Kitabı oku: «Eros und Logos», sayfa 7

Yazı tipi:

5. Benjamin Neukirchs Parodie: Auff die Perlitz-Mühlendorffische Hochzeit

Mit Bessers Großgedicht nimmt die Claudian-Rezeption jedoch eine eigene Dynamik an. Benjamin Neukirch nämlich veröffentlichte ebenfalls in dem ersten Band der Neukirchschen Sammlung sein Epithalamium Auff die Perlitz-Mühlendorffische Hochzeit.1 In 100 kreuzgereimten Alexandrinern invertiert Neukirch die Handlung des Epithalamiums für Palladius und Celerina, indem er nicht mehr eine schlafende Dame, sondern einen schlafenden Mann beschreibt. Besonders pikant ist diese Inversion deshalb, weil sie vorgeblich eine biblische Geschichte neu erzählt: Der betrachtete Mann ist Adam und die betrachtende Frau Eva.

Dass Neukirch die erotisierende Adaption Bessers parodiert, lässt sich zunächst durch inhaltliche Ähnlichkeiten hinreichend zeigen: Der Beschreibung des nackten Adams, der hier die Rolle der Venus bzw. der Chloris einnimmt, folgt Evas sexueller Übergriff, durch den Adam erwacht. Eine Rechtfertigung nötigt Adam seiner Eva nicht ab, stattdessen vollzieht er mit ihr den Beischlaf. Die Begründung für die Natürlichkeit der Sexualität, die bei Besser Celadon zu seiner Verteidigung liefert, ist der Beischlafszene nachgestellt und fungiert als Aufforderung an das Brautpaar, sich ebenfalls zu vereinigen.

Die intertextuelle Abhängigkeit zu Bessers Großgedicht und zu Claudians Epithalamium lässt sich neben der analogen Handlungsführung auch textuell nachweisen. Die den Schoß der Venus bedeckenden Weinreben (Claudian) transformiert Neukirch in „[d]as grüne feigenblatt/ das Adam vor sich nahm“ (V. 1), bevor Eva ihren Adam in einem Feld liegend findet. Während Venus bei Claudian „ihre strahlenden Glieder über den dichten Rasen ausgebreitet“ (V. 3) hatte und Bessers Chloris ihre „perlen-volle[n] glieder/ in das noch frische gras“ (V. 6) streckt, heißt es bei Neukirch:


[…] sie zu felde gieng Und ihren Adam fand im grünen grase liegen.
25 Sein leib war mehrenteils von kleidern unbedeckt/ Die glieder streckten sich/ wie silberne Colossen/ Nur diß/ was die natur zum zunder ausgesteckt/ War noch zu mehrer lust in rauches fell verschlossen. (V. 23–28)

Die Beschreibung des im Grase liegenden Adams lässt sich nach Stocker trotz der getauschten Geschlechterrollen als Zitat ausweisen, das Neukirch eindeutig den Versen Claudians und Bessers nachgebildet hat.2 Wirkungsvoll innoviert er das Motiv der nackten Venus, indem er das Bild der paganen Liebesgöttin in das des biblischen Stammvaters verkehrt und damit das erotisch-antike Motiv christlich verzerrt – die umgekehrten Geschlechterrollen potenzieren das Wagnis. Verstärkt wird das komische Moment dadurch, dass Eva der männlichen Anatomie offensichtlich nicht gewahr ist. So folgert sie:


Ey/ warum haben wir uns beyde doch verbunden?
5 Ist Adam so wie ich an gliedern auch bestellt/ So dürffen wir uns ja nicht vor einander schämen? Und führt er sonsten was/ das etwan mir gefällt/ Warum will die natur mir mein geschencke nehmen? Sie hätte noch vielmehr der sachen nachgedacht/
10 Was aber ließ sie doch die kurtze zeit umfassen? Weil gleich den augenblick das urtheil ward gebracht: Sie solten beyderseits das paradieß verlassen. Nach diesem schlug das feur zwar frische flammen an/ Sie fand sich aber noch zu zeiten sehr betrogen;
15 Denn Adam war nunmehr mit peltzen angethan/ Und hatte leib und haut mit fellen überzogen. Wer war wohl ärmer nun als Eva dazumahl? (V. 4–17)

Alleine ihre Gedanken an Adams Schoß begründen die Verbannung aus dem Paradies. Damit geht bisher jedoch noch keine sexuelle Handlung einher. Erst als sie Adam eben im Felde findet, kann sie nicht an sich halten und vergreift sich – so wie Bessers Celadon an Chloris – an Adam:


