Kitabı oku: «Kontakt als erste Wirklichkeit», sayfa 9

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VII. Übertragung

In der Psychoanalyse findet sich ein nachlassendes Interesse an der kontinuierlichen genetischen Rekonstruktion bzw. der Aufarbeitung der realen Biografie. Die einseitige Konzentration auf das »Dort und Damals«, das die beiden Perls noch erlebten, verschiebt sich hin zur Deutung erlebter Interaktionsmuster im Hier und Jetzt, zur »Beziehungsdiagnostik« (Mertens 1993, 17). Die Konzentration auf die »Aktualgenese« und die »Hier-und-jetzt-Deutung« von Übertragung und Gegenübertragung in der analytischen Beziehung beinhaltet allerdings die Gefahr, dass »gestresste« Analysanden (a. a. O., 25) produziert werden, die alles und jedes auf ihren Analytiker beziehen müssen.

In einer Gestalttherapie wird in der Regel mit dem Ziel der Bewusstmachung und Auflösung an der Übertragung gearbeitet, wenn der Klient sie innerhalb seiner Sozialbeziehungen oder im Kontakt mit dem Therapeuten produziert (vgl. I. From 1978, 8). Wenig innerhalb der Übertragung,25 wie in einer hochfrequenten Psychoanalyse, in der sich die inneren Fantasien und alten Beziehungsmuster des Klienten konzentriert auf den Analytiker entfalten sollen, der sich dafür als Übertragungsfigur anbietet. Da Gestalttherapie in der Regel mit einer Sitzungsfrequenz von einem Termin in der Woche arbeitet, finden entsprechend außerhalb der Therapiesituation auftauchende Übertragungsphänomene und Projektionen stärkere Beachtung. Da auch die freudianischen Analytiker immer seltener mit dem »reinen Gold« der hochfrequenten Couchanalyse arbeiten, werden die entsprechenden Phänomene (»Außenübertragungsdeutungen« etc.) in den letzten Jahren auch dort zunehmend diskutiert.

Moderne analytische Ansätze, wie etwa die intersubjektive Schule, haben Neuformulierungen des Übertragungskonzeptes vorgelegt, die gut zur Gestalttherapie passen (vgl. Klöckner 1994, 60 f.). Sie sprechen letztlich von der Erforschung der Gestaltbildungsprozesse26 (vgl. Arenz 1999), wenn sie Übertragung als universelle Bestrebung dafür definieren, Erfahrungen zu organisieren und Bedeutung herzustellen. Übertragung bezieht sich für diese Kollegen auf die aktive Assimilierung der therapeutischen Beziehung in die subjektiven Wahrnehmungsstrukturen (den Hintergrund) des Klienten (vgl. z. B. Stolorow et al. 1996, 57 f.).

Zurück zu den Revisionsbemühungen von F. Perls. Aufgrund seiner Erfahrungen mit der orthodoxen Analyse versucht er 1942 das Phänomen Übertragung zu differenzieren:

Das Konzept der Übertragung hat scheinbar eine ungeheure Vereinfachung der psychoanalytischen Behandlung bewirkt. Die Psychoanalyse erwartet, dass sich durch die Befolgung der Vorschrift alles, was in der analytischen Situation geschieht, als Übertragung deuten, das ursprüngliche Verhaltensmuster auffinden und die Neurose auflösen lässt. Eine Reihe von Verhaltensweisen wird tatsächlich von Kindheit an wiederholt, aber die Psychoanalyse sieht in ihnen viel zu sehr sinnlose, mechanische Wiederholungen und nicht unerledigte Probleme, die nach Vollendung verlangen, sowohl in der analytischen Situation als auch sonst. Außerdem gibt es genug Probleme des Alltagslebens, mit denen man fertig werden muss, die nicht unbedingt auf Kindheitstraumata zurückgehen, sondern auf die Konstitution oder auf soziale Bedingungen. Den Projektionsprozess, der an sich keine Übertragung ist, sondern ein »Deck-Phänomen«, sollte man besonders beachten. (1942/1991, 256 f.)

