Kitabı oku: «Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik», sayfa 4

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3. Forschungstraditionen der Fremdsprachendidaktik

Friederike Klippel

Die Fremdsprachendidaktiken sind als wissenschaftliche Disziplinen noch relativ jung, denn sie etablierten sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland als akademische Fächer. Dennoch gibt es eine Tradition der Erforschung des Lehrens und Lernens von Sprachen, die viel weiter zurückreicht als in die 1960er Jahre, in denen an den Pädagogischen Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland in größerem Umfang Professuren für die Fachdidaktiken in den Sprachenfächern eingerichtet wurden. Wenn man unter Forschung die systematische Suche nach neuen Erkenntnissen versteht (s. auch Kapitel 2), dann müssen auch die Bemühungen aus früheren Jahrhunderten anerkannt werden, die Ziele, Inhalte, Verfahren und kontextuelle Einbettung des Sprachenlernens theoretisch oder empirisch genauer zu fassen. Kelly (1969) charakterisiert zwei Grundtypen früher Forschung zum Sprachenlernen:

The all-important stages of learning a language were developed by two sorts of amateur. One was the professional grammarian who, for various reasons, found himself in the classroom; the other was the professional educator who, because of an interest in language, turned to teaching languages. Erasmus is a good example of the first and Comenius of the second. (Kelly 1969: IX)

Auch wenn Kellys Bezeichnung „amateur“ für Gelehrte wie Erasmus und Comenius nicht ganz passend erscheint, so besitzt doch seine Unterscheidung in diese beiden Grundtypen bis in das 20. Jahrhundert hinein Gültigkeit: Ein Interesse an der intensiven Beschäftigung mit dem Sprachenlernen erwuchs entweder aus der Beschäftigung mit der Sprache oder den Sprachen selbst, so etwa im Falle von Hermann Breymann, Professor für französische und englische Sprache an der Münchener Universität von 1875 bis 1909. Breymann, der vor seinem Ruf nach München sieben Jahre lang in England u.a. als Französischlektor selbst Sprachunterricht erteilt und Lehrbücher für das Französische verfasst hatte (Riedl 2005: 233), widmete sich als Wissenschaftler sowohl der Erforschung des Provençalischen, der historischen Entwicklung des Französischen und Spanischen und bestimmten Epochen der englischen Literatur als auch der inhaltlichen Gestaltung der Lehrerbildung in den neueren Sprachen und der bibliographischen Aufarbeitung der neusprachlichen Reformbewegung. Seine kommentierten Bibliographien zur Reformbewegung (Breymann 1895, 1900) sind bis heute eine unverzichtbare Grundlage der fachhistorischen Forschung. Als Vertreter des anderen Typus, nämlich des Pädagogen, dessen Interesse an Bildungsprozessen im Allgemeinen auch die sprachliche Bildung im Besonderen umfasst, wäre z.B. Carl Wilhelm Mager zu nennen, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein Konzept für eine umfassende Schulbildung entwirft, in dessen Rahmen dem Unterricht in Sprachen, und zwar sowohl den lebenden als auch den klassischen Sprachen, besonderer Stellenwert zukommt (Mager 1846). Die von Mager dafür entwickelte und propagierte „genetische Methode“ wurde zu seiner Zeit in einigen erfolgreichen Lehrbüchern umgesetzt (Klippel 1994: 444–447).

Die Klassifizierung in eher linguistisch oder pädagogisch motivierte frühe fremdsprachendidaktische Forschung liegt quer zu der heute üblichen Unterscheidung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung (s. Kapitel 2). Die aktuell gültigen und allgemein üblichen Güte- und Qualitätskriterien für Forschungsarbeiten (s. Kapitel 2) waren im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch nicht in gleichem Maße bekannt oder selbstverständlich. Das bedeutet jedoch nicht, dass weit zurückliegende Forschungsarbeiten a priori fehlerhaft oder gar wertlos sind. Man muss sie allerdings – ganz im Sinne einer inneren und äußeren Quellenkritik (dazu Kapitel 5.3.1) – im Kontext ihrer Zeit lesen und interpretieren.

