein? (Hannah Arendt 1960: Vita activa oder Vom tätigen Leben)
Bis dahin wird sich die Arbeitswelt kontinuierlich weiterentwickeln und dabei die menschliche Arbeit von einfacheren Tätigkeiten befreien und auf höherwertige kognitive Leistungen fokussieren, die sich einer Automatisierung weitgehend entziehen. Der Schwerpunkt im Bereich der Sprachmittlung verschiebt sich dadurch von automatisierbaren Aufgaben hin zu Aufgaben der Planung, Organisation und Evaluierung, wodurch der Lern- und Vorbereitungsaufwand, aber auch die Verantwortung deutlich steigen. Es kommt zu verstärktem Wettbewerbs- und Preisdruck, der in Verbindung mit den Schwierigkeiten des RI für zusätzlichen Stress im Beruf sorgt. RI bedeutet darüber hinaus eine Isolierung vom Ort des Geschehens: Anstatt am Kongress aktiv vor Ort beteiligt zu sein, sitzt die DolmetscherinDigitalisierungArbeitsplatz zuhause vor dem Bildschirm in einer virtuellen Kabine. Reisen und Auslandsaufenthalte, zufällige Gespräche, Interaktion mit Konferenzteilnehmer:innen sowie Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten außerhalb der zu dolmetschenden Reden fallen weg und viele Dolmetscher:innen, die sich unter anderem auch aus solchen sozialen Gründen für den Beruf entschieden haben, würden dies bei ausschließlichem RI nicht mehr tun. Neben dieser Art der EntfremdungDigitalisierungEntfremdung (vgl. Marx 1844/2017) von anderen Menschen bzw. vom menschlichen Gattungswesen durch das RI fügt die maschinelle Übersetzung beim S2ST die Entfremdung vom Produkt hinzu, das der Algorithmus ohne Zugabe des Menschen fertigt, bzw. ohne kreativen Umgang des Menschen mit Sprache aus Versatzstücken bestehender Übersetzungen zusammenstellt. Diese vom Menschen produzierten Übersetzungen werden lediglich im Trainingsstadium des maschinellen Übersetzungssystems und daher unabhängig vom Zeitpunkt des automatischen Dolmetschens eingebunden. Noch dazu ist den Benutzer:innen eines solchen Systems nicht bekannt, von wem, wann und unter welchen Bedingungen die zugrundeliegenden Übersetzungen zustande gekommen sind. Zur Entfremdung vom Werkzeug, das andere herstellen, kommt damit auch die Entfremdung von der eigenen Tätigkeit, die durch die Maschine aus der Arbeit unbekannter anderer entsteht. Grundsätzlich führt das maschinelle ÜbersetzenDigitalisierungMaschinelles Übersetzen zu einem ungelösten Konflikt zwischen Mensch und Maschine, da kein System ohne Daten, d.h. ohne menschliche Übersetzungen, funktionieren kann. Damit ist die Maschine gerade von dem abhängig, was sie vorgibt zu ersetzen.
Translation als Remix aus Input-Daten (vgl. Sandrini 2013) ist eigentlich nichts Neues, hatte doch schon Nida (1959) angesichts komplexer Äquivalenzbeziehungen Informationsverlust, Informationsgewinn und Informationsänderung als Konstanten des Übersetzens beschrieben (Prunč 2012:104). Ein maschinelles Übersetzungssystem kann Informationen ausschließlich aus bestehenden Übersetzungen lernen und keine anderen Informationsquellen wie Kontext und SkoposSkopos einbeziehen, wodurch Informationsverlust und Informationsänderung, gewollt oder ungewollt, immer wieder vorkommen. Was die Maschine aber grundsätzlich nicht kann, ist eine an den Kommunikationszweck angepasste Informationsanreicherung. Darin liegt die Stärke des Menschen, die durch eine entsprechende Ausbildung gewährleistet werden muss.