Kitabı oku: «Frauenwahlrecht», sayfa 3

Yazı tipi:

52Pateman, Beyond Suffrage, S. 331.

53Vgl. den Beitrag von Barbara von Hindenburg.

54Philipp Sarasin, Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765–1914, Berlin 2001, S. 76.

55Gundula Ludwig, Zur Dekonstruktion von »Frauen«, »Männern« und »dem Staat«, Foucaults Gouvernementalitätsvorlesungen als Beitrag zur Weiterentwicklung feministischer poststrukturalistischer Staatstheorie, in: femina politica 2 (2010), S. 39–49, hier S.42f. u. 46.

56Bourdieu, Die männliche Herrschaft, S. 173 u. 186.

57Ebd., S. 159; vgl. zur Konstruktion des disqualifizierenden Verhältnisses der Frauen zu ihren Körpern: Ludwig, Dekonstruktion, S.42f.

58Emmeline Pankhurst, Suffragette. Die Geschichte meines Lebens, Göttingen 2016, S. 31.

59Christoph Kucklick, Das unmoralische Geschlecht. Zur Geburt der Negativen Andrologie, Frankfurt am Main 2015.

60Vgl. zur neuesten Forschung Kerstin Wolff, Anna Pappritz (1861–1939). Die Rittergutstochter und die Prostitution, Sulzbach i.Ts. 2017.

61Vgl. dazu auch Wischermann, Frauenbewegungen.

62John Stuart Mill, Speech on the Admission of Women to the Electoral Franchise. Spoken in the House of Commons, 20. 5. 1867, S.826, http://hansard.millbanksystems.com/commons/1867/may/20/clauses-3-4-progress-may-17#S3V0187P0_18670520_HOC_83 [31. 3. 2018].

63Mary Beard, Women & Power, London 2017, insbes. S. 17; Josephine Hoegaerts, Masculinity and Nationhood, 1830–1910. Constructions of Identity and Citizenship in Belgium, Genders and Sexualities in History, Houndmills 2014; Josephine Hoegaerts, Speaking Like Intelligent Men. Vocal Articulations of Authority and Identity in the House of Commons in the Nineteenth Century, in: Radical History Review 121 (January 2015), S. 123–144; vgl. dazu auch Theo Jung, »Schweigen«, in: Daniel Morat/Hansjakob Ziemer (Hg.), Handbuch Sound: Geschichte – Begriffe – Ansätze, Stuttgart/Weimar, im Druck.

64Das Goldene Buch des Deutschen Volkes an der Jahrhundertwende, Leipzig o. D. [1900], Teil »Wirtschaftsleben«, S. 9 und 13.

65Der »Weltbund für Frauenstimmrecht«, so der deutsche Name, wurde später in »International Alliance of Women« umbenannt; vgl. Stritt, Der Internationale Frauenkongress, S. 520.

66August Bebel, Die Frau und der Sozialismus [50.Aufl., 1909]. Mit einem einleitenden Vorwort von Eduard Bernstein, Berlin/Bonn 1985, S. 36.

67Paul Julius Möbius, Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes, Halle an der Saale 1908.

68Helene Lange, Intellektuelle Grenzlinien zwischen Mann und Frau/Frauenwahlrecht, Berlin 1899, S. 34.

69Bertha von Suttner, Nobelvorlesung, gehalten vor dem Nobel-Comité des Storthing zu Christiania am 18. 4. 1906, Nobelprize.org, https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/peace/laureates/1905/suttner-lecture-ge.html [5. 1. 2018].

70Teele, Forging the Franchise, S. 274f.

71Müller, Nach dem Ersten Weltkrieg; Laura Beers, Frauen für Demokratie. Möglichkeiten und Grenzen des zivilgesellschaftlichen Engagements, in: Müller/Tooze, Normalität und Fragilität, S. 111–132; Jeppe Nevers, Demokratiekonzepte in Dänemark nach dem Ersten Weltkrieg, in: ebd., S. 379–391.