Geht man vom zeitlichen Rahmen bisheriger großer historischer Abrisse des Fremdsprachenlehrens und -lernens aus (Kelly 1969, Germain 1993, Wheeler 2013), dann lassen sich Überlegungen zum Sprachenlehren und -lernen aus 5000 bis 2500 Jahren belegen. Sicherlich sind nicht alle diese Überlegungen als Forschung im engeren Sinne einzuordnen, aber die Grenze zwischen den in den vergangenen Jahrhunderten niedergelegten Annahmen, Prinzipien und Beobachtungen engagierter Sprachenlehrer (etwa von Seidelmann 1724 oder Falkmann 1839) einerseits und theoretischen Ideen und Konzepten etwa eines Comenius (1643) andererseits ist schwer festzulegen. Ist beides, nur eines oder gar nichts davon als Forschung zu sehen? Da der Fokus dieses Handbuchs auf der deutschen Fremdsprachendidaktik liegt, werden im Folgenden die ForschungstraditionForschungstraditionen in Deutschland ab dem 19. Jahrhundert skizziert, seit es eine theoretische, historische und empirische Auseinandersetzung mit dem Forschungsfeld in größerem Ausmaß gibt.

Wer forscht?

Heute erfolgt ein Großteil der fremdsprachendidaktischen Forschung an Universitäten und Hochschulen, oftmals im Kontext wissenschaftlicher Qualifizierungsarbeiten oder geförderter Projekte. Das war im 19. und frühen 20. Jahrhundert noch völlig anders. In einer Zeit, in der sich die modernen Sprachen erst langsam an Schulen und Universitäten etablierten (dazu z.B. Finkenstaedt 1983: 27–123; Hüllen 2005: 75–91), befand sich ein Großteil derer, die sich systematisch mit dem Fremdsprachenunterricht befassten, als Lehrer an einer höheren Schule. Viele der damaligen Sprachlehrer waren leidenschaftliche Verfechter ihres Faches und kämpften für dessen Berechtigung und stärkere Berücksichtigung. Dazu veröffentlichten sie theoretische Abhandlungen in den ebenfalls ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden pädagogischen und philologischen Fachzeitschriften. Insbesondere zu Zeiten der neusprachlichen Reformbewegung ab etwa 1880 setzten sich Befürworter und Gegner der Reform intensiv auseinander. In diesem Kontext entstanden auch die ersten Forschungsarbeiten, die sich in heutiger Terminologie eventuell als empirische Unterrichtsforschung oder Handlungsforschung bezeichnen lassen, indem einzelne Lehrer (z.B. Klinghardt 1888) über einen längeren Zeitraum hinweg ihren Unterricht systematisch aufzeichneten, ihre Beobachtungen notierten und diese dann mit Bezug auf die gängigen Theorien zum Sprachenlernen interpretierten (Klippel 2013). Andere Lehrer untersuchten die Geschichte des Französisch- oder Englischunterrichts (s. Kapitel 3.1 zu einschlägigen Beispielen), wiederum andere befassten sich mit theoretischen Konzepten zu einer Sprachenfolge in den höheren Schulen – etwa Julius Ostendorf (dazu Ostermeier 2012).

Der Beginn der Forschungstradition im Bereich der Fremdsprachendidaktik ist also eng verknüpft mit der Lehrerschaft. Die zunehmende Professionalisierung dieser Lehrer und ihr starkes Engagement für die aufstrebenden modernen Sprachen sowie ihr Bemühen, den Unterricht wissenschaftlich zu fundieren und zu optimieren, führten zu einem regen fachlichen DiskursDiskurs. Und es ist festzuhalten, dass bereits damals historisch, theoretisch und empirisch geforscht wurde – wenn auch letzteres nicht in breitem Umfang.

