Kitabı oku: «Gestalt-Traumatherapie», sayfa 4

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3. Konfrontation: Kontakt mit Trauma und Täter über Aktivierung früherer Erlebnisinhalte, kognitive und emotionale Arbeit an der Wirkung des Traumas. Grenzen aufrechterhalten durch Aggression

4. Integration: Trauma und Dialogfähigkeit über Reifung, entfremdete Selbstanteile und inneren Täter explorieren. Annehmen der Veränderung ist das Ziel.

Missbrauch

Gestalttherapeutische Ansätze zur Behandlung bei sexuellem Missbrauch sind in reicher Zahl vorgelegt worden, so Laschinsky (1996), Rust & Wolber (1996), Faria & Belohlavek (1984, zit. nach Butollo 2003). Schön (2008) beschreibt Gestalttherapie bei missbrauchten Kindern und Jugendlichen und untersucht dabei besonders auch die Gefahr der Sekundärtraumatisierung der Helfer. Anger (2008) schildert ihr gestalttherapeutisches Vorgehen bei einer dissoziativen Fugue nach sexuellem Missbrauch. Amendt-Lyon (2005, 244) stellt in einer Fallbeschreibung die Wirkung von Wahrheit und Beziehung in einer Therapie nach Missbrauchserfahrungen vor. Hille (2002) beschreibt ihre überwiegend in der gestalttherapeutischen Arbeit mit Missbrauchsopfern gewonnen Erfahrungen und entwickelt daraus in Anlehnung an Besems & van Vugt (1990) ein gestalttherapeutisches Modell, das auch Parallelen zu dem Modell von Kepner aufweist, ohne dieses aber anscheinend zu kennen. Hille (2002) diskutiert das für und wider der Rollen-/Stuhlarbeit am Täterintrojekt mit der Gefahr einer Verstärkung des Introjekts anhand der Positionen von Bungart (1991, zit nach Hille 2002, 121) und Staemmler (1992/1993, zit. nach Hille 2002, 122). Auch Wolf (1998) berichtet über das gestalttherapeutische Vorgehen im stationären Setting bei einer Missbrauchspatientin erweitert durch EMDR-Techniken.

Kepner

Kepner (1995) bringt Ergebnisse der Traumaforschung über die Bedeutung des Körpers für die Traumareaktion und Gestalttherapie in Verbindung. Er präsentiert einen körperbewussten Ansatz in der Arbeit mit erwachsenen Mißbrauchsüberlebenden und Inzestopfern. Im deutschsprachigen Raum kann für den bewusst erlebten und subjektiv erfahrenen Körper der ältere und phänomenologisch aufgeladenere Begriff Leib wieder herangezogen werden. Die Wiederaneignung des Leibes durch eine sehr achtsame, genaue, supportive und versprachlichend-bewusstmachende Aufmerksamkeit mit dem Erspüren dessen, was der Leib ausdrücken will, was er sagen will, was er in sich eingeschlossen hat und was demnach das Subjekt in sich eingeschlossen hat, ist das Ziel des Kepnerschen Ansatzes. Er ist gegenwärtig die theoretisch am besten ausgearbeitete Anwendung der Gestalttherapie für die Therapie erwachsener Mißbrauchsopfer.

Kepner nennt seinen Ansatz »Healing Tasks« was wörtlich mit »Hei-lungs-Aufgaben« übersetzt werden kann, worin allerdings der Wachstumsgedanke stark mitschwingt. Kepner erläutert die Entwicklungsunterbrechungen, die durch ein Kindheitstrauma ausgelöst werden. Er versteht Heilung als Wachstum und Fortführung der gestörten Entwicklung. Dieser Prozess kann in vier wichtige Phasen unterteilt werden. Für die jeweiligen Phasen werden verschiedene therapeutische Aufgaben beschrieben:

1. Entwicklung von Unterstützung (Developing Support):

Unterstützung ist der entscheidende Bezugsgrund für alle Entwicklungs- und Wachstumsprozesse.

2. Entwicklung der Selbstfunktionen (Development of the Self Functions):

Selbstfunktionen helfen Erregung zu modulieren. Missbrauchsopfer haben aufgrund der missbräuchlichen Entwicklungsumgebung häufig nur eingeschränkt entwickelte Selbstfunktionen. Kinder können in diesem Zusammenhang von Gefühlen überschwemmt werde. Als Folge kann es zu Fühllosigkeit, Dissoziationen und zum der Verlust der Unterscheidungsfähigkeit oder zum Erstarren kommen. Eine Entwicklungsumgebung, die dem Kind nicht hilft die intensiven Gefühle und Erlebnisse zu verarbeiten, trägt nicht zur Entwicklung der Selbstfunktionen bei. Bei nicht ausreichenden Selbstfunktionen kann das kathartische Abreagieren der traumatischen Erinnerungen retraumatisierend sein, da keine andere Erfahrung als in der Vergangenheit gemacht werden kann. Kepner sieht hierin den größten Mangel der kathartischen Methode.

