Kitabı oku: «Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin», sayfa 3

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2.1 Schule und Universität

Eine „lebhafte Wechselwirkung zwischen Universität und Schule, zwischen Wissenschaft und Praxis“ (Ey, 1886, S. 20) war das Ziel des 1886 gegründeten „Allgemeinen deutschen Neuphilologenverbands“. Vertreter der jungen Wissenschaft der Neuphilologie sowie Lehrer und ganz vereinzelt auch Lehrerinnen der modernen Sprachen trafen sich auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene, beispielsweise bei den zuerst jährlich, später alle zwei Jahre stattfindenden Tagungen des Verbandes, zu dem immer auch Vertreter anderer Länder anwesend waren. Die Berichte dieser Tagungen legen beredtes Zeugnis von einem breit gefächerten Diskurs zwischen Schule und Universität ab (vgl. Klippel, 2020).

Grob gesagt lassen sich zwei Lager unterscheiden: Die Mehrheit der Lehrer und Professoren, die den Gedanken der neusprachlichen Reformbewegung nahestehen, auch wenn sie im Einzelnen längst nicht alle Bestrebungen der Reformer gutheißen oder unterstützen, sehen die Universitäten in der Verantwortung, sich bei den Studienzielen, der Gestaltung der Studienstrukturen, der Studien- und Prüfungsinhalte, der Ausprägung der Lehre und der personellen Ausstattung der Neuphilologie an den Bedürfnissen der überwiegenden Mehrheit ihrer Studierenden, nämlich der zukünftigen Fremdsprachenlehrer zu orientieren.

Nur zu oft ertönt die Klage: wir werden auf der Hochschule zu Gelehrten gemacht, aber nicht zu Schulmännern; wir lernen die mittelalterlichen Texte verstehen und haben weder Anleitung noch Zeit, um die lebende Sprache mit ihrer überreichen Litteratur zu erfassen. (Ey, 1886, S. 19)

Es gibt jedoch auch eine Gruppe von Professoren und Lehrern, die aus Sorge um die wissenschaftliche Reputation der Neuphilologie und der neusprachlichen Fächer insbesondere im Vergleich mit der Klassischen Philologie darauf beharren, dass alle berufsbezogenen Kenntnisse und Fertigkeiten, wozu fremdsprachliche Kompetenz und didaktisch-methodisches Wissen zählen, nach Abschluss des wissenschaftlichen Studiums im Seminar ihren Platz finden müssten. „Unsere jungen Studenten sollen nicht ‚Oberlehrer‘ studieren, sondern ‚Philologie‘ oder besser noch ‚Philosophie‘. Die Universitäten sollen dem Studenten das wissenschaftliche Denken und Forschen so einpflanzen, daß er später gar nicht mehr davon lassen kann“ (Wehrmann, 1914, S. 50). Andere sehen insbesondere die sprachpraktische Ausbildung in der Selbstverantwortung der Studenten, da die Universitäten aufgrund ihrer Personalausstattung nicht in der Lage seien, systematischen Sprachunterricht anzubieten (dazu kritisch Waetzoldt, 1892, S. 31).

Einen Zusammenhang zwischen Universität und Schule kann man wie Breymann unter gesellschafts- und bildungspolitischen Aspekten sehen:

Von den Akademien der Wissenschaften unterscheiden sich bekanntlich die deutschen Universitäten vor allem dadurch, dass sie nicht ausschliesslich wissenschaftlich theoretische, sondern bis zu einem gewissen Grade auch praktische Zwecke verfolgen; wie jene müssen sie sich also einerseits die Pflege der Wissenschaft als solcher angelegen sein lassen, andererseits aber auch der Praxis die Hand reichen und ihren Zöglingen wenigstens so viele praktische Kenntnisse und Fertigkeiten übermitteln, dass sie vom Staate als möglichst brauchbare Diener in den verschiedenen Zweigen seiner Wirkungssphäre verwendet werden können. In Übereinstimmung mit dieser von mir schon immer verfochtenen Auffassung von den einer deutschen Universität gestellten Aufgaben, vertrete ich die weitere Ansicht, dass ein Professor der Philologie (sei es der romanischen oder der englischen, der klassischen oder der deutschen) die Pflicht hat, den Zusammenhang mit der Schule stets im Auge zu behalten und seine Zuhörer in den Stand zu setzen, die gesicherten Resultate ihres Wissens für den Unterricht praktisch zu verwerten, eine Ansicht, zu der sich wohl die meisten akademischen Lehrer bekennen werden. (Breymann, 1895, S. 95f.)