Übertragung ist für Perls und Goodman eine »spontane Handlungsganzeinheit« (Perls et al. 1951/1991, 238) und nicht lediglich ein Relikt der Kindheit, zudem bringen sie sie mit einer aktuellen Mangelerfahrung des Klienten in Verbindung:

In Ermangelung eines Objekts wird ein Objekt erzeugt, im wesentlichen aus Erinnerungsfragmenten. (Dies geschieht natürlich auch bei der neurotischen »Wiederholung«, wenn das Bedürfnis von so überwältigendem Einfluss und die Mittel der Annäherung so archaisch und untauglich sind, dass eine normale schöpferische Anpassungsleistung, bei der etwas wirklich Neues assimiliert wird, unmöglich ist.). (a. a. O., 200)

Ähnlich wie beim Ferenczi-Schüler Michael Balint mit seiner Vorstellung vom »Neubeginn« (vgl. Balints »Charakteranalyse und Neubeginn«, 1932/1988) kommt es in der Gestalttherapie auf die neue und andere Beziehungserfahrung an, die dem Mangel antwortet:

Die Bedeutung neuer Bedingungen in der Gegenwart ist schon Freud vollkommen bekannt, wenn er von der unumgänglichen Übertragung der Kindheitsfixierung auf die Person des Analytikers spricht; aber die therapeutische Bedeutung liegt nicht in der Wiederholung der gleichen alten Geschichte, sondern vielmehr darin, dass sie jetzt anders, als gegenwärtiges Abenteuer durchgearbeitet wird: der Analytiker ist nicht der gleiche Vater oder die gleiche Mutter (Perls et al. 1951/1991, 17).

Fritz Perls gibt ein Beispiel:

Wenn ein junger Mann, der niemals Verständnis für seine Schwierigkeiten gefunden hat, dem Analytiker gegenüber ein Gefühl der Dankbarkeit entwickelt, bezweifle ich, ob es in seiner Vergangenheit einen Menschen gibt, von dem er seine Dankbarkeit auf den Analytiker übertragen könnte. (1942/1991, 97)

Vielleicht erinnert Perls sich hier an seine Zeit in Wien, in der er einmal seiner Kontrollanalytikerin Helene Deutsch ein Geschenk mitbrachte (F. Perls 1969/1981, 58) und dafür postwendend eine Interpretation erhielt, die das persönliche Kontaktangebot wegwischte. An anderer Stelle meint er: »Auch der Patient muss den Psychoanalytiker verstehen. Er muss den Menschen sehen und nicht eine Leinwand, auf die er seine Übertragungen und die verborgenen Teile seines Selbst projiziert.« (F. Perls 1942/1991, 257) Es findet eine dialogische Begegnung statt (kein medizinisches Eindiagnostizieren), wobei der Therapeut nicht einfach als Objekt der Übertragung des Patienten einbezogen ist, »sondern in die Situation hineinwächst und seine Vor-Urteile aufs Spiel setzt« (Perls et al. 1951/1991, 72).

Ich werde im nächsten Kapitel darauf zu sprechen kommen, dass sich meiner Ansicht nach Fritz Perls, ausgehend von der weiter oben zitierten Annahme eines Mangels beim Klienten, in seinen letzten Jahren den entwicklungspsychologischen Positionen der Objektbeziehungstheorie und den Kohut’schen Auffassungen von der Selbstobjektübertragung angenähert hat (vgl. hierzu auch Jacobs, in diesem Buch).