3. Rückgängig machen, wiederholen, Trauer (undoing, redoing and mourning):

Da das Opfer zum Zeitpunkt des Missbrauchs ein Kind war, und wenig Macht und Fähigkeiten hatte, die Grenzen seiner Integrität aufrecht zu erhalten, wurde ein Großteil des Geschehens verinnerlicht und wird nun als eigene Erfahrung anstatt als Beziehungserfahrung erlebt. Da es nicht möglich war wegzulaufen, zurückzustoßen oder das Geschehen anders zu beenden, mussten solche gegen die Umgebung gerichteten Impulse nach innen gegen sich selbst gewendet werden. Als Retroflexionen führt dies zu einem »Einfrieren« der Betroffenen und einer Haltung voller Selbstbestrafung, Selbstbeherrschung und Vorsicht. Als Introjektionen werden diese Geschehnisse verinnerlicht, und führen zu einem falschen Selbst voller Scham, Glaubenssätzen und Überzeugungen der eigenen Wertlosigkeit, oder falschen Darstellungen und Präsentationen der eigenen Person, jenseits der wahren Bedürfnisse. Das beschämte Kind sagt nicht: »Hör auf, mir so schlechte Gefühle machen«, sondern zwingt sich zu einem unauffälligen Verhalten, spannt seine Muskeln an und verfällt in eine eingezogene Haltung. Im alltäglichen Verhalten einer Person lässt sich die Wiederholung und Reinszenierung der traumatischen Geschehnisse beobachten. Beim Rückgängigmachen wird die gesamte Beziehung des Organismus zu seiner Umgebung mittels Ausdrucksarbeit wieder hergestellt. Hierfür werden therapeutische Reinszenierungen, Dialoge und verschiedene Alltagshandlungen eingesetzt, die nur bei ausreichendem Support und ausreichenden Selbstfunktionen gelingen. Eine weitere Folge dieses Umkehrprozesses ist der Verlust eines idealisierten Elternbildes, der Verlust der Kindheit. Diese Verluste müssen betrauert werden.

4. Wiederherstellung (reconsolidation)

Die Person bzw. der Organismus und das gesamte Umweltfeld organisieren sich bei diesem Prozess neu, wodurch Wachstum ermöglicht wird. Für den Überlebenden beinhaltet dies möglicherweise eine grundlegende Neuorientierung seines Lebens. Er lernt nicht nur neue Fähigkeiten, sondern wird wirklich ein anderer Mensch.

Heilung ist nach Kepner (1995) kein linearer Prozess. Er benutzt ein schematisches Modell (ebd., 8), um die einzelnen therapeutischen Phasen zu verdeutlichen. Dabei bedingen sich die oben beschriebenen Phasen in sukzessivem Aufbau mit dem Support zu Beginn und der Wiederherstellung gegen Ende der Therapie. Im therapeutischen Prozess können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Kepner unterscheidet als Schwerpunkte die Arbeit mit Gefühlen, mit dem Gedächtnis oder mit dem therapeutischen Selbst. Gerade für die Traumatherapie scheint die Konzentration auf körperlich-sensorisch-emotionale Antworten des Klienten unverzichtbarer als für andere Störungsbilder zu sein. Nach Kepner (1995, 31f) wird traumatisches Material auch infolge der Wirkung des Feldes vergessen, oder wieder erinnert. Bei geänderten Feldbedingungen ändern sich auch die Zugangsbedingungen zu den Erinnerungen. Besonders wertvoll erscheint Kepners (38) detaillierte Beachtung verschiedener Aspekte der Scham bei Mißbrauchsopfern. Scham wird dabei als Zurückweisung, Unterbrechung der Verbindung zu anderen und als eigene Wertlosigkeit und Schlechtheit erlebt. Diese Aspekte zeigen sich in Introjekten (Bezeichnungen des Aggressors werden übernommen z.B. »Ich bin eine Hure, ich bin schlecht«), in Retroflexionen (der Wunsch den Aggressor zu bestrafen, wird in Selbstbestrafung zurück gewendet), im Bedürfnis nach Unterstützung (Äußerungen dieses Bedürfnisses verbunden mit dem Glauben, aufgrund der eigenen Wertlosigkeit keine Unterstützung zu verdienen), in der Selbstführung (Self Management, Kontakte mit anderen werden abgebrochen, da sie als zu überwältigend erlebt werden) in Gefühlen mit unstimmiger Kontextzuordnung (Statt »ich fühle mich schlecht durch das, was mir angetan wurde« »ich bin schlecht«) in fixierten Gestalten (aus der Kindperspektive ergeben sich Konstruktionen wie »Ich erhalte keine Hilfe, also bin ich es auch nicht wert, Hilfe zu erhalten«). Als eine weitere wichtige Selbststützung wird die Stärkung des Kontaktgeschehens über die Aneignung oder Wiederaneignung des Leibes durch gezielte Körperaktivitäten wie Yoga, Laufen, Tanzen, Kampfsport etc. (Kepner ebd., 254) gefördert.