Es ist aufgrund der vorhandenen Quellen heute nicht mehr nachzuvollziehen, ob Breymanns Optimismus bezüglich der Einstellung der Mehrheit seiner universitären Kollegen tatsächlich zutraf. Die Diskussionen bei den Versammlungen der Neuphilologen zeigen, dass bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts die mehrheitlich von den Lehrern geforderte Berücksichtigung ihrer Ausbildungsbedürfnisse im Studium von den jeweils anwesenden Hochschullehrern nicht immer als gerechtfertigt und sachlich angemessen akzeptiert wurde. Von einzelnen wurde jedoch die Interdependenz von Schulunterricht und Universitätsstudium noch unter einem anderen Blickwinkel gesehen, nämlich dem des Bildungskreislaufs:

Nur bei einer genügenden Anzahl geschickter, der lebenden Sprache mächtiger Lehrer werden späterhin […] die in den obigen Sätzen an den Schulunterricht gestellten Forderungen an besseren Anstalten erfüllt werden können. Woher aber sollen die Schulen solche Lehrer bekommen, wenn die Universitäten sie nicht vorbilden? Und thun diese das Notwendige, wenn sie die praktische Ausbildung zum zukünftigen Lehrer dem Studenten im wesentlichen selbst überlassen? Schafft uns gut vorgebildete Studenten! ruft die Universität – Schickt uns gut vorgebildete Lehrer! antwortet die Schule. Das wird ein circulus vitiosus. (Waetzoldt, 1892, S. 31)

Dieser Teufelskreis ist bis heute nicht völlig durchbrochen, wenngleich die weiter fortgeschrittene Ausdifferenzierung der Anglistik und Romanistik in Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft einerseits und Fachdidaktik und Sprachpraxis andererseits dazu geführt hat, dass man die Aufgabe der Vorbereitung der Lehramtsstudierenden auf das Berufsfeld heutzutage fast nur bei der Fachdidaktik sieht.

2.2 Studieninhalte

Eine neue Wissenschaft strebt zunächst danach, den in ihr erreichten Forschungsstand zu dokumentieren. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden nach dem Vorbild der Klassischen Philologie auch Enzyklopädien für die neueren Sprachen. Den Anfang machte Schmitz (1859) mit einer Französisch und Englisch umgreifenden Darstellung, später folgte u. a. Körting (1884-1888) für die romanische Philologie und die englische Philologie (vgl. Körting, 1888). Daneben etablierten sich Einführungen in das Studium der Neuphilologie, deren bekannteste vermutlich die mehrfach neu aufgelegte Schrift von Viëtor (11887, 31903) ist, sowie Handbücher für Studierende und Lehrer, die das gesamte Fach knapp darstellen und auf Literatur verweisen, z. B. Wendt (1893).

Aus Sicht der Romanischen Philologie sieht Kalkhoff (2010, S. 238) das Ende ihres Kampfes um die Berechtigung als Wissenschaftsdisziplin in der Universität um 1880, also etwa mit dem Einsetzen der neusprachlichen Reformbewegung. Ab diesem Zeitpunkt benötige die Neuphilologie im Rahmen ihres „historisch-vergleichenden Forschungsprogramms“ (ebd.) keine Legitimation durch die Aufgaben in der Lehrerbildung mehr. Das mag aus Sicht der Wissenschaft zutreffen, doch bestand im Hinblick auf die akademische Lehre ein gewisses Ungleichgewicht zwischen forschungsbasierten Vorlesungen zu sprachhistorischen und literaturgeschichtlichen Themen zur älteren Literatur, die weit überwogen1 und wenig Anknüpfungspunkte für die spätere Tätigkeit der Fremdsprachenlehrer lieferten, und stärker gegenwartsbezogenen Themen. Fast scheint es, als wären die Anglisten unter den Neuphilologen dem Wandel gegenüber aufgeschlossener gewesen als die Romanisten, wenn Alois Brandl, Anglist an der Berliner Universität, schreibt:

Die Frage hat sich daher erhoben: soll der neusprachliche Universitätsunterricht wirklich die praktischen Anforderungen des Tages zu erfüllen trachten, oder täte er besser, gleich dem klassisch-philologischen bei der Erforschung der Vergangenheit zu bleiben? […] Wenn sich jetzt ein Neusprachler dazu hergibt, auf der Universität sprachliche Fertigkeit ebenso zu betonen, verwandelt sich dann nicht sein Fach aus einer reinen Wissenschaft in eine angewandte? Wenn er es unternimmt, Literatur und Kultur des 19. Jahrhunderts zu lehren, werden darunter nicht Gründlichkeit und Tiefe leiden? Macht er sich nicht zum Philologen zweiten Ranges? […] Dennoch scheint es mir unvermeidlich, daß wir den Standpunkt des Entweder-oder völlig aufgeben und das Sowohl-alsauch durchführen, die Verbindung von Wissenschaft und – kurz gesagt – Praxis. (Brandl, 1907, S. 24f.)