Bis in die 1960er Jahre ändert sich diese Situation nicht wesentlich. Zwar gibt es vereinzelt Dissertationen zum Lehren und Lernen fremder Sprachen (s. Überblick in Sauer 2006), doch findet der wissenschaftliche Diskurs primär nicht auf akademischer Ebene statt, sondern vielmehr bei Fachtagungen und in fachdidaktischen Fachzeitschriften, wie z.B. Die Neueren Sprachen, Neusprachliche Mitteilungen, Praxis des neusprachlichen Unterrichts, die weiterhin für den Unterricht in den beiden Sprachen Englisch und Französisch publizieren1 und zumeist, so scheint es, von Sprachlehrern selbst herausgegeben, verfasst und gelesen werden. Der Französisch- und Englischunterricht ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Gymnasien und Mittelschulen etabliert; an den Universitäten sind fast überall Professuren für die neuphilologischen Fächer eingerichtet, deren Schwerpunkt jedoch weiterhin in der Literaturwissenschaft und der Historischen Sprachwissenschaft liegt. Erst mit dem Ausbau des Unterrichts in einer modernen Fremdsprache, meist Englisch, für Schülerinnen und Schüler aller Schulformen in Folge des Hamburger Abkommens von 1964 und der dadurch erforderlichen Einrichtung von fremdsprachendidaktischen Professuren an den Pädagogischen Hochschulen, an denen damals die Lehrkräfte für die nicht-gymnasialen Schulformen ausgebildet wurden, gewinnt die Fachdidaktik Englisch (vgl. dazu Doff 2008) und in Folge dessen auch die Fachdidaktik der romanischen Sprachen an wissenschaftlicher Statur und Forschungskapazität. Gleichzeitig erhöht sich die Zahl der Lehrkräfte erheblich, die für den Sprachunterricht ausgebildet werden müssen und die als potentielle Rezipienten von Forschungsergebnissen – während der Ausbildung oder im Beruf – zu sehen sind.

Im Bereich Deutsch als Fremdsprache erfolgt die Entwicklung mit einiger Verzögerung und mit anderen Vorzeichen, denn ein wissenschaftliches Fach etabliert sich in der alten Bundesrepublik erst Ende der 1970er Jahre in unterschiedlich enger Verzahnung mit der Germanistik und mit unterschiedlichen Denominationen (vgl. Götze et al. 2010: 19–20). Für Deutsch als Fremdsprache geht die Forschungstätigkeit weniger von den praktizierenden Lehrkräften aus als von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Als „Motor der Entwicklung im Wissenschaftsbereich“ identifizieren Götze et al. (2010: 20–21) ab 1971 den „Arbeitskreis Deutsch als Fremdsprache“ (AKDaF; heute „Fachverband Deutsch als Fremdsprache“ FaDaF). In den 1970er Jahren entstehen die einschlägigen DaF-Publikationsorgane wie etwa die Zeitschrift „Zielsprache Deutsch“ (ab 1970) und das „Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache“ (ab 1975) (vgl. Götze et al. 2010: 21).

Die hier geschilderte Entwicklung verlief in der DDR etwas anders. So gab es am Leipziger Herder-Institut, an dem seit 1956 Deutschunterricht für ausländische Studierende erteilt wurde, bereits ab 1968 eine Professur im Fach Deutsch als Fremdsprache. Die fremdsprachendidaktische Forschung in der DDR orientierte sich weitgehend an der russischen (Psycho-) Linguistik und Pädagogik, während die westdeutsche eher in die USA blickte. Vor der Wiedervereinigung 1989 wollte oder konnte man sich in BRD und DDR gegenseitig kaum in den jeweiligen Forschungsbemühungen wahrnehmen (so Hüllen 1991), wenngleich es etwa im Bereich der fachhistorischen Forschung bereits in den 1980er Jahren auf der Basis der Initiative einzelner Forscher zu einem wissenschaftlichen Austausch kam (etwa Strauß 1985).