Lore Perls fördert in einer exemplarisch vorgestellten therapeutischen Arbeit aus dem Jahre 1956 (vgl. L. Perls 1989, 66), die wie die veröffentlichten Arbeiten von Fritz Perls das Neue des Gestalt-Ansatzes herausstellen soll, immer wieder den realen Kontakt zwischen sich und der Klientin, um das Abschieben der Verantwortung auf die Familiengeschichte und die Vergangenheit, die einer Veränderung im Weg steht, zu bremsen. Gleichzeitig demonstriert sie aber, wie durch die Konzentration auf die aktuelle therapeutische Situation »verdrängtes Tiefenmaterial« (a. a. O., 63) an die Oberfläche kommt (vgl. a. a. O., 69). Im Sinne des dialektischen Ansatzes der Gestalttherapie arbeitet sie auf Integration hin, versucht auf der Grundlage der aktuellen therapeutischen Situation die Analyse und die Reorganisation des Verhaltens zusammenzubringen.

Moderne Psychoanalyse, Gestaltpsychologie und Säuglingsforschung
I. Fritz Perls und die Objektbeziehungtheorien

Die Arbeitsweise des Therapeuten Perls lässt sich meiner Ansicht nach im Rückblick besser verstehen, wenn sie im Kontext der entwicklungspsychologischen Annahmen Margret Mahlers über Loslösung und Individuation betrachtet wird (vgl. Mahler et al. 1987) und einiger Gedanken, die erst im Rahmen der Objektbeziehungstheorien27 allgemeinere Verbreitung gefunden haben. Die Ähnlichkeiten von Perls’ damaligem therapeutischem Vorgehen mit dem einiger Objektbeziehungstherapeuten wie etwa James Masterson wird recht deutlich in Mastersons Diskussion mit der Selbstpsychologin Marian Tolpin über den richtigen therapeutischen Ansatz bei »frühen Störungen« (vgl. Masterson et al. 1993). Die Diskussion verläuft streckenweise recht schematisch und gerät immer wieder in Entweder-oder-Muster bei der Frage, ob Abhängigkeitswünsche frustriert werden sollen, um Unabhängigkeit und Loslösung zu unterstützen (Masterson), oder ob die Therapeutin vorhandene Defizite ausgleichen soll und Stütze und Hilfe gewährt in Form von Nachbeeltern (Tolpin). Streckenweise klingt das, als ob Fritz und Lore Perls, jeweils eine der beiden gestalttherapeutischen Polaritäten Konfrontation und Support vertretend, miteinander diskutieren würden. Masterson will, ähnlich wie Fritz Perls, das Abwehrverhalten und die »Belohnungs-Projektionen« des Klienten auf den Therapeuten konfrontieren. Die durch den Kontrast von »Übertragungs-Projektion« und realem therapeutischen Bündnis bedingte Frustration fördert seiner Meinung nach die Internalisierung der therapeutischen Interventionen und die Wiederherstellung des Selbst: »Das stellt die Struktur bereit, füllt die erwähnten Löcher in den Ich-Funktionen und befähigt den Patienten, mit der Selbstaktivierung zu beginnen« (a. a. O., 1993, 32). Mastersons Schüler klingen zuweilen wie Perls in seinen Lehrdemonstrationen, wenn sie entsprechend konfrontieren: »Wenn Sie sagen ›Ich kann nicht‹, so ist das nicht korrekt. Sie weigern sich.« (a. a. O., 22) Marian Tolpin hält das in vielen Fällen für eine Überforderung und will da stützen, spiegeln, bestätigen, also »Selbstobjekt-Funktionen« übernehmen, wo das Selbst des Klienten noch fragil ist, noch nicht genügend Kohärenz hat. Der Klient kann so die Fähigkeiten einer anderen Person assimilieren und zum Selbst-Aufbau verwenden (»verinnerlichende Übertragung«). Insgesamt wirkt Masterson in Relation zu Marian Tolpin, die sehr dialogisch arbeitet, erzieherisch und leitend. Er diagnostiziert und differenziert rasch »Krankheiten« und weiß auch immer, »was« zu tun ist, während Tolpin mehr auf die menschliche Begegnung wert legt und sich für das Wie des Erlebens auf Seiten des Klienten interessiert.

