Kitabı oku: «IN 80 JAHREN UM DIE WELT», sayfa 4
Anmerkungen
1 Am 7., 8. und 9. Januar 1976 erschien mein erster Artikel auf der Kulturseite der WELT über »Science Fiction in Deutschland« als Dreiteiler.
2 »Lieber Herr Dr. Weigand, ich finde es wird Zeit, daß wir auch einmal direkten Kontakt miteinander aufnehmen …«
3 »Lieber Herr Le Blanc … Einverstanden: wenn Sie nach Bonn kommen, sollten wir uns mal zusammensetzen …«
4 Ich habe jahrzehntelang Tagebuch geschrieben. Das zahlt sich jetzt für die Belegführung dieses Artikels aus.
5 Im Science-Fiction-Magazin »2001«, Ausgabe 9/10, 1978.
6 … und sie in meine erste Sternenanthologie aufnahm: »Antares«. München: Goldmann, 1980.
7 Auch wenn ich in diesem Beitrag viel Persönliches verrate, gibt es für diesen Abend einen für mein Leben wichtigen Hintergrund, den ich nicht öffentlich machen darf und will … und auch Jörg erst bei unserem nächsten Treffen beichten werde. Männerthema.
8 Ich korrigiere für das Freiburger Finanzamt: Wenn er zu schriftstellerischen Recherchen eine Dienstreise an die Nordsee unternimmt.
9 Thomas Le Blanc und Falko Löffler (Hrsg.): »Ihr Haar zersprang wie blaues Glas«. Wetzlar: Phantastische Bibliothek, 2011.
Jörg Weigand und Thomas Le Blanc in Wetzlar
Herbert W. Franke & Susanne Päch: Astropoetische Grüße
Hört man den Namen Jörg Weigand, dann kommt einem sofort eine Fülle von Texten in den Sinn. Sehr gern habe ich deshalb immer auch Geschichten für seine Anthologien beigesteuert, zuletzt im Band Zweitausendvierundachtzig. Susanne und ich schätzen Weigand aber auch als literarisch versierten SF-Experten, der seine Meinung über das Genre in zahlreichen Berichten und Artikeln veröffentlichte.
Persönlich kenne ich Jörg Weigand seit vielen Jahrzehnten, auch wenn ich unsere erste Begegnung nicht mehr genau erinnern kann. Es muss sehr früh in den sechziger Jahren gewesen sein. Im Lauf unseres Lebens sind wir uns nur wenige Male persönlich begegnet, doch als Mitglied der SF-Community behielt ich Weigand und sein einschlägiges Schaffen natürlich stets im Blick.
Dass Weigand jedoch auch ein anderes Leben als Musiker hat, erschloss sich mir erst vor wenigen Jahren, als er mir zu meinem 90. Geburtstag die musikalische Vertonung meines Gedichtezyklus Astropoeticon überreichen ließ. Das kommt mir jetzt zugute! – denn andernfalls hätte ich die vielen von ihm geschriebenen Texte erwähnen und kommentieren müssen … und nun kann ich eine seiner Aktivitäten beschreiben, mit der keiner unserer Kollegen aufwarten kann. Beim Astropoeticon handelt es sich übrigens ursprünglich um einen Bildband mit Motiven des inzwischen in die Vereinigten Staaten ausgewanderten Schwabinger Weltraummalers Andreas Notteboom. Ich musste mich über Jörgs musikalische Aktivitäten erst informieren: Und ich erfuhr zu meinem Erstaunen, dass er neben seinen literarischen Fähigkeiten auch Musik anzubieten hat. Es war für mich nicht nur das überraschendste Geburtstagsgeschenk, sondern auch eines der schönsten.
Es bleibt mir zunächst nur noch die Möglichkeit, darauf zu warten, ob sich anlässlich von Jörgs Geburtstag vielleicht noch weitere Talente offenbaren!