Besems & van Vugt

Für den deutschsprachigen Raum legten Besems und van Vugt bereits 1990 eine an Fallbeispielen reiche Darstellung ihrer Arbeit mit Inzestbetroffenen vor. Zur Frage des Settings schätzen die Autoren eine 50-Minuten-Therapieeinheit als meist zu kurz ein, häufig werden längere Sitzungen benötigt. In Stunden, in denen es besonders um Körperexploration geht, sind auch zwei Therapeuten anwesend. Der zweite Therapeut ist Zeuge und bietet Schutz vor möglichen Ängsten, Übergriffen und Wiederholungen des Missbrauchs. Besems & van Vugt (1990) sprechen explizit nicht von Missbrauch, sondern von Inzest (15f), um Betroffene dabei nicht zu stigmatisieren und dabei erlebte mögliche positive Gefühle nicht zu verdammen. Die Wahrnehmung und der Ausdruck blockierter Gefühle (23f), angefangen bei Trauergefühlen, aber besonders durch die (Wieder-) Aneignung der aggressiven Selbstfunktionen (29f), hat einen grundlegenden Stellenwert. Besems und van Vugt betonen eine forderungsfreie und gleichzeitig versorgend-direktive Haltung zu Beginn der Therapie. Die (Um-) Feldabhängigkeit der Klientin besonders unter dem Sicherheitsaspekt ist eine wichtige Besonderheit. Die Selbstaktualisierung und Selbstdarstellung im Hier und Jetzt jenseits von Sprache ist gerade aufgrund des Verbotes der Täter darüber zu sprechen eine entscheidende therapeutische Technik. Die Wiederaneignung des erstarrten, abgetöteten Körpergefühls geht einher mit dem Ausdruck der Geschichte der Traumatisierung. Für diese empfindliche Ausdrucksarbeit setzten Besems und van Vugt zur Erleichterung des Ausdrucks des Unsagbaren sprachfreie kreative Medien ein, wie z.B. Ton (Besems & van Vugt 1990, 78f) oder Kinderbücher. Dies hilft gleichzeitig an die abgebrochene emotionale Kindheitsentwicklung anzuknüpfen. Eine wichtige Etappe ist schließlich, langsam die Worte für das zu finden, was geschehen ist und den Missbrauch zu erzählen. Die Aufgabe der inneren Beziehung zum Täter, die als Verrat empfunden wird, ist eine lange und schmerzhafte Wegstrecke. Für die Wiederherstellung von Selbstwert und Würde wird besonders Gruppentherapie als geeignet angesehen. Das Bewusstsein, Opfer gewesen zu sein, aber diese Rolle überlebt zu haben, muss als Realität der eigenen Biographie bestehen bleiben. Seine innere Gewichtung im Rahmen einer Polaritäten-Arbeit als Teil einer z.B. Ohnmacht/Opfer- und Macht/Prinzessin-Polarität zu verschieben ist ein weiterer bedeutungsvoller Schritt. Die Autoren skizzieren auch die Problematik des Inzestgeschehens bei Jungen durch Väter und Mütter. Nach Hille (2002) haben Besems & van Vugt (1997, zit. nach Hille 2002, 132) den Akzent in ihrer Traumatherapie verschoben, hin zu einem stärker ressourcenorientierten Vorgehen, eine »Arbeit am Trauma ohne das Trauma selbst zu bearbeiten« (ebd.), sondern in die »erwachsene Erinnerung« (ebd.) zu integrieren.