Sie forschte weiter nach/ und blößte seinen schooß/
45 Ihr finger rührte sich um seine weiche lenden; Da war sie völlig nun der alten sorgen loß/ Und schaute den betrug in ihren liljen-händen. Ja/ sprach sie/ voller scham/ das hab ich wohl gedacht/ Daß Adam nicht umsonst die blätter vorgenommen;
50 Wer aber hat ihm nur den plunder angemacht/ Und wo ist Adam doch zu diesem schaden kommen? Doch/ was bedenck ich mich? die brust ist ja zu klein; Vielleicht hat die natur mir meinen mann betrogen/ Und hat/ was sonsten soll am busen oben seyn/
55

Neukirch treibt die Komik auf die Spitze, wenn Eva die Bestückung Adams als Ausgleich für den fehlenden Busen in Betracht zieht. Anders als bei Besser reagiert der erwachende Adam nicht entsetzt über Evas Vergehen, sondern muss „selbst der blinden einfalt lachen“ (V. 57) und schließt sie liebevoll „mit seinen armen ein“ (V. 58), bevor das biblische Paar den Beischlaf vollzieht. Mutet Johann von Bessers pornographische Beschreibung eines sexuellen Übergriffs auf die schlafende Chloris bereits gewagt an, gelingt es Neukirch, mit seiner Überformung des Sündenfalls die Innovation Bessers zu überbieten.

6. Christian Hölmann: Abbildungen der Schooß

Einer anderen, aber nicht minder innovativen Strategie bedient sich Christian Hölmann in seinem Zyklus über weibliche Körperteile1, dessen pointierter Abschluss das Gedicht Abbildungen der Schooß bildet. Hier wird dem Leser nicht die voyeuristische Mitsicht auf eine entblößte Schlafende geboten. Stattdessen nimmt das lyrische Ich die Perspektive des weiblichen Schoßes selber ein und legt einen umfassenden Bericht über sich ab. Mit der veränderten Perspektive thematisiert Hölmann wie seine Vorgänger das Motiv der weiblichen Scham und stellt es ins Zentrum des Gedichts, in dem es in 84 kreuzgereimten Alexandrinern beschrieben wird. Hatte Neukirch noch die Geschlechter der Persona von Bessers Ruhestatt der Liebe invertiert, verkehrt Hölmann die Kommunikationssituation und macht aus dem heimlich mitwissenden Leser nun den von einer Vagina apostrophierten:


In meinen gründen ist die liebe ja gebohren/ Ich bin ihr erster Sitz/ ihr Stammhauß/ Vaterland/
15 Mich hat zu dieser See selbst die natur erkohren/ An deren ufern sich das schöne Mädgen fand. Ihr glieder möget nun vor mir die seegel streichen/ Weil ich die Götter selbst durch mich hervor gebracht/ Ihr selber müstet auch im Mutterleib' erbleichen/
20 Wenn nicht durch mich das Thor wär' in die welt gemacht. Es füllet meine frucht den Himmel und die Erde/ Ich mache daß der bau der wundergrossen welt/ Nicht vor der letzten zeit zu einer wüsten werde/ Die nichts als distel-sträuch und dörner in sich hält. (V. 13–24)

Die Häufung der Personalpronomen konfiguriert unmissverständlich die surreale Kommunikationssituation, durch die die Beschreibung der weiblichen Scham surreal verzerrt wird. Während die bisher beschriebenen, voyeuristisch figurierten Prätexte Hölmanns auf das erotische Vorstellungspotential der Leserschaft zielen, löst Hölmann das Gedicht aus seinem eigentlich erotischen Kontext, denn das beschriebene Motiv entzieht sich durch die Erzählsituation jeder realistischen Vorstellung.

Eindeutig markiert Hölmann den intertextuellen Bezug zu Besser, wenn sich das lyrische Ich – Bessers Titel zitierend – metaphorisch als „[d]er liebe ruhestadt“ (V. 61) beschreibt. Da Hölmann den vierten und fünften Teil der Neukirchschen Sammlung selbst herausgab, ist anzunehmen, dass er auch die Gedichte der ersten beiden Bände gut kannte und den Bezug zu Claudians Epithalamium bewusst über das wirkungsmächtige Gedicht Bessers markierte. Die Konkurrenz zu den motivgeschichtlich verwandten Gedichten ist bei Hölmann durchaus programmatisch:


1 Der geist des alterthums schrieb den beschaumten wellen Die künstliche Geburth der liebes-Göttin zu/ Und daß ein muschelhaus auf den gesalznen stellen So wohl zur überfuhr als ihrer ersten ruh
5 An statt der wiege sey damals bestimmt gewesen; Allein so wurde da die wahrheit eingehüllt/ Wer ihre Perlen nun wolt' aus dem schlamme lesen Der fand sie endlich zwar/ doch frembde vorgebildt. (V. 1–8)

Den Geburtsmythos der Venus nach Hesiod2 weist Hölmann als Verschleierung der Wahrheit aus und nimmt so auch die aemulatio mit der Antike auf. Bei den antiken Dichtergrößen könne man die „Perlen“ nur „frembd[…] vorgebildt“ aus „dem schlamme lesen“; für die Wahrheit solle man jedoch den „vorhang weg [ziehen] und […] die fabeln schweigen“ (V. 9) lassen. Durch die ‚sprachliche Handlung‘ lässt das lyrische Ich Hölmanns tatsächlich „alle Hüllen fallen“ und straft in seiner Offenheit alle Prätexte als eingehüllte Wahrheit ab. Da die Erzählsituation aber wiederum fiktionalisierend wirkt, wird der Wahrheitsanspruch ironisch gebrochen und das Motiv künstlich überblendet. Die aemulatio gelingt, weil Hölmann mit der neufigurierten Erzählsituation die technischen Möglichkeiten der extremen Gestaltung ausreizt und die Verhüllung neu dimensioniert.

7. Fazit

Wie gezeigt werden konnte, spitzen alle Claudian-Rezeptionen den erotischen Gehalt des Epithalamiums zu. Häufig wurden solche erotischen Dichtungen als manieristische Obszönitäten abgetan. Wie die Untersuchung jedoch zeigen konnte, birgt die Erotisierung der lateinischen Vorlage großes innovatives und provozierendes Potential, das erst vollständig ersichtlich wird, wenn der rezeptionsästhetische Charakter der Dichtungen gewürdigt wird. Durch die Betrachtung der Gedichte als Claudian-Rezeptionen zeigt sich ein stark ausgeprägtes Verständnis von Intertextualität, das die literarische Praxis der galanten Dichtung prägte.

Bibliographie

Angelo George de Capua/Ernst Alfred Philippson (Hrsg.), Benjamin Neukirchs Anthologie Herrn Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte, Bd. I–VII, Max Niemeyer, Tübingen, 1961–1991.

Fritz Felgentreu, „Art. Claudian“, in: Christine Walde (Hrsg.), Der Neue Pauly. Suppl. Die Rezeption der Antiken Literatur, Bd. 7, J.B. Metzler, Stuttgart/Weimar, 2010, Sp. 253–262.

Manfred Fuhrmann, „Claudian in der Neuzeit. Geschmackswandel und Übergang von der rhetorischen zur philologischen Betrachtungsweise“, in: Fritz Felgentreu/Stephen Wheeler/Widu-Wolfgang Ehlers (Hrsg.), Aetas Claudianea, Saur, München/Leipzig, 2004, S. 207–223.

Maria Moog-Grünewald (Hrsg.), Der Neue Pauly. Suppl. Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 5, J.B. Metzler, Stuttgart/Weimar, 2008.

Lothar Noack, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616–1679): Leben und Werk, Max Niemeyer, Tübingen, 1999

Wilhelm Haertel, Johann von Besser. Sein Leben und seine Werke, Felber, Berlin, 1910.

Franz Heiduk, Die Dichter der galanten Lyrik. Studien zur Neukirchschen Sammlung, Francke, Bern, 1971.

John B. Hall (Hrsg.), Claudii Claudiani carmina, Teubner, Leipzig, 1985.

Sabine Horstmann, Das Epithalamium in der lateinischen Literatur der Spätantike, Saur, München/Leipzig, 2004.

Peter Lüdemann, Virtus und Voluptas. Beobachtungen zur Ikonographie weiblicher Aktfiguren in der venezianischen Malerei des frühen Cinquecento, Akademie-Verlag, Berlin, 2008.

Dirk Niefanger, „‚Allzu freye Gedancken.‘ Zur Sexualrhetorik in der Neukirchschen Sammlung“, in: Daphnis, 38 (3/4), 2009, S. 673–693.

Dirk Rose, Conduite und Text. Paradigmen eines galanten Literaturmodells im Werk von Christian Friedrich Hunold (Menantes), Walter de Gruyter, Berlin/Boston, 2012.

Peter Stocker, Theorie der intertextuellen Lektüre, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1998.

