Kitabı oku: «NECROSTEAM», sayfa 5

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Roxane Bicker: Der schwarze Obelisk

»Außerdem ist es denkbar, dass die alten Ägypter auch bei der Errichtung ihrer weiteren großartigen Bauwerke Unterstützung von Wesen hatten, die nicht von dieser Welt sind …«

Aus der Abhandlung von Prof. Doktor Dornall McAlber über den Bau der Pyramiden von Giza, London, 1861

»Wir sollten umkehren.« Kapitänin Adara starrte in das rotgoldene Licht der untergehenden Sonne. Unter ihnen zog die schier unendliche Wüste vorüber. Dann wanderte ihr Blick zu El neben sich.

»Mitnichten«, raunte El. »Bald haben wir unser Ziel erreicht.«

»Welches Ziel? Hier ist nichts. Nichts! Die Hälfte unseres Treibstoffes ist bereits verbraucht. Wir müssen umkehren!«

El erhob die Stimme nicht. »Ich gab den Auftrag zu dieser Reise. Sie unterzeichneten den Kontrakt. Verlässt Sie jetzt etwa Ihr legendärer Wagemut? Wir setzen die Fahrt fort, bis wir das Ziel erreichen.«

»Mein Wagemut hat nichts damit zu tun. Aber ich muss auch an das Wohl meiner Mannschaft denken!«

»Ihrer Mannschaft? Ausflüchte! Ihre Mannschaft besteht aus einem verrückten Maschinisten, der nie ans Tageslicht kommt, und einem Schiffsmädchen, das statt zu arbeiten, lieber wie ein Affe in den Wanten herumklettert.«

Adara wandte sich um, drehte El den Rücken zu und ignorierte das abgehackte Schnaufen, das sie mittlerweile als Els Lachen kannte.

El hatte recht. Und sie selbst? Schlug sämtliche Warnungen in den Wind. Ignorierte alle, die ihr Schauergeschichten über diese seltsame Person namens El berichteten. Jeder kannte El, aus Zeitungen, aus Radioberichten. Niemand wusste, wer El war, wie dieser Mensch wirklich hieß. Nur, dass El unglaublich reich und abenteuerlustig sei: El rüstete eine Unterwasserexpedition aus, um nach Atlantis zu suchen. Stieß auf einer Insel im ewigen Eis auf die Nachfahren der Wikinger. Fand im Dschungel Südamerikas uralte Städte. Aber ob man diesen Erzählungen und Berichten Glauben schenken mochte? Was entsprach der Realität und was nur sorgfältig gestreuten Gerüchten?

Und doch zögerte die Kapitänin keinen Moment, als Els Ansuchen sie erreichte. Sie dachte, nein, hoffte, Teil einer Heldenlegende zu werden. Adara, in einem Atemzug genannt mit El! Und natürlich spielte die in Aussicht gestellte Entlohnung auch eine Rolle. Geld, das sie dringend brauchte. Für Yor, den Mechaniker. Für Cory, das Schiffsmädchen. Und für ihre persönliche Eitelkeit. Sie gedachte, es allen zu zeigen! Ob sie dieses Mal zu viel gewagt hatte?

»Da ist es«, hauchte El kaum vernehmbar und riss Adara aus ihren Gedanken. Els deutender Finger wies auf einen Strich, der die sinkende Sonne am Westhorizont entzwei teilte, und sich inmitten des gleißenden Lichts abzeichnete, als schlucke er alle Helligkeit. Der Kapitänin rann ein eisiger Schauer über den Rücken.

Als die Sonne hinter dem Horizont verschwand, erreichte das Luftschiff seinen Bestimmungsort. Adara stieg unter Deck, um das Gefährt auf festen Boden zu bringen.

Das riesige Monument erhob sich draußen vor ihr und ragte in den sich rasch verdunkelnden Himmel. Es handelte sich um einen Obelisken, aber einen, wie ihn die Kapitänin nie zuvor sah. Während ihre Stiefel im weichen Wüstensand versanken, versuchte sie, mit in den Nacken gelegtem Kopf, seine Spitze zu erspähen.

»Zweiundvierzig Meter hoch«, raunte El hinter ihr, nur eine körperlose Stimme in der Dunkelheit. »Der größte Obelisk, den man je in Ägypten erblickte. Und wir haben ihn entdeckt. Meinen Glückwunsch, Kapitänin.«

»Wir befinden uns längst nicht mehr in Ägypten, sondern im Niemandsland.«

Wie mit Anbruch der Nacht in der Wüste üblich, senkte sich nun binnen Minuten Finsternis herab. Nur das Band der Milchstraße warf sein schwaches Licht auf den Sand. Dennoch vermochte die Kapitänin den Obelisken wahrzunehmen. Er war schwarz, schwärzer als finsterste Nacht. Schwärzer als tiefste Düsternis. So schwarz, dass er vor dem Himmel wie ein Nichts wirkte und jegliches Licht aufzusaugen schien.