Die große Steigerung der Forschungsaktivität ab den späten 1960er Jahren zeigt sich eindrücklich an der wachsenden Zahl von Dissertationen und Habilitationsschriften, die in der Fremdsprachendidaktik angefertigt werden. Während Sauer (2006) für den Zeitraum von 1900 bis 1962 lediglich 19 einschlägige Arbeiten aufführt, sind es von 1968 bis zum Jahr 2000 insgesamt 355. Ab dem Jahr 2000 erfolgen in Deutschland jährlich im Durchschnitt zwischen 15 und 25 Promotionen und Habilitationen in den fremdsprachendidaktischen Fächern.2 Selbstverständlich sind unter den Promovenden und Habilitanden auch Lehrkräfte der Sprachenfächer; genaue Zahlen dazu gibt es jedoch nicht. Dennoch hat sich somit in den letzten 50 Jahren die Forschungstätigkeit eindeutig aus den Schulen in die Universitäten und Hochschulen verlagert, zumal für Lehrkräfte im Schuldienst eine Promotion keine die Laufbahn direkt fördernde Qualifikation darstellt. Es ist heutzutage nicht in jedem Bundesland zwingend erforderlich, dass bei der Besetzung von fachdidaktischen Professuren in den Sprachenfächern Schul- oder Unterrichtspraxis nachgewiesen wird. Insofern hat sich auch in dieser Hinsicht die Forschung aus der Schule heraus verlagert.

Was wird erforscht?

Fremdsprachendidaktische Forschung dient dem Ziel, die Komponenten des Sprachunterrichts, dessen Ziele, Inhalte und Methoden, aber auch die Prozesse der Sprachaneignung und die Kontexte, in denen Lehren und Lernen realisiert wird, besser zu verstehen und in Folge effektiver zu gestalten. Wenn man also das Didaktische Dreieck zum Ausgangspunkt einer Analyse nimmt, dann bestehen für die fremdsprachendidaktische Forschung die vier Optionen, ihren Fokus stärker auf die Lern(er)perspektive, die Lehr(er)perspektive oder die Inhaltsperspektive zu legen; als weiterer Fokus kommt der Kontext hinzu, in dem Lehren bzw. Lernen verortet ist.

Betrachtet man die jüngere deutsche Tradition der fremdsprachendidaktischen Forschung in den vergangenen gut einhundert Jahren, so kann man Phasen unterscheiden, in denen einzelne der genannten Schwerpunkte im Zentrum der Forschung standen, während andere kaum Beachtung fanden. Zu jeder Zeit gibt es Bereiche des Sprachenlernens, die als weitgehend geklärt oder unstrittig gelten, so dass sie als wenig ertragreich für die Forschung betrachtet werden. Gegenwärtig ist das etwa für die generelle Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts auf funktionale Sprachfertigkeiten der Fall. Dass dies ein wichtiges Ziel ist, wird theoretisch kaum hinterfragt; die Mehrzahl der Forschungsvorhaben konzentriert sich vielmehr auf Fragen nach dem optimalen Gestalten von Lernumgebungen, Aufgaben oder Leistungsmessung innerhalb des akzeptierten Konzepts.