Doch wie auch immer: Susanne und ich wünschen dir, lieber Jörg, alles Gute zu deinem Festtag. Und sollte es zu diesem Anlass zu weiteren Offenbarungen ähnlicher Art kommen, dann wäre das für uns eine weitere Freude.
Alle guten Wünsche aus den feuchtgrünen Isarauen von
Herbert und Susanne
Andreas Nottebohm,
»Wo 24 Stunden kein Tag sind, 81 h, 11“«
Aus: »Astropoeticon«, 1974,
mit freundlicher Genehmigung.
Herbert W. Franke: Wo 24 Stunden kein Tag sind, 81 h, 11"
Nukleare Prozesse
Schwärme elementarer Teilchen
Vereinigung und Trennung
Plasmaströme, oszillierend,
Materie, überschwer:
1000 Sonnen zu einer vereint
Das Licht am Entweichen gehindert
Gravitationskollaps –
Katastrophe im Hyperraum
Schwarze Löcher, in die Leere gerissen
das Ende
oder doch ein Beginn?
der Weg zur anderen Seite
Brücken zu fremden Räumen
Und drüben?
Spiegelbild der eigenen Welt
oder etwas Neues, Unbekanntes?
das blaue Universum
das Altern eines Sterns
Monika Niehaus: Die grüne Fee
»Sie sprechen wirklich gut Französisch, Monsieur. Und Sie kennen und lieben Paris seit Ihrer Jugend, sagen Sie? Dann geben Sie acht auf ihn, Madame, dass er nicht seine Seele an diese Stadt verliert … Sie beide sind Schriftsteller? Dann werden Sie mich verstehen und auf ein Glas Absinth einladen, während ich Ihnen meine Geschichte erzähle.«
Wir saßen auf der Terrasse eines Cafés am Montmartre und waren mit dem Künstler, der gerade einen Scherenschnitt von meiner Freundin und mir angefertigt hatte, ins Gespräch gekommen.
Da wir nichts Besonderes vorhatten und solche Zufallsbegegnungen oft die interessantesten sind, nickte ich und gab dem Kellner einen Wink.
Unser Gegenüber hob dankend sein Glas – »À votre santé, Madame, Monsieur!« –, zündete sich eine neue Zigarette an und nahm einen tiefen Zug.
»Ich stamme aus einem kleinen Dorf im Elsass und stand kurz vor Abschluss meines Kunststudiums an der École des Beaux-Arts, als ich Môme Bijou zum ersten Mal begegnete…
Die kleine Bar de la Lune in der Rue Lepic, direkt am Fuß des Montmartre, war nur spärlich beleuchtet. Die meisten Tische waren um diese Zeit bereits leer, doch auf der Bank in der Ecke hockte eine beleibte Frau, die meinen Blick auf sich zog. Ihr Alter war schwer zu schätzen, denn ihr Gesicht verschwand unter einer Schicht kalkweißer Schminke, die an die Maske eines Clowns erinnerte. Sie trug einen grünen Samthut und ein Seidenkleid, das in allen Farben, von Grün über Violett bis Rosa, changierte. Und sie war über und über mit Schmuck bedeckt. Eine mehrreihige Perlenkette schlang sich um ihren Hals, zahllose Broschen schmückten ihren ausladenden Busen, und ihre Finger waren so dicht mit Ringen bestückt, dass es klirrte, als sie ihre Hand um ihr Glas schloss. Ihr schweres Moschusparfüm mischte sich mit dem Kneipengeruch von Wein und abgestandenem Bier.
»Wer ist das?«, flüsterte ich dem Wirt zu.
