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III. EuGH- und BGH-Urteile
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1. Diese BGH-Rechtsprechung stieß nicht auf uneingeschränkte Zustimmung der Instanzgerichte. Das LG Saarbrücken24 legte im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage zur Vereinbarkeit des Kaskadenverweises mit Art. 10 Abs. 2 Buchstabe p der Verbraucherkreditrichtlinie dem Europäischen Gerichtshof vor. Der EuGH entschied am 26.3.2020 in der Rechtssache C 66/19 („JC/Kreissparkasse Saarlouis“),25 dass mit einem solchen kaskadenförmigen Verweis den Anforderungen der Richtlinie nicht genügt sei. Mit dieser Entscheidung wurde die Diskussion um die Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung bzw. den daraus resultierenden Widerrufsjoker wiederbelebt. Der EuGH führte aus: „In Verbraucherkreditverträgen müssen in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angegeben werden.“ Dies zielte auf den in der Muster-Widerrufsinformation enthaltenen Verweis auf Paragrafen, ohne dass deren Inhalt angeführt wurde. Dieser sogenannte Kaskaden-Verweis wurde seitens des EuGH als nicht vereinbar mit den Anforderungen der Richtlinie an die Klarheit und Verständlichkeit einer Widerrufsinformation erklärt. Viele im Verbraucherschutz aktive Anwaltskanzleien hofften damit auf eine Wiederbelebung des Widerrufsjokers bei Immobiliardarlehensverträgen, da die Widerrufsinformation für Immobiliardarlehensverträge in der Fassung zwischen 10.6.2010 und 20.3.2016 ebenfalls den Kaskadenverweis beinhaltete. Hinzukommt, dass im Zusammenhang mit dem finanzierten Kauf von Dieselfahrzeugen nunmehr die Allgemein-Verbraucherdarlehen ins Interesse geraten sind, um bei verbundenen Verträgen über den Widerruf des Darlehensvertrags und der Rückabwicklung der verbundenen Verträge nach § 358 Abs. 4 BGB gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs von den weiteren Verbindlichkeiten des Darlehensvertrags befreit zu sein und die gezahlten Leistungen (einschließlich einer aus eigener Liquidität erbrachten Teilzahlung) vom Darlehensgeber zurückverlangen zu können.
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2. Die Aussagen des EuGH wollte der BGH in dieser Allgemeinheit nicht stehenlassen. Zunächst wies der BGH26 mit seinen Beschlüssen vom 31.3.2020 – XI ZR 581/18 – und – XI ZR 198/19 – darauf hin, dass die Auslegung nationaler Vorschriften den nationalen Gerichten vorbehalten sei, so dass er – auch in Kenntnis der Rechtsprechung des EuGH – keinen Auslegungsspielraum erkennen könne, der ihm eine richtlinienkonforme Auslegung dahingehend ermögliche, die gesetzlichen Widerrufsinformationen für unwirksam zu erklären und ihnen die Gesetzlichkeitsfiktion abzuerkennen. Darüber hinaus fände gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a und c Verbraucherkreditrichtlinie diese keine Anwendung auf grundpfandrechtlich besicherte Immobiliardarlehensverträge,27 sodass bereits aus diesem Grunde die Entscheidung des EuGH Urteils vom 26.3.2020 auf Immobiliardarlehensverträge nicht übertragbar sei.
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Ergänzend wies der BGH zum Vorlagebeschluss des LG Ravensburg vom 5.3.202028 darauf hin, dass die in dem Vorabentscheidungsgesuch des LG Ravensburg aufgeworfenen Fragen angesichts des Wortlauts, der Regelungssystematik und des Regelungszwecks der Verbraucherkreditrichtlinie derart offenkundig zu beantworten seien, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bliebe, und somit keine Aussetzung des eigenen Verfahrens in Betracht käme.
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Für Prolongationen von Immobiliardarlehensverträgen hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 8.6.202029 der Auffassung des BGH angeschlossen, dass es sich insoweit um keine selbständigen Finanzdienstleistungen im Fernabsatz handele, die selbstständig widerrufbar sind.