Solange fremdsprachendidaktische Forschung vor allem durch die Sprachlehrer selbst erfolgte, standen Fragen nach der methodischen Gestaltung des Unterrichts und nach der Eignung bestimmter Texte und Materialien im Vordergrund. Die Lern(er)perspektive findet sich in dieser Zeit nur sehr selten. So scheint zwar die kleine Monographie von Felix Franke (1884) aufgrund ihres Titels „Die praktische Spracherlernung auf Grund der Psychologie und der Physiologie der Sprache dargestellt“ einen Fokus auf das Lernen zu besitzen, doch geht es Franke vielmehr um die möglichst einsprachige, aus seiner Sicht natürliche Methode, um Sprachen zu vermitteln. Die nützliche und leider fast vergessene Bibliographie von Kohl/Schröder (1972), die Veröffentlichungen zur englischen Fachdidaktik und deren Bezugsfelder bis 1971 aufführt, liefert für die Zeit bis 1960 unter der Rubrik „Der Fremdsprachen-Lernprozess“ (Kohl/Schröder 1972: 62–65) wesentlich weniger Einträge als ab 1960. Insgesamt enthält die Bibliographie zu dem Themenbereich des Fremdsprachen Lernens nur einen geringen Bruchteil an Publikationen im Vergleich zu denen, die unter „Methodische Grundfragen“ zusammengestellt sind (Kohl/Schröder 1972: 191–286) und die sich also mit der Lehrperspektive befassen. Auch wenn viele der in dieser Bibliographie genannten Aufsätze und Monographien nicht zur Forschungsliteratur im engeren Sinne gezählt werden können, so werden doch zeitlich bedingte Schwerpunktsetzungen sehr deutlich.

Die Lern(er)perspektive wird ab den 1970er Jahren im Zuge der Etablierung der Sprachlehrforschung sehr viel stärker berücksichtigt. Dieser Blickwechsel wird durch internationale Entwicklungen gestützt, die der Second Language Acquisition Research zur Blüte verhelfen (Königs 2003). Applied Linguistics emanzipiert sich von der Sprachwissenschaft und behauptet sich seitdem als eigener Forschungszweig. Zahlreiche Verbands- und Zeitschriftengründungen im englischsprachigen Raum in den 1960er und 1970er Jahren tragen dem Rechnung. So gibt es die „Association Internationale de Linguistique Appliquée“ (AILA) seit 1964, die „British Association for Applied Linguistics“ (BAAL) seit 1967, die „American Association for Applied Linguistics“ (AAAL) seit 1977.

Organisationen und Zeitschriften, die sich auf Forschung zur Vermittlung einer Sprache konzentrieren, sind in der Regel jüngeren Datums als diejenigen, die sich mit mehreren lebenden Sprachen befassen, was die fortlaufende Differenzierung des gesamten Feldes in Einzeldisziplinen in Deutschland und im internationalen Raum widerspiegelt. So gibt es die Vereinigung der Fremdsprachenlehrer in den USA, die „National Federation of Modern Language Teachers“, und ihre Zeitschrift „Modern Language Journal“ bereits seit 1916. Nach dem zweiten Weltkrieg werden wichtige internationale englischdidaktische Zeitschriften gegründet: „English Language Teaching“ (heute: „English Language Teaching Journal“) besteht seit 1946, „TESOL Quarterly“ seit dem Jahr 1966, „Language Teaching“ seit 1967. Auch in Deutschland differenziert sich das Angebot an einzelsprachigen Zeitschriften erst ab den 1960er Jahren aus: „Englisch“ wird 1965 gegründet, „Englisch-Amerikanische Studien (EASt)“ im Jahr 1979.

Man kann wahrscheinlich davon ausgehen, dass Dissertationen und Habilitationsschriften im Großen und Ganzen mit den jeweils aktuellen Forschungstrends konform gehen. Blickt man auf die Themen der seit dem Jahr 1843 abgeschlossenen Arbeiten (Sauer 2006 und DGFF-Webseite, siehe Fußnote 2), dann lassen sich anhand der Titel die thematischen Schwerpunkte zumindest oberflächlich feststellen. Tabelle 1 gibt einen Überblick.