»Und«, fuhr Adara fort, »mir begegnete auch in Ägypten nichts Vergleichbares. Was ist das für ein Stein? Und warum erbaute man den Obelisken so weit draußen in der Wüste? Hier gibt es keine Oase, keinen Handelsweg, nichts! Wie gelangte man überhaupt hierher?«

»Fragen, Kapitänin, Fragen. Fassen Sie sich noch bis morgen in Geduld. Dann werden wir das Geheimnis des schwarzen Obelisken erkunden.«

Als Kapitänin Adara am Morgen das Schiff verließ, ragte der Steinpfeiler unverändert wie ein Block manifestierter Nacht in den blauen Himmel. Das Sonnenlicht scheute den seltsamen Stein, ja schien geradezu um ihn herumzufließen. In der Helligkeit wirkte er matt, fast stumpf, und in seiner Oberfläche befanden sich eingeritzte, fremdartige Glyphen.

Zwischen den Dünen lugten vereinzelte Ruinen aus dem Sand, abgebrochene Säulen, Mauerreste von Wänden und Gebäuden, gefertigt aus demselben schwarzen Material, doch alles präsentierte sich undekoriert. Nirgendwo fanden sich Bilder oder weitere Inschriften. Kein Hinweis auf den ursprünglichen Nutzen. Die Kapitänin wanderte inmitten der Ruinen umher, aber sie mied es, die Steine zu berühren. Zu fremdartig erschienen sie ihr.

Schließlich kehrte sie zum Schiff zurück, wo die Crewmitglieder sich bereits erhoben hatten. Cory baute laut Anweisung der Kapitänin im ersten Licht des Morgens die große Sendeantenne auf einer nahen Düne auf. Auch wenn man sich hier draußen mitten in der Wüste befand, wollte Adara die Verbindung zum Rest der Welt nicht abreißen lassen.

El stand an Deck und betrachtete die Arbeit des Mädchens interessiert. Möglicherweise interessiert, dachte die Kapitänin, denn Els Gesicht spiegelte keine Regung. Sie konnte diese Person nicht einschätzen. Zu verschlossen und eigenbrötlerisch.

»Wie sehen Ihre Pläne aus?«, fragte Adara, als sie das Deck erreichte. »Sollen wir den Standort des Obelisken vermessen, ihn in die Landkarte eintragen und wieder zurückfliegen? Oder haben Sie noch mehr vor?«

Ein schwaches Lächeln umspielte Els Lippen. »Nun, Sie untersuchten die Ruinen. Was denken Sie, Kapitänin?«

»Dass Sie hier noch lange nicht fertig sind.«

»Korrekt.«

Es zeigte sich, dass in den Kisten, die El mit an Bord gebracht hatte und die seit ihrem Start in Theben sorgfältig gesichert im Lagerraum verstaut warteten, eine vollständige Grabungsausrüstung lagerte.

Bald schon stand am Fuße des Obelisken ein Schatten spendendes Zelt, in dem El sich niederließ. Cory und die Kapitänin entledigten sich ihrer Jacken und gruben im Schweiße ihres Angesichts. Der Maschinist ließ sich nicht blicken. Freiwillig verließ Yor das Schiff nicht. So lag die Arbeit allein in ihrer beider Hände. Jedes Mal, wenn das Blatt ihrer Schaufel über den schwarzen Stein kratzte, zuckte Adara zusammen. Es klang nicht wie Stein, sondern wie ein sanftes Singen. Ein hauchzartes Geräusch, das so gar nicht zu der finsteren Beschaffenheit zu passen schien. Jedes Mal ruckte Els Kopf hoch. Und El lächelte.

In der größten Mittagshitze zogen sie sich unter Deck zurück. Wie gern hätte die Kapitänin ein kühles Bad genommen, um Schweiß und Sand abzuspülen. Aber Wasser war kostbar in der Wüste. So legte sie ihre Kleidung ab, griff zu einem Schaber und kratzte sich den Schmutz von der Haut. Dann schlüpfte sie in eine leichte Robe, setzte sich an ihren Schreibtisch und verfasste sorgfältig ihren täglichen Logbucheintrag. Schrieb alles Gesehene und Getane nieder und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Endlich schloss sie das Buch, versiegelte den Verschluss und legte es in die Schublade.