Diese Aussage zeigt, dass auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Prozess der Etablierung der Neuphilologie als Wissenschaftsdisziplin und lehrerbildendes Fach an der Universität geprägt war durch die Abgrenzung von und die Konkurrenz mit der ‚eigentlichen‘, der Klassischen Philologie. Es ist bezeichnend, dass einer der führenden Köpfe der Reformbewegung, Wilhelm Viëtor, das wissenschaftliche System der klassischen Philologie, wie es etwa von Böckh (vgl. Bratuschek, 1877) um die Mitte des 19. Jahrhunderts formuliert worden war, für seine eigene Einführung in die englische Philologie als Basis nutzte.

Ohne Böckhs Definition der Einzelphilologie als ‚geschichtlich wissenschaftliche Erkenntnis der gesamten Tätigkeit, des ganzen Lebens und Wirkens eines Volkes‘ aufzugeben, darf man daher die Einschränkung hinzufügen: mit der Sprache und Litteratur als Ausgangs- und Mittelpunkt. (Viëtor, 1903, S. 7)

Der Gedanke, das „ganze Leben“ in den Blick zu nehmen, wurde von den Neuphilologen insofern aufgegriffen, als sie das Studium der Realien als unabdingbaren Bestandteil des schulischen Fremdsprachenunterrichts ansahen. Bereits bei der ersten Konferenz der Neuphilologen stellt Hermann Klinghardt, einer der engagiertesten Vertreter der Reformideen, die folgende Forderung auf:

Der französisch-englische Unterricht und die neuphilologische Wissenschaft, bisher fast ausschließlich auf die sprachliche Seite der modernen Kulturentwicklung gerichtet, haben sich künftighin – nach dem Muster des griechisch-lateinischen Unterrichts – mehr und mehr noch mit den realen Lebensäußerungen der modernen Völker zu beschäftigen. (Vorstand des Allgemeinen Deutschen Neuphilologenverbands, 1886, S. 31)

Seine These wurde kontrovers diskutiert, und die Frage der Realien tauchte immer wieder in den Debatten und Publikationen auf. So konstatiert Wendt (1898, S. 658) in einer ebenfalls bei einer Versammlung der Neuphilologen erörterten These: „Die beherrschung der fremden sprache ist das oberste ziel des unterrichts; den unterrichtsstoff bildet das fremde volkstum. Die fremde sprache ist das naturgemässe mittel, um in dessen erkenntnis einzudringen.“ Und Waetzoldt (1892, S. 13) stellt kategorisch fest: „Französisch und Englisch lernen und lehren, heißt Frankreich und England lehren und lernen.“

Man könnte daher vermuten, dass die Realien, also die Geschichte, Politik und Kultur von Frankreich und England auch im neuphilologischen Lehramtsstudium eine wichtige Rolle spielen. Zwar betont Viëtor (1903, VII) im Vorwort zur ersten Auflage seiner „Einführung in das Studium der englischen Philologie“, dass er keinen „Kanon“ für das Studium habe aufstellen wollen, doch ist angesichts des hohen Stellenwerts der Realien für den Unterricht erstaunlich, dass diese lediglich in einem Teilkapitel auf drei Seiten abgehandelt werden (vgl. Viëtor, 1903, S. 97-100). Er nennt dort einige wenige Standardwerke zur englischen Geschichte, empfiehlt Wendts Realienbuch (vgl. Wendt, 1892) sowie den Baedeker Reiseführer und den jährlich erscheinenden Jahresrückblick „Hazell’s Annual“. Offenbar sah er keinen Platz für landeskundliche Einführungen im Studium, sondern stellte den Erwerb solchen Wissens in die Eigenverantwortung jedes Fremdsprachenlehrers:

Eine eingehende Bekanntschaft mit den politischen und sozialen Verhältnissen des heutigen England ist für den Philologen wie für den Lehrer gleich unerlässlich. Hierzu wird vieles ein längerer, wohl ausgenutzter Aufenthalt im Lande beitragen. (Viëtor, 1903, S. 98)

