Kitabı oku: «Mehrsprachigkeit im Unterricht der romanischen Sprachen», sayfa 8

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2 Aufbau

Aurea Bulla besteht aus drei Bänden, denen jeweils ein Exercitia-Heft beigefügt ist. Daneben existiert eine CD mit den deutschen und lateinischen Texten sowie zusätzlichen Audio-Materialien; eine Webseite mit weiterem Material und Austauschmöglichkeiten für Lehrpersonen und Schüler*innen befindet sich im Aufbau.

Zentrum eines jeden der 12 Kapitel (“Capita”) des Buches ist die deutschsprachige Fortsetzungsgeschichte Aurea Bulla. Es handelt sich einen kurzen Jugendroman, der zu Beginn des 3. Jahrhunderts u.Z. in der römischen Schweiz spielt. Protagonisten sind Valens Mucapora, Sohn eines Tavernenbesitzers aus Basilia, und Julia Augustilla Sanucia, Tochter eines Duumvirn aus Augusta Raurica (Abb. 1).


Die beiden Jugendlichen verbindet seit Kindesbeinen eine Freundschaft, die sich jedoch aufgrund des Standesunterschiedes nicht weiter entwickeln kann. Entsprechend den Konventionen des griechischen Romans wird jedoch bald enthüllt, dass Valens als Kleinkind ausgesetzt wurde; sein Ziehvater Mucapora besitzt noch das Erkennungszeichen, mit dem er gefunden wurde: eine zerbrochene, aber wertvolle goldene Bulla. Das Stück gibt Geschichte und Lehrbuch den Namen; es wird zum Motor der Erzählung und für Valens und Julia zum Symbol ihrer Hoffnungen; gleichzeitig steht es für die Identität, die wir durch die Beschäftigung mit unserer sprachlichen und kulturellen Herkunft gewinnen können.

Die deutschsprachige Geschichte hat gegenüber den typischen einfachen lateinischen Eingangstexten herkömmlicher Lehrbücher den Vorzug, dass sich die Lernenden rasch in das System des Lehrbuchs einleben und sich für die Welt der Protagonisten interessieren. Dass diese Welt sich geographisch mit ihrer eigenen überschneidet, ist dabei ein weiterer Anziehungspunkt; die ersten Stationen der Geschichte befinden sich an Orten, die von Basler Schulen aus leicht besuchbar sind.

Ausgehend von Aurea Bulla finden sich in jedem Kapitel dieselben Teile, die mit der Geschichte in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Die Res Romanae erläutern Realien, die im jeweiligen Abschnitt wichtig sind: Wohnen in römischer Zeit, Heiratsbräuche, Medizin, Militär und Badekultur sind typische Themen. Teil der Res Romanae ist jeweils auch ein Abschnitt Vox Romana, ein lateinischer Originaltext mit Bezug zur Handlung, zum Beispiel die in Basel befindliche Grabinschrift des Valens Mucapora, oder in Caput 4, wo es um antike Medizin geht, ein Absatz aus Celsus’ De medicina über die Fähigkeiten des Chirurgen.

Die Fabula führt die deutschsprachige Geschichte in verschiedener Form auf Lateinisch fort, sei es als Paraphrase oder in Form einer Nebenhandlung oder eines zusätzlichen Dialogs; Lingua thematisiert sprachliche Phänomene, die im jeweiligen Fabula-Teil neu gelernt werden. Hier hakt auch der Exercitia-Band ein, der für die jeweiligen Grammatikphänomene zusätzliche Übungen bietet und in einem Commentatio betitelten Abschnitt kapitelweise dazu auffordert, über das Gelernte und die dabei angewendeten Strategien zu reflektieren. Auf die sprachlichen Teile folgt jeweils ein Mythos-Teil, der einzige Part des Lehrbuchs, der inhaltlich weitgehend von der Geschichte abgelöst ist; Ziel ist hier, den Schüler*innen einen breiten Überblick über die meistrezipierten antiken Mythen zu vermitteln, etwa über den troianischen Sagenkreis. Allerdings sind auch hier Bezüge zur Aurea Bulla vorhanden, wenn möglich: So wird im schon erwähnten Caput 4 passend zur medizinischen Thematik der Asklepios-Mythos erzählt.