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3. In einer späteren Entscheidung zu einem Konsumentenratenkredit kommt der BGH30 jedoch zu einem anderen Ergebnis. Danach ließen § 492 Abs. 2 BGB und Art. 247 § 6 Abs. 3 Satz 1 EGBGB es offen, „ob und auf welche Weise in der Widerrufsinformation auf die zu erteilenden Pflichtangaben hinzuweisen sei“, so müssen die Angaben lediglich klar und verständlich sein. Damit sei der Auslegungsspielraum, entgegen der in den Beschlüssen vom 31.3.2020 vertretenen Auffassung, eröffnet. Bei richtlinienkonformer Auslegung genüge daher die Widerrufsinformation, soweit sie den Kaskadenverweis verwendet, um den Fristbeginn zu beschreiben, der Rechtsprechung des EuGH entsprechend nicht den Anforderungen an Verständlichkeit und Klarheit, wie sie von Art. 10 Abs. 2 Buchstabe p Verbraucherkreditrichtlinie gefordert wird. Allerdings könne sich ein Darlehensgeber, der die Widerrufsinformation ordnungsgemäß verwendet, auf die Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen. Nur, wenn die Widerrufsinformation fehlerhaft erteilt wurde, greife die Unwirksamkeit durch und der Darlehensgeber komme nicht in den Genuss der Gesetzlichkeitsfiktion.31
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4. Mit der Rechtsprechung des BGH zu den seit 2010 geltenden Widerrufsinformationen sind die Instanzgerichte nicht durchgehend einverstanden gewesen, wie die sehr unterschiedlichen Hinweisbeschlüsse einiger Instanzgerichte zeigen. So wollte das OLG Rostock (Beschluss vom 26.3.20 – 1b 1U 1/19) dem EuGH folgen und das OLG Dresden (gerichtlicher Hinweis vom 26.3.20 – 8 U 63/20) hatte zumindest Zweifel, ob sich die Bank nach dem EuGH-Urteil noch auf den Musterschutz berufen könne.
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Umgehend nach dem Bekanntwerden der BGH-Beschlüsse vom 31.3.2020 hatte das LG Ravensburg32 erneut Fragen an den EuGH gerichtet, die zum einen die Vereinbarkeit der Rechtsprechung des BGH mit der Verbraucherkreditrichtlinie in Frage stellen und die weitere Frage an das Gericht gerichtet, ob die Rechtsprechung auf Immobiliardarlehensverträge übertragbar sei. Darüber hinaus wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die allgemeinen Grundsätze, wie Rechtsmissbräuchlichkeit oder Verwirkung auf das Widerrufsrecht angewendet werden können, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt wurde. Voraussichtlich wird der EuGH am 9.9.2021 über einen Teil der Vorabentscheidungsfragen des LG Ravensburg entscheiden. Nach der Stellungnahme des Generalstaatsanwalts vom 15.7.202133 steht die Rechtsprechung des BGH nicht im Einklang mit den Anforderungen an die Vertragsinhalte der Verbraucherkreditrichtlinie in Art. 10 Abs. 2 Buchstaben a, d, l, r, s und t. Außerdem sei die Frage, ob ein Widerrufsrecht verwirken könne, wenn der Verbraucher keine inhaltlich vollständige, der Richtlinie entsprechende Abschrift des Darlehensvertrags erhalten habe, dahingehend zu beantworten, dass das Recht des Verbrauchers nicht verwirken oder rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden könne. Die weiteren Fragen beziehen sich auf die Angabe zum Verzugszins, ob hier ein konkreter Zinssatz anzugeben sei, oder es reiche, dass der Verzugszinssatz als zusammengesetzte Größe (Basiszinssatz plus 5 %-Punkte) angegeben wird, so der BGH in seinen Entscheidungen v. 5.11.2019.34 Die weitere Frage des LG Ravensburg beschäftigt sich mit der Angabe zum Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerdeverfahren. Hier hatte der BGH entschieden, dass es ausreiche, wenn der Verbraucher über die Form und die postalische Anschrift der Beschwerdestelle informiert und hinsichtlich der Verfahrensordnung auf die Internetseite der außergerichtlichen Schlichtungsstelle verwiesen würde.35 Angesichts dieser Entwicklungen ist daher anzunehmen, dass hinsichtlich der Muster-Widerrufsinformationen und der dazu ergehenden Entscheidungen keine Ruhe eintreten wird, sondern mit weiteren Entscheidungen des EuGH zu rechnen ist, soweit er sich für diese Fragen zuständig halten wird. Welchen Einfluss diese Entscheidungen wiederum auf die Rechtsprechung des BGH haben werden, bleibt abzuwarten.
