Kitabı oku: «Gestalt-Traumatherapie», sayfa 2

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Sein Verhältnis zu seinen Kindern, seine Prügelorgien gegenüber seiner Tochter (»he wanted to beat the hell out of me«: Renate Perls im biographischen Laura-Perls-Film ›Leben an der Grenze‹, 2005) sind weitere Hinweise auf seine traumageprägte Persönlichkeit im Sinne einer Wiederholung als hilfloser Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr.

PTSD-Diagnostik

Innerhalb der Gestalttherapie ist die Entwicklung einer theorie- und therapieangemessenen Diagnostik insbesondere während der Anfangsjahre nicht mit großer Entschiedenheit vorangetrieben worden bzw. wurde immer wieder durch das Bestehen auf einer reinen Prozessdiagnostik erschwert. Einen der neueren Ansätze diagnostischen Herangehens legte Dreitzel (2004) mit einer prozessorientierten Gestaltdiagnostik vor. Für Traumabetroffene erscheint vor Therapiebeginn eine Abklärung der Symptome mit Hilfe diagnostischer Manuale bzw. Tests als sinnvoll, da das Übersehen einer traumabedingten Störung und eine unvorsichtige therapeutische Praxis unter Umständen eine Reinszenierung oder Reaktivierung bislang kompensierbarer Erlebnisse nach sich ziehen kann, die zu einer erneuten Verschlechterung der psychischen Situation mit sehr leidvollen Folgen für Betroffene führen kann. Eine sehr gute Übersicht über Traumadiagnostik geben Butollo, Krüsmann & Hagl (1998, 207f). Ein gestalttherapeutischer Diagnostikbogen, der auch für den Traumabereich helfen kann, die zentralen Konfliktfelder genauer einzugrenzen, findet sich bei Hartmann-Kottek (2004, 200). Auch Kepner (1995, 293f) legt ein eigenes zweiteiliges gestalttherapeutisches Testinstrument zur Einschätzung des Trauma- und Verarbeitungsniveaus vor, mit direkten Ableitungen für sein Traumastufenmodell healing tasks.

Das DSM-IV (1996, 491f) nennt folgende Kriterien für das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS):

A Die Person wurde mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert, bei dem die beiden folgenden Kriterien vorhanden waren:

1. Die Person erlebte, beobachtete oder war mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhaltet.

2. Die Reaktion der Person umfasste intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen. Beachte: Bei Kindern kann sich dies auch durch aufgelöstes oder agitiertes Verhalten äußern.

B Das traumatische Ereignis wird beharrlich auf mindestens eine der folgenden Weisen wiedererlebt:

1. Wiederkehrende und eindringliche belastende Erinnerungen an das Ereignis, die Bilder, Gedanken oder Wahrnehmungen umfassen können. Beachte: Bei kleinen Kindern können Spiele auftreten, in denen wiederholt Themen oder Aspekte des Traumas ausgedrückt werden.

2. Wiederkehrende, belastende Träume von dem Ereignis. Beachte: Bei Kindern können stark beängstigende Träume ohne wiedererkennbaren Inhalt auftreten.

3. Handeln oder Fühlen, als ob das traumatische Ereignis wiederkehrt (beinhaltet das Gefühl, das Ereignis wiederzuerleben, Illusionen, Halluzinationen und dissoziative Flashback-Episoden, einschließlich solcher, die beim Aufwachen oder bei Intoxikationen auftreten). Beachte: Bei kleinen Kindern kann eine traumaspezifische Neuinszenierung auftreten.

4. Intensive psychische Belastung bei der Konfrontation mit internalen oder externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern.

5. Körperliche Reaktionen bei der Konfrontation mit internalen oder externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern.

C Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma verbunden sind oder eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität (vor dem Trauma nicht vorhanden). Mindestens drei der folgenden Symptome liegen vor:

1. Bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen oder Gesprächen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen.

2. Bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen.

3. Unfähigkeit einen wichtigen Aspekt des Traumas zu erinnern.

4. Deutlich vermindertes Interesse oder verminderte Teilnahme an wichtigen Aktivitäten.

5. Gefühl der Losgelöstheit oder Entfremdung von Anderen.

6. Eingeschränkte Bandbreite des Affektes (z.B. Unfähigkeit, zärtliche Gefühle zu empfinden),

7. Gefühl eine eingeschränkte Zukunft zu haben (z.B. erwartet nicht Karriere, Ehe, Kinder oder ein normal langes Leben zu haben).