Den Abschluss der Kapitel bildet jeweils ein Magazin-Teil zu den Inhalten der Geschichte, z.B. zu Basilia oder Augusta Raurica, aber auch zu Metathemen wie der Entwicklung von Sprache in menschlichen Gesellschaften (1.64–69) oder der Entstehung des Französischen und Bündnerromanischen (2.118–1211) sowie des Spanischen und Italienischen (3.87–95). Die Magazinteile sind ausführlicher als die Res Romanae-Informationen; sie sind auch nicht auf die jeweiligen Aurea Bulla-Kapitel bezogen, sondern dienen eher als generelle Hintergrundvermittlung und können in beliebiger Reihenfolge behandelt werden.

3 Mehrsprachigkeit

Aurea Bulla verfügt über eine Vielzahl unterschiedlicher mehrsprachigkeitsdidaktischer Aufgabentypen. Zwar wendet sich das Lehrmittel gezielt an Schüler*innen, die zum Zeitpunkt des Einstiegs in den Lateinunterricht bereits über grundlegende Französisch- und Englischkenntnisse verfügen und denen auch Italienisch und Spanisch nicht ganz fremd sind,1 die Aufgabentypen sind jedoch sehr gut übertragbar auf Lernende mit anderen Sprachbiographien.

3.1 Panromanischer Wortschatz und Fremdwörter aus dem Lateinischen

Es ist naheliegend, dass ein großer Prozentsatz der mehrsprachigkeitsdidaktisch orientierten Aufgabentypen in Aurea Bulla um das Phänomen des panromanischen Wortschatzes kreisen, der in den romanischen Sprachen, aber auch im Englischen und Deutschen allgegenwärtig ist. Eine wichtige Säule sind hier die Vocabula-Teile, die konsequenter mehrsprachig aufgebaut sind als in herkömmlichen Latein-Lehrbüchern: Die verwandten Wörter im Englischen, Französischen, Deutschen, Italienischen und Spanischen sind nach jeder lateinischen Vokabel in übersichtlichen Farbcodes abgebildet (Abb.2: 3.183).


Bei den Aufgaben rund um den panromanischen Wortschatz werden zunächst natürlich einfache Wortgleichungen thematisiert; so werden die Schüler*innen etwa dazu aufgefordert, mit Hilfe einer französischen Übersetzung der Fabula III französisch-lateinische Wortpaare zu suchen (1.83.3), oder sie übersetzen französische, englische und italienische Lehnwörter auf der Basis des aktuell gelernten lateinischen Vokabulars (1.113.13). Diese Parallelitäten stehen jedoch nicht im Zentrum des Interesses: Von Anfang an werden auch Bedeutungsverschiebungen oder die Unterschiede zwischen den romanischen Sprachen und dem Deutschen behandelt. Dies zeigt sich gleich zu Anfang in Caput I, wo die Schüler*innen zum Thema römischer Wohnkultur mit dem Sachfeld ‘Möbel’ arbeiten. Nicht nur die Parallelität zwischen lat. lectus, frz. lit und ital. letto wird thematisiert, sondern auch die abweichende Natur des Deutschen, das hingegen das lateinische Wort mensa aufnimmt, allerdings in veränderter Bedeutung. Hier ergibt sich für Lehrpersonen gleich zu Anfang die Möglichkeit, etwa mit Blick auf die Karte des römischen Reiches im vorderen Faltcover des Lehrmittels die Gründe darzulegen, warum die deutsche Sprache nicht auf romanische Ursprünge zurüchgeht,1 und darauf einzugehen, warum sich das Lateinische in einem Wort aus dem universitären Kontext wiederfindet. Ähnlich ist auch die Folgefrage ausgerichtet: “tabula heißt auf Deutsch ‘Brett’. Findest du deutsche, französische und englische Wörter, die auf tabula zurückgehen?” Mit Blick auf die Bedeutungsverschiedenheit von ‘Tafel’ und ‘table’ im Gegensatz zum lateinischen ‘Brett’ wird hier gleich zu Beginn die Komplexität von Wortverwandtschaften thematisiert und damit der Enttäuschung vorgebeugt, die notwendig auf die oftmals simplifizierte Werbepropaganda von der Quasi-Identität der Sprachen folgt (“wer Latein lernt, kann automatisch Italienisch sprechen”). Eine Unbefangenheit im Umgang mit dieser Komplexität soll auch durch spielerische Aufgaben vermittelt werden, etwa durch die Aufforderung zum Abfassen ‘makkaronischer’ Texte aus verschiedenen Sprachen.2 Anders ist ein mehrsprachiger Ansatz kaum möglich: Schwierigere Aufgaben wie etwa das Erkennen ‘schwarzer Schafe’ in einer Reihe fremdsprachiger Wörter– z.B. das Schüler*innen eher nicht bekannte italienische Wort ancorare zwischen engl. announce, frz. annoncer und dt. annoncieren – könnten die Lernenden abschrecken, da sie befürchten, aufgrund von Wissenslücken zu ‘versagen’; sind sie jedoch an einen lockeren Umgang mit der komplexen Materie gewöhnt, akzeptieren sie leichter einen Zugang zu Sprache, der eher auf allgemeinem sprachlichen Interesse und Neugierde baut denn auf Perfektionsstreben.3