1. Der »Mangel an Sein« und der »ergänzende Andere«.

Als Therapeutenpersönlichkeiten repräsentieren die beiden Perls’ Polaritäten innerhalb des Gestalt-Ansatzes. Lore Perls’ Spezialität war die Arbeit mit Stütze und Support und Fritz Perls steht für die Betonung von Autonomie und Verantwortung. Der Gestalttherapeut Fritz Perls hat das im Rahmen von Konzepten und Orientierungen getan, die, wie gesagt, erst jetzt im Rahmen der unterschiedlichen Objektbeziehungstheorien Anerkennung gefunden haben, dort allerdings differenzierter entwickelt worden sind. An Stelle der Triebtheorie hat er zusammen mit seiner Frau eine interaktionelle Kontakttheorie entwickelt, für die der Aufbau des ganzheitlichen Selbst in dialogisch-interpersonalen Beziehungen stattfindet. Seine therapeutische Arbeit konzentriert sich auf die Heilung von Spaltungen sowie auf Unterstützung bei der Herauslösung aus der Symbiose und er schenkt der korrigierenden Erfahrung in der therapeutischen Beziehung große Beachtung. Der verdinglichende Begriff »Objekt«, ein Relikt der alten Triebtheorie, ist von Perls fallengelassen worden. Wenn es um die psychologische Dimension des sich dialektisch aufgliedernden Feldes, psychoanalytisch um »Objektbeziehungen« geht, sprechen die Gestalttherapie und Perls lieber vom Dialog (wie René Spitz)und vom Selbst und dem Anderen (wie Daniel Stern). F. Perls ging im Rahmen der Therapie von einem entwicklungspsychologischen Defizit aus und wie die Selbstpsychologie sah er eine fehlende Kohärenz des Selbst, »Lücken« und »Löcher in der Persönlichkeit« (F. Perls 1969/1986, 10, u. 1969/1981, 150 f.). Im Zusammenhang mit Freuds Übertragungskonzept schreibt er:

Was in der Therapie aktivierend wirkt, ist nicht was gewesen ist; im Gegenteil, es ist genau das, was nicht gewesen ist – ein Defizit oder etwas Versäumtes. … Die unabgeschlossene Situation, die versäumte Entwicklung von der Unterstützung durch die Umwelt zum Selbstsupport ist das Erbe der Vergangenheit, das die Gegenwart belastet. Mit anderen Worten, wir halten daran fest, dass die Übertragung – als Verbindung von aktuellen Gefühlen des Patienten plus seinen phantasierten Hoffnungen plus der erwarteten Unterstützung (die der Patient für sicher hält) aus seinem »Mangel an Sein« hervorwächst und nicht aus dem, was gewesen und vergessen ist. (F. Perls 1979, 75 f.)

Der Therapeut repräsentiert das für den Klienten, was ihm fehlt und er soll dieses Loch füllen und, in der Terminologie Kohuts, »Selbstobjekt-Funktionen« übernehmen:

Am Beginn der Therapie werden nur wenige Patienten vom Therapeuten Unterstützung erbitten. Sie sind am Zerspringen und warten nur auf eine Gelegenheit. Aber ihr Mangel an Sein erscheint immer deutlicher, je weiter die Therapie fortschreitet und der Patient seine Forderungen und Manipulationen steigert. Der Therapeut erhält immer mehr Besetzung – positive und negative –, weil er immer stärker das symbolisiert, was dem Patienten fehlt. (a. a. O., 76)

Perls sucht in solchen Situationen nicht nach der Übertragungsfigur in der Vergangenheit, sondern bleibt in der aktuellen therapeutischen Beziehung: »Da ist z. B. ein Patient, dessen Übertragung der orthodoxe Therapeut als sehr stark bezeichnen würde und die ich als Gefühl des Patienten definieren möchte, dass der Therapeut seinen totalen Mangel an Sein repräsentiert« (a. a. O.). Was macht Perls nun mit dieser Erkenntnis, dass der Therapeut das vollständige Selbst für den Klienten symbolisiert?