Krieg und Gewalt

Fritz Perls selbst berichtete von einer Therapie eines traumatisierten KZ-Überlebenden in Südafrika: »Ein Soldat litt am ganzen Körper an blauen Flecken. Als letzter Ausweg wurde er zu mir geschickt. Dieser Soldat hatte einen Ausdruck tiefster Verzweiflung in seinen Augen und war leicht benommen. In der Armee hatten wir natürlich keine Zeit, mit Psychoanalyse oder ähnlichen Formen weitgreifender Psychotherapie herumzuspielen. Ich setzte ihn unter Pentothal und erfuhr, dass er in einem Konzentrationslager gewesen war. Ich sprach Deutsch mit ihm und führte ihn zurück zu den Momenten seiner Verzweiflung und löste den Block, der ihn hinderte zu weinen. Er weinte sich wirklich die Augen aus, oder sollen wir sagen, er weinte sich die Haut ab. Er erwachte in einem Zustand der Verwirrung und dann erwachte er wirklich und hatte die typische Satorieerfahrung, vollkommen und frei in der Welt zu sein. Schließlich ließ er das Konzentrationslager hinter sich und war bei uns. Die blauen Flecken verschwanden« (Perls 1981, 95). Leider ist über die weitere Entwicklung dieses Patienten nichts bekannt. Nach heutigem Kenntnisstand ist zu vermuten, dass diese einmalige Möglichkeit, seine Gefühle auszudrücken und sich innerlich zu lösen, sicher ein entscheidender Heilungsschritt war, der aber vielleicht doch ausreichte.

Crump (1984) berichtet über Gestalttherapie bei Vietnamveteranen, wobei die PTBS vor allem als unfinished business gesehen wird. Der Autor fand besonders die gestalttherapeutische Methode der Arbeit mit Sätzen, verbalen Wiederholungen, Abklärung der Bewusstheit und dem Geschehen eine Stimme zu verleihen geeignet. Crump führt aus, dass es für Vietnamveteranen z.T. unmöglich ist, emotional wahrzunehmen was sie sagen. Crump betont, dass die Arbeit mit Vietnamveteranen mit Vorsicht und nur auf der Grundlage einer sehr guten Ausbildung in Psychopathologie und Gestalttherapie durchzuführen ist. Speziell das Timing der Interventionen erfordere ausreichende Erfahrung, da Gestaltinterventionen intensive Gefühle und Konflikte rasch an die Oberfläche bringen könnten. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wann der Klient dazu bereit und in der Lage ist. Crump geht dabei wiederholt auf die tragende Funktion einer empathischen Beziehung und eines verlangsamten Tempos des therapeutischen Prozesses ein. Serok (1985) beschreibt die Gestalttherapie einer Holocaust-Überlebenden, sowie mit einem traumatisierten Soldaten des Yom-Kippur-Krieges. In Anlehnung an Polster (Polster & Polster 1975, zit. nach Serok 1985) war es dabei notwendig, Parallelen zur alten Situation in der Gegenwart herzustellen. Im Erinnerungsprozess wird auch die Geschwindigkeit der Erinnerung variiert, verlangsamt und der Verarbeitungsfähigkeit der Klientin angepasst, sowie ausreichend Support aufgebaut. Butollo (1998) schildert ausführliche und bewegende Fallbeispiele des Bosnienkrieges und liefert eine Vielfalt gestalttherapeutischer Interventionen. Jossen (2003) gibt ein anrührendes Beispiel für die Gestalttherapie bei einer multipel kriegs- und gewalttraumatisierten jungen Frau. Rothkegel (1996) berichtet über Gestalttherapie mit Folteropfern. Hoffmann-Widhalm (1999) beschreibt die Anwendung gestalttherapeutischer Prinzipien und auftretende Schwierigkeiten bei bosnischen Kriegsflüchtlingen in einem Flüchtlingslager. Kosijer (1998) schildert die Gestalttherapie mit einer Jugendlichen aus Bosnien. Heimannsberg & Schmidt (1992) legten eine Sammlung von Beiträgen vor, in denen sich eine Reihe von Therapeuten mit der deutschen Vergangenheit und ihrer eigenen Verwobenheit in die Geschichte des Nationalsozialismus auseinandersetzen.

Krankheit, Behinderung, Unfall

Strümpfel (1992) beschreibt Gestalttherapie bei Aids. Micknat (2002) analysiert traumatische Prozesse bei geistiger Behinderung aus einer gestalttherapeutischen Perspektive. Wirth (2003) untersucht Traumatisierungen bei Hörbehinderten, bzw. beschreibt Ressourcenarbeit bei Hörbehinderten aus gestalttherapeutischer Sicht (Wirth 2008b), bei der besonders Gruppentherapie für Hörgeschädigte (Wirth 2008a) eine große Rolle spielt. Pröpper (2007) legt eine Arbeit über die traumatisierenden Auswirkungen von Krebserkrankungen vor. Wolf (1998) und Butollo (2003, 3) beschreiben die Gestalttherapie bei U-Bahnfahrern, die Suizidanten überfahren hatten. Besonders strukturelle Störungen können als »Behinderungen« begriffen werden (Dreitzel 2004, Kommentar zu Schaubild 17). Dadurch ist eine Annahme des »So-Seins« im Sinne der paradoxen Theorie der Veränderung möglich. Gestalttherapeutische Aspekte von (Hör-) Behinderung werden in Wirth (2006) genauer ausgeführt.