D Anhaltende Symptome erhöhten Arousals (vor dem Trauma nicht vorhanden). Mindestens zwei der folgenden Symptome liegen vor:

1. Schwierigkeiten ein- und durchzuschlafen,

2. Reizbarkeit oder Wutausbrüche

3. Konzentrationsschwierigkeiten

4. übermäßige Wachsamkeit (Hypervigilanz),

5. übertriebene Schreckreaktion.

E Das Störungsbild (Symptome unter Kriterium B, C und D) dauert länger als einen Monat.

F Das Störungsbild verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

Zeitlich lässt sich die PTSD in drei Typen klassifizieren:

Akut: Wenn die Symptome weniger als 3 Monate andauern.

Chronisch: Wenn die Symptome mehr als 3 Monate andauern

Mit verzögertem Beginn: Wenn der Beginn der Symptome mindestens sechs Monate nach dem Belastungsfaktor liegt.

Meichenbaum 1994 (zit. nach Butollo 2003, 9) unterscheidet Trauma vom Typ I und Typ II.

Typ I : Unerwarteter traumatischer Stressor: Dies ist ein plötzliches, überwältigendes Ereignis von begrenzter Dauer, das sich tief ins Gedächtnis eingräbt, im Detail erinnert wird und zu typischen PTSD-Symptomen wie Intrusionen führt, mit einer wahrscheinlich schnellen Restabilisierung, z.B. Vergewaltigungen, Unfälle, Naturkatastrophen.

Typ II: Anhaltende und wiederholte schwere Stressoren, zuerst wie Typ I, dann wiederholt, das Opfer ist machtlos es zu vermeiden, meist durch Menschen verursacht, mit unvollständigen Erinnerungen, vermehrten Dissoziationen (als Copingmöglichkeit), führt eher zu verändertem Selbstkonzept und Gefühlen der Scham und Wertlosigkeit, sowie lang anhaltenden Persönlichkeitsveränderungen mit emotionalen und sozialen Problemen. Auslösende Situationen sind z.B. physischer und/oder sexueller Missbrauch, Kriegseinsatz, Gefangenschaft, Folter.

Je nach Art und Kontext der Traumaentstehung können verschiedene Bereiche unterschieden werden, die auch noch weiter unterteilt werden können: Durch Menschen verursachte Traumata (man-made), Naturkatastrophen und Unfälle, Krankheiten. Angesichts der noch nicht abgeschlossenen Diskussion um die Diagnostik traumatischer Störungen werden sich weitere Differenzierungen wahrscheinlich in zukünftigen Diagnosemanualen niederschlagen.

Dissoziation

Dissoziation ist die Aufspaltung des Erlebten. Es werden drei Formen unterschieden (nach van der Kolk 2000, 245).

1. Primäre Dissoziation: Dabei wird das, was erlebt wird, nicht vollständig bewusst, sondern sensorisch oder emotional aufgespalten, ohne Integration in eine persönlich verbale Schilderung.

2. Sekundäre Dissoziation: Trennung zwischen einem beobachtenden und einem erlebenden Ich. Im Moment des Traumas wird der Körper verlassen und das Ganze von einer entfernteren Position aus betrachtet.

3. Tertiäre Dissoziation: Deutlich von einander unterscheidbare und z.T. nicht mit einander in Kontakt stehende Ich-Zustände mit jeweils eigenen kognitiven affektiven und Handlungsmustern. Manche dieser Ich-Zustände enthalten die traumatischen Erfahrungen, andere nicht. Dies tritt z.B. bei dissoziativen Identitätsstörungen auf.

Janet (1889, zit. nach van der Kolk 2000, 321) nannte die Dissoziation das Hauptproblem bei Traumata. Die Erinnerung an das, was geschehen ist, kann nicht in die eigenen Schemata integriert werden. Sie wird von den anderen Erfahrungen abgespalten. »Unfähig, die traumatischen Erinnerungen zu integrieren, haben sie anscheinend auch die Fähigkeit verloren, neue Erfahrungen zu assimilieren. Es ist, (…) als wäre ihre Persönlichkeit endgültig an einem bestimmten Punkt stehen geblieben und könnte sich nicht mehr durch Hinzufügung oder Assimilation neuer Bestandteile erweitern. (Janet 1919, zit nach van der Kolk 2000, 322). Auch van der Kolk et al. (2000, 199) nehmen an, dass Dissoziationen zum Zeitpunkt des Traumageschehens ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung einer PTBS sind.

