Kitabı oku: «Methoden der Theaterwissenschaft», sayfa 3

Yazı tipi:

Sozialwissenschaftliche Ansätze

Das Stichwort ‚Quantifizierung‘ führt die Theaterwissenschaft in die Nachbardisziplin der Sozialwissenschaften, wo quantitative und qualitative empirische Forschung das methodische Grundrüstzeug bilden. In den vier hier versammelten Beiträgen (Friedemann Kreuder, Thomas Renz, Mara Käser und Jonas Tinius) wird eine unübersehbare Öffnung der Theaterwissenschaft zu sozialwissenschaftlichen Methoden dokumentiert. Daran sieht man, dass die Theaterwissenschaft zunehmend die soziale und nicht nur die ästhetische Dimension des Theaterdispositivs als legitimen Forschungsgegenstand anerkennt. Dieses erneute Interesse hängt zweifelsohne mit der Wiederentdeckung des Publikums als Forschungsthema zusammen.1 Publikumsforschung setzt empirische Forschung voraus, wenn sie valide, überprüfbare Aussagen treffen will. Dieses Interesse führt Thomas Renz, in seinem Beitrag „Ansätze einer empirisch-quantitativen Theaterforschung“, zumindest teilweise auf das Aufkommen des Kulturmanagements seit den 2000er Jahren zurück. Deren Leitideologie der Betriebsoptimierung setzt fundierte Erkenntnisse über die ‚Kulturnutzer*innen‘, sprich Zuschauer*innen, voraus. Dieses Erkenntnisinteresse ließe sich allerdings teilweise von Marktforschung nicht unterscheiden. Dennoch gibt es eine zunehmende Zahl an Befragungen von Theaterbesucher*innen aber auch von Nichtbesucher*innen, die versuchen, demographische Daten und Präferenzen zu erheben. Davon kann die Theaterwissenschaft profitieren.2

Renz kritisiert zurecht, dass diese Form der Publikumsforschung selten qualitative Methoden zulässt. Jedoch ist für die aktuelle empirische Theaterforschung gerade die Verbindung von qualitativen und quantitativen Methoden kennzeichnend. In dieser Forschungspraxis werden quantitative Daten mit subjektiven Äußerungen ausgewählter Interviewpartner ‚trianguliert‘, d.h. kombiniert und abgeglichen. Dies wird auch als mixed methods approach bezeichnet. Für die qualitative Forschung hat sich das leitfadengestütze Experteninterview als bevorzugte Methode herausgestellt. ‚Expert*innen‘ können sowohl versierte Theaterzuschauer*innen als auch professionelle Theatermacher*innen (Intendant*innen, Dramaturg*innen, Regisseur*innen usw.) oder andere Stakeholder (Kulturpolitiker*innen) sein. Hier wird eine Reihe von definierten, aber offenen Fragen in einer Gesprächssituation gestellt. Erkenntnisleitend ist die Forschungsfrage der Untersuchung.3 Die Ergebnisse der Interviews werden in einem zweiten Schritt durch eine sogenannte ‚Inhaltsanalyse‘ abgeglichen und ausgewertet. Die Antworten werden nach Begriffen, Argumentationsfiguren, und programmatischen Statements abgesucht und geordnet. Hierdurch können diskursive Cluster gebildet werden, die eventuell über eine höhere und verbindlichere Aussagekraft als einzelne Äußerungen verfügen. Einen Einblick in diese qualitative Methode, die innerhalb der Theaterwissenschaft immer mehr Verbreitung findet, gibt uns im vorliegenden Band Mara Käser: Anhand leitfadengestützer Experteninterviews hat sie eine Untersuchung des Intendanzwechsels von Dieter Dorn zu Frank Baumbauer an den Münchner Kammerspielen vorgenommen.