Gruppentherapie

Soziale Bindungen gelten als der grundlegendste Schutz gegen Traumatisierungen (van der Kolk et al. 2000, 324). Van der Kolk et al. sprechen von einer »Trauma-Schutzschicht« (trauma membrane) die von Familien, Kollegen und Freunden geschaffen wird. »In Anerkennung dieses Bedürfnisses nach Zugehörigkeit als Traumaschutz herrscht jetzt weitgehende Übereinstimmung, dass der zentrale Punkt bei der akuten Krisenintervention die Bereitstellung und Wiederherstellung der sozialen Unterstützung ist (ebd.). Eine Form der Gruppentherapie wird oft als Behandlung der Wahl für sowohl akut als auch chronisch traumatisierte Individuen angenommen. Die gemeinsame Geschichte kann ein Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl erzeugen. (…) In einer Gruppe mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, sind die meisten traumatisierten Personen schließlich in der Lage, die passenden Worte zu finden, um zum Ausdruck zu bringen, was mit ihnen geschah (ebd., 325).

Die Gruppenmitglieder stellen dabei gleichrangige Peers dar, die spezifisches Verständnis, Support, aber auch Kontrolle ermöglichen. Die therapeutische Zweierbeziehung kann in ihrem Machtgefälle als zu riskant erlebt werden. Auch innerhalb einer gestalttherapeutischen Beziehung hat der Therapeut die Definitions- und Auswahlmacht, (Portele 1994, 96f, Hutterer-Krisch 2001), wenngleich er immer wieder versucht, die Vision des »Heilens aus der Begegnung« (Trüb 1964 zit. nach Portele 1994, 104) Realität werden zu lassen. Die Gefahr der von Trüb »Begegnungsflucht« genannten Neurose des Therapeuten, bei der er die Ich-Du-Beziehung in eine handhabbare Ich-Es-Beziehung zu verwandeln sucht, erscheint angesichts der Schwere und der möglichen Angst des Therapeuten vor seinen eigenen durch Traumaberichte ausgelösten Gefühlen bei der Therapie für Traumabetroffene besonders hoch. Sie können auch Folge einer Macht-Ohnmacht-Reinszenierung oder mehr noch einer Macht-Gehorsam-Konstruktion sein (Portele & Roessler 1994, 143f). Bowman (2002) berichtet von den Wirkungen informeller gestaltorientierter Gruppenprozesse als Unterstützung der natürlichen Verarbeitungsprozesse nach dem 11. September.

Dissoziationen

Dissoziative Phänomene werden nach Butollo (1999) zunehmend als wichtige Faktoren der Entstehung oder Aufrechterhaltung einer PTBS erkannt. Votsmeier (1999, 716f) stellt das Konzept der Dissoziation innerhalb der Gestalttherapie bei strukturellen Störungen vor. Mit Yalom (1980, zit. nach Votsmeier 1999) bezeichnet er Dissoziationen als »intrapersonale Isolation«, als Prozess, bei dem Teile von sich selbst abgespalten werden. Das Ziel der Therapie ist es, den Klienten zu helfen, diese abgespaltenen Teile wieder zu integrieren (Votsmeier 1999, 716). Dabei hebt Votsmeier das Goldsteinsche Stressmodell (Goldstein 1965, zit. nach Votsmeier 1999) hervor. Dabei werden Teilbereiche der inneren Prozesse vom Rest des Systems entfremdet, abgespalten und isoliert (ebd., 717).


Abb. 5: Dissoziation

Deistler & Vogler – Dissoziative Identitätsstörung

Für die Therapie extrem und komplex traumatisierter und missbrauchter Klientinnen mit Dissoziativen Identitätsstörungen (Multiplen Persönlichkeitsstörungen) legten Deistler & Vogel 2002 eine bereits in 2. Auflage (2005) erschienene bemerkenswerte Einführung in ihre Arbeit vor. Dabei wird auf Modelle der Gestalttherapie und der Integrativen Therapie zurückgegriffen. Dissoziation wird innerhalb des Kontaktprozesses in Anlehnung an Zinker (1982, zit. nach Deistler und Vogler 2005) entweder als Kontaktunterbrechung zwischen Rückzugs- und Empfindungsphase angesehen, oder mit Teschke (1999 zit. nach Deistler & Vogler 2005) als Unterbrechung zwischen Empfindung und Gewahrsein verortet. Vor allem ist daher die Kontaktphase der Empfindung des Eigenen gestört und unterbrochen, die Person ist so auf die Abwehr von Gefahren konzentriert, dass die Wahrnehmung der Empfindungen nicht mehr gelingen kann.