Theodor Verweyen/Gunther Witting, Einfache Formen der Intertextualität. Theoretische Überlegungen und historische Untersuchungen, Mentis, Paderborn, 2010.

„Was ist erquickender als schne Brust-Granaten“

Barocke Gelüste und lyrische Brüste oder

Zu erotischen Gedichten des Barock

Wolfgang Brylla (Zielona Góra)

„Eröffne mir das Feld der Lüste, /

Entschleuß die wollustschwangre Schooß,“

(Johann Christian Günther)

Barocke sexuelle Revolution

Auf dem Gemälde des italienischen Malers Bartolomeo Passerotti, Die verrückten Liebenden – Ende des 16. Jahrhunderts entstanden –, fasst von seiner Physio­gnomie her eher ein ruppig, fast eklig aussehender Mann die ausgemergelte nackte Brust seiner weiblichen Partnerin an. Beide Figuren entsprechen nicht dem damals gängigen Schönheitskanon und -ideal. Passerotti entwirft und skizziert eine Mann-Frau-Konstellation, die von Kargheit und einer Unästhetik des Schönen geprägt ist, die wiederum im völligen Gegensatz steht zu den Werken von bspw. Velasquez – erwähnt sei bspw. Die Venus mit dem Spiegel – oder Rubens mit seinen Venusvorstellungen, in denen füllige aneinandergereihte Frauenkörper in Feierlaune ausgiebig und unbeschränkt ihren Lüsten freien Lauf lassen.1 In der Zusammenstellung dieser und ähnlicher barocken Bilder wird die innere Zerrissenheit der Epoche und das für sie so charakteristische Merkmal der Kontrastivität und Diffusität offensichtig.2 Es gibt keine einzige Norm und keine einzig geltende Kunstregel, an die man sich hat halten müssen, obwohl Johann Christoph Gottsched und seine anderen aufklärerischen Gleichgesinnten im 18. Jahrhundert eben die Normativität des Barock und dessen kodifizierte Schemenpoetik scharfer Kritik unterzogen3; der Schaffenskraft und dem Interpretationstrieb sind keine Grenzen gesetzt, der Mensch des 17. Jahrhunderts legt die Moralfesseln ab und fängt an, ein Leben zu führen, das man als freizügig bezeichnen könnte. Vor kurzer Zeit hat der britische Historiker Faramerz Dabhoiwala bewiesen, dass es in der Barockzeit zu einer Art sexuelle Revolution gekommen sei, in der Sexualität und Kopulation zu einer privaten Angelegenheit wurden, die nicht von höheren weltlichen oder sakralen Instanzen gesteuert worden wären.4 Sex wurde nicht mehr aus der Perspektive der Religion, sondern aus der Perspektive des persönlichen Welt- und Anschauungsbildes betrachtet, was heißt, dass die Kirche(n) in Sachen Sexualmoral keine relevante Rolle mehr spielte(n), sondern in den operativen Handlungshintergrund gerückt ist/sind, aus dem sie keinen Einfluss mehr auf die Ausübung der rechten und der natürlicherweise aus dem Blickwinkel der Kirche korrekten Sexualität hat(te). Der im und durch den Barock ausgelöste Sexboom fand seinen Niederschlag in der Kunst, wenn er nicht sogar von der Kunst – der Malerei, der Poesie – mit eingeleitet wurde.5 Schaut man auf die Unmenge von Gedichten, die in dieser Zeit verfasst worden sind, und vergleicht sie unter anderem mit den typischen barocken christlichen Lyrik-Texten, in denen Gott gehuldigt wurde, fragt man sich eigentlich, um es salopp auszudrücken, wie „deftig“ war eigentlich das Perlen-Zeitalter? Denn in vielen der Gedichte, die man in der Regel dem Barock zuschreibt und die in diesem Geiste geschrieben wurden, sind Szenen zu finden, die nicht nur an zarte Erotik und außergewöhnliche Sexualität erinnern, sondern auch in Richtung Perversität oder Gewaltmissbrauch gehen. Man orientierte sich nicht an Vorschriften, stattdessen schuf man sich neue, die einerseits sich auf das vorhandene Verhaltens-Reglement und das etablierte Weltkonstrukt beziehen, andererseits damit auch bewusst brechen und im Endeffekt in einem dialektischen Verhältnis stehen. Quasi antithetisch profiliert sich die deutsche Barocklyrik, indem sie mit Gegensätzen und textlichen Referenzen gezielt spielt, Stoffe und Inhalte ummodelt, um letztendlich die vonstatten ge­hende oder schon stattgefundene Bruchsituation offen zu legen. Mehr oder weniger wird im Barock der Reflex der sexuellen Befreiung und Neubestimmung antizipiert, der für die Nach-Moderne prototypisch und symptomatisch erscheint. Auch die Sprache, trotz eines 300 bzw. 400 Jahre langen Abstandes, ist ähnlich, die Metaphern und Symbolsemantik sowie -semiotik, die zur Verbildlichung und Darstellbarkeit des Sexparadigmas zu Rate gezogen werden, fußen auf demselben verbalen Kern. „Schönes Fräulein Lust auf mehr / Blitzkrieg mit dem Fleischgewehr / Schnaps im Kopf du holde Braut / Steck Bratwurst in dein Sauerkraut“, singt die Band Rammstein in dem lange indizierten Song Pussy. Dieses „Steck Bratwurst in dein Sauerkraut“, das ein eindeutiges Szenario vor Augen führt, hat einen barocken Vorläufer, und zwar bei Georg Rodolf Weckherlin, der in Garten Buhlschafft / oder Kraut Lieb auch eine sexuelle Annährung beschreibt:

Liebstöckel mögen wir auch wagen /

Dieweil sie gut für die / die blaich /

So stöck es tief in das Glidweich.

Glidkraut mein glid mit lust durchdringet /

Wan es kein Muterkraut mit bringet:

Auch leb vnd süß ist die Manstrew /

Mit Zapfen-kraut die frewd wirt new: […]6

Wenn man Weckherlins Lyrik, also die eines Dichters an der Schwelle zum 17. Jahrhundert, als ästhetisch hochwertig bewertet – so die Tendenz –, da sie unter anderem in den kleinen Reclam-Gedichtband zum Thema Erotik herausgegeben von Harry Fröhlich aufgenommen wurde, dann müsste dasselbe Prinzip auch für die Industrial Metal-Band aus Ostberlin gelten. Überhaupt ist das Relationsgeflecht zwischen Rammstein und den Barockdichtern ziemlich eng gesponnen, es gibt Berührungspunkte und Überschneidungsflächen. So ist das Cover von Liebe ist für alle da eine Hommage an Rembrandt und an Rubens, die auf eine visuell-plastische Art und Weise mehrfach zitiert werden. „Ich schleich mich an / Und rede fein / Wer ficken will / Muss freundlich sein“ heißt es in Liebe ist für alle da; ein ganz ähnlich anmutendes Diktum findet sich ebenfalls bei Weckherlin, bei dem die Redegewandtheit des jungen Mannes zum sexuellen Akt führen soll:

Ach! was empfind ich in dem hertzen /

Sprach sie / ich antwort / laß vns schertzen:

Je läng’r je lieber bist du mir /

Ja Tag vnd Nacht lieb bin ich dir /

Laß vns mit maß vnd ohn Maßlieben /

Laß vns das Nabelkraut verschieben /

Das so süß / vnder deinen Schurtz.

Ja Knabenwurtz vnd Ständelwurtz /

Sprach sie / mir allzeit wol zu schlagen7

Demgemäß soll in den Fokus der folgenden Bemerkungen die Frage nach den Darstellungsmodalitäten und lyrischen Inszenierungsmodi des Sexuellen und Erotischen in der Dichtung des deutschen Barock gestellt werden. Herauspräparieren und bestimmen lassen sich dabei fünf Hauptkategorien, die in den Gedichten zum Ausdruck gelangen und die parallel dazu zueinander entweder im Widerspruch stehen oder in einen Dialog treten und somit auch das Gesamtbild und den Gesamteindruck vom „(un-)galanten“ Barock vervollständigen und erneut die innere polarisierende Antonymie der Epoche belegen.8 Dieses ‚Gespräch‘ wird nicht nur auf der Poetik-Ebene geführt, sondern vor allem auch auf der Rezeptionsebene, d.h. zwischen Autor, Text und Leser.9 Zu unterscheiden sind folgende thematische Schwerpunkte, auf die man im Weiteren zu sprechen kommt, um den lyrischen Konturen des triebhaften Erotischen im Barock gerecht zu werden, obwohl man sich stets dessen bewusst sein muss, dass die Vollständigkeit und Komplexität nur ein Schein ist, weil man nur einen kurzen Ausschnitt aus der barocken Sexualitätsdichtung präsentieren kann: 1) Occasio, 2) Liebe, 3) Kuss, 4) Wollust, 5) Homo eroticus.10

₺2.725,73

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
531 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9783823300908
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Serideki Dördüncü kitap "Popular Fiction Studies"
Serinin tüm kitapları