Ein weiterer Aufgabenkomplex betrifft das verwandte Thema Fremdwörter, also Vokabular aus einem höheren als dem alltäglichen Register. In mehreren Aufgaben wird erklärt, wie das lateinische Vokabular bei der Dechiffrierung solcher Worte behilflich sein kann (im Deutschen oder einer fremden Sprache), z.B. bei den Begriffen Visier, visibility und Filiale (Ex. 2.5.15), protegieren, insolvent, simultaneously (Ex. 2.11.15). Dasselbe gilt für lateinische Wendungen, die im Deutschen verwendet werden, z.B. pro forma oder ad acta (Ex. 2.31.12; Ex. 3.8.22).

3.2 Morphologie als Strategie beim Verstehen und Behalten

Die zahlreichen Hinweise auf die Anwendungsmöglichkeiten eines panromanischen Wortschatzes werden durch die systematische Einübung von Strategien ergänzt, die beim Erwerb dieses Wortschatzes helfen können. Die Aneignung eines fremdsprachigen Vokabulars ist für zahlreiche Schüler*innen eine eher unattraktive Beschäftigung; oft stellen sie sich darunter eine rein mechanische Auswendiglernerei vor. So bekundeten im Zuge der noch laufenden Begleitstudie zum Lehrmittel Aurea Bulla1 mehrere Latein-Anfänger*innen großes Interesse daran, die Sprache Latein zu lernen oder sich durch das Lateinische den Zugang zu modernen Fremdsprachen zu erleichtern – aber gleichzeitig beantworteten sie die Frage “Was glaubst du, könnte dir weniger gefallen?” entschieden mit “Wörter lernen”. Ein wichtiges Ziel des Lehrbuchs Aurea Bulla besteht folglich darin, Schüler*innen die Scheu vor der Vokabelarbeit zu nehmen und ihnen Strategien zur Erarbeitung eines mehrsprachigen Wortschatzes mitzugeben. Hier sind nicht in erster Linie Tipps zum effizienten Vokabellernen gemeint, obwohl es auch dazu2 und zur effizienten Verwendung von Wörterbüchern3 Anregungen gibt, sondern die fundierte und systematische Förderung eines morphologischen Grundverständnisses, durch das die Effizienz des Lernens gesteigert werden kann. Letzteres ist natürlich keine neue Erkenntnis,4 so ist etwa der verbreitete Klett-Grundwortschatz Latein in Wortfamilien eingeteilt (Habenstein et al. 1992). Idealerweise erleichtert dies das Lernen massiv –Komposita müssen nicht mehr eigens gelernt werden, sondern sind durch die bekannten Wortbausteine erschließbar. Allerdings zeigt sich immer wieder, daß ein morphologisches Grundverständnis sich nicht automatisch und ohne Anleitung einstellt, etwa an einer Rezension des Grundwortschatzes auf Amazon: “Schade ist nur, dass es meist nur eine Bedeutung pro Wort gibt, z.B.: ‘occidere’ kann sowohl töten heißen, als auch sterben oder umkommen. Ein großer Unterschied, das kann einen verwirren, wenn man nur eine Bedeutung kennt, aber eine andere in dem zu übersetzenden Text gemeint ist.”5 Hier fehlt die Kenntnis der verschiedenen Etymologien von occīdere und occĭdere, dessen langes bzw. kurzes i sich durch die Herkunft von caedere ‘fällen, töten’ bzw. cadere ‘fallen’ erklärt; offenbar hat der oder die Rezensierende den Grundwortschatz anleitungslos verwendet und vom Ordnungsprinzip nach Wortfamilien nicht voll profitiert.