Thematischer Schwerpunkt 1843 bis 1970 1971 bis 1999 2000 bis 2014
N = 29 N = 336 N = 282
Inhalte 1 24 % 123 37 % 86 30 %
Lehren, Lehrer 10 34 % 58 17 % 56 20 %
Lernen, Lerner 7 3 % 127 38 % 124 44 %
Kontext 12 41 % 28 8 % 16 6 %

Tabelle 1:

Themenbereiche fremdsprachendidaktischer Dissertationen und Habilitationen 1843 bis 2014

Selbstverständlich kann eine solche Übersicht nur einen groben Trend verdeutlichen, denn zum ersten sind vermutlich nicht alle Dissertationen und Habilitationen in den benutzten Übersichten erfasst, zum zweiten lässt sich das Themengebiet aus den Titeln nicht immer eindeutig bestimmen und zum dritten umgreifen sehr viele Arbeiten vermutlich mehr als nur einen Schwerpunkt. Dennoch ist die Verlagerung von der Lehrperspektive zur Lernperspektive klar zu erkennen. Studien zu den Inhalten des Fremdsprachenunterrichts haben sich in ihrem Anteil nicht wesentlich verändert, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass literatur- und kulturdidaktische Untersuchungen in der deutschen Fremdsprachendidaktik – anders als etwa im englischsprachigen Raum – seit jeher einen hohen Stellenwert besitzen.

Wie wird geforscht?

Wenn man von den drei großen Kategorien von Forschung ausgeht, die auch in diesem Handbuch unterschieden werden, nämlich historische, theoretische und empirische Forschung, dann haben sich die Gewichte in den letzten drei Jahrzehnten stark zur empirischen Forschung hin verschoben. Vor gut hundert Jahren gab es zwar auch schon erste empirische Studien zum Fremdsprachenunterricht, der Großteil der Forschung war jedoch eher theoretisch-konzeptuell und historisch-beschreibend ausgerichtet. Es ist nicht verwunderlich, dass die historische ForschungForschunghistorische in den letzten Jahrzehnten des 19. und bis in die späten 1960er Jahre bedeutsam war, denn jede neue Disziplin sucht im Prozess der Selbstdefinition und Selbstfindung nach historischen Wurzeln und Belegen für eine eventuell schon vorhandene Tradition.

Während im englischsprachigen Raum mit der Entwicklung der Applied Linguistics nach einer theoretischen Konsolidierungsphase in den 1960er Jahren (z.B. Halliday/McIntosh/Strevens 1964) in den letzten Jahrzehnten vor allem empirische Forschungempirische Forschungsvorhaben durchgeführt wurden, blieben die Traditionen der theoretisch-konzeptuellen und der historischen Forschung im deutschsprachigen und europäischen Raum stärker lebendig, wenngleich auch bei uns die empirische Forschung heute den Hauptanteil aller Vorhaben in der Fremdsprachendidaktik ausmacht. Es ist insofern interessant, dass erst jetzt in der englischsprachigen Welt der Fremdsprachendidaktik die Forderung nach systematischer historischer Forschung geäußert wird (Smith 2016), die etwa auch in der Romania schon lange im Rahmen von SIHFLES (Société Internationale pour l’Histoire du Français Langue étrangère ou seconde) oder CIRSIL (Centro Interuniversitario di Ricerca sulla Storia degli Insegnamenti Linguistici) erfolgt.

Die Einflüsse auf die fremdsprachendidaktische Forschung in Deutschland stammen aus unterschiedlichen Feldern. Durch die feste Verankerung der Fremdsprachendidaktik in der LehrerbildungLehrerbildung ergeben sich Schnittmengen mit der bildungswissenschaftlichen Forschung und der in anderen Fachdidaktiken. Der Aufstieg der empirischen Bildungsforschung hat auch in der Fremdsprachendidaktik Wirkungen entfaltet. Zudem geschieht Forschung heute stärker als noch vor einigen Jahrzehnten in größeren Verbünden; das DESI-Projekt (Deutsch-Englisch-Schülerleistungen-International) ist dafür ein Beispiel. Eine größere Kooperation gibt es auch über die Grenzen einzelner Fachdidaktiken hinweg; ab 2015 ist dies häufiger im Rahmen von Verbundprojekten der Qualitätsoffensive Lehrerbildung (gefördert durch das BMBF) der Fall. Für die fremdsprachendidaktische Forschung sind auch die Initiativen und Aktivitäten des IQB (Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen) von großer Bedeutung, mit denen etwa eine Entwicklung und empirische Validierung von fachspezifischen Aufgaben erfolgt, die in den Schulen die Erreichung der Bildungsstandards fördern und überprüfen sollen. Fremdsprachendidaktische Forschung war auch schon früher mit Innovationen und Entwicklungen im Schulwesen eng verknüpft. Insbesondere die Einführung des Englischunterrichts in der Grundschule führte in den 1970er (Doyé/Lüttge 1977) und frühen 1990er Jahren (Kahl/Knebler 1996) zu wichtigen Forschungsarbeiten.