Ausagieren (acting out)

Traumatische Erlebnisse werden häufig wiederholt mit dem impliziten Wunsch, sie nun zu einem guten Abschluss zu bringen. Dabei ist teilweise nur die Handlung der traumatischen Situation durch ihre Wiederholung zugänglich. »Die Wiederholungen sollen dazu dienen eine Gestalt zu schließen« (Perls 1981, 69). Die offen gebliebene Gestalt des traumatischen Erlebnisses führt dabei ähnliche Situationen herbei bzw. greift diese auf, um eine erfolgreiche Lösung zu versuchen. Diese Lösung misslingt in vielen Fällen, da kein Entwicklungsschritt die in der damaligen traumatischen Situation fehlende Sequenz hinzufügen konnte. Durch diese Wiederholungen kann sich die traumatische Verarbeitung des Ereignisses verfestigen, bzw. es kann zu weiteren erneuten Traumatisierungen kommen, den akkumulierten Traumata, die leider häufig zu beobachten sind. Aufgrund der Primärtraumatisierung fehlen zum einen Schutzmechanismen, zum anderen werden Situationen mit viel Aufregung und Wiederholungsmöglichkeiten zur Umkehr, zum Abschluss und zur Heilung dieser Gestalt gesucht. Die Auflösung des Traumas beinhaltet die sinnliche Zugänglichkeit der auslösenden Situation. Durch das bewusste Wiedererleben des Traumas und das damit verbundene innere Zusammenfügen, kann es verwandelt werden, transformiert werden und abgeschlossen werden. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Wieder-Erinnern oder -Erleben einzelner abgespaltener Aspekte. Ein Beispiel für diese Wiederholung ist Perls‹ Erleben der Ablehnung von Freud als Wiederholung der Ablehnung durch seinen Vater und in der Folge als eigene Ablehnung seines Sohnes Steve. Perls hatte das Konzept des oralen Widerstandes ausgearbeitet, um von Freud endlich die ersehnte Anerkennung zu erhalten, und hatte die 4000 km weite Reise aus Südafrika, wo er ein psychoanalytisches Institut aufgebaut hatte, auf sich genommen, um zur Präsentation seiner Hypothesen zu kommen. Perls (1981, 58f) beschreibt dies so: »Ich vereinbarte einen Termin, wurde von einer ältlichen Frau empfangen (ich nehme an, seiner Schwester) und wartete. Dann öffnete sich die Tür etwa einen Meter breit und da war er, vor meinen Augen. Es wirkte seltsam, dass er die Tür nicht verließ, aber damals wusste ich noch nichts von seinen Phobien. »Ich bin aus Südafrika gekommen, um einen Vortrag zu halten und um Sie zu sehen.« »Und wann fahren Sie zurück?« sagte er. Ich erinnere mich nicht an den Rest der (etwa vierminütigen) Unterredung. Ich war schockiert und enttäuscht. Einer seiner Söhne war beauftragt mit mir essen zu gehen. Ich hatte eine schnelle Schockreaktion erwartet, aber ich war lediglich wie betäubt.«

Komorbidität:

Die Folgen traumatischer Erlebnisse können eine Vielzahl psychiatrischer Störungsbilder wie Depressionen, Borderlinestörungen, Dissoziative Identitätsstörungen, Phobien, Panikstörungen, generalisierte Angststörungen, oder süchtiges Verhalten in unterschiedlichen Ausprägungen sein (Butollo, Hagl, Krüsmann 2003, 59f; Butollo & Hagl 2003, 13). Auch van der Kolk (2000) zählt als mögliche Folgen traumatischer Belastungen folgende Störungsbilder auf: Borderlinestörungen, Somatisierungsstörungen, Dissoziative Störungen, Selbstverstümmelung, Essstörungen. Für die Behandlung hat es entscheidende Auswirkungen, ob ein bestimmtes Verhalten als erklärbar und aus bestimmten Einwirkungen heraus entstanden gesehen wird oder ob es lediglich als verrückt angesehen wird.