Um solche Missverständnisse zu vermeiden, werden in Aurea Bulla gezielt morphologische Kenntnisse geschult, und zwar sowohl mit Bezug auf den lateinischen Wortschatz als auch im Hinblick auf den mehrsprachigkeitsdidaktischen Nutzen. Beim Erwerb des lateinischen Vokabulars werden die Schüler*innen schon zu Beginn des zweiten Kapitels auf das Phänomen der ‘Wortfamilie’ aufmerksam gemacht und dazu aufgefordert, Beispiele zu sammeln (Ex. 1.7.2; Ex. 1.23.10). Die Effizienz eines morphologischen Bewusstseins geht den Lernenden z.B. auf, wenn sie Wörter nicht mehr neu lernen müssen, sondern erschließen können, z.B. bei Aufgabentypen wie Ex. 3.8.23, wo die Schüler*innen mit Hilfe bekannter Suffixe wie -osus und -tas sowie bereits gelernter Vokabeln wie gratia, mons, celer die Bedeutung neuer Wörter wie gratiosus, montuosus oder celeritas erkennen können.

Entsprechend werden morphologische Erläuterungen auch bei mehrsprachigkeitsdidaktischen Aufgaben vielfach eingesetzt; so werden die Personalendungen lateinischer Verben im Französischen wiedergefunden (1.21.12, 1.83.6, 1.84) oder die Deklinationsklassen im Französischen und Italienischen thematisiert (1.54) – hier wird den Schüler*innen z.B. eine Erklärung für die sonderbare Pluralendung der französischen Worte auf -al geliefert: animaux. Wieder sind Wortbausteine wie die Suffixe Thema; so sollen die lateinischen Endungen -tudo, -sio, -tio, -io in ihren neusprachlichen Ableitungen angegeben oder gesucht werden (3.79, 3.158). Soweit möglich, wird die spezifische Bedeutung eines Suffixes auch ausführlicher behandelt, z.B. im Falle des ‘Mittels’ -mentum (1.122f.).

Von entscheidender Bedeutung sind auch die häufig bedeutungstragenden Präfixe, die immer wieder neu thematisiert werden: Schon 1.58 werden die Begriffe Simplex und Kompositum anhand des Präfixes ad eingeführt (ad-vocare, ad-dicere), das sich 3.121f. neben 17 weiteren Präfixen in einer mehrsprachigen Tabelle mit lateinischen, deutschen, französischen und englischen Beispielen findet, die zusätzlich um Erläuterungen zu Sprachgeschichte und Bedeutungsverschiebung ergänzt ist (Abb.3).


In den Exercitia-Bänden 2 und 3 schließlich häufen sich die Übungen zu Worterschließungen über Suffixe6 (Abb. 4) und Präfixe.7


3.3 Syntax

Wortschatzarbeit ist ein zentrales Anliegen der Aurea Bulla, aber auch die syntaktischen Parallelitäten und Entwicklungen verschiedener Sprachen spielen eine große Rolle. Der Ansatz, lateinische Grammatik per se als isolierten Sprachlehrgang zu vermitteln, wird konsequent vermieden, indem lateinische Syntax nie ohne Vergleich mit neusprachlichen Phänomenen eingeführt wird. Entsprechend der in den letzten Jahrzehnten gewonnenen Erkenntnis, dass durch den Lateinunterricht auch die Deutschkompetenz der Schüler*innen massiv gefördert wird,1 steht die deutsche Syntax hier von Anfang an im Fokus, z.B. wird gleich zu Beginn der Kasuslehre (1.24) die Aufmerksamkeit auf die deutschen Artikel gelenkt, durch die im Deutschen die Kasus angezeigt werden, anders als im Lateinischen. Gerade für dialektsprachige Schüler*innen ergeben sich hier unter Umständen neue Erkenntnisse, da die Nominativ- und Akkusativ-Artikel in den meisten Schweizer Dialekten gleich klingen, woraus sich im Schriftdeutschen entsprechend häufig eine Fehlerquelle ergibt (“ich habe ein Mann getroffen”). Eine weitere Schwierigkeit sowohl für dialekt- als auch fremdsprachige Schüler*innen besteht in den Komplexitäten der schriftdeutschen Satzstellung. Folglich wird bei der Einführung lateinischer Nebensätze in Caput VI auch die veränderte Satzstellung in deutschen Nebensätzen ausführlich behandelt (2.72f.), und beim Thema der Nebensätze bieten sich natürlich auch Übungen zur Kommasetzung im Deutschen an (Ex. 2.13.6, Ex. 3.41.16).