Raum – Körper – Sprechen

Kerstin Wolff

Noch einmal von vorn und neu erzählt
Die Geschichte des Kampfes um das Frauenwahlrecht in Deutschland

Die Geschichte des Frauenwahlrechtskampfes in Deutschland ist auf den ersten Blick gut erforscht. Im Zuge der Etablierung der Frauen- und Geschlechtergeschichte und in der Folge von Jubiläen oder runden Geburtstagen erschienen zahlreiche Einzelstudien, und mit der 1998 postum publizierten Dissertation von Ute Rosenbusch legte zum ersten Mal eine Juristin eine Arbeit über den Weg der deutschen Frauen zum Wahlrecht vor.1 Seit der Jahrtausendwende ist es allerdings – bezogen auf die Forschungen zur deutschen Entwicklung – eher ruhig um das Thema geworden, lediglich zum 90. Jahrestag 2008 erschienen noch einige Arbeiten, darunter die wichtige Arbeit von Angelika Schaser, die in ihrem Text auf die ältere Forschungsliteratur2 einging und auf immer wieder nacherzählte Stereotypen hinwies.3 Auch die Historikerin Gisela Bock, die sich als eine der ersten kritisch mit besonders wirkmächtigen Arbeiten zur Geschichte des Frauenwahlrechts in Deutschland auseinandergesetzt hat, konstatierte, dass viele dieser Arbeiten einen deutschen »Sonderweg« postulierten, ohne diese These tatsächlich beweisen zu können.4

Es sind, so Gisela Bock, vier Argumentationsmuster die diese »Sonderwegthese« untermauern sollen. Dies ist einmal die Hinwendung der deutschen Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zum Differenzansatz. Bei diesem argumentierten die Aktivistinnen mit einer besonderen Rolle der Frau in der Gesellschaft aufgrund ihres »natürlichen« Geschlechtscharakters. Das Argument einer grundsätzlichen Verschiedenheit zwischen Mann und Frau habe zur Folge gehabt, dass die deutschen Frauenrechtlerinnen »das Wahlrecht eigentlich nicht gewollt [hätten] und schon gar nicht zu dem Zweck, die separaten Geschlechtersphären und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung abzuschaffen«.5 Die Forderung nach dem Wahlrecht auch für Frauen wäre nur möglich gewesen – so die von Bock untersuchte Forschungsliteratur6 – mit einem Gleichheitsansatz. Nur durch diesen seien die frühen Wahlrechtlerinnen in der Lage gewesen, das Stimmrecht zu fordern, denn nur wenn Geschlechtergleichheit herrsche, könne der Ausschluss von Frauen angeprangert werden. Betone man hingegen die Geschlechterdifferenz, stütze man die Annahme, dass es Bereiche in der Gesellschaft gebe, die für Frauen nicht zugänglich seien, z.B. Politik oder politische Repräsentation.

Das zweite Argumentationsmuster bezieht sich auf die Trennung der deutschen Frauenbewegung in einen bürgerlich-gemäßigten und einen bürgerlich-radikalen Flügel, so Gisela Bock. Nur letzterem sei das Frauenwahlrecht ein wirkliches Anliegen gewesen, denn nur dieser Flügel stehe der Gleichheit der Geschlechter nahe und unterscheide sich damit diametral vom gemäßigten Flügel, der seine Politik auf den Unterschieden der Geschlechter aufgebaut habe. Drittens sei die deutsche Frauenbewegung in Sachen Frauenwahlrecht immer nur zögerlich, leise und vorsichtig aufgetreten, was als Beweis ihrer mangelnden politischen Durchsetzungskraft gesehen wurde. Und viertens schließlich habe die Entwicklung des Kampfes um das Frauenwahlrecht in Deutschland später als in anderen europäischen Ländern stattgefunden.

Gisela Bock überprüft diese vier miteinander verschränkten Argumentationsweisen auf ihre Stichhaltigkeit, indem sie einen internationalen Vergleich durchführt und so aufzeigen kann, dass die oben beschriebenen Einschätzungen einer genaueren Betrachtung nicht standhalten. Sie stellt fest, dass z.B. auch die radikalen englischen Suffragetten, die häufig als maßgeblich im Wahlrechtskampf herangezogen werden, ebenso mit der Geschlechterdifferenz argumentierten wie die bürgerlich-gemäßigten in Deutschland. Radikale Wahlrechtlerinnen argumentierten also nicht immer egalitär. Gisela Bock konnte auch zeigen, dass der Hinweis auf den späten Einstieg der Deutschen in den Frauenwahlrechtskampf ebenfalls nicht stimmig ist. Im Vergleich mit der Situation in England und den USA arbeitet sie heraus, dass es in allen Ländern einen gemeinsamen Faktor gab, der entscheidend war für den Zeitpunkt, an dem die Frauen begannen, für ihr Wahlrecht zu kämpfen. »Eine Frauenwahlrechtsbewegung entstand dann, wenn das Wahlrecht für Männer zur Debatte stand«,7 und dies war in Deutschland um 1900 der Fall, als das Dreiklassenwahlrecht, welches nach wie vor im größten Flächenland Preußen herrschte, immer stärker in die Kritik geriet, nicht zuletzt, weil es stark mit dem allgemeinen und gleichen Männerwahlrecht auf Reichsebene kontrastierte.8