Waetzoldt wünscht sich im Gegensatz dazu eine stärkere Berücksichtigung dieses Gebiets bereits im Studium und vor allem in der Prüfungsordnung, die seiner Meinung lauten müsse:

In der politischen wie in der Kulturgeschichte Frankreichs oder Englands und in der Landeskunde muß der Kandidat soweit orientiert sein, um die gebräuchlichen Schulschriftsteller auch sachlich erläutern und vorkommenden Falles gute Hilfsmittel mit Verständnis benutzen zu können. (Waetzoldt, 1892, S. 44)

Auch die didaktische Ausbildung der Lehrer wurde – wenn auch weniger häufig – diskutiert. Schröer, der selbst einige Jahre als Lehrer an einer Oberrealschule in Wien tätig gewesen war, bevor er sich habilitierte und Professuren in englischer Philologie an verschiedenen deutschen Universitäten innehatte, weist darauf hin, „daß auch Pädagogik und Didaktik wissenschaftliche Disziplinen sind und nicht etwa Fertigkeiten, die ‚einzupauken‘ wären“ (Schröer, 1887, S. 11; Hervorhebung im Original).

Durch die ganze Reformzeit zieht sich die Debatte um die Inhalte des Lehramtsstudiums. Das Spektrum reicht von denen, die eine gezielte Vorbereitung auf den späteren Beruf fordern, wozu auch Didaktik und Pädagogik neben moderner Literatur, Gegenwartssprache, Phonetik und Landeskunde gehören ebenso wie die Ernennung von Professoren, die selber Schulerfahrung als Fremdsprachenlehrer mitbringen (so etwa Wehrmann, 1914, S. 49), über viele Zwischenstadien bis zu jenen, die die gesamte Vorbereitung auf die Lehrertätigkeit in die Probezeit nach dem Studium, den dort stattfindenden Seminarbesuch und die Eigenverantwortung jedes Einzelnen verbannen möchten, um an der Universität die reine Wissenschaft, und zwar vor allem Sprachgeschichte und frühe Epochen in der Literaturgeschichte zu pflegen. Weitgehende Einigkeit bestand jedoch über die Forderung, getrennte Professuren für englische und romanische Philologie einzurichten und für das Lehramt die Kombination eines Sprachenfachs mit anderen Fächern zu ermöglichen (vgl. Viëtor, 1908).

2.3 Studiengestaltung und Auslandsaufenthalt

Neben den Inhalten des Studiums wurden, wenn auch in geringerem Umfang, die universitären Lehrformen und vor allem die unzureichende Ausstattung der Neuphilologie an den Universitäten kritisch kommentiert. So bemerkt Viëtor in einem Nachwort zu Max Walters Reformschrift (vgl. Walter, 1912), dass an der Universität Marburg für über zweihundert Studierende der englischen Philologie ein Professor und ein Lektor zur Verfügung stehen. Hier sei eine Reform dringend nötig (vgl. Viëtor, 1912, S. 26). Und Walter kommentiert diesen Zustand, der damals nicht nur für die Universität Marburg zutraf:

Wie können ein professor und ein lektor für die ausbildung so vieler studierender sorgen! Zu dieser ausbildung gehören unbedingt seminarübungen, an denen jeder student teilzunehmen verpflichtet sein sollte! Solche übungen lassen sich aber nicht in massen vornehmen, sondern jeder kursus kann nur eine kleine zahl studierender umfassen. Wo bleibt also die gelegenheit zur gründlichen Durchbildung der einzelnen jungen leute! Wie sollen sie bei solchem massenbetriebe den aufgaben gerecht werden, die die schule an sie stellen muss! Dazu ist weiter zu bedenken, dass auch beim tüchtigsten dozenten eine einseitige vertretung seines faches nicht zu vermeiden ist. (Walter, 1912, VII)

In seiner ausführlichen Besprechung von Walters (1912) Schrift in der Erstauflage, in der er sich Walters Plädoyer für stärker diskursive Lehrformate mit Nachdruck anschließt, schildert Klinghardt eine uns aus heutiger Sicht übertrieben scheinende Charakterisierung üblicher akademischer Lehre:

Der professor sitzt auf dem katheder und liest mehr oder weniger frei aus seinem hefte vor. Der student sitzt unten vor ihm und schreibt – um nicht zu sagen „schmiert“ – mehr oder weniger sklavisch und mechanisch in sein heft ein; alle worte des professors, die er hier nicht schwarz auf weiss zu fixieren vermag, sind für ihn verloren. (Klinghardt, 1901/02, S. 32)

Wenn der Student dann später anhand seiner Notizen den Stoff wiederholen wolle, könne er mit der wenig leserlichen Mitschrift nicht viel anfangen, und die Vorlesung habe letztendlich für ihn keinen Nutzen (ebd.). Walters Vorschläge blieben jedoch nicht unwidersprochen. In einer weiteren Rezension derselben Schrift beklagt der Verfasser, dass Walters Vorschläge, zu denen u. a. die Einrichtung einer universitätseigenen Druckerei zur Herstellung von Vorlesungsskripten für die Studierenden (vgl. Walter, 1912, S. 13) und die Gewährung von Auslandsstipendien zählen (vgl. ebd., S. 14), nichts weniger bedeuten „als eine vollständige umänderung des gesamten auf jahrhundertelanger überlieferung beruhenden unterrichtsbetriebes der deutschen universitäten“ (Stimmig, 1901/02, S. 36). Man mag sich fragen, was Stimmig von der Forderung Waetzoldts gehalten hätte, der bereits 1892 überlegte, ob Vorlesungen auch in französischer und englischer Sprache gehalten werden sollten (vgl. Waetzoldt, 1892, S. 33).

Im Reformdiskurs gab es eigentlich nur ein Thema, bei dem die unterschiedlichen Positionen weniger hart aufeinanderprallten, nämlich das der Notwendigkeit eines Auslandsaufenthaltes für angehende oder bereits im Schuldienst befindliche Fremdsprachenlehrer. Auch wenn die Reformgegner mehr Wert auf die gründliche philologische Vorbildung der Französisch- und Englischlehrer legten als auf deren Sprachkönnen und Realienkenntnis, so erkannten doch auch sie den Wert der realen Begegnung mit Zielsprache und Zielkultur an. Schon 1887 forderte Schröer, der nicht zum Kern der Neusprachenreform zu zählen ist, dass jeder Schulamtskandidat der englischen Philologie nach England gehen solle und nicht nur besonders Auserwählte (vgl. Schröer, 1887, S. 36f.), wie Herrig und Viehoff schon 1848 angemahnt hatten (vgl. Herrig & Viehoff, 1848, S. 229; 231). Schröer schlägt vor, dass deutsche Lehrer an englischen Schulen unterrichten könnten, um ihren Auslandsaufenthalt zu finanzieren; damit bringt er eine Idee ein, die heute im Pädagogischen Austauschdienst (PAD) realisiert ist.

Neben den offenkundigen Zielen, vor Ort die fremde Sprache vor allem in der mündlichen Kommunikation zu üben sowie Sitten und Gebräuche im anderen Land kennen zu lernen, sahen einige auch Aspekte der Völkerverständigung und Friedenssicherung gegeben: „Wir hoffen von ihnen [= den Neuphilologen] einen großen Einfluß auf die Stellung der Völker unter einander: Wir sehen in ihnen die mächtigste Friedensarmee“ (Schmeding, 1889, S. 94). Der Erste Weltkrieg hat diese Hoffnung 25 Jahre später zerbrechen lassen.

Betrachtet man die Einrichtung von Ferienkursen für Lehrer im In- und Ausland, die in den Fachzeitschriften regelmäßig enthaltenen detaillierten Informationen über Beherbergungs- und Kontaktmöglichkeiten in Zielländern, die Gewährung von Reisestipendien in den Jahrzehnten zwischen 1880 und 1914 und die breite Palette an Berichten über Fremdsprachenunterricht und Fremdsprachenlehrerbildung in anderen Ländern, dann wird offenbar, dass in der Zeit der neusprachlichen Reform zum ersten Mal ein über die Ländergrenzen hinweg stattfindender Austausch zu diesen Fragen, ein Lernen vom Nachbarn und ein internationaler Diskurs zu Bildungs- und Ausbildungsfragen stattfand (dazu Klippel, 2020).