Protektiv- und Vulnerabilitätsfaktoren

Aus der Entwicklungsforschung ist bekannt, dass die traumatische Verarbeitung bestimmter Erlebnisse von erlebtem Schutz oder erworbener und erlebter Verletzlichkeit beeinflusst wird. Diese Gegenspieler werden Protektiv- und Vulnerabilitätsfaktoren genannt. Wichtige Protektivfaktoren sind das Bestehen zumindest einer sicheren Bindung zu einem anderen Menschen, feinfühlige Erziehungspersonen, ruhiges Temperament, den vitalen Bedürfnissen entsprechende Lebensbedingungen, soziale Zugewandtheit, Wohlstand, Intelligenz, Kommunikationsfähigkeit, Kreativität, Erfahrungen von Bewältigung schwieriger Ereignisse. Über den Zusammenhang zwischen Bindung und Trauma gibt Maragkos (2003) Aufschluss. Vulnerabilitätsfaktoren sind Geburtskomplikationen, besonders mit kurzfristigem Sauerstoffmangel des Gehirns, schwieriges Temperament, frühe unsichere und unzuverlässige Bindungs- und Beziehungserfahrungen, Armut, fehlendes Verständnis der Welt, Verlust wichtiger Bezugspersonen, Trennung der Eltern, Schulwechsel, Umzug/Migration, Krankheit, Behinderung, Arbeitslosigkeit. Als potenziell gefährdende Einflüsse können alle Formen kritischer Lebensereignisse angesehen werden.

Neurobiologische Grundlagen der PTSD

Traumatische Erfahrungen beeinflussen das Gedächtnis. Dies kann überdeutliches Erinnern oder aber auch das völlige Vergessen bestimmter Ereignisse zur Folge haben. Oft werden vor allem die sensorischen oder emotionalen Anteile der Ereignisse erinnert. Rauch (1996; in: van der Kolk et al. 2000, 215f) zeigte in einer Positronen-Emmissions-Tomographie, dass bei Traumaüberlebenden, die an das Trauma erinnernde Reize dargeboten bekamen, die Gehirnareale, welche für emotionale Zustände und vegetative Erregung zuständig sind, ganz besonders die Amygdala, stärker durchblutet waren. Gleichzeitig sank der Sauerstoffverbrauch im Broca-Areal, wo Worte für innere Zustände erzeugt werden. Dies kann als ein physiologischer Beleg der Sprachlosigkeit traumatischer Erfahrungen gelten. Weitere Untersuchungen zu Somatisierungsstörungen (van der Kolk et al., 181) und Substanzmißbrauch (ebd., 178) zeigten einen engen Zusammenhang zu Traumatisierungen in der Vorgeschichte. Saxe (1994, in: van der Kolk et al. 2000, 180) fand heraus, dass bei Abwesenheit schwerer Traumata in der Vorgeschichte Somatisierungsstörungen nur selten sind. Das deklarative oder explizite Gedächtnis ist für die Speicherung von Tatsachen und Ereignissen die der Betreffende erlebt hat, zuständig. Das prozedurale oder implizite Gedächtnis speichert Fähigkeiten; Gewohnheiten, emotionale Reaktionsweisen, Reflexhandlungen. Die Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Gedächtnisforschung weisen darauf hin, dass bei starken Emotionen und bei traumatischer Stresseinwirkung die Speicherung von Ereignissen und Tatsachen nicht stattfindet und das explizite Gedächtnis gestört wird. Dies erfolgt vermutlich durch eine Schädigung des für das explizite Gedächtnis verantwortlichen Hippokampus. Er wird durch die für ihn toxisch wirkenden Stresshormone geschrumpft und steht nicht mehr ausreichend zur Verfügung. Dadurch wird das Erlebte zersplittert in sensorischen, emotionalen Bruchstücken gespeichert, oder in Handlungserfahrungen, die dann im enacting wieder nachgespielt werden. Die Betroffenen sind also in einen Schrecken ohne Sprache eingeschlossen, der in vollem Ausmaß wiedererlebt wird, zu dem aber kein Kontakt herstellbar ist. Dies hat für das psychotherapeutische Handeln größte Bedeutung, da es hier wichtig ist, einen Verständnisrahmen für das zu finden, was vorgefallen ist. Die Amygdala gilt als Schaltstelle für Gefühle im Gehirn zu anderen Verarbeitungsstrukturen und auch für die Weiterverarbeitung im Neokortex. Van der Kolk et al. (2000, 217) nehmen an, dass die Amygdala sich bei besonders starker Aktivierung durch bestimmte Reize von der subjektiven Wahrnehmung abkoppeln kann und sich daher intensive emotionale Reizung hinderlich auf eine angemessene Verarbeitung der Erfahrungen auswirken kann. Solange sich eine Person durch ihre eigenen Kräfte oder fremde Mächte beschützt und sicher fühlt, wird sie keine seelische Beschädigung erfahren. Sobald allerdings die Ohnmachtserfahrung eintritt, ist eine traumatische Verarbeitung der Ereignisse möglich. Diese besteht unter anderem in einer erhöhten Erregbarkeit und Suche nach möglichen Hinweisreizen für eine Wiederholung des Traumas. Diese vermeintlichen Auslöser werden dann im Zuge einer phobischen Abwehr (Butollo 1999, 96) vermieden. Eine weitere Schwierigkeit für traumatisierte Menschen ist, sich emotional neutralen, aber bedeutsamen Dingen zuzuwenden. McFarlane, Weber & Clark (1993, zit. nach van der Kolk 2000, 203) zeigten, dass es für Traumabetroffene schwerer ist, wesentliche, aber emotional nicht erregende Ereignisse von unwesentlichen, aber emotional erregenden zu unterscheiden, bzw. die unwichtigen Stimuli zu neutralisieren. Die Reaktion auf normale Ereignisse ist für traumatisierte Menschen offensichtlich schwieriger. Diese Schwierigkeiten der Emotionsregulation führen zu Problemen im Alltagsleben und zu einer verminderten Teilnahme am normalen Alltagsleben. Die dauerhaften Veränderungen neurophysiologischer Prozesse mit Übererregung, Überreaktionen auf Stimuli, Ängsten, Phobien, sozialem Rückzug mit Veränderungen der kognitiven und emotionalen Schemata sind Auswirkungen, die sich leicht verselbstständigen können. Van der Kolk et al. (2000) nennen die PTBS deshalb auch eine »biopsychosoziale Falle«. Damit ist gemeint, dass die neurophysiologische Beeinträchtigung bezüglich des Herunterregelns von Erregung die spontane Löschung der erworbenen Konditionierungen verhindert oder dass die Vermeidung innerpsychischer Auslöser die mit dem Trauma in Verbindung stehen wirksame Trauerarbeit verhindert. Die sozialen Beeinträchtigungen verhindern auch schützendes und heilendes Interaktionsverhalten mit anderen Menschen.