Die Ergebnisse von Gisela Bock und Angelika Schaser zum Ausgangspunkt nehmend möchte ich der Frage nachgehen, warum die Forschung zur deutschen Frauenwahlrechtsbewegung bestimmte Narrative entwickelt hat. Warum verliehen viele deutsche Forscherinnen in den 1980er Jahren der eigenen Wahlrechtsgeschichte ein »konservatives« Gesicht und beschrieben sie als verspätet? Und warum zementierten sie die Trennung in einen radikalen und einen gemäßigten Flügel der Frauenbewegung? Die Geschichte des Kampfes um das Frauenwahlrecht in Deutschland kann, vielleicht sogar sollte – so meine These –, anders erzählt werden. Der Kampf der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung um das Frauenstimmrecht ab Mitte der 1890er Jahre ist als Gemeinschaftsprojekt aller Flügel und Richtungen zu verstehen, der von jedem Verband oder Verein in seiner Art und Weise geführt wurde. Der Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) verfasste Musterpetitionen zum Frauenstimmrecht und stellte diese seinen Mitgliedsverbänden zur Verfügung, der Allgemeine deutsche Frauenverein (ADF) arbeitete auf kommunaler Ebene und versuchte, den Einfluss von Frauen in städtische Ämter hinein auszudehnen (um damit den Weg für das Frauenwahlrecht zu bahnen), der Deutsch-Evangelischer Frauenbund (D. E. F. B) drängte in seinen Reihen auf das kirchliche Stimmrecht, und die diversen Frauenstimmrechtsvereine und -verbände trugen das Thema sowohl in die externe als auch in die interne Öffentlichkeit und hielten durch ihre Debatten das Thema »am Kochen«. Innerhalb dieses politischen Agitationsprozesses kam es zwischen den verschiedenen Akteurinnen immer wieder zu politischen Verwerfungen um die richtige Richtung und um das zweckdienliche Vorgehen, aber letztendlich war die Frauenstimmrechtsbewegung ein Teil der bürgerlichen Frauenbewegung, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert von fast allen Richtungen der bürgerlichen Frauenbewegung mitgetragen wurde. Dies sahen die Zeitgenossinnen durchaus so, z.B. Anna Lindemann, die 1913 eine der ersten zusammenfassenden Geschichten des Frauenwahlrechtskampfes vorlegte. Selber dem »radikalen« Flügel angehörend publizierte sie ihren Artikel im Jahrbuch der Frauenbewegung, herausgegeben von Elisabeth Altmann-Gottheiner, also in einer Publikation des »gemäßigten« Flügels. Sie schrieb: »Allein oder mit anderen Frauenvereinen treten die Stimmrechtsvereine auch für alle anderen Forderungen der Frauenbewegung ein, wo und wann die Gelegenheit es fordert.« Die Frauenstimmrechtsbewegung sei, so Lindemann weiter, »geboren aus der ganzen Not der Frau, getragen von ihrem ganzen Streben nach innerer und äußerer Freiheit, fördert sie mit jedem Schritt vorwärts, ihrem eigenen Ziele zu, die GANZE Frauenbewegung, schafft ihr mehr Licht und Luft, gibt ihr einen festeren Boden unter die Füße.«9 Wie also konnte es – fußend auf solchen Aussagen der Zeitgenossinnen – zu der verschobenen Wahnehmung der Forschungsliteratur kommen, und welche Auswirkungen hatte dies?