2.4 Forschung

Weder Reformgegner noch Reformer plädierten für eine Rückkehr zum alten Konzept des Sprachmeisters aus früheren Jahrhunderten, der allein kraft seiner eigenen muttersprachlichen oder erworbenen Sprachkompetenz lehrt. Vielmehr ist man sich darin einig, dass Französisch- und Englischlehrer an den höheren Schulen wissenschaftlich gebildet sein müssen. “Zum Lehrer eines Gymnasiums oder Realgymnasiums taugt nur, wer wissenschaftlich geschult ist und wissenschaftliches Verständnis der Materien besitzt, welche er lehren soll“ (Körting, 1887, S. 40). Dieses wissenschaftliche Verständnis des Faches setzt den Neusprachler dem Altsprachler gleich. Es führt aber auch dazu, dass zahlreiche Lehrer der damaligen Zeit forscherisch tätig wurden. Das zeigt sich zum ersten an dem großen Anteil promovierter Fremdsprachenlehrer, wie dies aus den Mitgliederlisten des Allgemeinen Deutschen Neuphilologenverbandes ersichtlich wird: Von den 2182 Mitgliedern des Verbandes, die der Konferenzbericht zur 14. Versammlung 1910 in Zürich auflistet, tragen weitaus mehr als die Hälfte einen Doktortitel (vgl. Vorstand des Allgemeinen Deutschen Neuphilologenverbands, 1911, S. 137-173). Zum zweiten ist die Publikationstätigkeit der Lehrer jener Zeit erheblich: Allein zum Thema der Neusprachenreform verzeichnet die Bibliographie von Breymann (1895 und 1900) für den Zeitraum von 1875 bis 1899 über 1200 theoretische Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, Schulprogrammen und Einzelpublikationen. Ein Großteil dieser Schriften wurde von Lehrern verfasst. Körting sieht denn auch in der wissenschaftlichen Tätigkeit einen Weg zur Erfüllung im Beruf:

Der Gymnasiallehrer, welcher nicht wissenschaftlich arbeitet, wird nothwendigerweise zum Routinier, zum Handwerker und noch dazu meist zu einem Handwerker, der sein Handwerk ohne Liebe, vielleicht sogar mit innerem Widerwillen eben nur des Brotverdienstes willen betreibt. Nur durch wissenschaftliche Arbeit wahrt der Gymnasiallehrer sich die Berufsthätigkeit und die Berufsfreudigkeit. Nicht freilich, als ob ein jeder schriftstellerisch thätig sein müsste. Das kann unmöglich gefordert werden, denn das ist nur dem möglich, der besondere Neigung und Begabung dazu besitzt. Aber ein Jeder soll irgend etwas arbeiten, soll das Fortschreiten seiner Fachwissenschaft verfolgen, soll darnach streben, auch in irgend ein Einzelgebiet derselben, und wäre es ein noch so eng begrenztes, so tief einzudringen und es so vollständig zu beherrschen, wie er es nur irgend vermag. (Körting, 1887, S. 40f.)

In die Reformzeit fallen auch die Anfänge der Lehrerforschung, im Rahmen derer Fremdsprachenlehrer ihren eigenen Unterricht über einen langen Zeitraum hin beobachten, dokumentieren, analysieren und ggf. verändern (dazu Klippel, 2013). Am bekanntesten ist wohl das mehrjährige Unterrichtsprojekt von Hermann Klinghardt (1888), der aber nur einer der vielen experimentierfreudigen Lehrer der Zeit war.

Von Forschung zur Lehrerbildung kann man bei den meisten Veröffentlichungen zum Thema aus der Zeit vor 1914 nach heutigem Verständnis wohl kaum sprechen, wenngleich sich in einigen der Grundsatzüberlegungen, so etwa bei Körting (1887) oder Schröer (1887) durchaus Ansätze für eine theoretisch-konzeptuelle Darstellung erkennen lassen. Insofern lag der Schwerpunkt vor gut 120 Jahren auf ganz anderen Gebieten als heute. Vergleicht man die wissenschaftliche Diskussion zum Fremdsprachenlehrer-Werden und Fremdsprachenlehrer-Sein damals und heute, wie sie Caspari (2016) prägnant in zehn Thesen zusammengefasst hat, so fällt vor allem auf, dass die Innensicht auf den Lehrerberuf heute wesentlich stärker berücksichtigt wird. Dass es im Hinblick auf die Forschungsansätze große Unterschiede gibt, ist nicht verwunderlich; schließlich steckte die empirische Forschung in den Geisteswissenschaften damals noch in den Kinderschuhen. Historische Forschung zu Fremdsprachenlehrern war damals wie heute rar. Die Geschichte der Fremdsprachenlehrerbildung verdient jedoch mehr Aufmerksamkeit, denn in ihr zeigen sich Grundmuster, die uns bis heute begleiten.

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