Dissoziationsprozesse werden von den Autorinnen als wertzuschätzende kreative Prozesse angesehen, ohne die ein Überleben in einem unerträglichen, hoch traumatisierenden Umfeld nicht möglich gewesen wäre (ebenda, 14).

Im therapeutischen Prozess werden neben der Wahrnehmung der Klientin besonders Resonanzprozesse der Therapeutin beachtet und mit genutzt. (ebenda, 116f). Dabei können Veränderungen des körperlichen Ausdrucksverhaltens oder Brüche im Kontakterleben als Hinweise für mögliche Wechsel (switch) zu einer anderen inneren Person /Alter (von alternierender Persönlichkeitsanteil; ebenda, 14) dienen. Bei vielen verschiedenen Wechseln wird versucht eine gemeinsame Ausdruckslinie zu erfassen, als Hilfs-Integrationsleistung für die Klientin.

Die Autorinnen nutzen das Modell der acht blockierten Kontaktzyklen von Hartmann-Kottek-Schröder (1983, zit. nach Deistler & Vogler; ebenda, 120) zur Beschreibung der Kontaktunterbrechungen ihrer Klientinnen. Dabei können unterschiedliche innere Personen verschiedene Kontaktunterbrechungen aufweisen. Als Grundprinzipien gestalttherapeutischer Arbeit mit traumatisierten Menschen nennen die Autorinnen in Anlehnung an Butollo, Krüsmann und Hagl (1998) die übergeordnete Relevanz der Beziehung, das Arbeiten in der Gegenwart, und das Schließen unvollendeter Gestalten.

Durch die ständige Einbeziehung von Körper, Gefühl und Kognitionen wird eine integrierende Verbindung zwischen den dissoziierten Anteilen der Klientinnen gefördert. Diese Integration sollte dabei immer an dem Wohlbefinden und der Lebensqualität der Klientin orientiert werden und nicht zum Selbstzweck geraten. Die Verbesserung der Beziehungsfähigkeit auf der Grundlage erlebter Beziehung zwischen Klientin und Therapeutin stellt ein Lernmodell für andere neue Beziehungserfahrungen außerhalb des therapeutischen Settings dar (ebenda, 141).

Die Bedeutung einer möglichst gleichberechtigten Haltung wird unterstrichen, die sich jenseits des Gefälles von Definitionsmacht und Wissensmacht in der gleichberechtigten personalen Begegnung nach Gremmler-Fuhr (1999 zit. nach Deistler und Vogler; ebenda, 143) vollziehen kann. Dabei ist es wichtig, dass jede der Alters mit der Therapeutin in Beziehung tritt und auf ihre spezifische Weise auf die Therapeutin reagiert, antwortet und response-ability beweist (S. 161). Die Dissoziative Identitätsstörung wird als Beziehungsstörung angesehen. Zentrale Bedürfnisse der Klientin wurden dissoziert, und müssen erst wieder langsam wahrgenommen, benannt, verstanden und integriert werden, und zwar meist für verschiedene Alters. Dabei können Schwierigkeiten und Reinszenierungen auftreten. Deistler und Vogler beschreiben eine Reihe von Möglichkeiten, die Beziehung zwischen Klientin und Therapeutin zu regeln und die Klientinnen weiter zu stabilisieren, wie Verträge z.B. zum Gewaltverzicht, die Erstellung innerer Landkarten, Groundingübungen, Sicherheitsmaßnahmen, Sicherer-Ort-Übungen, und andere imaginative Übungen nach Reddemann (2001, zit. nach Deistler und Vogler). Die Arbeit an Täterintrojekten wird ebenfalls dargestellt. Die therapeutische Begleitung im Rahmen des betreuten Wohnens wird detailliert ausgeführt und ihre Möglichkeiten und Grenzen ausgelotet. Die Gefahren einer sekundären Traumatisierung von TherapeutInnen werden von den AutorInnen abschließend untersucht und mögliche Gegenmaßnahmen aufgeführt.