Meine im Folgenden vorzustellenden Überlegungen stützen sich auf eine Re-Lektüre zentraler Quellen, vor allem der Zeitschriften der bürgerlichen Frauenbewegung und der Schriften von Helene Lange und Minna Cauer, die als Vertreterinnen der beiden Flügel der Frauenbewegung verstanden werden und im Zentrum dieser Untersuchung stehen. Helene Lange und Minna Cauer werden in der Geschichtsschreibung der Frauenbewegung als Antagonistinnen verstanden. Auf der einen Seiten die als konservativ und bürgerlich-gemäßigt geltende Helene Lange, die explizit nicht als Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht verstanden wird, auf der anderen Seite die als fortschrittlich und radikal verstandene Minna Cauer, die als mutige Kämpferin für ein liberales Frauenwahlrecht dargestellt wird. In einem ersten Schritt möchte ich die Positionen der beiden Protagonistinnen (und damit auch die beiden »Flügel«) auf einer quantitativen und einer qualitativen Ebene vergleichen: Für die quantitative Ebene habe ich die von Lange und Cauer herausgegebenen Publikationsorgane daraufhin untersucht, wie häufig das Thema Frauenstimmrecht/Frauenwahlrecht auftaucht. Für die qualitative Ebene habe ich die frühen Schriften zum Frauenstimmrecht von Lange und Cauer verglichen; dabei stand die Frage im Zentrum, wie und worin sich die Argumentation der beiden Protagonistinnen zum Frauenwahlrecht unterscheidet. Abschließend habe ich in einem dritten Schritt die Entwicklung der deutschen Frauenstimmrechtsbewegung nachgezeichnet, um anhand der Rekonstruktion der Organisationsgeschichte der bürgerlichen Frauenbewegung in Sachen Wahlrecht zu verstehen, wie auf der organisatorischen Ebene mit diesem Thema umgegangen wurde. Im Folgenden möchte ich diese Re-Lektüre vorstellen und so anregen, das Bild der deutschen Frauenstimmrechtsbewegung noch einmal unter die Lupe zu nehmen, vielleicht sogar zu revidieren.

Die Frau – Das Intellektuellenblatt der Frauenbewegung

Helene Lange gab ab 1893 die Zeitschrift Die Frau heraus. Die Kommunikationswissenschaftlerin Ulla Wischermann kommt in einer Analyse der Zeitschrift zu dem Ergebnis, dass Helene Lange mit ihrem Anspruch und der inhaltlichen Ausgestaltung »weit über die bis dato existierenden Frauenbewegungszeitschriften, die eher Vereinsund Mitteilungsblätter waren, hinaus«ging.10 In der Frau schrieb die Crème de la Crème der bürgerlichen Frauenbewegung. Hier entwarfen die Autorinnen anspruchsvolle Grundsatzartikel.

Helene Lange, die Gründerin der Zeitschrift, arbeitete eng mit dem Dachverband der bürgerlichen Frauenbewegung, dem BDF, zusammen, trotzdem war Die Frau nicht das Zentralorgan des BDF. Aber sie gehörte in das »Spektrum seiner Öffentlichkeitsarbeit«, wie Ulla Wischermann dies nennt11, und Helene Lange gelang es, durch ihre Zeitschrift die Themen im BDF zu steuern und zu beeinflussen. So machten die Herausgeberinnen Helene Lange und Gertrud Bäumer mit und durch Die Frau im BDF Politik.

In Die Frau wird von Beginn an über das Frauenwahlrecht berichtet. Bereits im ersten Jahrgang wird unter der Rubrik »Frauenleben und -streben« ein Artikel zum Frauenwahlrecht in Neuseeland publiziert12, es folgen Berichte aus Wyoming, mehrfach aus England und den Niederlanden13. Auch künftig finden sich in jedem Jahrgang mehrere Berichte über die Entwicklungen in anderen Ländern. 1902 wird über den frisch gegründeten deutschen Verein für Frauenstimmrecht geschrieben, und ab 1903 setzt die Debatte zum kirchlichen Frauenstimmrecht/Frauenwahlrecht in Deutschland ein. Ab 1906 brachte Die Frau dann auch eigenständige Artikel zu allen Fragen des Frauenwahlrechts; ein erster eigenständiger Artikel von Helene Lange folgte 1910.14 Überhaupt beginnt ab 1910 eine rege Berichterstattung, die in den ersten beiden Jahren des Ersten Weltkrieges etwas einbricht, aber spätestens ab 1916 wieder aufgenommen wird.