Verknüpfungen und Querbeziehungen zur Gestalttherapie – Wegbereiter und Wegbegleiter gestalttherapeutischer Traumatherapie

Goldstein: Angst als Katastrophenerwartung

Goldsteins Forschung an Kriegsverletzten des 1. Weltkrieges kann als eine erste klinische Anwendung gestaltpsychologischen Denkens auf konkrete klinische Probleme gesehen werden (vgl. Votsmeier 1995). Die Rehabilitation insbesondere Schädel-Hirn-Verletzter, aber auch die psychologische Begleitung und Aspekte PTSD-bezogener Symptome stand dabei im Vordergrund. Wichtig für hier ist die Angsttheorie von Goldstein. Angst wird hier als eine Erschütterung des Eingewoben-Seins des Organismus in das Umweltfeld gesehen. Goldstein schreibt über die innere Selbstverwirklichungstendenz des Menschen im Organismus-Umweltfeld, dass (1934, 58) »ein Organismus nur sein kann, wenn es ihm gelingt, in der Welt eine adäquate Umwelt zu finden, sie herauszuarbeiten, wozu natürlich die Welt die Möglichkeit geben muss. Und weiter … »beim kranken Menschen … besteht die Grundvoraussetzung der Existenz darin, dass er wieder eine adäquate Umwelt aus der Welt herauszuschälen vermag.« (ebd.). Goldstein (1934, 24) unterscheidet zwei Grundverhaltensweisen: … »geordnetes Verhalten mit dem Gefühl der Leichtigkeit, des Behagens, der Entspannung, Angepasstheit an die Welt, der Freude« im Gegensatz zu »katastrophalen Reaktionen, die sich als ungeordnet, wechselnd, widerspruchsvoll, eingebettet in Erscheinungen körperlicher und seelischer Erschütterung« (erweisen. … Der Kranke … befindet sich (dabei) in einem Zustand, der gewöhnlich als Angst bezeichnet wird. Goldstein (1934, 187f) definiert Angst in Anlehnung an Kierkegard und Heidegger als zusammenhängend mit dem »Nichts«. Goldstein formuliert: »Der Kranke erlebt eine Erschütterung im Bestande der Welt wie des eigenen Ich … Diese Erschütterung ist erlebnismäßig das, was wir Angst nennen.« Der Kranke hat nach Goldstein nicht Angst, »der Kranke ›ist‹ Angst. Die Angst tritt also dann auf, wenn die Verwirklichung der der Wesenheit eines Organismus entsprechenden Aufgaben unmöglich geworden ist. Das ist die Gefährdung bei Angst.« (ebd.) Furcht definiert Goldstein (1934, 191) als Angst vor der Angst und auf Objekte gerichtet, welche Angst eintreten lassen können. Goldstein unterscheidet: »Die Furcht stärkt die Sinne, die Angst macht sie unbenutzbar, die Furcht treibt zum Handeln, die Angst lähmt. Der Angst können wir nur entgehen, indem wir Furchtsituationen vermeiden.« (ebd.)