24 Beschluss vom 17.1.2019 – 1 O 164/18, WM 2019, S. 1444. 25 EuGH v. 26.3.2020 – Rs. C 66/19, WM 2020, 688 = https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=224723&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1. 26 BGH v. 31.3.2020 – I ZR 198/19, WM 2020, 838, http://juris.bundesgerichtshof.de/cgibin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=105159&pos=0&anz=1 + http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=105147&pos=0&anz=1. 27 So auch schon BGH v. 19.3.19 – XI ZR 44/18, WM 2019, 864; BGH v. 31.3.2020 – XI ZR 581/18, NJW 2020, 1445. 28 LG Ravensburg v. 5.3.2020 – 2 O 328/19, 2 O 280/19, 2 O 334/19, BeckRS 2020, 3265, Widerruf eines PKW-Finanzierungsvertrages. 29 EuGH v. 18.6.2020 – Rs. C 639/18, WM 2020, 1199 insoweit es sich um keine selbständigen Finanzdienstleistungen im Fernabsatz handele, die selbständig widerrufbar sind. 30 BGH v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, WM 2020, 2321. 31 BGH v. 27.10.2021 – XI ZR 498/19, WM 2020, 2321. 32 https://www.zbb-online.com/heft-5-2020/zbb-2020-317-vorlage-an-den-eugh-pflichtangaben-im-verbraucherkreditvertrag-und-verwirkung-des-widerrufsrechts/. 33 https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=244208&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1. 34 BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, 2353; BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 11/19, BeckRS 2019, 33010. 35 BGH v. 11.2.2020 – XI ZR 648/18, Beck RS 2020, 2755.
IV. Handlungsbedarf des deutschen Gesetzgebers nach der Rechtsprechung des EuGH zum Kaskadenverweis
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Für den deutschen Gesetzgeber bestand Handlungsbedarf, nachdem der EuGH die gesetzliche Widerrufsinformation als nicht vereinbar mit der EU-Verbraucherkreditrichtlinie angesehen hatte.
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1. Nachdem der EuGH mit Entscheidung vom 11.9.2019 in der Rechtssache Lexitor36 entschieden hatte, dass der in Art. 16 Abs. 1 Verbraucherkreditrichtlinie verwendete Begriff „Kosten“ dahingehend auszulegen sei, dass darunter sowohl einmalige wie auch laufende Kosten zu verstehen sind, bestand für den deutschen Gesetzgeber die Notwendigkeit, § 501 BGB a.F. der Interpretation des Kostenbegriffs des EuGHs folgend anzupassen. Dieses Gesetzgebungsverfahren hatte die Bundesregierung bereits im August 2020 begonnen. Aufgrund des weiteren Anpassungsbedarfs durch die Entscheidung des EuGH vom 26.3.2020 in der Rechtssache C 66/19 bot es sich daher an, in einem Gesetzgebungsverfahren die Rechtsprechung des EuGH zu bündeln und die verbraucherdarlehensrechtlichen Vorschriften an die Rechtsprechung des EuGH anzupassen.37
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2. Mit diesem Gesetz wurde § 501 BGB hinsichtlich des Anspruchs des Verbrauchers auf Minderung der Gesamtkosten bei vorzeitiger Rückzahlung nach § 500 Abs. 2 BGB im Sinne der EuGH Rechtsprechung in der Rechtssache Lexitor abgeändert (§ 501 Abs. 1 BGB) und für den Fall der vorzeitigen Beendigung eines Verbraucherdarlehensvertrages durch Kündigung eine neue Regelung in § 501 Abs. 2 BGB eingeführt. Im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Rückführung der Restschuld aus einem Verbraucherdarlehensvertrag in Folge einer Kündigung durch den Darlehensgeber oder den Darlehensnehmer bleibt es bei der bisherigen Regelung, dass der Verbraucher nur einen Anspruch auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits um die Zinsen und laufzeitabhängigen Kosten hat, die bei gestaffelter Berechnung auf die Zeit nach der Fälligkeit entfallen.