Der warf einen kurzen Blick in die Ecke, während er frisch gespülte Gläser auf der Theke aufreihte. »Môme Bijou nennen wir sie wegen der vielen Klunker, die sie trägt. Behauptet, aus einem russischen Grafengeschlecht zu stammen, aber das sagen sie alle. Ist hier auf dem Montmartre so etwas wie eine Institution.«
Da ich in jenen Sommermonaten auf der Place du Tertre im Akkord Touristenporträts anfertigte, gewöhnte ich mir an, abends regelmäßig in der kleinen Bar einzukehren. Jedes Mal saß Môme Bijou an ihrem Stammplatz, und jedes Mal grüßte ich sie, was sie mit einem würdevollen Nicken quittierte. Dieses besondere Exemplar der nächtlichen Faune montmartroise faszinierte mich, doch jeden Versuch, mit ihr ins Gespräch zu kommen, wies sie kühl zurück.
Bis zu jenem Abend. Gerade hatte ich der Rosenverkäuferin, die ihre nächtliche Runde durch die Bars und Bistros des Viertels machte, aus einer Laune heraus eine Rose abgekauft, als eine Gruppe bereits recht angeheiterter junger Mädchen mit ihren Galanen in unsere Bar einfiel. Kaum hatte der Wirt die Getränke serviert, als eines der Mädchen Môme Bijou entdeckte. Ihre Freundinnen drehten sich um und begannen zu kichern und laut zu tuscheln, und schließlich grölte die ganze Gruppe, und die Männer schlugen sich auf die Schenkel.
Ich warf Môme Bijou einen raschen Blick zu. Ihr Gesicht war völlig unbewegt. Es war unmöglich zu sagen, ob sie das unwürdige Spektakel wahrnahm oder was sie dachte.
Ehe ich recht wusste, was ich tat, stand ich auf und streckte ihr die Rose hin. »Für Sie, Madame!«
Sie machte keine Anstalten, die Rose entgegenzunehmen. »Warum, Monsieur?« Ihre Stimme klang rau, als sei ihre Zunge aus der Übung. »Haben Sie etwa Mitleid mit mir, weil diese bécasses da keine Manieren haben?« Sie machte eine abschätzig obszöne Handbewegung in Richtung der kichernden Mädchen. »Das können Sie sich sparen!«
»Nein, Madame.«
Während sie nach der Rose griff, suchte ich nach Worten. »Sondern weil ich glaube, dass es eine Zeit gab, wo Ihnen viele Männer Rosen geschenkt haben.«
Ihr Lachen kam stoßweise und grub tiefe Schluchten in ihre Schminke. »Sie haben recht, aber das war in einem anderen Leben.« Sie drehte die Rose einen Augenblick in ihren Händen und schien dann einen Entschluss zu fassen. »Kommen Sie, junger Mann. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Mühsam erhob sie sich. »Ich wohne in der Rue des Abbesses, gleich hier um die Ecke.« Wir traten auf die Straße.
»Fünfter Stock. Kein Aufzug.«
Ihre Geschmeide klirrten bei jeder Stufe, die sie nahm. Oben angekommen, blieb sie schwer atmend stehen. Ihr Atem ging pfeifend. Sie schloss die Tür auf und winkte mir, ihr zu folgen.
Drinnen roch es nach Moschus und Staub. Der hohe, kaum möblierte Raum wurde vom Widerschein der Stadt in unstetes Licht getaucht. Ich trat an das hohe Fenster, das auf einen schmalen, kaum stuhlbreiten Balkon führte, wie man ihn in vielen Stadthäusern aus der Zeit von Haussmann findet. Das nächtliche Paris lag mir zu Füßen, strahlend, funkelnd, ständig in Bewegung. Die Stadt der Lichter …
Ich drehte mich um. »Was für eine fantastische Aussicht!«
Sie ließ sich schwer auf einen Stuhl neben einem kleinen Tisch am Fenster fallen. »Genießen Sie sie! Ich bin so gut wie blind.« Ihr Gesicht war ein bleiches Oval in der Dunkelheit. »Aber das ist es nicht, was ich Ihnen zeigen wollte. Zünden Sie die Petroleumlampe an. Der Strom ist abgeschaltet.«
Die Lampe in der Hand trat ich näher. Die fast mannshohe Leinwand, auf die sie wies, war ungerahmt. Ein Ölbild, die Farbe aber so leicht und spielerisch aufgetragen, als sei es ein Aquarell. Die Strichführung war kühn, bisweilen fast grob, die ganze Komposition von täuschender Einfachheit. Sie zeigte eine burschikose junge Frau im Halbprofil, den Kopf ein wenig zurückgeworfen. Ihre dunklen Augen bildeten einen Kontrast zu ihrem fuchsroten, kurz geschnittenen Haar, das ihren Kopf wie ein Helm umschloss, und um ihren Mund spielte ein mokantes Lächeln. Sie trug einen smaragdgrünen Frack, der sich im Grün des Absinthglases widerspiegelte, mit dem sie dem Betrachter zuzuprosten schien.