»Wie viel Treibstoff haben wir noch?«, fragte sie, ohne sich umzuwenden. Yor befand sich schon länger in ihrer Kabine. Zwar hörte sie ihn nicht eintreten, zu leise bewegte er sich, aber der Geruch von Fettschmiere, Ruß und Metall haftete unauslöschlich in seinen Poren und umgab ihn wie eine Aura.

»Weniger als die Hälfte.«

»Schaffen wir es zurück nach Theben?«

»Wahrscheinlich nicht.«

»Dann werden wir eine der Oasen ansteuern müssen, auch wenn sie unter Belagerung stehen. Wir brauchen einen Plan. Aktiviere den Sender und nimm Verbindung auf. Halte dich bereit.«

Am Nachmittag gruben sie unermüdlich weiter.

El machte nach wie vor keinerlei Anstalten, sich an der Arbeit zu beteiligen, saß lediglich beobachtend im Schatten auf einem Faltstuhl. Doch dieser Blick vermittelte Antrieb genug.

Unerbittlich, dachte Adara, als sich erste blutige Handabdrücke am Griff ihrer Schaufel zeigten. Wie Pharao, der seine Arbeiter beim Bau der Pyramide beaufsichtigt. Doch es sollte ihr recht sein. Solange El sich hier aufhielt, konnte El sich nicht in anderes einmischen. So blieb der Maschinist ungestört, um seiner Arbeit nachzugehen.

Einen Moment lehnte sich die Kapitänin erschöpft auf ihre Schaufel. Hoffentlich war dies alles die Mühen und den Lohn wert. Was suchte El hier eigentlich? Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sah es nicht aus, hier wurde weder dokumentiert noch fotografiert. Befanden sie sich auf der Suche nach Schätzen? Wozu? El besaß bereits alles nur Vorstellbare an Reichtümern.

Die Kapitänin wischte sich den Schweiß von der Stirn und hinterließ stattdessen einen blutroten Streifen. Neben ihr klirrte es. Cory ließ vor Schreck ihr Werkzeug fallen. Sie hatte eine Stufe entdeckt. Und wo eine Stufe hinab führte, da gab es sicher noch weitere. Eine Treppe.

El erhob sich.

»Interferenzen.«

»Was soll das heißen?« Die Kapitänin verband sich in ihrer Kabine die geschundenen Handflächen und schaute den Maschinisten nicht an.

»Keine Verbindung. Blockiert. Irgendwas stört.«

»Und was? Außer uns ist hier keine Menschenseele!«

Yor antwortete nicht, aber als Adara dann doch den Kopf hob, registrierte sie, dass er zur Bordwand blickte. Zum Obelisken. Als erschaue er ihn durch die Planken hindurch.

»Der Obelisk? Das ist nicht dein Ernst! Wie sollte das möglich sein?«

Yor schwieg, hob nur kurz die Schultern, und die Kapitänin zischte ungeduldig.

»Wahrscheinlich nur Sand in der Maschinerie. Schick das Mädchen raus, damit sie alles nochmals überprüft. Oder, in Dreiteufelsnamen, gib dir einen Ruck, geh und schau selbst nach! Nur bring das Ding zum Laufen.«

»Wird nicht passieren.« Der Maschinist drehte sich um und verließ ihre Kabine. Nachdenklich blickte ihm die Kapitänin hinterher.

»Das Ende ist die Urfinsternis.«

Aus einem altägyptischen Jenseitsführer, um 1450 v. Chr.

Sie stand inmitten der Wüste unter endlosem Sternenhimmel. Die Kapitänin wandte sich um, doch ihr Schiff und auch der schwarze Obelisk waren verschwunden. Sie war allein. Verlassen. Plötzlich verschwamm ihre Umgebung, waberte in rauchigem Nebel, ließ sie für einen Moment orientierungslos zurück.

Als sich Adaras Blick klärte, breitete sich kühler Stein statt Wüstensand unter ihren Füßen aus. Bunt geschmückte Säulen einer weitläufigen Palasthalle wuchsen aus dem Boden. Am Ende ein Podest mit einem hohen Thron. Dort saß Pharao. Scharf geschnittene, schmale Gesichtszüge und dunkle Augen wie aus Obsidian. Auf seinem Haupt die rot-weiße Doppelkrone Ägyptens. In den Händen Krummstab und Wedel. Sein Blick ruhte nur auf ihr allein, drang bis in die tiefsten Abgründe ihrer Seele. Schenkte den vor ihm Liegenden, mit auf den Boden gepresster Stirn, keine Beachtung. Sie schienen nur Beiwerk. Adara schauderte, wollte sich verstecken, verbergen, doch wo?