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3. Darüber hinaus sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 24.2.2021 (BT Drucks. 19/26928) eine Anpassung der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB vor, mit der die Rechtsprechung des EuGH zu dem Kaskadenverweis umgesetzt werden sollte.
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Dieses Gesetz sollte von Anfang an einen Tag nach Verkündung in Kraft treten. Diese Eile hielt der Gesetzgeber für erforderlich, weil der nationale Gesetzgeber gehalten sei, die nationalen Bestimmungen unverzüglich an die EuGH – Rechtsprechung anzupassen und damit dem Unionsrecht zu entsprechen. Außerdem hielt er es für die Kreditwirtschaft für zumutbar, dass sie sich seit Verkündung der beiden Entscheidungen und während des Gesetzgebungsverfahrens darauf einrichten und vorbereiten könne, um die neuen Widerrufsinformationen in ihr Formularwesen zu übernehmen. Zu guter Letzt bestünde auch die Möglichkeit, mit einer aktualisierten Widerrufsinformation die Belehrung gemäß §§ 356b Abs. 2 Satz 1, 492 Abs. 6 BGB nachzuholen, um die Widerrufsfrist in Gang zu setzen.38 Dies stieß auf erhebliche Kritik bei den betroffenen Bankverbänden.39
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Schließlich wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren auf Antrag der Bundestagsfraktionen CDU/CSU und SPD und auf Empfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz das Gesetz ergänzt um weitere gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrungen, die einen vergleichbaren Kaskadenverweis enthielten. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Muster-Widerrufsbelehrung beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen der Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB.40 Nach den Neuregelungen wurde die bisherige Anlage 3 durch insgesamt drei neue Widerrufsbelehrungen ersetzt: Anlage 3 findet Anwendung bei im „Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen von Finanzdienstleistungen mit Ausnahme von Verträgen über die Erbringung von Zahlungsdiensten und Immobiliarförderdarlehensverträgen“, Anlage 3a stellt ein „Muster für die Widerrufsbelehrung bei im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über die Erbringung von Zahlungsdiensten in Form von Zahlungsdiensterahmenverträgen“ und schließlich findet sich in Anlage 3b das „Muster für eine Widerrufsbelehrung bei im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen in Form von Einzelzahlungsvorgängen“.
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Lediglich der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass der Gesetzgeber das Versicherungsvertragsgesetz und die dort enthaltenen Widerrufsbelehrungen zu § 8 VVG der Rechtsprechung des EuGH angepasst hat. Am 14.6.2021 wurden die Neuregelungen zu der Muster-Widerrufsinformation bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen und die Muster-Widerrufsbelehrungen bei Finanzdienstleistungen sowie Versicherungsverträgen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.41 Damit trat die Muster-Widerrufsinformation in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB am 15.6.2021 in Kraft, alle weiteren Widerrufsbelehrungen werden am 1.1.2022 in Kraft treten.
36 Rs. C 383/18 https://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&num=C383/18. 37 https://dserver.bundestag.de/btd/19/269/1926928.pdf. 38 BT-Drs. 19/26928, 36. 39 Stellungnahme des DSGV für Deutsche Kreditwirtschaft vom 8.2.2021, https://diedk.de/media/files/210208_DK_Stn_Fernabsatz_Finanzdienstleistungen.pdf. 40 BT-Drs. 29391. 41 BGBl. I 2021, 1666.
V. Wesentliche Änderungen des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen
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1. Im Wesentlichen beschränken sich die Änderungen auf die Anpassung der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB an die Rechtsprechung des EuGH zum Kaskadenverweis. Um den Anforderungen an die Rechtsprechung des EuGH zu entsprechen und die Widerrufsinformation entsprechend des Art. 10 Abs. 2 Buchstabe p der Verbraucherkreditrichtlinie klar und verständlich zu gestalten, gliederte der Gesetzgeber die Widerrufsinformation in drei Abschnitte.