EMDR

Das EMDR (Eye Movement Desensitization Reprocessing) wurde von Francis Shapiro in der Arbeit mit Vietnamveteranen entwickelt. Auf die gestalttherapeutischen Wurzeln der Begründerin der EMDR-Therapie Francis Shapiro weist Hartmann-Kottek (2004, 38) hin, sowie auf die inhaltliche Ähnlichkeit zwischen dem EMDR-Ansatz und der Gestalttherapie. Bei der EMDR-Technik wird zuerst imaginativ ein Sicherheitszustand erzeugt, z.B. als sicherer Ort. Dann wird ein bewegter Reiz, meist die Hand des Therapeuten vor den Augen des Klienten, regelmäßig hin- und herbewegt, oder als Berührreiz rhythmisch dargeboten. Gleichzeitig soll in kleinen Zeiteinheiten das Trauma erinnert und in kleinen anschließenden Pausen stichwortartig darüber berichtet werden. Durch dieses erneute, kontrollierte und abgesicherte Durchlaufen des Traumas wird es laut EMDR-Theorie richtig verarbeitet und abgeschwächt. Insbesondere der supportive Anteil der EMDR-Therapie, die Stabilisierungstechniken, wie die innere Helfer-Technik sowie die Distanzierungstechniken, nennt Hartmann-Kottek »genuine Gestalttherapie«. Hartmann-Kottek schlägt für Gestalttherapeuten als Ergänzung das Erlernen der EMDR-Technik vor, sowie die Kenntnis von Indikation und Gegenindikation für die Traumaexposition, verbunden mit einem Gesamtverständnis der Traumaschutzmechanismen.

Reich / Levine

Wilhelm Reich mit seiner genauen Beschreibung und Fokussierung auf Körperprozesse bildet für aktuelle traumatherapeutische Ansätze eine noch immer relevante Basis. Der Körper oder Leib wird als Speicherort traumatischer Erfahrungen begriffen, aber auch als Medium des Zugangs zu versprengten und verschütteten Bruchstücken traumatischer Erlebnisse, sowie als Ort eines Teils einer möglicher Heilung und Integration der Erlebnisse. Fuckert (2002) stellt für den deutschsprachigen Raum eine traumazentrierte Psychotherapie in der Nachfolge Reichs vor, die gerade auch durch Levine inspiriert wurde. Einen der Gestalttherapie verwandten Ansatz legt der in Reichianischer Tradition stehende Traumaforscher Peter Levine (1998, 2005) vor. Bocian (2002, 91, 227f) stellt die interessante Hypothese auf, dass Reich auch bei der Entwicklung seines Ansatzes zur Auflösung von Muskelpanzern vom Motiv der Auflösung seiner eigenen, durch Kriegstrauma bedingten inneren Panzerung geleitet worden sein könnte. Auch Levine betont die wichtige Rolle des Körpers bei der Traumaentstehung. Er betrachtet posttraumatische Symptome als durch Angst unterbrochene physiologische Reaktionen (43), die zu einer Erstarrung oder Immobilität führen. Levine postuliert hier auch das Prinzip der offenen Gestalt, die nach Abschluss drängt. Dazu ist es nötig die Energie, die in der Erstarrung gebunden ist, zu transformieren (ebd., 44). Dazu bedarf es eines unterstützenden Umfeldes: »Wir brauchen die Unterstützung unserer Freunde und Verwandten sowie der Natur.« (ebd., 45) Zentraler Prozess ist bei Levine das Abschütteln des Traumas durch Zittern und Schütteln in Analogie zum Abschütteln der Schockstarre bei Tieren. Levine bezieht bei seiner Traumatherapie die Natur als eine wichtige, uns unterstützende Matrix ein. Dabei benennt er schamanistische Heilungsansätze, die die Wechselwirkung zwischen Natur, der sozialen Gemeinschaft und den Symptomen und Reaktionen des Betroffenen beachteten und nutzen, als eine der Quellen seiner Therapie (ebd., 66, 69). Eine ähnliche Herangehensweise der Integration von schamanistischem, gemeinschaftsorientiertem und naturbasiertem Herangehen liegt auch von St. Just (2005) vor, mit einer stärkeren Betonung feministischer und weiblicher Heilungsperspektiven. Diese Ansätze können als Ausarbeitung ursprünglich gestalttherapeutischer Ansätze genutzt werden. Die Projekte des Gestaltkibuzz bzw. der therapeutischen Gemeinschaften von Fritz Perls an Orten unzerstörter Naturschönheit weisen in eine ähnliche Richtung.