Das Interesse an sozialwissenschaftlichen Methoden ist nicht nur durch Publikumsforschung bestimmt, sondern zeugt von einer Auseinandersetzung mit institutionellen Fragen. In seinem Beitrag plädiert Friedemann Kreuder für „eine Erweiterung des theaterwissenschaftlichen Methodenrepertoires um eine soziologisch ausgerichtete Differenzierungsforschung.“ Dies betreffe vor allem die infrastrukturell-institutionelle Dimension des Theaters, die als „Praxiskomplex“ definiert wird und in seinem Fall die Ausbildung, Auswahl und Positionierung von Schauspieler*innen in diesem Komplex untersucht. Die soziologische Ausrichtung sieht man daran, dass „insbesondere die organisations- und institutionentheoretische Perspektivierung des Praxiskomplexes als ‚organisationales Feld‘ als [disziplinär anschlussfähig]“ anerkannt wird. Der aus der Organisationssoziologie entlehnte Begriff des ‚organisationales Felds‘ nimmt nicht die einzelne Einrichtung, sondern die Bildung von komplexeren ‚Feldern‘ in den Blick, wobei sich einzelne Organisationen immer mehr angleichen (Isomorphismus) und dadurch institutionelle Macht erlangen.4 Auch wenn institutionelle oder organisationssoziologische Untersuchungen innerhalb der Theaterwissenschaft immer noch Seltenheitswert haben, gibt es gegenwärtig Bestrebungen, die auf eine Annäherung hinweisen. Neben Kreuders eigenem Projekt, das Teil einer DFG-Forschungsgruppe zum Thema „Humandifferenzierung“ bildet, 5 gibt es an der LMU München eine ortsverteilte Forschungsgruppe, die sich mit institutionellen Transformationsdynamiken in den darstellenden Künsten der Gegenwart beschäftigt (FOR 2734), und in der sozialwissenschaftliche Methoden eine zentrale Rolle spielen.6

Neben der Organisationssoziologie ist vermutlich die Ethnologie bzw. Ethnografie dasjenige sozialwissenschaftliche Fach, das besonders in den letzten Jahren von der Theaterwissenschaft intensiv rezipiert wurde. In seinem Beitrag, „Die Ethnografie als Methode der Theaterwissenschaft?“ differenziert der bekennende Sozialanthropologe Jonas Tinius, der an der Universität Cambridge über das Theater an der Ruhr in Mülheim promovierte, zwischen den verschiedenen in der Anthropologie gängigen Methoden. Dabei ist die Ethnografie, die häufig mit Feldforschung und teilnehmender Beobachtung gleichgesetzt wird, nur eine bestimmte Phase innerhalb eines anthropologischen Forschungsdesigns. Ethnografie bedeutet für Tinius daher „eine Phase und Art anthropologischer Praxis, die sich dem Widmen und Beschreiben von Feldforschung widmet. Es bedeutet eben auch einfach: Schreiben über Menschen.“ Dies setzt aber eine Beschäftigung mit „diesen Menschen“ über einen längeren Zeitraum voraus, der landläufig unter dem Begriff der teilnehmenden Beobachtung firmiert. Auch wenn zwischen Ethnografie und Performance Studies ein enger fachgeschichtlicher Konnex besteht, nicht zuletzt wegen der bereits erwähnten Gründer Richard Schechner und Dwight Conquergood, und weil Erika Fischer-Lichtes Ästhetik des Performativen einige Anleihen bei Victor Turners Theorie der Liminalität macht, bleiben diese Beziehungen oft auf der Ebene der metaphorischen Begrifflichkeit und selten in einem echten Dialog über gemeinsame Methoden und Gegenstände. Da sich Ethnografie nicht auf eine Methode verkürzen lasse, so Tinius, könne man nicht mit einem fertigen methodischen Werkzeugkasten ins Feld ziehen. Im Gegenteil: Das Feld und seine Erfordernisse bestimmen die Methode(n) und nicht umgekehrt. Letztlich setzt ethnografische Forschung eine lang andauernde, sich meistens über Monate erstreckende Beobachtung und Begleitung des Forschungsgegenstands, sei es Probenprozesse,7 die prekäre Projektarbeit in der Freien Szene8 oder die komplexe institutionelle Verfasstheit einer einzelnen Theaterorganisation, voraus.9

Methode im Plural. Eine Methodologie des Heuristischen für die Theaterwissenschaft?