Die Frauenbewegung – Das radikale Sprachrohr

Die Zeitschrift Die Frauenbewegung kam ab 1895 heraus und verstand sich als Sprachrohr der sich als radikal bezeichnenden Richtung. Minna Cauer war die Herausgeberinnenschaft angetragen worden, und sie war es auch, die die politische Richtung des Blattes bestimmte. Obwohl das Motto der Zeitschrift zu Beginn lautete: Dieses Blatt steht allen Richtungen offen, waren es vor allem die »Radikalen«, die hier publizierten. Die Zeitschrift kann als liberal und demokratisch bezeichnet werden und setzte sich für eine sich stetig in diese Richtung fortentwickelnde Veränderung der Gesamtgesellschaft ein. In der Zeitschrift finden sich zwei Rubriken, nämlich »Aus der Frauenbewegung« und »Vermischtes«, in denen Meldungen aus der Frauenbewegung aufgenommen wurden.15 Ab 1899 erschien Die Frauenbewegung mit einer Beilage, Parlamentarische Angelegenheiten und Gesetzgebung genannt, redigiert von Anita Augspurg. Diese Beilage sollte den juristischen Kämpfen der Frauenbewegung mehr Beachtung schenken und auch aus den Parlamenten berichten.

In Bezug auf die Debatten um das Frauenstimmrecht verfährt Die Frauenbewegung ebenso wie die Zeitschrift Die Frau. Bereits in der ersten Nummer werden Artikel zum Frauenstimmrecht lanciert, und es ist vor allem die positive Berichterstattung aus anderen Ländern, die sich in jeder Nummer, in jedem Jahrgang findet.16 Diese Berichterstattung verlagert sich im Laufe der Zeit immer stärker in die Beilage; trotzdem reißen die Artikel über den Kampf um das Frauenwahlrecht auch in Die Frauenbewegung nicht ab. Ein Höhepunkt der Berichterstattung stellt das Jahr 1902 dar, als der Verband für Frauenstimmrecht gegründet wurde und sich viele Pro- aber auch Kontrastimmen zum Frauenwahlrecht finden. Über die weitere Entwicklung des Verbandes wird in den nächsten Jahrgängen regelmäßig berichtet, bis dann am 15. 1. 1907 die Zeitschrift für Frauenstimmrecht als eigenständige Publikation, aber auch als Beilage der Zeitschrift Die Frauenbewegung erschien. Ab diesem Zeitpunkt verlagerte sich fast die gesamte Berichterstattung in die Beilage, 1912 und 1913 waren Jahre mit vermehrter Publikation auch im Hauptblatt, bis dann der Erste Weltkrieg die Berichterstattung fast komplett zum Erliegen brachte, bevor sie 1917 wieder anstieg.

Bei einem direkten Vergleich mit der Zeitschrift Die Frau können also kaum Unterschiede zwischen den beiden Flügeln festgestellt werden. In Thematik wie auch in der Anzahl der Artikel verfahren beide Zeitschriften ähnlich. Auch die Methode, die Berichterstattung über Beispiele aus dem Ausland als Motor für die Entwicklung im eigenen Land zu nutzen, wird von beiden Zeitschriften eingesetzt – in beiden Publikationsorganen wird vorzugsweise positiv über das zu erreichende Frauenwahlrecht berichtet.

Wie aber sieht es mit den inhaltlichen Differenzen zwischen den beiden Flügeln aus? Wird in den eigenständigen Publikationen das sichtbar, was in der älteren Forschungsliteratur als »diametral entgegengesetzte« Emanzipationskonzepte bezeichnet wird?17

Frühe Publikationen von Helene Lange und Minna Cauer zum Frauenwahlrecht

In das Bild der zögernden und zaudernden bürgerlich-gemäßigten Frauenbewegung passt es schlecht, dass Helene Lange bereits 1896 einen wichtigen Aufsatz veröffentlichte, in dem sie sich dezidiert für das Wahlrecht aussprach.18 In diesem Text verweist sie darauf, dass durch Wahlen jeder die »Interessen seines Standes, seines Bildungskreises, seiner Scholle vertritt«19; durch die Einführung des allgemeinen Wahlrechts habe man diese Vertretungslogik auch anerkannt. »Bis auf eine Kleinigkeit«, fährt Lange fort. »Obwohl niemand an der oben ausgeführten Wahrheit ernstlich zweifelt, ist eine Fiktion doch immer aufrechterhalten worden, die nämlich, daß die Männer zugleich die Interessen der Frauen wahren.«20 Hier kann – so Lange – nur »die Frau der Frau« helfen, denn »so wenig ein Stand für den anderen, so wenig auch ein Geschlecht für das andere eintreten kann«, das leuchte jedem konsequenten Denker ein. »Erst durch das Frauenstimmrecht wird das allgemeine Stimmrecht zu etwas mehr als eine reine Redensart.«21