Levine nennt seinen Ansatz »Somatic Experiencing«. Dabei sollen die verloren gegangenen und zersplitterten Teile der Existenz reintegriert werden, ausgelöst durch den starken Wunsch, die Ganzheit wieder zu erreichen. Darin wird durch körperliche Gewahrseinsübungen wie z.B. bewusst sich sanft berühren, duschen oder abklopfen versucht, wieder ein ganzheitliches Körpergefühl herzustellen. Dies hilft, das innere Empfinden als ganzheitliches inneres Gewahrsein zu entwickeln. Wenn dies einigermaßen eingeübt ist, werden klassische Wahrnehmungsübungen wie aus dem Praxisteil von Gestalttherapie eingesetzt (PHG, 1951; das Grundlagenwerk von F. Perls, R. Hefferline, P. Goodman, (1951/2006) als auch die drei Autoren werden mit PHG wiedergegeben. Wenn nicht ausdrücklich vermerkt, ist damit die Neuübersetzung von 2006 gemeint). In aufeinander folgenden Übungsschritten werden nun einzelne traumatypische Reaktionen identifiziert. Levine betont, dass auf kathartische Lösung ausgerichtete Therapien weniger wirkungsvoll seien und oft Retraumatisierungen auslösen können (ebd., 19). Mittels des gelernten inneren Erlebens wird das traumatische Ereignis in der therapeutischen Situation wieder erlebt und kann danach abgeschüttelt werden.

Traumakompetente Konzepte und Modelle der Gestalttherapie

Traumatherapeutisches Verständnis in PHG

Nicht nur die persönlichen Biographien der Gründer der Gestalttherapie sondern auch die inhaltliche Formulierung des Gründungsbuches »Gestalttherapie« sind geprägt durch die Auseinandersetzung mit der Thematik traumatischer Verarbeitung. Dies ist unter anderem der wenn auch abgrenzenden Orientierung an der Freudschen Neurosenlehre und Ätiologie geschuldet, aus der heraus sich die Gestalttherapie gerade entwickelte. Innerhalb der Psychoanalyse war bekanntermaßen die Entstehung von Neurosen ursprünglich auf ein traumatisches Erlebnis zurückgeführt worden, eine Position, die Freud von Janet und Charcot übernommen hatte, später aber abschwächte und revidierte (Streeck-Fischer, Sachsse & Ökzan 2001, 12). Im Folgenden werden nun die für eine Traumatherapie entscheidenden Begriffe herausgearbeitet. Diese Beschreibungen wurden von PHG nicht explizit für Traumatherapie entwickelt, sondern eher für eine »normale« Neurosentherapie. Und doch ist Gestalttherapie mit Beschreibungen traumatischer Konstellationen reich ausgestaltet und voll tiefen Verstehens traumatheoretischer Prozesse. Gerade die Zeit der Entstehung von Gestalttherapie ist eine zutiefst von den Traumata zweier Weltkriege geprägt Epoche gewesen.