Wie geforscht wird und geforscht werden kann, hängt nicht zuletzt auch mit den vorhandenen Infrastrukturen zusammen. Die fremdsprachendidaktische Forschung hat vor allem von der Etablierung von Professuren in den letzten fünfzig Jahren profitiert, aber auch von der Einrichtung des DFG-Schwerpunkts „Sprachlehrforschung“ und der Graduiertenkollegs der DFG. Zwölf Jahre lang, von 1991 bis 2003, bestand das Graduiertenkolleg „Didaktik des Fremdverstehens“ an der Justus-Liebig-Universität Gießen und hat durch seine Absolvent_innen, von denen weit mehr als ein Dutzend erfolgreich die Wissenschaftler_innenlaufbahn eingeschlagen haben, die deutsche Forschungslandschaft der fremdsprachendidaktischen Fächer in den vergangenen zwanzig Jahren nachhaltig geprägt. Offenbar gehen eine intensive Nachwuchsförderung und ein bedeutsamer Forschungs-Output Hand in Hand, wie ein Blick in die Zusammenstellung von Sauer (2006) zeigt. Universitäten, an denen zahlreiche Dissertationen und Habilitationsschriften entstanden sind (vgl. Sauer 2006: 75–109) – etwa Gießen, Bielefeld, Hamburg, München und Berlin – können auch als forschungsstark angesehen werden, wenngleich nicht immer in allen fremdsprachendidaktischen Fächern.

Der Blick zurück zeigt eine Reihe von parallel und sukzessive verlaufenen Entwicklungen sowie einige Konstanten. Die fremdsprachendidaktische Forschung hat sich in den letzten 130 Jahren von den Lehrern auf die Wissenschaftler_innen an Universitäten und Hochschulen verlagert. Neben die Inhalts- und Lehrperspektive ist zunehmend die Lernperspektive als Forschungsgegenstand getreten. Historische und theoretische Forschungtheoretische Forschungsansätze haben zwar etwas an Bedeutung verloren, sind jedoch keineswegs obsolet. Diesen Verschiebungen im Fokus fremdsprachendidaktischer Forschungsaktivitäten stehen die Konstanten gegenüber, die sich etwa in den Forschungsfragen zeigen, von denen sich viele – zwar im jeweiligen Zeitraum anders formuliert und fokussiert – mit der Sinnhaftigkeit bestimmter Lehr-Lernziele oder der Wirksamkeit einzelner unterrichtlicher Maßnahmen befassen. Auch die Analyse von Lehr- oder Lernmaterialien ist ein immer wieder aufgegriffenes Forschungsthema. Der Blick in diese reiche Tradition lohnt sich auch heute und in Zukunft.

› Literatur

Breymann, Hermann (1895). Die neusprachliche Reform-Literatur 1876–1893. Eine bibliographisch-kritische Übersicht. Leipzig: Deichert.

Breymann, Hermann (1900). Die neusprachliche Reform-Literatur 1894–1899. Eine bibliographisch-kritische Übersicht. Leipzig: Deichert.

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Franke, Felix (1884). Die praktische Spracherelernung auf Grund der Psychologie und Physiologie der Sprache dargestellt. Heilbronn: Henninger.

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