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In dem ersten Abschnitt wird über das Bestehen eines Widerrufsrechts, die Frist, den Fristbeginn, die Form des Widerrufs und den Widerrufsadressaten informiert. Bei der Beschreibung des Fristbeginns werden nunmehr nicht mehr auf § 492 Abs. 2 BGB verwiesen und Beispiele für die Pflichtangaben im Darlehensvertrag genannt, sondern es erfolgt ein Verweis auf die unter Abschnitt 2 gelisteten Pflichtenangaben. Im Abschnitt 2 werden sämtliche Pflichtangaben, die in einem Verbraucherdarlehensvertrag nach § 492 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB enthalten sein müssen, aufgeführt. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen den Angaben, die in einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag, für den ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB besteht, immer anzugeben sind und den Angaben, die nur dann im Vertrag enthalten sein müssen, weil sie für den speziellen Vertragstypus aufzunehmen sind (sog. Eventualangaben).
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Dem Gesetzgeber war bewusst, dass durch die Aufzählung aller Pflichtangaben eines Verbraucherdarlehensvertrags die Widerrufsinformation sehr lang wurde und damit die Gefahr besteht, dass sie – auch für den aufmerksamen und verständigen Verbraucher, auf den nach der ständigen Rechtsprechung des BGH42 abzustellen ist – unübersichtlich und schwer lesbar werden könnte. Daher hat der Gesetzgeber mit Zwischenüberschriften und Hervorhebung wichtiger Textpassagen durch Fettdruck gearbeitet, um die Verständlichkeit für den Verbraucher zu erhöhen.43 Im Abschnitt 1 der Widerrufsinformation verweist der Text hinsichtlich der Pflichtangaben im Darlehensvertrag auf den nachfolgenden, neu eingeführten Abschnitt 2; der Kaskadenverweis auf § 492 Abs. 2 BGB und die in Klammern gesetzten, beispielhaft aufgeführten Pflichtangaben fehlen konsequenterweise. Die ersten 16 aufgelisteten und durchnummerierten Pflichtangaben zählen zu den vertraglichen Informationen, die immer in der Widerrufsinformation zu nennen sind, weil sie stets in einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag enthalten sein müssen. Der Text beschränkt sich nicht nur auf die reine Auflistung der Vertragsinhalte, sondern fügt teilweise zusätzlich Ergänzungen hinzu, die sich aus dem Gesetz ergeben. Beispielhaft soll hier die Angabe zu den Sollzinsen genannt werden (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB in Verbindung mit Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB). Zur Angabe der Sollzinsen finden sich in Art. 247 § 3 Abs. 4 Satz 1 bis 3 EGBGB weitere Erläuterungen, die in den vorvertraglichen Informationen und im Darlehensvertrag enthalten sein müssen. Diese erläuternden Hinweise wurden in der Widerrufsinformation beim Sollzinssatz ergänzt. Ebenso finden sich derartige Zusätze bei der Angabe zum effektiven Jahreszins (Nr. 4) und dem Gesamtbetrag (Nr. 5) sowie bei der Angabe zu den Teilzahlungen (Nr. 8), wodurch die gesetzlichen Anforderungen an den Vertragsinhalt für den Verbraucher vollständig wiedergegeben werden. Der Gesetzgeber folgt damit dem vom EuGH aufgestellten Grundsatz, dass der Unternehmer den Verbraucher ggf. über den Inhalt bindender Rechtsvorschriften zu belehren hat, wenn eine Verbraucherschutzrichtlinie die Pflicht vorsieht, den Verbraucher über den Inhalt der ihm unterbreiteten Vertragserklärung zu informieren und bestimmte Aspekte davon in diesen Rechtsvorschriften geregelt sind.44 Auch die Anforderungen an eine Vertragsklausel, die über das Bestehen und Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie dessen Ausgestaltung und Ausübung nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB informieren, werden unter Nr. 12 ausgeführt. Wie diese Pflichtangabe zu erfüllen ist, findet unter Nr. 12 jedoch keine Erwähnung, insbesondere wird nicht auf die Möglichkeit verwiesen, dass der Darlehensgeber zur Erfüllung dieser Pflichtangabe die Muster-Widerrufsinformation der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB verwenden kann.