Erneut stieg Nebel auf, die Szene verschwamm. Als sie ihr Umfeld wieder erkennen konnte, stand sie auf einem Schlachtfeld, Blut umströmte ihre Füße. Leichen Gefallener stapelten sich. Über diese hinweg schritt Pharao. Mit der Andeutung eines Lächelns auf seinen schmalen Lippen. Schenkte den Leichnamen keinen Blick. Leben und Tod seiner Untertanen waren ihm gleichgültig. Und doch, und doch fühlte sie sich auf seltsame Art und Weise von ihm … angezogen. In seinen Augen funkelten Macht und Wissen. Und das Versprechen, alles mit ihr zu teilen. Adara trat einen Schritt vor und streckte die Hand nach ihm aus. Doch erneut verschluckte sie der Nebel.

Ein drittes Mal klärte sich ihr Blick. Wieder stand sie in der Wüste. Auf einer Düne. Vor ihr ragte der Obelisk empor. Ein Heer von Menschen zog durch den Sand, transportierte einen goldenen Sarkophag in seiner Mitte. Einer nach dem anderen verschwanden sie unter dem Steinpfeiler, bis Adara schließlich ganz allein in der Wüste stand.

Als sie die Augen aufschlug, empfand sie für einen Moment Orientierungslosigkeit. Ihr Körper lag flach auf dem Rücken. Verschwunden der Sand, doch Dunkelheit umgab sie. Umhertastend erfühlte sie Stoff. Holz. Ihre Koje. Ihre Kabine.

Es war finster, stickig und heiß. Die Bettdecke klebte ihr am Körper. Ihre Hände schmerzten. War es Tag? War es Nacht? Vorsichtig streckte sie die Finger aus, weiter, und fand endlich das Licht. Ein Blick auf die Uhr verriet die Stunde des Wolfes. Mitten in der Nacht. In der Wüste. Ohne genügend Treibstoff für die Rückkehr. Ohne Verbindung zur Außenwelt. Beim Obelisken.

Stöhnend ließ sich die Kapitänin in ihr Kissen zurücksinken und starrte an die Decke. Pharao. Was für ein seltsamer Traum. Wohin hatte sie diese Nacht gebracht? Hatte sich das Volk gegen seinen Herrscher erhoben? War der Obelisk dort draußen ein Grabmal? Auf ewig verbannt in die lebensfeindliche Wüste? Gebannt im Diesseits und dem Jenseits?

»Fragen, Kapitänin, Fragen«, vermeinte sie Els spöttische Stimme zu vernehmen. Nur Einbildung.

Schließlich schälte sie sich aus den Laken, warf sich ihre Robe über und stieg an Deck. An Schlaf war nicht mehr zu denken.

Die eiskalte Nachtluft der Wüste jagte ihr eine Gänsehaut über den Körper und ließ sie frösteln. Leise huschte Adara über das Deck bis zum Bug.

Zusammengerollt wie ein kleines Tier lag dort das Mädchen schlafend zwischen den Tauen. Vorsichtig stieg die Kapitänin über Cory hinweg, kletterte auf die Reling und ließ sich langsam, Hand für Hand, an der Außenwand hinab, bis ihre bloßen Füße im Sand versanken.

Sie stieg die Düne empor, wo sich gegen den Nachthimmel die aufgespannte Sendeantenne abzeichnete. Ein winziger goldener Lichtpunkt an ihrem Gestänge blinkte auf. Verlosch. Blinkte auf. Verlosch. Wie das ferne Strahlen eines Leuchtturmes. Adara sank auf die Knie, öffnete die Wartungsklappe und entfernte mit zusammengebissenen Zähnen die Bandagen an ihren Händen. Es galt, fühlen zu können. Behutsam tasteten ihre Finger über Kabel und Verbindungen. Zartes Kribbeln an ihren Fingerspitzen verriet, dass der Saft ungestört durch die Leitungen strömte. Die Batterie war prall gefüllt, Cory hatte gute Arbeit geleistet. Die Antenne funktionierte nach Vorschrift. Vorsichtig drückte die Kapitänin die Klappe wieder zu, griff nach der Kurbel und drehte den Schirm. Hierhin. Dorthin. Steiler. Flacher. Nichts. Nur leises, statisches Rauschen.