Der erste Schritt in der Therapie ist also, herauszubekommen, was der Patient braucht. (…) Häufig merkt der Therapeut, dass der Patient sich schämt, bestimmte Bitten zu äußern; ebenso findet er heraus, dass der Patient überzeugt ist, die einzig wirksame Hilfe für ihn sei eine, die erraten und gegeben würde, ohne erbeten zu sein. Oft weiß er nicht, wie er bitten soll, oder er weiß vor Verwirrung nicht, was er möchte. Aber wenn er erst einmal seine Forderungen, Befehle und Bitten direkt ausdrücken kann und wirklich das meint, was er sagt, hat er den wichtigen Schritt in der Therapie getan. Anstatt sich unter seinen neurotischen Manipulationstechniken zu verbergen, zeigt und bekennt er sich zu seinen Bedürfnissen. Das Selbst und der ergänzende andere (der Therapeut) sind nun deutlich definiert, und der Patient kommt in direkten Kontakt mit seinem Problem. (a. a. O., 131)

Bis hierhin bin ich grundsätzlich einverstanden, doch der nächste von Perls vorgeschlagene Schritt scheint mir problematisch und dem Freud’schen Abstinenzgebot verhaftet. F. Perls: »Wir brauchen die Ergänzungen nicht zu liefern, nach denen er sucht; denn da er nun anfängt, seine Bedürfnisse zu erkennen, wird er auch anfangen zu lernen, wie er sich selbst befriedigen kann.« (a. a. O., 132) Hier ist Kritik angebracht und entspricht der Kritik der Selbstpsychologin Tolpin am Objektbeziehungstheoretiker Masterson, dass genau das bei einer ungenügend integrierten Struktur des Selbst manchmal nicht geht, sondern der »ergänzende andere«, wie Perls so schön formuliert, wirklich als Ergänzung gebraucht wird, gerade wenn der Klient seine Bedürfnisse noch nicht genau spüren oder ausdrücken kann. Auch im zweiten Teil von »Gestalt-Therapie« gibt es Forderungen an die Autonomie und Selbstständigkeit des Klienten, die überfordernd sein können, mögliche und nötige Regression unterschätzen und Ich-Stärke fordern, die oft nicht vorhanden ist. Perls und Goodman liefern allerdings die Kritik gleich mit, auch wenn sie damit ursprünglich wohl das therapeutische Vorgehen von Karen Horney und Erich Fromm gemeint haben werden: »Die ausschließliche Bewunderung des Therapeuten für die Selbständigkeit ist ein Reflex (imitativer wie reaktiver Art) auf unsere gegenwärtigen Gesellschaften, in denen wir so einsam und so geknechtet sind.« (Perls et al. 1951/1991, 88) Es muss allerdings gesagt werden, dass der Umgang mit Regression und Bedürfnisbefriedigung insgesamt in der psychoanalytischen Bewegung noch sehr umstritten ist und unterschiedlich gehandhabt wird. Erst in jüngster Zeit werden etwa, angeregt durch die Kleinkindforschung von Stern, Lichtenberg usw., die späten Ansätze des lange totgeschwiegenen Sandor Ferenczi auch in orthodoxeren Kreisen diskutiert. Vom gegenwärtigen Stand der Erfahrung zurückblickend, war der Erkenntnisstand von Perls und Goodman meiner Meinung nach im Jahre 1951 und in einigen grundlegenden Punkten seiner Zeit voraus.