Schöpferische Anpassung

Wir glauben, dass die Konzentration auf eine gegenwärtige Angelegenheit, … zu einer Gestalt führt, die ein tatsächliches Problem löst. (PHG 2006, 47) Diese schöpferische Anpassung wird durch die organismische Selbstregulation vorangetrieben, bzw. ist Ausdruck dieser. PHG schreiben dazu: Wenn man die Dinge sich selbst überlässt, regulieren sie sich auf spontane Weise selbst, und … tendieren …dazu, sich wieder zu korrigieren«. (PHG, 48) Sie können »zu etwas Wertvollem führen«. In diesem Sinne kann beispielsweise die künstlerische Ausdrucksgebung einer Niki de SaintPhalle angesehen werden, oder das hohe soziale Engagement von Menschen, die traumatische Erlebnisse überstanden haben, wie Nelson Mandela. Dort bildete sich zum Teil aus den traumatischen Erfahrungen heraus die Triebfeder ihres wertvollen sozialen Engagements, bzw. dieses soziale Engagement ermöglichte das Weiterleben nach den traumatischen Ereignissen. Menschen, die diese Art der Transformation traumatischer Erfahrungen vollziehen konnten, sind jedem bekannt und üben eine ermutigende Leuchtkraft aus. Die Perls’ selbst, deren Familien teilweise in Konzentrationslagern verschwanden, sind ein Beispiel dafür. In diesem Sinne kann die Gestalttherapie auch als Transformationsleistung traumatisierter Analytiker angesehen werden. Schöpferische Anpassung wird als wesentliche Funktion des Selbst angesehen. »Aber wenn man einmal die schöpferischen Funktionen der Selbstregulation, die für das Neue, für die Zerstörung und Neuintegration der Erfahrung offen sind – wenn man diese einmal ausgelöscht hat, dann bleibt nicht mehr viel übrig, was als Grundlage einer Theorie des Selbst dienen könnte« (PHG, 49). Bedeutsam für die Traumatherapie ist auch der Umgang des Klienten mit Widerstand. Hier versuchen PHG »… den Horizont der Bewusstheit und des Risikos zu vergrößern und es dem Selbst zu erlauben, seine eigene kreative Synthese zu finden …« (PHG, 53).

Wiederaneignung und Identifizierung

Der Klient muss sich die abgesprengten Teile seiner Selbst und seines Lebens wieder aneignen, und die in ihnen liegende Kraft sich wieder zu eigen machen. »Wenn die Vergangenheit des Patienten während der Behandlung wiederentdeckt wurde, muss er sie schließlich als seine eigene Vergangenheit annehmen. Wenn er sich in seinem zwischenmenschlichen Verhalten anpasst, muss er in der sozialen Situation selbst zum Handelnden werden. Wenn sein Körper dazu animiert wurde, lebendig zu reagieren, muss der Patient spüren, dass er es ist, nicht sein Körper, der dies vollzieht.« (PHG, 53)

Kontakt und Unterbrechung

»… im Kontaktgeschehen gibt es nur die Einheit einer die Perzeption anregenden Bewegung, die emotional eingefärbt ist« (PHG, 63). Bei traumatischen Erlebnissen wird dieses Kontaktgeschehen als sehr unangenehm erlebt, der Mensch möchte am liebsten aus der Situation verschwinden, aus dem Felde gehen, nicht dasein, sich nicht spüren. Genau dies wird dann psychologisch z.T. auch gemacht als Dissoziation, während die Person leibhaftig aber in der Situation bleiben muss. Die Dissoziation ist in gestalttherapeutischem Sinne die völlige Unterbrechung des Kontaktes, das Rausgehen aus dem Kontakt, bzw. die Abspaltung des Erlebten als nicht zu sich gehörig. Ein kleines Beispiel für alltägliche Dissoziationen ist das Warten in einer Schlange, wo sich viele Menschen gedanklich an einen völlig anderen Ort versetzen. In Notsituationen gibt es die Schutzfunktionen der sensiblen Oberfläche (65), die in subnormalen oder supernormalen Formen auftreten: »panische Flucht, Schock, Betäubung, Bewusstlosigkeit, Totstellen, partielles Blackout, Amnesie«. (65) »Diese Formen beschützen die Grenze, indem sie sie zeitweise desensibilisieren oder paralysieren und darauf warten, dass die Gefahr vorbei geht. Andererseits gibt es Mittel, die die Spannung abfangen, indem sie die Grenze selbst durch Anteile der Spannungsenergie in Bewegung setzen, beispielsweise durch Halluzination und Traum, lebhafte Imagination, Zwangsgedanken, Grübeln und damit einhergehende Rastlosigkeit. Die subaktiven Mittel scheinen geeignet zu sein, die Grenze vor Überflutungen aus der Umwelt zu schützen, indem sie die Gefahr ausschließen; die superaktiven Mittel haben eher mit propriozeptiver Überlastung, die die Energie abschöpft, zu tun – außer man fällt in Ohnmacht, wenn der Gefahrenpunkt bei Not und Krankheit erreicht ist« (PHG, 65).

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