Interferenzen, behauptete Yor. Woher wollte er das wissen, wenn er nicht selbst nachgeschaut hatte? Nur aus dem Statusbericht des Mädchens? Wohl kaum. Hatte er es selbst geprüft? Wohl kaum.

Langsam bewegte die Kapitänin den Schirm in Richtung des Obelisken, der, wie schon in der Nacht zuvor, gleich verdichteter Schwärze in der Dunkelheit prangte. Ein Nichts in der Finsternis. Zartes Rauschen begleitete die Bewegung, doch als das Zentrum des Schirmes mit der Spitze des Obelisken in einer Flucht lag, mischte sich eine Art knistriges Flüstern hinzu. Die Kapitänin hielt inne, kroch näher an den Lautsprecher heran. Raunen, Wispern, Sirren, doch keine Worte. Aber eines schien sicher: Der Maschinist hatte recht. Interferenzen. Der Obelisk selbst war ein Sender.

Unsicher blickte die Kapitänin wenig später die am Vortag freigelegten Stufen hinunter. Bisher hatte sie jeglichen Kontakt mit dem seltsam schwarzen Stein vermieden, den Obelisken oder die Ruinen nicht einmal mit den Fingerspitzen berührt. Und hier stand sie nun, getrieben von Neugier, von ihrem Traum. Barfuß, nur mit einer dünnen Robe bekleidet. Noch einmal zum Schiff zurück, um sich anzuziehen? Ein flackerndes Licht in der Tiefe enthob sie dieser Entscheidung. Sie setzte den Fuß auf den schwarzen Stein.

Prickeln zuckte durch ihren Körper, nicht unähnlich der Gänsehaut durch die Nachtluft, oder dem Saft der Batterie, der an ihren Fingerspitzen geleckt hatte. Druck legte sich auf ihre Ohren, wie bei zu raschem Aufstieg mit dem Schiff. Dann war es vorüber. So schnell, dass sie schon meinte, sich getäuscht zu haben. Aber das Wispern ertönte wieder. Ein Schnarren, Schnalzen, Klacken. Sie hörte es jetzt viel deutlicher als zuvor, jedoch nicht mit ihren Ohren, sondern direkt in ihrem Kopf. Halbherzig zog Adara den zweiten Fuß nach und setzte ihn auf die Stufe. Die Töne erklangen lauter, doch noch immer nicht verständlich. Aber wenn sie nur ein wenig näher käme, nur ein kleines Stückchen, dann würde sie die Laute zu Worten, zu Sätzen zusammenordnen können. Dann würde sie sie verstehen. Verstehen, was sie sagten.

Im nächsten Augenblick eilte die Kapitänin die Stufen hinab, dem Lichtschein aus der Tiefe entgegen.

Es wunderte Adara nicht, die Wand nicht mehr vorzufinden, die sich noch am Vorabend am Fuße der Treppe befand. Und auch nicht, dass El bereits vor ihr hergekommen war, und der Lichtschein von einer Lampe stammte, die El auf den Boden gestellt hatte. Ein Summen breitete sich im Kopf der Kapitänin aus, ein schwebender Ton, in den sich körperlose Stimmen mischten. Lauter, immer lauter, bis sie zu einem Dröhnen anschwollen, zu einem Schrei. Dann Stille.

Auf den Knien, die Hände auf die Ohren gepresst, fand sich Adara wieder. Auf ihren Lippen noch der letzte Rest des Schreis, den sie selbst ausgestoßen hatte.

»Ja, zu Anfang wirkt es ein wenig überwältigend.« Els ruhige Stimme füllte den Raum aus.

Die Kapitänin ließ den Kopf auf die Knie sinken, rollte sich ein, ganz bei sich. Richtete sich erst auf, als sie Els Finger auf dem Rücken spürte.

»Es ist etwas unvorsichtig, sich ihnen gleich vollständig zu öffnen. Und hätte ich gewusst, dass Sie so empfänglich dafür sind, hätte ich eher geeignete … Maßnahmen getroffen. Was haben Sie sich nur dabei gedacht?«

»Was … was geschieht hier? Wo sind wir hier?« Erst jetzt schaute sie sich um. Das flackernde Licht der Laterne vermochte den Raum nicht auszuleuchten, seine tatsächlichen Ausmaße verschmolzen mit der Dunkelheit. Über ihnen erstreckte sich eine Decke, schwarz und lichtschluckend wie der Obelisk. Es vermittelte den Eindruck, als blicke man in die Unendlichkeit. Schnell wandte die Kapitänin die Augen wieder ab. Dort musste die Basis des Steinpfeilers sein. Der Blick auf den Boden erwies sich jedoch nicht als besser: Ebenfalls beschaffen aus dem schwarzen Stein, schien es ihr, als ob sie über einem Abgrund schwebte. Zögernd streckte Adara die Finger aus, berührte die endlose Finsternis zu ihren Füßen. Sofort setzte das Flüstern wieder ein. Ihre Hand zuckte zurück. Stille. War es der Stein selbst, der sprach?