Julia Stenzel

I. Methode: Weg oder Ziel?

Jenseits des Systems Wissenschaft bereitet die Definition von ‚Methode‘ scheinbar wenig Probleme. „Eine Methode ist der Weg zum Ziel“ – diese ebenso selbstbewusste wie schlichte Begriffsbestimmung nimmt ein online-Ratgeber für sich in Anspruch, der seinen Leser*innen in 5 Schritten zu mehr Ordnung im Büro verhelfen möchte. Allerdings suggeriert der unmittelbare Kontext eine spezifische Betonung des Satzes, die jene dann doch enttäuschen muss, die nach einer einigermaßen eindeutigen Definition suchen: Denn „Eine Methode ist der Weg zum Ziel“, so muss es heißen; und das im Titel des Bandes formulierte Ziel ist ein Schreibtisch ohne Bücher- und Dokumentenmassive. Was aber eine Methode ist, das wird als selbsterklärend vorausgesetzt und einem allgemeinsprachlichen Ungefähren überlassen. Es ist dem Verfasser eben nicht darum zu tun, einen Begriff ‚Methode‘ zu definieren, sondern eine spezifische, nämlich die für mehr Ordnung im Büro, anwendbar zu machen.

Diese Beobachtung an einem Text, der vieles für sich beanspruchen kann, sicherlich aber nicht Wissenschaftlichkeit, ist symptomatisch. Aber selbst wo es in Texten mit wissenschaftlichem Anspruch um Methoden geht, wird die Frage danach, was denn eine solche eigentlich sei, oft geflissentlich übergangen: Nicht was eine Methode, sondern was die hier angewandte Methode ist, ist dann die erste Frage.

Auf dem Weg zur Methode den Umweg über methodologische Fragen zu gehen, soll hier vorgeschlagen werden; und die folgenden Überlegungen setzen es sich zum Ziel, dafür einen möglichen Rahmen zu skizzieren. Ich mache es mir also zur Aufgabe, noch diesseits des Methodischen über methodologische Fragen nachzudenken. Es soll und kann mir im Folgenden entsprechend auch nicht um die Frage gehen, was eine Methode ist. Der Versuch einer normativen Bestimmung mit den unvermeidlichen Inklusions- und Exklusionsmechanismen wäre nicht nur vermessen, sondern auch wenig produktiv. Ich möchte stattdessen versuchen zu rekonstruieren, welche Aspekte dazu führen können, dass geistes- oder kulturwissenschaftliches Arbeiten als methodisch geleitet und kontrolliert beschreibbar wird. Unter welchen Bedingungen wird das Umgehen1 mit Aufführungen, Texten, Bildern, Räumen, Inszenierungen, Situationen; unter welchen Voraussetzungen wird der Blick auf ihre Dokumentationen, Reenactments, journalistischen oder ganz anderen Verhandlungen wissenschaftlich? Und: Ist Wissenschaftlichkeit an Methodik gekoppelt? Um diese Fragen stellen zu können, ist jedoch zunächst zu klären, unter welchen Prämissen ich in diesem Zusammenhang von ‚Methoden‘ sprechen werde – ich will explizit keinen Begriff etablieren, sondern eine methodologische Argumentationsweise vorschlagen.

Speziell für das Fach Theaterwissenschaft und sein – nicht erst seit der performativen Wende – genuin prozessorientiertes Umgehen mit einem medial hybriden Gegenstand ergibt sich dann die Frage nach dem Verhältnis seiner Methoden der Beschreibung und den Methoden auf der Gegenstandsebene, die es beschreibt. Interessant ist weiterhin, wie und wann diese Formen des Methodischen in produktive Interferenzen geraten (dieser letzte Punkt ist für das Fach wahrscheinlich neuralgisch). Kurz: Was heißt für die in dieser Hinsicht spezifische Theaterwissenschaft in welchem Sinne und auf welcher argumentationslogischen Ebene ‚Methode‘?

Wissenschaftstheoretische Verständnisse von ‚Methode‘ können diese Überlegungen konturieren, sollten sie aber keinesfalls deduktiv bestimmen. Arnd Mehrtens etwa unterscheidet wissenschaftstheoretisch zwischen deskriptiver und präskriptiver (man könnte auch sagen: normativer) Methodologie.2 Demgegenüber kündige ich mit einer Methodologie des Heuristischen schon im Titel meines Beitrags eine Art ‚dritten Weg‘ an. Eine solche appellative Methodologie ist auf einer Beschreibungsebene anzusiedeln, die quer zur Dichotomie von ‚präskriptiv‘ und ‚deskriptiv‘, von ‚Vorschrift‘ und ‚Beschreibung‘ steht: Auf diesem Wege soll es gelingen, das Methodische theaterwissenschaftlichen Arbeitens als solches ansprechbar zu machen, ohne schon den Anspruch des Metawissenschaftlichen zu erheben.