Perls weiß natürlich um regressive Phasen in der Therapie, in denen es darum geht, Entwicklungsschritte nachzuholen und wo eine Art Nachbeeltern hilfreich ist. Beispielsweise lässt er einen Klienten über drei Monate lang ein Baby spielen und Phasen der Entwicklung bis zum Jugendalter durchleben. Im Verlauf dieser Entwicklung fantasiert der Klient, nach den Angaben von Perls, alle für ihn nötigen Befriedigungen und schließt viele unabgeschlossene Situationen ab (vgl. F. Perls 1979, 130). Irma Shepherd hat darauf hingewiesen, dass Fritz Perls das Nachbeeltern in Regression im Rahmen seiner Dialogarbeit praktiziert hat:

This ist similar to Pesso’s psychomotor approach, which provides a very powerfull reparentig experience when the person needs to have sensory experience. Fritz dealt with this very nicely by having a person be his own ideal parent. »What did you you want your parents to say? Now, be the parent that says that.« (Shepherd 1976, 46)

Damit sind wahrscheinlich Klienten mit sehr frühen Traumata und Verletzungserfahrungen überfordert. Sie brauchen konkreteren körperlichen Halt, um die in der Regression auftauchenden starken Gefühle aushalten zu können oder im Sinne Balints einen vorsichtigen »Neubeginn« mit einem bedeutsamen Anderen, einem anderen »Vater« oder einer anderen »Mutter« zu machen. Für Lore Perls war anscheinend ein ganzheitlicheres Haltgeben möglich: »Ich zünde eine Zigarette an, füttere jemandem mit einem Löffel, stecke die Haare eines Mädchens fest, halte Hände oder nehme einen Patienten auf den Schoß, wenn mir dies als das beste Mittel erscheint, nicht existente oder unterbrochene Kommunikation herzustellen.« (L. Perls 1989, 84)

Die Kritik richtet sich aber auch an die Objektbeziehungstherapeuten und die Selbstpsychologen, deren Empathie verbal bleibt (vgl. Moser 1989). Dass auch die moderne Psychoanalyse trotz ihres ganzheitlicheren Ansatzes sich mit körperlichen Berührungen so schwer tut, liegt meiner Ansicht nach an der tief sitzenden Angst vor der für Freud so »gefährlichen Gegenübertragung«, die es zu »bewältigen« gilt. Die existiert seit den Anfängen der Psychoanalyse und meint wohl im Klartext die Probleme des Analytikers (Jung, Ferenczi etc.) mit seinem eigenen erotischen Begehren. Ich stelle mir vor, dass es bei manchen Analytikern durch das introjizierte Kontaktverbot im Sinne von Ferenczi zu »Sprachverwirrungen« mit ihren Klienten kommt, da die Berührungsangst und die Unfähigkeit, mit großen Mengen an körperlich fühlbaren Lebenserregungen umzugehen, zu projektiven Sexualisierungen führen kann. Unsicherheit und Angst ist meiner Ansicht nach auch spürbar, wenn ein so fortschrittlicher Analytiker wie Johannes Cremerius in einem Interview zum Thema sexueller Missbrauch in der Therapie sagt: »Psychotherapie ist ein Verfahren, das aus Worten besteht, körperliche Berührungen gibt es im Prinzip nicht. Das ist Primat, Gesetz, Maxime« (1993, 205). Hiermit stellt er letztlich eines der zentralen Anliegen der Psychoanalyse, Sinnlichkeit zu rehabilitieren, genau wie seine konservativen Kollegen und Kolleginnen auf den Kopf.