El stieß ein leises, glucksendes Lachen aus und entledigte sich der Jacke. »Stellen Sie sich darauf, Ihre Robe wird sie nicht lange abhalten. Wie kamen Sie eigentlich auf die absurde Idee, halb nackt hier herabzusteigen?«

Die Kapitänin erhob sich unsicher. Sobald ihre Füße den Boden berührten, ertönten die Stimmen und verstummten erst, als sie auf dem rauen Stoff der Jacke stand.

»Ich hatte einen seltsamen Traum und konnte nicht wieder einschlafen.« Selbst in ihren Ohren hörten sich diese Worte unglaubwürdig an. Sie stotterte ja herum wie eine Leichtmatrosin auf erster Fahrt!

Dann wurde ihr bewusst, dass El ihre Fragen nicht beantwortet hatte. Adara schloss die Augen und versuchte, wieder zu sich selbst zu finden. Entschlossen straffte sie die Schultern und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.

»Und was tun Sie hier mitten in der Nacht?«, verlangte sie zu wissen.

Ihr Gegenüber trat ihr so nahe, dass sich beinahe ihre Nasenspitzen berührten. Nur mit Mühe wich die Kapitänin nicht zurück.

»Bleiben Sie dort stehen und rühren Sie sich nicht. Ich brauche Sie noch. Und schweigen Sie. Glauben Sie mir, es ist besser für Sie.«

El wandte sich um, hob die Laterne auf und wurde bald darauf von der Dunkelheit verschluckt. Die Kapitänin blieb allein in der Finsternis zurück.

Adara starrte in die Schwärze, die sie umgab. War diese Kammer der Ort, wohin die Menschenmenge den goldenen Sarkophag brachte? Eine Begräbnisstätte? Suchte El den Pharao?

Fragen, Kapitänin, Fragen, hallte es in ihrem Kopf.

Lange hielt sie es nicht aus, einfach nur tatenlos in der Dunkelheit zu verharren. Vorsichtig streckte sie den Fuß aus, ertastete das Ende des Stoffes. Berührte mit den Zehen den Steinboden. Sofort brodelten Laute in ihrem Kopf. Erstarben, als sie den Fuß zurückzog. Ihr Herz raste und sie atmete keuchend. Sie wollte den Stimmen lauschen, sie verstehen, aber auf diese Weise schien es nicht möglich. Über kurz oder lang würde sie sich wieder schreiend auf dem Boden wälzen. Sie musste zurück zum Sender, brauchte Unterstützung. Langsam drehte sie sich um die eigene Achse. Dunkle, lichtschluckende Schwärze nahm ihr die Orientierung. Doch da drüben gab es eine Stelle, weniger finster als die Umgebung. Der Ausgang? Langsam ließ sie die Robe von den Schultern gleiten, breitete sie auf dem Boden vor sich aus und trat darauf. Jacke und Robe abwechselnd vor sich ablegend, arbeitete sie sich bis zur Treppe vor. Atmete schließlich im Freien erleichtert auf.

Das erste fahle Dämmern des Morgens verfärbte den Himmel zu einem bleiernen Grau, doch ihren Augen erschien es hell wie der lichte Tag. Die kühle Luft kitzelte auf ihrer nackten Haut. Rasch schlüpfte sie in ihre Robe, und warf zusätzlich Els Jacke über. Durch den Wüstensand hetzte sie zur immer noch auf die Spitze des Obelisken gerichteten Sendeantenne, öffnete mit zitternden Fingern die Wartungsklappe, riss die Aufnahmespule heraus und rannte zum Schiff. Wie viel Zeit blieb ihr, bis El ihr Verschwinden bemerkte?

»Ich bin mir darüber im Klaren, was die meisten Menschen von einem Mann denken, der davon berichtet, ›Stimmen zu hören‹.«

Aus »Der Flüsterer im Dunkeln« von H. P. Lovecraft, 1930

Ein Tritt in die Rippen weckte das Schiffsmädchen. Keine Zeit für Befindlichkeiten! Schon riss die Kapitänin Cory hoch und zerrte sie mit sich unter Deck.