Selbst im schalen Licht der Petroleumlampe schien das Bild geradezu unheimlich lebendig.
Ich beugte mich nieder. ›1914‹. Es war nicht signiert, aber über den Künstler bestand kein Zweifel.
Ich wandte mich um. »Sie, Madame?«
»Hab’ mich ziemlich verändert, nicht wahr?« Über ihr Gesicht huschte ein halb spöttisches, halb trauriges Lächeln. Ihre Augen waren das Einzige, dem die Verwüstung der Zeit nichts hatte anhaben können. »Sie werden es kaum glauben, Monsieur, aber damals bin ich in den Folies Bergère aufgetreten, habe ganz nett gesungen, hatte Scharen von Verehrern und habe vielen Künstlern Modell gestanden.«
Die Erinnerung ließ ihr Gesicht leuchten, und für einen Augenblick meinte ich in der alten, grotesk aufgetakelten Frau das Mädchen zu sehen, das der Maler damals porträtiert hatte.
»Er hat kaum eine Woche daran gearbeitet. Wir waren ein Paar damals, und Pablo war schrecklich eifersüchtig. Nach ein paar turbulenten Tagen und Nächten bekamen wir Streit, und er stürmte wutentbrannt aus der Wohnung. Das Bild hat er nie abgeholt …« Sie strich sich über die Augen. »Meine ›grüne Fee‹ nannte er mich damals. So sollte auch das Bild heißen …«
»Es ist fantastisch!«
»Ich schenke es Ihnen!« Sie machte eine gleichgültige Handbewegung. »Ich kann es sowieso nicht mehr sehen. Und die Menschen, die ich einmal geliebt habe – und ich habe viele geliebt, Monsieur –, sind längst tot. Nehmen Sie es mit!«
Einen Moment lang verschlug es mir die Sprache. »Das ist völlig unmöglich, Madame!«, protestierte ich schließlich. »Ein solches Geschenk kann ich unmöglich annehmen. Aber wenn Sie mir erlauben, würde ich gern wiederkommen, um das Bild zu fotografieren und mit Ihnen darüber zu reden …«
»Wie Sie wollen.« Ihre Stimme klang plötzlich flach und erschöpft. »Genug für heute. Gehen Sie jetzt, junger Mann, ich bin müde. Auf dem Balkon muss noch eine Flasche stehen. Schenken Sie mir ein Glas Wein ein und löschen Sie die Lampe. Ich brauche kein Licht.«
Ihre Silhouette mit dem ausladenden Hut hob sich wie ein Scherenschnitt gegen das Fenster ab, als ich die Tür hinter mir schloss. Während ich die Stufen hinunterstieg, hörte ich, wie eine schartige Schallplatte La Vie en Rose zu spielen begann …«
Unser Gegenüber sog an seiner Zigarette und schwieg. Es war, als höre er die Melodie in Gedanken noch immer. Als die Glut seine Finger erreichte, kam er mit einem unterdrückten »Zut!« in die Gegenwart zurück.