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Zusätzlich zu den Pflichtangaben unter Nr. 1 bis 16 sind die Eventualangaben unter Nr. 17 bis 25 zu berücksichtigen, die nur dann aufzunehmen sind, wenn sie auf den spezifischen Vertrag Anwendung finden. Fällt eine Eventualangabe wegen fehlender Relevanz heraus, ist die Nummerierung neu vorzunehmen. Die Subsumtionspflicht trifft dabei den Darlehensgeber, er muss abschließend entscheiden, ob die Eventualangaben zutreffen oder nicht.45 Diese vom Gesetzgeber geforderte Subsumtionsleistung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Auch für die Muster-Widerrufsinformation in Anlage 7 alter Fassung gilt, dass der Darlehensgeber sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Muster-Widerrufsinformation berufen kann, wenn er in die Widerrufsinformation eine Angabe aufgenommen hat, die auf den konkreten Darlehensvertrag nicht zutrifft.46
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Trifft eine Eventualangabe nur teilweise zu, ist sie dennoch vollständig aufzunehmen. Bei einem Weglassen dieser Eventualangabe oder einer nur teilweisen Aufnahme verliert der Darlehensgeber das Privileg der Gesetzlichkeitsfiktion (vgl. Gestaltungshinweis 3).
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Obwohl der Gesetzgeber keine materiell-rechtlichen Veränderungen durch die Überarbeitung der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB herbeiführen wollte, lassen hieran die weiteren Ausführungen zu Nr. 17 (Anspruch auf Aushändigung eines Tilgungsplans) durchaus Zweifel aufkommen. Mit der Aufnahme der inhaltlichen Anforderungen an einen Tilgungsplan in Nr. 17, wie sie sich aus Art. 247 § 14 EGBGB ergeben, folgt, dass im Darlehensvertrag nunmehr nicht nur ein Hinweis auf den kostenfreien Anspruch auf Aushändigung eines Tilgungsplans ausreichend ist (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB). Vielmehr sollte der Darlehensvertrag neben diesem Hinweis die inhaltliche Ausgestaltung des Tilgungsplans, wie er sich aus Art. 247 § 14 EGBGB ergibt, enthalten.
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Fragen wirft die Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts selbst auf. So wird unter der Pflichtangabe Nr. 12 aufgelistet, dass in dem Darlehensvertrag eine Vertragsklausel enthalten sein muss, die über das Bestehen des Widerrufrechts, die Frist, die Ausübung und die Angabe der Zinszahlungspflicht pro Tag informiert (Art. 247 § 6 Abs. 1 und 2 EGBGB). Nicht aufgenommen wurde jedoch die Regelung in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB, wonach der Darlehensgeber die Möglichkeit hat, mit dem Abdruck einer Widerrufsinformation, die der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 EGBGB entspricht, dieser Pflichtangabe nachzukommen. Mit der Regelung unter Nr. 12 in Abschnitt 2 der Widerrufsinformation verknüpft der Gesetzgeber sicher nicht die Vorstellung, dass der Darlehensgeber die Widerrufsinformation zwei Mal vollständig abdruckt. Eher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Vorstellung hatte, dass mit der Aufnahme der Widerrufsinformation in die Vertragsbedingungen die Pflichtangabe nach Nr. 12 als erfüllt anzusehen ist, wie es sich aus Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB ergibt. Um das Risiko einer fehlenden Pflichtangabe möglichst gering zu halten und etwaigen Diskussionen von vornherein zu begegnen, bietet es sich an, eine Vertragsbestimmung aufzunehmen, mit der der wesentliche Inhalt von Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB wiedergegeben wird und diese um den Satz 3 zu ergänzen, dass der Darlehensgeber die Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts durch die nachstehend abgebildete oder in dem Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsinformation erfüllt. Zwar hält der EuGH47 in seinem Urteil zum Kaskadenverweis den Verweis auf gesetzliche Vorschriften nicht für ausreichend, um den Verbraucher vollumfänglich über seine Rechte und Pflichten zu informieren, ein Verweis innerhalb einer Vertragsklausel auf eine andere Vertragsklausel im selben Vertragsdokument dürfte dem aber nicht entgegenstehen.