Yor saß in der Dunkelheit des Maschinenraums. Nur das Feuer der brennenden Öfen beleuchtete seine Züge. Er blickte auf, als Adara hineinstürmte, gleichzeitig das Mädchen von sich stieß, sodass es taumelte und sich nur mit Mühe abfing.

»Es sind nicht nur Interferenzen«, keuchte die Kapitänin. »Der Obelisk selbst ist ein Sender. Ich muss wissen, was die Stimmen sagen. Ich muss sie verstehen!« Sie riss die Spule aus der Tasche und hielt sie dem Maschinisten hin.

Stumm schaute er die Kapitänin an. Machte keine Anstalten, das Bauteil entgegenzunehmen. Seine Augen glitzerten im düsteren Licht. Langsam schüttelte er den Kopf.

»Was?«, schnappte sie ungeduldig. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Cory sich duckte und versuchte, mit der Dunkelheit zu verschmelzen.

»Du willst nicht wissen, was sie sagen.«

»Bitte?« Ihre Hand sank herab. »Wie meinst du das?«

Seine Augen schlossen sich, und er wandte den Kopf ab. Kein weiteres Wort kam über seine Lippen.

»Es reicht!« Adara stopfte die Spule in die Jackentasche, packte das Mädchen am Handgelenk und öffnete die Tür. »Mitkommen, alle beide.« Zügig eilte sie voraus, Cory stolperte hinter ihr her. Die schweren Schritte des Maschinisten folgten.

In ihrer Kabine drehte sie das Licht auf, und wies auf einen Stuhl, auf den sich das Mädchen kauerte. Yor verharrte in der Tür, die Mütze tief ins Gesicht gezogen.

»Setzen.«

Widerstrebend gehorchend rückte er seinen Stuhl jedoch so weit zurück, dass er am Rande des Lichtscheines saß und fast schon mit den Schatten verschmolz.

»Was geht hier vor?« Mit auf den Tisch gestützten Fäusten beugte sich Adara vor. Sah erst dem Mädchen in die Augen, hielt dann den Blick des Maschinisten fest.

Im gleichen Moment ging ihr auf, nicht gerade Respekt einflößend auszusehen, barfuß, die Haare wirr. Die hastig übergeworfene Robe und Els Jacke bedeckten ihren Körper nur unzulänglich. Nun, Yor würde das nicht stören. Sie hatten schon so viel miteinander durchgemacht, zusammen in Schützengräben gelegen, damals, bevor …

»Es war nicht geplant, dass Sie sich einmischen«, erklang Els Stimme hinter ihr. »Und ich bat Sie doch, sich nicht vom Fleck zu rühren. Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihrem vorschnellen Handeln das ganze Projekt in Gefahr bringen?«

»Welches Projekt?«, schrie die Kapitänin. »Was, zum Teufel, geschieht hier?«

Nur Schweigen antwortete ihr. Cory betreffend verwunderte das nicht, die schwieg immer. Aber Yor wich ihrem Blick aus. Wortlos rückte El die Krawatte zurecht.

Die Kapitänin wartete einige Momente.

»Nun gut«, sagte sie schließlich möglichst ruhig und besonnen. »Nun gut.«

Sich von den dreien abwendend, ging sie zu ihrer Koje im hinteren Teil der Kabine. Zog dort Robe und Jacke aus, legte beides sorgfältig zusammen, und dann auf die noch immer zerwühlte Decke. Schlüpfte in Hemd, Hose und Uniformjacke. Ihren zerschundenen Händen fiel es schwer, die Knöpfe zu schließen. Schließlich wickelte sie saubere Leinenbandagen um die Handflächen, streifte ein Paar Lederhandschuhe über und bürstete ihr Haar. Zuletzt zog sie die Aufnahmespule aus der Jackentasche.

Gemessenen Schrittes kehrte sie zurück, stellte sich vor den Tisch, legte die Spule darauf und verschränkte die Hände auf dem Rücken. Auch El hatte inzwischen auf einem der Stühle Platz genommen, die Beine lässig übereinandergeschlagen und den Blick sinnend zur Decke gerichtet.