»Und dann passierte es. Direkt vor ihrer Haustür wurde ich von einem Wagen angefahren und lag drei Wochen im Hospital. Als ich schließlich entlassen wurde, führte mich mein erster Weg zu jenem Haus in der Rue des Abbesses. Aber die Wohnung war leer. Im Bistro erfuhr ich, dass Môme Bijou ein paar Tage nach jener Nacht gestorben war. Da sie keine Angehörigen besaß, hatte der Vermieter ihre Wohnung einfach geräumt und ihre wenigen Habseligkeiten auf die Straße gestellt.«
Er beugte sich vor und packte die Hand meiner Freundin. »Verstehen Sie, Madame? Vielleicht ist es mit all ihren anderen Sachen auf den Müll gewandert, vielleicht ist es aber auch von einem Passanten mitgenommen oder von einem Trödler aufgekauft worden. Solange noch die geringste Chance besteht, das Bild zu finden, darf ich nicht aufgeben!«
Sie entzog ihm vorsichtig ihre Hand. »Wie lange ….?«
»Ich war noch ein junger Mann damals, und heute sind meine Haare grau, aber die Zeit spielt in der Stadt der Lichter keine Rolle.« Er erhob sich. »Danke für den Aperitif. Vielleicht bringt mir die grüne Fee ja heute Glück … Madame, Monsieur!« Eine kleine, altmodische Verbeugung, und er verschwand in der Menge.
Wir haben unseren Gast nie wiedergesehen und auch nicht von einem berühmten wiedergefundenen Gemälde gehört. Aber sein Scherenschnitt schmückte unsere Hochzeitskarte, intimer und persönlicher als jedes Foto.
Ein riesengroßes Dankeschön! von Karla Weigand
Vierter März 2020: ein guter Tag, ein ausgezeichneter Tag! Mein dreizehnter »dicker« Roman ist angenommen und soll noch in diesem Jahr erscheinen. Falls Corona dies zulässt …
Mein Erster war im Jahr 2006 gedruckt worden. Nach etlichen Veröffentlichungen von Artikeln, Geschichten und anderen kleineren Beiträgen in Zeitungen, Zeitschriften und Heften hatte ich mich im keineswegs mehr jugendlichen Alter von 62 Jahren über die Herausgabe meines ersten historischen Romans, »Die Kammerzofe«, freuen dürfen. Doch davon später mehr.
Zu den nachfolgenden Romanen haben sich mittlerweile noch drei Bändchen mit fantastischen Geschichten, eine ganze Reihe von Heftromanen, sowie etliche Sachbeiträge in Fachzeitschriften und in verschiedenen Anthologien gesellt.
Und wem habe ich das zu verdanken? Keinem anderen als meinem geliebten Jörg, der mir, seit ich ihn kenne, mit seinem Fleiß, seiner Akribie und seinem Wissen immer ein Vorbild gewesen ist. Er hat mich ermuntert und immer wieder angespornt, meiner geheimen Leidenschaft fürs Schreiben nachzugeben – und mich nicht von der einen riesengroßen Enttäuschung, die mir gegen Ende des 20. Jahrhunderts zuteil geworden ist und die mir für lange Zeit das Schreiben regelrecht vermiest hatte, auf Dauer behindern zu lassen.
»Ich weiß, dass du schreiben kannst und dass dir viel daran liegt – also dann tu es auch in Gottesnamen und vergiss endlich den Quatsch!«
Nun, zum Glück habe ich auf ihn gehört. Bereits in der Grundschule war Deutsch mein Lieblingsfach gewesen; auch später im Gymnasium (zusammen mit Biologie und Geschichte), was mir bis zum Abitur eine Eins im Fach Deutsch eingetragen hatte. (Dafür war ich in Mathe eine ziemliche Niete.)
Auch nach dem erwähnten, ebenso einschneidenden wie auch enttäuschenden Erlebnis, hatte mein Mut immerhin noch für etliche Liebesgeschichten in Frauenmagazinen sowie Rundfunk- und Fernsehzeitschriften gereicht. Aber an ein dickes Buch hätte ich mich niemals herangewagt.