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Da der Gesetzgeber mit der neuen Muster-Widerrufsinformation keine materielle Änderung beabsichtigt hat, kann der Darlehensgeber bei der vertraglichen Ausgestaltung der Pflichtangaben auf die Rechtsprechung des BGH zurückgreifen. So hat der BGH bereits zu diversen Vertragsklauseln und ihrer rechtlichen Zulässigkeit entschieden.48 In der Entscheidung vom 5.11.2019 hatte der BGH49 ausgeführt, dass es bei der Angabe zu den Verzugszinsen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB) reicht, wenn der Verbraucher die Information erhält, wie sich der Verzugszins zusammensetzt und insoweit der Wortlaut des § 288 Abs. 1 BGB wiedergegeben wird.
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In derselben Entscheidung hat der BGH sich zu den Angaben zum Zugang zu einer außergerichtlichen Beschwerdestelle geäußert und es für vereinbar mit Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB gehalten, wenn dem Verbraucher die zuständige Beschwerdestelle, ihre Adresse und die Form des Zugangs mitgeteilt werden. Den Abdruck der Verfahrensordnung hat der BGH nicht für erforderlich angesehen. Es reiche der Verweis darauf, wo die aktuelle Verfahrensordnung einzusehen oder zu erhalten ist.50 Diese Auffassung ist zutreffend, da der Verbraucher im Zweifel die zum Zeitpunkt der beabsichtigten Beschwerde gültige Verfahrensordnung kennen und wissen muss, wo er sie erhält oder einsehen kann. Eine Verfahrensordnung, die zwar im Darlehensvertrag abgedruckt, aber wegen etwaiger zwischenzeitlicher Änderungen veraltet ist, hilft dem Verbraucher im Zeitpunkt der Beschwerdeführung nicht. Offensichtlich sieht der Generalanwalt Gerard Hogan dieses in seiner Stellungnahme vom 15.7.2021 in den verbundenen Rechtssachen C 33/20, C 155/20 und C 187/20 in den Vorabentscheidungsverfahren des LG Ravensburg anders. Nach seiner Ansicht muss die Vertragsdokumentation umfassend und vollständig sein. Ein Verweis auf andere Medien oder Dokumente, die außerhalb des Vertrags liegen, sei im Interesse des Verbrauchers nicht zulässig und mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Der EuGH wird in dieser Sache am 9.9.2021 entscheiden. Man kann nur hoffen, dass der EuGH dieser – auch nicht im Interesse des Verbrauchers liegenden Auffassung – nicht folgen wird.
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Darüber hinaus hat sich der BGH zu der Beschreibung der Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag geäußert und die dort verwendete Vertragsbedingung für zulässig erachtet.51 Danach reiche es aus, wenn die wesentlichen Parameter, die bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen sind, in der Klausel genannt werden. Alle weiteren Ausführungen würden den Verbraucher überfordern und die Klausel nicht verständlicher machen.
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Soweit der Darlehensgeber „das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags“ angeben muss, reicht der Hinweis auf das Kündigungsrecht nach § 500 Abs. 1 BGB.52 Weitere ordentliche oder außerordentliche Kündigungsrechte, die sich aus dem Gesetz ergeben, sind unter dieser Pflichtangabe nicht anzugeben. In der Widerrufsinformation wird diese Pflichtangabe unter Nr. 15 aufgelistet.
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Zwischenfazit: Die Neugestaltung der Widerrufsinformation in Anlage 7 war nach der Rechtsprechung des EuGH zu erwarten und ist insoweit in ihrer Ausgestaltung grundsätzlich nicht überraschend. Der Entschluss des Gesetzgebers, der Kreditwirtschaft eine angepasste Widerrufsinformation zur Verfügung zu stellen, ist zu begrüßen und trägt hoffentlich langfristig zur Rechtssicherheit bei.
42 BGH v. 11.2.2020 – XI ZR 648/18, BeckRS 2020, 2755; BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, 2353 m.w.N. 43 BT-Drs. 19/26928, 24. 44 EuGH v. 26.3.2020 – Rs. C 66/19, WM 2020, 688, Rn. 46. 45 BT-Drs. 19/26928, 23. 46 BGH v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, WM 2020, 2321, Rn. 18. 47 EuGH v. 26.3.2020 – Rs. C 66/19, WM 2020, S. 688, 690, Rn. 47. 48 BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, S. 2353; BGH v. 5.11.2019 – XI Z 11/19, BeckRS 2019, 33010. 49 BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, S. 2353. 50 BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, S. 2353. 51 BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, S. 2353. 52 BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, S. 2353.