Im weiteren Verlauf des Artikels entkräftet Lange die ihr und allen Zeitgenossinnen wohlbekannten Gegenargumente wie: Kriegsdienst und Wahlrecht seien miteinander verschränkt oder die Frau verstünde nichts von Politik und wolle überhaupt das Stimmrecht nicht haben. Nur ein Argument wäre für Lange stark genug, um das Stimmrecht der Frau nicht zu fordern, und dies sei die Gefährdung des öffentlichen Wohls. Aber wie steht es denn um das öffentliche Wohl am Ausgang des 19. Jahrhunderts? Hier stellt Lange dem Männerstaat ein schlechtes Zeugnis aus. Die Völker stünden sich bis an die Zähne bewaffnet gegenüber, der Alkoholismus gedeihe und fülle die Zuchthäuser, ein Kampf aller gegen alle, Verarmung, Heimatlosigkeit, Jugendkriminalität, Prostitution und Egoismus greife immer weiter um sich. »Der rein männliche Staat in seiner starren Einseitigkeit«, so schlussfolgert Lange, »hat sich eben nicht bewährt. In dieser Überzeugung kann uns Frauen keine ›Belehrung‹ erschüttern, und sei sie noch so sehr von oben herab, im deutschen Professorenton gehalten.«22

Die eigentliche Frage sei also nicht, ob Frauen ein Wahlrecht brauchen oder nicht, sondern wie zu diesem zu gelangen sei. Die Zeiten, so Lange, stünden für eine Einführung nicht sehr gut. Die öffentliche Meinung stehe noch nicht aufseiten des Frauenstimmrechtes und viele Männer hätten noch nicht erkannt, dass die politische Frauenarbeit für das staatliche Gemeinwohl wichtig sei. Das eigentliche Problem sah sie aber im Desinteresse der Frauen selbst, die noch nicht verstanden hätten, dass sie selber es waren, die die öffentliche Meinung und die der Männer verändern müssten. »Und so ist uns der Weg gewiesen«, so Lange. »Es gilt einzudringen in die Arbeit der Gemeinden, in die Schulverwaltungen, die Universitäten, die verschiedenen Berufszweige, und überall zu zeigen: das kann die Frau. […] Der Weg ist weit; aber er ist kein Umweg.«23 Damit formulierte Lange eine Herangehensweise, die sie in den nächsten Jahr(zehnt)en immer wieder propagieren wird, der langsame Weg von der Kommune hin zur Staatsspitze. Damit schloss sie sich der liberalen Idee eines langsamen politischen Einflussaufbaus an, der vor allem von Hugo Preuß vertreten wurde, dem späteren Mitbegründer der liberalen Deutschen Demokratischen Partei. Dieser wies seit den 1880er Jahren immer wieder auf die prinzipielle Gleichheit von Gemeinde und Staat hin. Der Staat war als die gegenwärtig größte Körperschaft gedacht, in der alle Körperschaften ihren Zusammenschluss fanden. Alle Gebietskörperschaften waren jedoch wesensgleich und unterschieden sich lediglich in der Größe. Das heißt, dass alle mit grundsätzlich gleichen Rechten, Pflichten und Funktionen versehen waren.24 Helene Lange nutzte diese politische Theorie und machte sie für die Argumentationen der Frauenbewegung nutzbar. Sie hatte damit einen Weg gefunden, gleichzeitig das Frauenwahlrecht zu fordern und dies mit der praktischen Arbeit vor Ort zu verknüpfen.