Aber Jörg ließ mir keine Ruhe und schnitt das Thema immer wieder an. Trotzdem war ich lange zögerlich. So dauerte es auch eine ganze Weile, ehe ich mich ermannte (oder heißt es neuerdings »erfraute«?) und damit begann, ernsthaft zu recherchieren und jede Menge Material zu sammeln für »Die Kammerzofe«, die in der Zeit der Französischen Revolution angesiedelt sein sollte.
Was hatte mich denn nun seinerzeit so sehr entmutigt? Da muss ich ein wenig weiter ausholen.
In der Ausgabe vom 25./26. Mai 1995 hatte die Stadt München einen Geschichtenwettbewerb ausgeschrieben. Thema: Spurensuche in der eigenen Vergangenheit aus dem Nachkriegsmünchen. Gefragt war der »wichtige Bereich der individuellen Alltagserfahrung der persönlichen Lebenswirklichkeit«, da diese »noch unzureichend erforscht und nur ansatzweise dokumentiert worden wäre«.
Beteiligen sollten sich alle Münchner, die ihre Erinnerungen an das Kriegsende und die nachfolgenden Jahre mitteilen mochten. Die Beiträge waren zu richten ans »Kulturreferat der Stadt München«, Kennwort »Geschichtswettbewerb 1995/96«.
Das war doch das Thema für mich! An die Nachkriegsjahre bis 1950 in der Münchner Innenstadt erinnerte ich mich noch sehr gut. Danach war meine Familie von der Baaderstraße an den Stadtrand, nach Ramersdorf, verzogen.
Lange vor Abgabeschluss konnte ich meinen Text abliefern. Die Zeit verging und ich hörte – nichts! Worüber ich ziemlich sauer war. Ich fand, man hätte mir anstandshalber wenigstens absagen können, nebst einer kurzen Begründung. Das wäre das Mindeste – glaubte ich.
Nach Monaten kam ein Päckchen von der Stadt München. Es handelte sich um einen ansehnlichen Band mit den gesammelten Geschichten von Leuten, die die Nachkriegszeit in München erlebt hatten. Mein Beitrag war nicht dabei!
Meine Nachfrage beim Kulturreferat der Stadt ergab höchst Interessantes. »Unter dem Siegel der Verschwiegenheit« erfuhr ich von einem Mitarbeiter Folgendes: Mein Beitrag wäre »zwar sehr gut geschrieben, sogar humorvoll«, hätte jedoch »nicht in diesen Rahmen gepasst!«
Der Grund: Es hätte ein »Jubelband zum 50jährigen Jubiläum der Befreiung durch die Amerikaner« werden sollen – wovon allerdings in der Ausschreibung überhaupt keine Rede gewesen war. Da hätte eben einiges von mir Angeführte nicht hineingepasst … Leider! Zum Dank für meine Teilnahme und quasi als Trostpflaster habe man mir trotzdem den Band geschickt. Bla, bla, bla …
Was in aller Welt hatte ich bei der Schilderung meiner frühkindlichen Erinnerungen nur verbrochen?
Ich hatte mir erlaubt, davon zu berichten, wie mir (damals vier Jahre alt!) ein grinsender Amisoldat mit seiner brennenden Zigarette einen mir von meinen Eltern auf dem ersten Nachkriegsoktoberfest gekauften, wunderschönen, roten Luftballon absichtlich hatte platzen lassen! Dass meine Mutter und mein Vater diese »Untat« schweigend übergingen, obwohl ich bitterlich weinte, war mir ebenfalls keineswegs entgangen … Allem Anschein nach »durften« diese Männer das, ohne dass dagegen protestiert wurde.
Das Zweite, was offenbar den Unwillen des obersten Münchner Kulturreferenten erregt hatte, war meine Beobachtung merkwürdiger großer Schriftzeichen auf Häuserwänden, Brückengeländern und Schutzzäunen vor Ruinen gewesen.