Die folgenden Überlegungen gliedern sich in vier Teile und sind auf die eben entwickelte Leitperspektive bezogen, kommen jedoch nicht mit ihr zur Deckung: Nach einer knappen etymologischen und historischen Einordnung (II) ist zunächst kurz darzustellen, was unter einer dynamischen Methode verstanden werden soll (III). Sodann ist die Pluralität theaterwissenschaftlicher Methoden von der Pluralität dessen her zu beschreiben, was ich ihre operativen Grundhaltungen nennen werde (IV), um schließlich der Spezifik inter-methodischen Sprechens in den Geistes- und Kulturwissenschaften versuchsweise nahe zu kommen (V).

II. Methode und Antimethode

Mit ‚Methodologie‘ soll an dieser Stelle, wie gesagt, dezidiert zugleich mehr und weniger als die Gesamtheit der Methoden des Fachs Theaterwissenschaft (oder eines spezifischen Erkenntniszusammenhangs, oder gar der Wissenschaft allgemein) angesprochen werden. Dahinter stünde ein Anspruch, der einerseits vermessen wäre, sich aber andererseits auch in einer bloßen Additionsaufgabe erschöpfen müsste, verbände er sich nicht mit der grundlegenden Frage nach einer Typologie (theater-)wissenschaftlicher Methoden.1 Aus Gründen, die aus dem Folgenden deutlich werden sollten, halte ich eine solche Frage jedoch für wenig hilfreich. So scheint es konsequent, dass sich die Herausgeber*innen des vorliegenden Bandes dagegen entschieden haben, mit der Auswahl der Beiträge ein Gesamtbild aller Methoden des Fachs zeichnen oder Vollständigkeit auch nur suggerieren zu wollen. Dass diese Entscheidung mit der historischen Genese, der institutionellen Einbettung und der spezifischen Unschärfe des Gegenstandsbereiches von ‚Theaterwissenschaft‘ zu tun hat und dass der vorgeschlagene Rahmen – gerade in der Vielfalt der einzelnen Methoden, die im Fach Theaterwissenschaft zur Anwendung kommen – klar disziplinär begründet ist, liegt dabei auf der Hand.

Zurück zum Begriff: Das im einleitend angeführten Bonmot stellvertretend skizzierte, einigermaßen vage Verständnis von ‚Methode‘ als ‚Weg‘ ist etymologisch gewendet plausibel: Das griechische Kompositum methodos (μέθοδος < μεθ- < μετά- und ὁδός) beschreibt einen spezifischen ὁδός (hodos), einen Weg, μετά (meta), nach irgendwo, aber auch auf irgendetwas hin. Das Wort ‚Methode‘ hat also einen konzeptmetaphorischen Hintergrund,2 und es lohnt sich, darüber nachzudenken, inwieweit dessen Implikationen belastbar sind: Ein Weg auf etwas hin – sagen wir: ein Wanderweg – ist, hat man ihn erst einmal gebahnt, beschreib- und markierbar. Er kann von ganz unterschiedlichen Akteur*innen immer wieder beschritten und bewältigt werden und führt mit einiger Sicherheit immer zum selben Ziel. Diese Hintergrundmetaphorik macht sich die Ratgeber- und Selbstoptimierungsliteratur zunutze; mit Disziplin und der rechten Methode (so wird suggeriert) sei das Erreichen des Ziels – Ordnung auf dem Schreibtisch, der perfekte Körper, gar ein glückliches Leben – nur eine Frage der Zeit.