Neben zahlreichen weiteren Übungen und Erklärungen zum Deutschen bietet das Lehrbuch auch im syntaktischen Bereich eine große Fülle an Übungen zum Englischen, Französischen (z.B. 1.121 die Erklärungen zu dativischen Wendungen in beiden Sprachen) oder zum mehrsprachigen Vergleich. Hier geht es nicht immer um unmittelbare Anwendbarkeit; Ziel des Lehrbuchs ist auch Sprachbetrachtung, also das Aktivieren einer Reflexionsebene und die Förderung eines grundsätzlichen Interesses an Sprache durch kleine Erkenntnisse. Eine typische Aufgabe findet sich zu Beginn des ersten Bandes (1.26, Abb. 5):


Die Erkenntnis, dass das Lateinische das Subjekt nicht explizit ausdrücken muss, ist neu und verwirrend für Schüler*innen, die bisher nur Deutsch, Französisch und Englisch gelernt haben. Aus dem Vergleich mit den drei bekannten Sprachen sowie den (in der Regel) noch unbekannten Sprachen Italienisch und Spanisch ergibt sich eine Systematik des Phänomens: Sprachen, deren Verbalformen nicht eindeutig sind, müssen das Subjekt ausdrücken (z.B. klingen beim französischen Verb aimer die 1., 2., 3. Ps. Sg. und die 3. Ps. Pl. gleich); in Sprachen mit eindeutigen Personalendungen ist dies dagegen nicht nötig.

Andere Aufgabentypen richten sich gezielt auf Phänomene, die in den neusprachlichen Fächern Probleme bereiten können, z.B. auf die Übereinstimmung von Prädikatsnomen und Subjekt im Französischen. Im Vergleich der Sätze Mater cara est / Die Mutter ist lieb / La mère est chère / The mother is kind (1.56) ergibt sich wiederum eine Parallelität des Lateinischen mit der romanischen Sprache, die nun systematischer erscheint als bisher, da sich das Französische in eine sprachhistorische Tradition einordnen lässt.

Eine ähnliche Gelegenheit bietet sich beispielsweise beim Thema Komparation (3.31–35), wo die Steigerung über Suffixe (high-er) derjenigen über Steigerungsadverbien gegenübergestellt wird (more intelligent). Im Lateinischen gibt es beide Optionen, im Deutschen und im Französischen/Italienischen nur je eine von beiden; im Englischen existieren beide Varianten abhängig von der Silbenzahl des zu steigernden Adjektivs, eine Regel, die bei dieser Gelegenheit wiederholt oder neu eingeführt wird.2 Dies ist ein typischer Fall für das kurze Antippen einer Thematik, der den neusprachlichen Unterricht entweder als Wiederholung ergänzen kann oder den Boden für die gründlichere Einführung des Phänomens im Englischunterricht bereitet. Ähnlich verhält es sich z.B. mit den Tempus-Aspekten in den modernen Fremdsprachen, die bei der Einführung des lateinischen Perfekts angesprochen werden: Auch ohne ausführliches Verhandeln des franzsischen Gegensatzes zwischen passé composé und imparfait oder des englischen simple past und past continuous kann den Schüler*innen bewusst gemacht oder in Erinnerung gerufen werden, dass Tempora eben nicht nur Zeitstufen, sondern auch Kategorien wie die Dauer einer Handlung bezeichnen können. Vertiefungen erfolgen zusätzlich in der Commentatio (“Viele Sprachen … unterscheiden in Erzählungen beim Tempus-Gebrauch zwei Aspekte. Kannst du sie erläutern?”) und im zugehörigen Exercitia-Teil (z.B. Ex. 3.14f. 12–13: Abb. 6).