Lesen konnte ich noch nicht, so musste mir mein Vater ihre Bedeutung verraten.
Er sagte, es hieße: »AMI GO HOME!« Das sei Englisch und sollte den Amerikanern sagen, sie sollten wieder nach Hause gehen. Eine Aufforderung, der ich als vierjähriges Mädchen umgehend beigepflichtet habe.
In meinen persönlichen Erinnerungen hätte ich das aber nicht schreiben sollen! Das passte anscheinend auch nach einem halben Jahrhundert fürs Münchner Kulturreferat so gar nicht ins Bild der Kaugummis und Bonbons schmeißenden Befreier …
Diese bodenlose Scheinheiligkeit, die nebenbei gesagt völlig unnötige Anbiederei, verstörte mich damals regelrecht. So etwas von einer Behörde meiner geliebten Heimatstadt München, deren »Soziregierung« sich immer so viel darauf zugutehielt, »weltoffen« und »absolut ehrlich« zu sein, sowie stets »Bürgernähe zu pflegen«, das widerte mich schon gewaltig an.
Leider habe ich damals meinen Jörg noch nicht gekannt! Der hätte mir sicher einiges dazu sagen können.
So jedoch waren künftig längere Texte für mich tabu! Wenn solch lächerliche Kleingeisterei, »vorauseilender Gehorsam« (in diesem Fall sogar »absurd hinterher hechelnder«) sowie Vertuschung unliebsamer, aber längst erledigter Vorfälle in den Verlagen gang und gäbe sein sollten, dann war’s das für mich. Bloß für den Papierkorb zu schreiben – dazu war mir meine Zeit zu schade.
Erst nach Jahren gelang es meinem Mann, mich davon zu überzeugen, dass diese Art von Ungeist keineswegs allen Agenturen und Verlagen zu eigen sei. Er überredete mich dazu, endlich anzufangen, mich an größere Buchprojekte zu wagen.
»Such dir ein Thema und eine Zeit aus, die dich besonders interessieren, und recherchiere dazu so viel wie möglich, damit das Ganze authentisch, »stimmig« und vor allem spannend zu lesen sein wird!«
Eine Weile wollte ich mich noch davor drücken mit dem Argument, ein Niemand zu sein und ohne »Vitamin B« doch eh keine Chance zu haben, jemals veröffentlicht zu werden. »Mich kennt doch keiner! Wer sollte da etwas von mir lesen wollen?«
Aber Jörg in seiner Hartnäckigkeit ließ nicht locker. Das können auch unsere schreibenden Freunde Monika Niehaus und Jan Osterloh bezeugen …
Jörg schwor mir hoch und heilig, sich nach Fertigstellung meines ersten Romans nach einer guten Literaturagentur umzuschauen. Ich solle bloß Vertrauen haben und endlich loslegen.
Da gab es nun kein Halten mehr. Und was soll ich sagen? Die Münchener Agentur Lianne Kolff und vor allem Frau Castell haben mich über Jahre großartig betreut und vertreten.
Danke, danke, lieber Jörg! Ohne dich und deine Beharrlichkeit gäbe es kein einziges meiner bisherigen (und hoffentlich noch weiteren) Bücher! Wie viel Lebensfreude und Befriedigung, die mir das Schreiben beschert, wären mir ohne dich entgangen!
Ein herzliches Dankeschön auch dafür, dass du mir immer bei den Internetrecherchen hilfst, hilfreich zur Seite stehst, sobald es sich um Frankreich und die französische Sprache handelt (die ich leider, mangels Übung, nur noch schlecht beherrsche) und seit einigen Jahren auch mein sehr erfolgreicher Agent bei diversen Verlagen bist!
Mein Liebster, zu deinem runden Ehrentag wünsche ich dir von ganzem Herzen alles erdenklich Gute und noch viele gemeinsame, gesunde und vor allem für uns beide erfreuliche und produktive Jahre!
Für immer
deine Karla
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.