»Fangen wir also noch einmal ganz von vorne an.« Kapitänin Adara schaute nacheinander Cory, Yor und schließlich El an. »El, Sie scheinen mir über den Zweck der Reise nicht ganz die Wahrheit gesagt zu haben.«

»Kapitänin …« El wandte den Blick nicht von der Decke. »Das ist nicht ganz richtig. Zweck dieser Reise ist, wie auch in unserem Kontrakt geregelt, dass Sie mich an einen von mir bestimmten Punkt in der westlichen Wüste bringen. Das ist geschehen.«

»Und der Obelisk? Die Ausgrabung? Die unterirdische Kammer? Die …«, Adara räusperte sich und senkte die Lautstärke, »die Stimmen? Was ist damit?«

El legte die Fingerspitzen aneinander und schaute Adara nun doch an. »Es gibt hier für mich einige Dinge zu erledigen. Angelegenheiten, die Sie eigentlich nicht betreffen sollten. Es war geplant, dass ich vor Sonnenaufgang zurückkehre. Dass wir heute Morgen bei Fortsetzung der Grabung feststellen, dass sich die Tür am Fuß der Treppe leider nicht öffnen lässt. Und dass wir dann den Rückweg antreten.« El zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht erwartet, dass Sie mich unterbrechen, und außerdem eine solche Affinität für den Ruf besitzen. Doch wieso überrascht es mich eigentlich? Vielleicht besteht darin der Grund, weshalb Sie sind, wer Sie sind. Und warum …«, El lachte abgehackt, nur ein kurzes Schnaufen, »… warum das Schicksal uns zusammenführte.«

»Sie reden, aber Sie sagen nichts, El. Ich verlange zu erfahren, was Sie dort unten getan haben. Suchten Sie nach dem goldenen Pharao, nach seinem Grab? Ich will wissen, was es mit diesem Ort auf sich hat.«

»Nein, Ada, willst du nicht.« Es war Yor, der gesprochen hatte. Die Kapitänin fuhr zu ihm herum. Sie hatte seine Anwesenheit fast schon vergessen. Er war mit seinem Stuhl so weit zurückgewichen, dass ihn der Lampenschein nicht mehr erreichte. Nur eine Stimme und ein Augenpaar in den Schatten.

»Wie bitte?« Die Kapitänin zweifelte einen Moment, ihn richtig verstanden zu haben.

Seine Hand streckte sich ins Licht und hieß sie mit einer Geste zu schweigen. Seine Worte richteten sich an El. »Hast du erreicht, weswegen du hergekommen bist?«

»Natürlich.« El ließ die Kapitänin nicht aus den Augen. »Aber sie …«

»Nein«, unterbrach der Maschinist. »Nein. Ich schaute einst in diesen Abgrund. Diese Erinnerung ließ mich nie wieder los. Ada hingegen gelang es einmal, sich davon zu lösen – auch wenn sie es vergessen hat. Es wird ihr auch ein weiteres Mal gelingen. Lass sie ihr Leben in Unwissenheit führen, ich bitte dich.«

Die Kapitänin blickte zwischen den beiden hin und her. Der Inhalt dieses Gesprächs entzog sich völlig ihrem Verständnis und ging offensichtlich an ihr vorbei. Schon öffnete sie den Mund, um zu fragen, hob die Hand, um auf den Tisch zu schlagen und die ihr gebührende Aufmerksamkeit einzufordern.

El stand auf. »Ich befürchte, dafür ist es bereits zu spät.«

Ein Beben durchlief das Schiff und ließ es zittern.

»Ich bin das Gestern, das Heute und das Morgen, und ich habe die Macht, auch ein zweites Mal geboren zu werden.«

Aus dem altägyptischen Totenbuch, um 1500 v. Chr.

Die ersten Strahlen der Morgensonne krochen über den Horizont und ließen den Wüstensand golden glitzern. Wieder schüttelte sich das Schiff.

Den Schmerz in ihren Handflächen ignorierend, klammerte sich Adara an die Reling, um auf den Beinen zu bleiben.

Rings umher befand sich die Wüste in Bewegung. Dünen flossen gleich Meereswellen, begruben längst die Sendeantenne. Immer mehr der schwarzen Ruinen tauchten aus dem Sand auf, während gleichzeitig ein seltsam bläuliches Leuchten über die Glyphen des Obelisken zuckte.

»Ich bat den Maschinisten, das Schiff zu starten.« Els leise Stimme erklang hinter der Kapitänin. Wie zur Bestätigung spürte sie das Summen des Antriebs unter ihren Füßen. »Sie sollten sich schleunigst an die Steuerung begeben, um das Schiff fortzubringen. Stoppen Sie in sicherer Entfernung.«

Adara vermochte sich kaum von dem Anblick des vorherrschenden Chaos loszureißen. Die gesamte Ruinenanlage geriet in Bewegung! Stieg empor, befreite sich aus der Tiefe.

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