Trauer

Perls (1981) »Die Trauerarbeit (ist) ein ungeheuer wichtiger Prozess um (…) zu überleben.« Perls hat in dem oben zitierten Beispiel einer Therapie eines KZ-Überlebenden dessen Möglichkeit und wiedererlangte Fähigkeit zu trauern und seiner Trauer Ausdruck zu verleihen als entscheidenden Heilungsfaktor verstanden. Kepner (1995) betont die Trauer um den Verlust der Kindheit als einen wichtigen Entwicklungsschritt des erwachsenen Missbrauchsopfers. Auch Besem & van der Vugt (1990) halten die Trauer für eine bedeutsame Phase des Heilungsprozesses. Canacakis (2002) schildert vor einem gestalttherapeutischen Hintergrund essentielle Abläufe von Trauerprozessen. Butollo (1998, 269) betont die Notwendigkeit des Trauerns im Genesungsprozess einer Traumatherapie.

Angst, Strukturelle Störungen, Sucht,

»Der Mangel an wesentlicher Stützung wird als Angst erlebt«, schreibt Lore Perls (1989, 111). »Allgemein wird Angst einer Einengung der Atmung gleichgesetzt; aber die Reduktion oder gar Suspendierung der Atmung und damit auch die Reduktion der Erregung und des Interesses ist manchmal schon eine Reaktionsbildung auf eine möglicherweise gefährliche Situation (Totstellreflex)«. (ebd.) Die Folgerung aus dieser Definition ist eine supportive Therapie. Einen Ansatz der Integration gestalt- und verhaltenstherapeutischer Herangehensweisen legte Butollo (1996) vor. Die Therapie von Persönlichkeitsstörungen wie der Borderlinestörung sowie von Suchterkrankungen, die beide ebenfalls als Folgen und Bewältigungsversuche traumatischer Erfahrungen angesehen werden können, sind von Gestalttherapeuten als spezifische Therapiefelder entwickelt worden. Zur Borderlinestörung legten Votsmeier (1988), Yontef (1999), Janssen (1999), Greenberg, Rice & Elliot (2003), Klampfl (2003) Beiträge vor. Votsmeier (1999) formulierte Grundsätze der Gestalttherapie mit besonderem Augenmerk der traumatischen Genese sowie des Konzepts der Dissoziation. Lang (2007) diskutierte mit entwicklungstheoretischem Blick frühe Störungen, die er frühe Entwicklungshemnisse nennt, als Traumafolgestörungen. Lang fordert bei frühen Störungen vor allem supportive therapeutische Schritte unter Einbezug des Körpergedächtnisses, sowie gegenwärtige Augenblicke genießen zu lernen. Gestalttherapeutische Suchtbehandlung beschrieben Röser (1994), Röser & Votsmeier (1999), Wardetzki (1999) und Clemmens (1997, 2006).

Eigene Beispiele gestalttherapeutischer Traumaarbeit

In meinen beiden Fallbeispielen werden die Kraft und der Schutz einer wichtigen sozialen Beziehung sichtbar, aber auch die Schwächung durch deren Verlust.

Wo ist mein Platz?

Eine 23-jährige gehörlose Patientin war mit ihrer besten Freundin vor einem halben Jahr in eine Lawine geraten. Dabei wurde sie selbst fast erdrückt, die beste Freundin starb noch in der Lawine vor ihren Augen. Die Klientin zeigte Hyperarousal, Flashbacks, Intrusionen, Suizidphantasien, sozialen Rückzug besonders auch von der Herkunftsfamilie, die vermieden wird. Die Therapie erfolgt in Gebärdensprache. Nach zwei Sitzungen will sie auch die Therapie abbrechen, das bringe alles nichts. Nach einer EMDR-Intervention zum traumatischen Erlebnis verändert sich der Focus. Nun wird klar, dass die beste gehörlose Freundin, mit der die Patientin zum ersten Mal außerhalb der Familie zusammen lebte und die sie bereits aus der frühen Schulzeit gut kannte, eine wichtige Funktion beim Ablösungsprozess von der Herkunftsfamilie hatte, der jäh unterbrochen wurde. Es besteht jedoch eine ungeheure Sprachlosigkeit der Klientin ihrer Familie gegenüber. Durch Stuhlarbeit kann sie langsam ihre Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken. Trauer, Wut und Ärger auf die Mutter und die Herkunftsfamilie dominieren nun als vorherrschende Gefühle. Die Patientin zeigte große Angst und scheint unfähig, dies der Mutter im Zweiergespräch zu zeigen. Wir vereinbaren eine Dreiersitzung mit moderiertem Dialog zwischen Mutter und Tochter und mir mit Ermutigung der Tochter. Die Tochter äußerte ihrer Mutter gegenüber vorsichtig ihre Wünsche nach einer besser auf sie abgestimmten Kommunikation im familiären Rahmen. Die Mutter beschwichtigt eher, die Patientin gibt enttäuscht auf. Weitere Stuhlarbeit mit noch prägnanterer Formulierung ihrer Bedürfnisse, danach erneuter moderierter Dialog mit Mutter und Tochter. Die Tochter kann ihrer Mutter jetzt sagen, dass sie sich in der Familie oft kommunikativ ausgeschlossen fühlt, und dass sie sich wünscht, dass in ihre Familie mehr gebärdet, mehr visuelle Kommunikation benützt wird. Die Mutter erklärt sich dazu bereit. Nun hat die Tochter endlich das Gefühl, von der Mutter wahrgenommen zu werden und potentiell in die Familie zurückkehren zu können. Dabei verschwinden die PTSD-Symptome, und die Isolationserfahrungen völlig. Bei einem Nachtreffen zwei Jahre später berichtet die Patientin, dass sie danach mit ihrem Freund zusammen gezogen sei, dass sie aber das Gefühl hatte, dass ihre Familie auch für sie da gewesen sei.