2. Objektbeziehungen und »inneres Theater«

Für die Objektbeziehungstheorie besteht ein Großteil unserer inneren Welt aus verinnerlichten Repräsentanzen der in interpersonalen Beziehungen entstandenen Vorstellungen, Bilder etc. über uns Selbst (»Selbstrepräsentanzen«) und die bedeutsamen Anderen (»Objektrepräsentanzen«). Dieses Beziehungsgeflecht der inneren psychischen Welt stellt sich für Melanie Klein28 als eine Art seelischer Raum dar, als »eine Art inneres Theater, deren Personen in emotionalen Beziehungen und Konflikten leben …« (Meltzer, in Waldvogel 1992, 95). Um divergierende Teile des Selbst (»Teilrepräsentanzen«) zur Integration zu bringen, lässt Fritz Perls diese von der inneren auf die äußere Bühne kommen und in Dialog miteinander treten. In Perls’ Lehrdemonstrationen, die er im hohen Alter in Esalen gab, wird der »leere Stuhl« im wahrsten Sinne des Wortes zum Projektions- und Übertragungs-Objekt: »Und dann gibt’s den leeren Stuhls (empty chair), der ziemlich viel von deiner Persönlichkeit und anderen … intrapersonalen Begegnungen verwirklichen wird« (F. Perls 1969/1986, 84). Die Bevorzugung dramatisierender Dialogtechniken durch Perls (und sein manchmal unerbittliches Interesse an der inneren Wahrheit) ist auch durch die frühen Berliner Erfahrungen am Theater Max Reinhards, dem es um »Enthüllung« statt Verstellung ging, geprägt worden (vgl. Ottersbach 1992). Von Morenos Psychodrama einmal abgesehen, wird die Theatermetapher auch von Psychoanalytikern verwendet. M. Erman weist darauf hin, dass der Vergleich der psychoanalytischen Situation mit dem Theater von Jürgen Habermas stammt (vgl. Ermann 1993, 56). Für Ermann hat der Analytiker folgende Aufgabe:

Er hat mit dem Angebot einer Beziehung einen Raum zu schaffen, in dem die unbewussten Fantasien, Ängste und Bedürfnisse in Szene gesetzt werden können, um aus der Verdrängung heraus zu neuer Lebendigkeit zu gelangen. Die Arbeit des Analytikers ähnelt der eines Dramaturgen, der dem Spieler das Spiel überlässt und doch mit seinem ganzen Wesen daran teil hat, um die tiefere Idee des Spiels sichtbar zu machen. (a. a. O.)

Hier geht es allerdings nur um unbewusste Übertragungen, denn die Psychoanalyse hat die konfliktreiche Szene, die in den Anfängen von Breuer und Freud noch außen inszeniert und dramatisiert wurde (vgl. Lorenzer 1993, 128), zusammen mit dem realen Trauma recht bald wieder nach innen verwiesen. Das Drama findet nur innerlich statt und in den unbewussten Beziehungsfantasien und Szenen, die der Analytiker deutend aufzudecken hat. Perls knüpft wie letztlich die gesamte Linie der aktiven Psychoanalyse (v. a. Ferenczi und Reich) an die alte Breuer/Freud (1991) Technik an. Er inszeniert auch außen, dramatisiert psychische Konflikte auf der äußeren Bühne, lässt unabgeschlossene Situationen affektvoll wieder erleben und »durchagieren« (F. Perls 1980, 183). Er erreicht so eine szenische Einheit von Inhalt, Handlung, Affekt und Sprache, wie sie für die kathartische Technik von Freud und Breuer typisch war (vgl. Lorenzer 1993, 168 f.) und später in Ferenczis »Neokatharsis« wieder auflebte (vgl. Ferenczi 1982, 257 f.). Durch dieses Vorgehen kann der Therapeut dem Klienten Schutz gewähren, während dieser sich in die oft emotional aufwühlende Erinnerung und die Begegnung mit den nun externalisierten Selbstanteilen und Elternrepräsentanzen begibt, um Unerledigtes zu Ende zu bringen und Abgespaltenes zu integrieren. In der Arbeit mit dem Traum, der für Perls eine existenzielle Botschaft, der spontanste, unmittelbarste Ausdruck unserer Existenz und der Königsweg zur Integration ist, verfährt er genauso. Der Klient projiziert Traumteile, die für Perls Bruchteile seiner Persönlichkeit sind, auf die äußere Bühne (etwa einen Stuhl) und bringt sie in einen Dialog, indem er sich wechselnd mit den einzelnen Teilrepräsentanzen seiner Selbst identifiziert, um die Integrationskraft des Selbst anzuregen (vgl. F. Perls 1969/1986, 74).

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