Minna Cauer, die zusammen mit Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann als wortgewaltigste Vertreterin für das Frauenwahlrecht gilt, äußerte sich 1899 selbst ausführlich zum Wahlrecht. In diesem Jahr publizierte der Berliner Siegfried Cronbach Verlag ihr Buch mit dem knappen Titel: »Die Frau im 19. Jahrhundert«. Das Buch erschien in einer Reihe, die, kurz vor der Jahrhundertwende, verschiedene Rückschauen auf 100 Jahre »geistiger Entwicklung« warf. Cauer kam in ihrem siebten und abschließenden Kapitel, welches sich der Zeit ab der Reichsgründung bis 1899 zuwandte, auf das Frauenstimmrecht zu sprechen. Interessant ist, dass Cauer, wie Lange auch, ihrer eigenen Zeit ein ungünstiges Zeugnis ausstellte. »Klassenkampf, Rassenkampf, Interessenkampf, Kampf der Geschlechter! […] Trotz, Uebermut, Egoismus, Mangel an Verständnis bei den Herrschenden; Haß, Anfeindung, Märtyrertum bei den Besitzlosen.«25 Und doch gebe es Hoffnung auf eine neue Zeit, so Cauer, denn nun seien die Frauen auf die politische und gesellschaftliche Bühne getreten. Diese seien es, die in die Gesellschaft das einbringen könnten, was so dringend fehle: »Verständniß, Versöhnung, Ausgleich, Gerechtigkeit, Sitte und Sittlichkeit …«, und es sei die Frauenbewegung, in der »die wahre Kraft der deutschen Frau für ein solches Arbeiten, für ein solches Wirken [liege].«26 Um den Einfluss der deutschen Frauen erreichen zu können, müssten die Frauen endlich – so Cauer – das Stimm- und Wahlrecht erhalten. »Die deutschen Frauen wollen als Staatsangehörige im deutschen Reiche gelten und alle Pflichten, welche von ihnen gefordert werden, erfüllen. Dazu bedürfen sie der Rechte als Bürgerinnen.«27 Aber auch Cauer sieht, dass diese Forderung, kurz vor der Jahrhundertwende aufgestellt, nicht in kürzester Zeit und vor allem ohne große Mühen zu erreichen sein wird. Im Gegensatz zu Lange, die auf ein allmähliches Hinaufarbeiten der Frauen setzte, wollte Cauer den »Kampf um das Recht«28 aufnehmen und dafür die geschützte Atmosphäre der reinen Frauenvereine verlassen. »In die Männervereine müssen Frauen Zutritt gewinnen; ebenso müssen die Frauen nicht mehr abgeschlossen nur immer unter sich sein wollen. […] Die Sache erfordert jetzt Zusammenarbeit von Männern und Frauen.«29 Nur dann, wenn die Frauen es schaffen, auch die Männer von der Notwendigkeit des Frauenwahlrechts zu überzeugen, nur dann gebe es eine realistische Chance auf die Einführung des weiblichen Bürgerrechts – so Cauer.

Hier nun, bei der Debatte über den Weg zum Ziel, unterscheiden sich die beiden Protagonistinnen. Setzt Lange auf ein langsames und stetiges Vorwärtsschreiten von der kommunalen Ebene hin zur staatlichen Spitze, möchte Cauer durch klassische Interessenspolitik das Wahlrecht für die Frauen erringen. Sie möchte Verbündete suchen, die mit ihr das Frauenwahlrecht vertreten und letztendlich auch durchsetzen. Dazu bedarf es aber bei Cauer, wie bei Lange auch, der stetigen Anstrengung der Frauen, die zeigen müssen, dass sie reif für das Frauenstimmrecht sind.

Doch obwohl sich eindeutige Unterschiede im Hinblick auf den zu beschreitenden Weg zur Erreichung des Frauenstimmrechts zeigen, ist die Übereinstimmung in der Argumentationsweise doch recht erstaunlich. Nicht nur Lange weist auf den gescheiterten Männerstaat hin, auch Cauer tut dies, und wie Lange auch sieht sie die Lösung der Probleme in der Mitarbeit der Frau. Auch Cauer argumentiert also mit der Geschlechterdifferenz und nicht mit der Gleichheit, wenn sie auf die Notwendigkeit der Einführung des Frauenstimmrechts zu sprechen kommt. Interessant ist an dieser Stelle, dass Lange auf ein Agieren innerhalb von Frauenvereinen setzte, während Cauer eine Öffnung in Richtung Parteien andachte. Darin liegt sicher der größte Unterschied zwischen diesen beiden Positionen. Beide Wege aber verstanden sich als Methode, die Stimmung in der Bevölkerung zu drehen und damit das Frauenwahlrecht zu erreichen.

₺842,56
Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
0+
Hacim:
381 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9783868549393
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

Bu kitabı okuyanlar şunları da okudu