Parallelitäten und Gegensätze zwischen den einzelnen Sprachen ergeben sich immer wieder anders; so zeigt sich z.B. bei der Einführung des Genitivs eine Gemeinsamkeit des Deutschen und Lateinischen im Gegensatz zu den anderen Sprachen: Beim Übersetzen des lateinischen Genitivs ins Deutsche, Französische und Englische (2.101.9) wird deutlich, wie Kasus durch Präpositionalausdrücke ersetzt worden sind (Scio Mercurium filium Iovis et Maiae esse  Je sais que Mercure est le fils de Jupiter et de Maia / I know that Mercury is the son of Jupiter and Maia).3 Hier wird sich unweigerlich eine Diskussion über das Deutsche einstellen, wo der Genitiv auch nur noch schriftsprachlich gebraucht wird, während in der mündlichen Sprache die Präposition ‘von’ dominiert. Sprachentwicklung wird so lebendig: Die Schüler*innen bemerken, dass sie selber Teil eines aktuell im Deutschen stattfindenden Sprachwandels sind, der in anderen Sprachen bereits abgeschlossen ist.

3.4 Übersetzen

Das Schulfach Latein wird häufig mit der Tätigkeit des Übersetzens assoziiert. In der Tat besteht im Übersetzen bis heute eine Kernkompetenz des Altsprachenunterrichts, gar ein ‘unique selling point’, da der neusprachliche Unterricht nachvollziehbarerweise mehr auf Sprachproduktion ausgerichtet ist. Auf das Übersetzen zu verzichten und den lateinischen Sprachunterricht auf theoretische Vergleiche und Reflexionen zu beschränken, wäre ein großer Verlust: Durch das Suchen nach deutschen Entsprechungen für lateinische Wendungen und das bisweilen durchaus mühselige Ringen um passende deutsche Formulierungen wird die Deutschkompetenz der Schüler*innen in hohem Maße geschult. Natürlich wäre derselbe Effekt auch im neusprachlichen Unterricht erzielbar, wenn man englisch- oder französischsprachige Texte ins Deutsche übertragen ließe; diese Tätigkeiten werden aber in wesentlich geringerem Umfang trainiert, da die Zielsetzungen im Englisch- und Französischunterricht eben überwiegend Kompetenzen in der neuen Sprache betreffen und nicht Kompetenz im Deutschen.1

Die letztere ist im Übersetzungsprozess aus dem Lateinischen immer Thema, gerade, wenn es um Sprachregister oder auch den Vergleich der Qualität bereits vorhandener Übersetzungen geht.2 Auch in Aurea Bulla ist dieses Thema mehrfach berücksichtigt. Die erste ausführliche Behandlung findet sich 2.65.9-11, wo ein kurzer Abschnitt der lateinischen Fabula näher betrachtet werden soll:

Tum hostes coniuncti legionem IX Victricem Piam, quod invalidissima est, petunt. Dum omnes milites dormiunt, subito nocte castra oppugnant, vigiles occidunt. Trepidatio maxima in castris est. Utraque pars vehementer pugnat. (2.63)

Im Anschluss soll die Qualität der folgenden Übersetzung beurteilt und eine bessere Version erstellt werden (2.65.9f.):

Dann erstreben die vereinigten Feinde die 9. Legion Victrix Pia, weil sie am schwächsten ist. Während alle Soldaten schlafen, bestürmen sie plötzlich in der Nacht das Lager, töten die Wachen. Die Aufregung ist amgrössten im Lager. Jede der beiden Seiten kämpft heftig.

Die Schüler*innen erfassen die minderwertigen Teile der Übersetzung idealerweise selbst: petunt ist mit ‘erstreben’ nicht adäquat wiedergegeben, sondern heißt hier ‘angreifen’; coniuncti wäre besser prädikativ zu übersetzen (‘Dann greifen die Feinde vereinigt … an’); der deutsche Hauptsatz ‘töten die Wachen’ wäre eleganter mit ‘und’ anzuschließen, auch wenn die Konjunktion im Lateinischen fehlt; maxima ist kein echter Superlativ, sondern hier elativisch zu übersetzen (‘Die Aufregung ist riesengroß’); statt ‘heftig’ stellt etwa ‘erbittert’ ein passenderes Adverb zum Verb ‘kämpfen’ dar; andere Kleinigkeiten lassen sich ebenfalls diskutieren. Hier zeigt sich die ganze Komplexität des Übersetzens, von unterschiedlichen Wortbedeutungen bis hin zu syntaktischen Feinheiten; auch die bei Schüler*innen bisweilen vorherrschende Vorstellung einer Schwarz-Weiß-Dichotomie zwischen Richtig und Falsch gerät ins Wanken: vehementer heißt ja schließlich ‘heftig’ – das steht so im Wörterverzeichnis (2.167). Dennoch ist die Übersetzung hier nicht ideal; stattdessen muß je nach Situation eine bessere Variante gesucht werden.

Auch das Thema Sprachregister kommt hier nicht zu kurz. Schon bei der zitierten Aufgabe der Übersetzungsverbesserung ist die Auflage, dass die deutsche Version der Erzählsituation entsprechen soll: “[es] handelt sich bei Marcus Messors Bericht um eine Erzählung im vertrauten Familienkreis”. Denkbar wären also auch umgangssprachlichere Wendungen, was wiederum gegen das deutsche Adverb ‘erbittert’ spricht; hier sind die Schüler*innen angehalten, sich zu überlegen, wie sie selbst ihren Familien Bericht erstatten würden; der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Anschließend werden die Lernenden kurz theoretisch orientiert:

Das Ziel der Übersetzungsarbeit in AUREA BULLA ist es, deutsche Übersetzungen zu verfassen, die im Deutschen den Stil und die Situation der lateinischen Texte möglichst treffend wiedergeben. Eine gute Übersetzung soll dem Leser, der Leserin so unmittelbar verständlich sein, dass er, sie gar nicht mehr bemerkt, dass es sich um eine Übersetzung handelt.

In der folgenden Aufgabe sollen die Schüler*innen zu einem weiteren Abschnitt der lateinischen Fabula eine eigene Übersetzung erstellen und “nach möglichst treffenden deutschen Formulierungen” suchen, die an einer fremden Übersetzung geübten kritische Haltung also nun gegenüber dem eigenen Produkt einnehmen.

Bei einem weiteren Abschnitt der Fabula sind die Schüler*innen gefordert, ihre Übersetzungen untereinander zu diskutieren – die Lehrperson tritt als beurteilende Autorität in den Hintergrund – und auch eine Übersetzung in ihr eigenes Idiom, z.B. Mundart, zu erstellen (2.67.17-19). Hier soll ein selbständiger, selbstbewußter und möglichst natürlicher Umgang mit dem Thema Sprachregister erreicht werden.3

Das Übersetzen aus dem Lateinischen besteht natürlich nicht nur in möglichst passenden deutschen Rekodierungen; zunächst muss es auch um die Dekodierung des Lateinischen gehen. Es empfiehlt sich, Schüler*innen mit einem umfangreichen, schwierigen lateinischen Text nicht alleine zu lassen; entsprechend steht in Aurea Bulla nicht die Aktivität des Übersetzens an sich im Zentrum, sondern vor allem auch das Erlernen und Trainieren von Lesestrategien zur Texterschließung. Es findet sich kein lateinischer Text, der ‘einfach so’ übersetzt werden soll; dies wäre gerade bei den längeren Fabulae der späteren Lektionen eine für jüngere Schüler*innen ermüdende und langweilige Aufgabenstellung. Stattdessen gibt es abschnittweise Erschließungsschritte, die auch als Vorbereitung für eine mögliche künftige Originallektüre gedacht sind; jedoch können auch Lernende, die das Fach Latein später nicht weiterführen, von den Strategien im Umgang mit fremdsprachigen oder komplexen deutschsprachigen Texten profitieren. Ein Beispiel ist der mit 35 Zeilen recht lange lateinische Text B in Caput VIII (2.138–140). Bei der vereinfachten Passage aus Plautus’Amphitruo handelt es sich um eine amüsante, aber auch einigermaßen komplexe Verwechslungsgeschichte, bei der Götter auf der Erde die Gestalt von Menschen annehmen. Die Schüler*innen absolvieren die folgenden Erschließungsschritte: Vor der Lektüre wird ein Informationstext zum Inhalt der Komödie gelesen. Anschließend wird der Text vorgelesen und erste Fragen via Hörverständnis geklärt: “Welche Personen sprechen in dieser Szene miteinander? Welche weiteren Figuren des Stücks ‘Amphitruo’ werden erwähnt? Wer wird verprügelt? Warum?” (139). Weiter werden die Schüler*innen zum Austausch in der Lerngruppe aufgefordert, um zusammenzutragen, was bereits verstanden worden ist.

Die nächsten Schritte der Texterschließung erfolgen in Tandemarbeit. Die Zeilen 3–17 werden aufgeteilt; es geht um Inhaltserschließung zuerst alleine, dann mit Hilfe der jeweiligen Tandempartner*in. Weitere Aufträge zum inhaltlichen Erfassen des Textes erfolgen punktuell, z.B. soll geklärt werden, worin das crimen terribile besteht, das eine der Figuren erwähnt, oder es soll die Verzweiflung einer anderen Figur anhand der Vokabeln im Text rekonstruiert werden (perhorrescit, dolores terribiles, me miserum, perii). Erst dann wird ein Teil des Textes tatsächlich ins Deutsche übersetzt, und zwar mit dem konkreten Auftrag, beim Register der Übersetzung das Genre Komödie zu beachten.

Die Schüler*innen erwerben hier verschiedene Strategien, sich einem Text zu nähern: Schritt für Schritt wird der Inhalt durch Paratexte, Schlüsselbegriffe und Wortfelder vorerschlossen; Langeweile wird durch den Austausch im Tandem vermieden. Schließlich sind die Schüler*innen so weit, dass sie einen nicht zu umfangreichen Teil des Textes relativ mühelos ins Deutsche übertragen und sich gleichzeitig mit der spezifisch komödienhaften Recodierung befassen können. An diese eigentliche Übersetzungsarbeit schließt sich ein Reflexionsauftrag an: “Erläutert euch gegenseitig, wie ihr beim Übersetzen vorgegangen seid” (140); hier können Strategien wie etwa die bereits in Ex. 1.3.8 thematisierte Pendelmethode4 detaillierter besprochen werden.

Die geschilderte Art der Texterschließung hat zum Ziel, die Lernenden mit Selbstbewußtsein auszustatten, was ihre Fähigkeiten zum Textverständnis angeht; Versagensängste und -erlebnisse sollen durch die Kleinteiligkeit der Vorgehensweise minimiert werden. Hier ist auch der kreative Aspekt entscheidend, der gerade beim Übertragen eines Komödientexts ins Deutsche eine spielerische Herangehensweise an das Übersetzen befördern kann. Ziel ist eine Unbefangenheit im Umgang mit fremdsprachigen Texten, die idealerweise auch auf den Umgang mit komplexen deutschsprachigen Texten oder auf den neusprachlichen Unterricht übertragen werden kann.

Für letzteres ist auch durch einen weiteren Aufgabentyp gesorgt, der in der Aurea Bulla vielfach vertreten ist:5 In parallelen fremdsprachigen Texten (englisch, französisch, italienisch und spanisch, bisweilen auch in ‘exotischeren’ Sprachen wie Portugiesisch, Rumänisch oder Bündnerromanisch) werden Begriffe definiert oder Sachverhalte erklärt; die Schüler*innen sind dazu angehalten, einzelne Informationen aus den Texten herauszuziehen und der lateinischen Wortherkunft der fremdsprachigen Vokabeln nachzugehen. Ein frühes Beispiel ist die Definition der eponymen Bulla in 1.44f. (Abb. 7), wo die Schüler*innen aus je einem französisch- und englischsprachigen Text Informationen über das fremdartige Objekt suchen sollen; anschließend sind die neusprachlichen Ableitungen der lateinischen Vokabeln spiritus, protegere und differre gefragt. Die Aufgabenreihe schließt mit einer Erstellung des Wortfelds ‘Materialien’ in allen drei Sprachen.


Auch bei den Fabula-Texten werden bisweilen neusprachliche Übersetzungen eingesetzt, um die Erschließung des Lateinischen zu erleichtern und sprachliche Parallelen hervorzuheben (z.B. 1.83.2–4; 2.63-65).