Nun ist ein fachwissenschaftliches Methodenhandbuch kein Wanderführer und kein Diät-Ratgeber; das, worauf wissenschaftliches Arbeiten zielt, ist komplexer als der ordentliche Schreibtisch und weniger umfassend als individuelles Glück. Tatsächlich jedoch setzt auch die klassische Definition des Historischen Wörterbuchs der Philosophie an dem bestechend konkreten Bild an, welches das griechische Wort transportiert. ‚Methode‘ im engeren Sinne meint, so Joachim Ritter, den „Nachgang im Verfolgen eines Zieles im geregelten Verfahren“.3 Und gerade im 20. Jahrhundert hat sich die Diskussion um das Für und Wider einer spezifischen Methode oder methodischen Arbeitens generell immer wieder an den Implikationen der Metaphorik von Weg und Ziel gerieben: Sei es mit der Annahme, Methoden übertrügen ihre eigene Gleichförmigkeit auf den Gegenstand – so etwa bei Hans Magnus Enzensberger, der unter Aufgreifen des bekannten Sontag’schen Essays „Against Interpretation“4 die martialische Metapher prägt, eine literaturwissenschaftliche Interpretation mache aus einem Gedicht eine Keule –5, sei es mit der Vorstellung, erst mit dem Abweichen vom Weg entstünde neues Wissen oder könne sich das alte verändern (so bei Paul Feyerabend).6

Auch Michel Foucault stellt die Frage nach dem Verhältnis von Weg und Ziel als Vorgehen und Ergebnis der Analyse; er dreht das Konzept um und beschreibt seine Arbeitsweise als ein heuristisches Tasten, das erst ex post, vom Ziel des Weges her, als methodisch rekonstruierbar sei. Die bekannte Beschreibung seiner Schriften als Werkzeugkasten, aus denen sich die geneigte Leserschaft ganz nach akutem Bedarf mit einem Hammer, einer Säge oder einer Zange zu bedienen habe, markiert ein Verständnis vom Methodischen, das die etymologische Grundlage kollabieren lässt.7

Der Frage nach der Methode ist Wissenschaft nach der Postmoderne freilich nicht enthoben; vielmehr sieht sie sich mit der Herausforderung konfrontiert, mit einer Pluralität von Methoden umzugehen und sich in der Frage nach der Methode (und nach dem Methodischen) der eigenen Arbeit immer wieder neu zu positionieren. In erster Linie sehen sich wohl die Geistes- und Kultur-, zuweilen auch die Sozialwissenschaften mit dem Vorwurf eines Fehlens von Methode und Methodik konfrontiert – letztere insbesondere dort, wo sie mit qualitativen Ansätzen oder gar nicht empirisch, sondern in erster Linie reflexiv operieren.8

Wenn einer akademischen Disziplin aus externer Beobachtungsposition die Methode zu fehlen scheint, dann hat das oftmals mit einem normativen und disziplinäre Differenzen nivellierenden Methodenbegriff zu tun. Ein solcher Methodenbegriff ist dann meist entweder (je nach Wissenschaftskultur und Wissenschaftssprache9 möglicherweise wenig adäquat) formallogisch bestimmt oder (nicht weniger problematisch) aus einem unscharfen Alltagsverständnis abgeleitet ist. Wie angedeutet, lässt sich die Theaterwissenschaft, verstanden als ein Kollektivsingular, immer weniger über eine beschränkbare Zahl an Leitparadigmen definieren;10 und die Erweiterung des Spektrums an Theorien und Methoden stellt mit den Analogien, die diese nahelegen, und Optionen des modellhaften Vergleichs den Gegenstandsbereich des Fachs immer neu auf die Probe. Im Folgenden soll entsprechend für die Diskussion eines flexiblen Rahmens optiert werden, innerhalb dessen man von ‚Methode‘ sprechen kann.

Ein generelles Problem der methodischen Diversität der Fächer, die sich als geistes- oder kulturwissenschaftlich verstehen, und ihrer methodologischen Differenz zu den Naturwissenschaften besteht darin, dass in ihnen Sprache nicht so sehr als bloßes Instrument der Distribution von Forschungsergebnissen gedacht wird. Wäre dies so, dann wäre ihr Wissen weitgehend unabhängig von der Darstellungssprache und der konkreten Verbalisierung zu verstehen. Doch in den Geistes- und Kulturwissenschaften erscheint der sprachliche Ausdruck selbst als ein zentrales Forschungsinstrument und als Arbeitsform. Der Innenwahrnehmung einer großen Methodendiversität steht die Außenwahrnehmung einer großen Homogenität geistes- und kulturwissenschaftlichen Arbeitens und seiner Methoden gegenüber: Trotz der Hinwendung zu sozialwissenschaftlich-empirischen und zu nicht-sprachlichen Forschungsmethoden werden weiterhin Texte zu Texten, Aufführungen, Bildern und deren (ästhetischer) Erfahrung produziert, die nicht vorgeben, bloß schriftlich zu fixieren, was sie ja auch tatsächlich erst argumentativ explorieren und erobern.