Darf ich wie ich will?

Eine ca. 50-jährige prälingual gehörlose Frau berichtet mir in Gebärdensprache über ihre Kindheit in einem strengen christlichen Gehörlosenschulheim, in das sie gegen ihren Willen mit sechs Jahren gebracht worden war. Dies war der Zeitpunkt ihrer Einschulung in die Gehörlosenschule und dies war die für sie zuständige. Sie hatte überhaupt nicht verstanden, weshalb sie dorthin musste. In ihrer Familie hatte ihr keiner erklärt was geschehen würde. Die Kommunikationsmittel waren begrenzt, und den Eltern war von der Heimleitung gesagt worden, dass sie so verfahren sollten. Sie fuhr also mit ihren Eltern in das Heim, diese sprachen mit den Schulschwestern, dann wurde sie plötzlich von den Schwestern gepackt und in einen Raum gesperrt. Sie sah durch einen Türspalt noch kurz, wie ihre Mutter mit Tränen in den Augen zu ihr hersah und von einer anderen Schwester mit ihrem Vater nach draußen geleitet wurde. Als sie schließlich aus dem Zimmer durfte, waren ihre Eltern nicht mehr da. Sie weinte und tobte und wurde als Strafe dafür gleich nochmals eingesperrt. Das Essen dort schmeckte ihr überhaupt nicht, sie verweigerte es oft, doch es herrschte Essenszwang. Alles musste aufgegessen werden, auch wenn es nicht schmeckte. Wiederholt musste sie das Gegessene erbrechen. Danach wurde sie gezwungen, das Erbrochene wieder aufzuessen, woraufhin sie es wieder erbrach und wieder gezwungen wurde – so ging das immer wieder. In den nächsten Ferien, als ihre Eltern sie abholten, erzählte sie ihnen alles. Diese beschwerten sich bei der Heimleitung. Doch sie wurden beschwichtigt, dass dies alles nur Erfindungen ihrer Tochter seien, da diese nicht im Heim bleiben wolle. Dies sei auch von anderen Kindern bekannt. Die Eltern glaubten den »Expertinnen«. Sie erzählte es zu Hause auch ihrer Großmutter, die sie über alles liebte. Diese glaubte ihr. Bei ihrer Rückkehr nach den Ferien wurde sie von ihrer Schulschwester halb totgeschlagen, mit dem Kopf wieder und wieder an der Wand geknallt, bis sie blutete. Ihr wurde erzählt, dass die Schwestern, wenn sie ihren Eltern noch einmal solche Lügen über das Heim erzählen würde, dafür sorgen würden, dass sie für immer im Heim bleiben müsse und nie mehr nach Hause dürfe. Sie glaubte das, als sechsjähriges gehörloses Mädchen. Sie erzählt, dass sie darüber fast verrückt geworden sei. Das einzige, was sie aufrecht gehalten hatte, war der Gedanke an die Großmutter, die ihr geglaubt hatte. Die Großmutter glaubte ihr auch bei den nächsten Besuchen und nur ihr erzählte sie davon. Sie bat sie, doch zu versuchen es in dem Heim trotzdem auszuhalten, da es die einzige Möglichkeit für Bildung für sie sei. Heute noch könne sie viele der Speisen nicht essen oder riechen, die es damals im Heim gegeben habe. In der Folgezeit gelang es ihr trotzdem eine Berufsausbildung abzuschließen und sich gut in die Gehörlosengemeinschaft zu integrieren.

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