In der Hochphase der turns in den Geisteswissenschaften, die sich mit der Hinwendung zu den materialen Grundlagen, den pragmatischen Einbettungen und dem Vollzugscharakter ihrer Gegenstände nun emphatisch als Kulturwissenschaften verstanden, hat Harald Fricke auf Fragen nach dem Methodischen außerhalb der empirischen und experimentellen Wissenschaften reagiert.11 Er hat den Vorschlag gemacht, nicht mehr von ‚Methoden‘, sondern von Argumentationsweisen zu sprechen. Damit äußert er sich zwar in erster Linie für seine eigene Disziplin, die Literatur- und Textwissenschaft, argumentiert aber letztlich für die von Dilthey eingeführte Trennung zwischen erklärender Natur- und verstehender, also im weiten Sinne hermeneutisch-interpretierender Geisteswissenschaft:12 Naturwissenschaftliches Arbeiten mache auf dem Wege des Ineinandergreifens von Experiment und Modell, von Erkenntnisinteresse, Erkenntnisweg und Forschungsergebnis, Naturgeschehen nach Möglichkeit als von menschlichem Kulturhandeln unbeeinflusst beschreib- und damit – in pragmatischen Grenzen – auch vorhersagbar. Demgegenüber sei es Ziel und Aufgabe der Geisteswissenschaft, an der Multiperspektivität allgemeinen und speziellen Weltverständnisses zu arbeiten: Komplexität nicht zu reduzieren, sondern zu transformieren. Ein im strengen Sinne methodisches Vorgehen sei entsprechend genuin naturwissenschaftlich.13

Schon mit den wissenschaftstheoretischen Überlegungen Karl Poppers und seiner falsifikationistischen Erkenntnistheorie,14 erst recht aber im Kontext aktueller Inter- respektive Transdisziplinaritätsparadigmen,15 verliert diese Differenzierung an Überzeugungskraft. Längst ist sich auch experimentelle Forschung darüber im Klaren, dass ihre Ergebnisse nicht für sich selbst sprechen, sondern interpretiert und vermittelt werden wollen; dass schon Beobachtung Naturgeschehen kulturell rahmt und modifiziert. Der Blick auf gängige quantitativ wie qualitativ-empirische sozialwissenschaftliche Arbeitsweisen lässt die überkommene Dichotomie vollends kollabieren – dass Interviews, Testungen und Statistiken wesentlich bestimmt sind durch das Erkenntnisinteresse ihrer Entwickler und zudem im Ergebnis der Interpretation bedürfen, liegt auf der Hand.16

Auch für die kulturwissenschaftliche Forschung – und so auch für die Theaterwissenschaft – macht die klassische Dichotomie in der Praxis nur bedingt Sinn. Das wird schon angesichts des Spektrums, das die Beiträge des vorliegenden Bandes eröffnen, offensichtlich: Denn in der Theaterwissenschaft, aber nicht weniger in benachbarten Fächern spielen zunehmend auch experimentelle und empirische Methoden eine nennenswerte Rolle.17 Und dass solche Methoden in einem anderen Sinne methodisch sein können, wollen und sollen, als etwa eine von phänomenologischen Leitparadigmen her strukturierte Aufführungsanalyse, liegt auf der Hand. Die Theaterwissenschaft zeichnet sich zudem dadurch aus, dass sie Methoden auf der Objektebene als Forschungsmethoden ernst zu nehmen und in diesem Sinne in einen Dialog mit ihrem Gegenstand zu treten gelernt hat.18

₺2.072,02
Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
0+
Hacim:
771 s. 19 illüstrasyon
ISBN:
9783823302278
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip