Kitabı oku: «Neue Theorien des Rechts», sayfa 7

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|67|Post-Juridische Rechtstheorien: BenjaminBenjamin, Walter, MenkeMenke, Christoph, LoickLoick, Daniel

Hannah Franzki

A. Einleitung

Der Begriff der »post-juridischen Rechtstheorie« bezeichnet keinen einheitlichen Strang der Theoriebildung. Er entspringt auch keiner eigenen Definition der hier vorgestellten Autor*innen. Vielmehr dient er im vorliegenden Text dazu, drei unterschiedliche Rechtstheorien im Hinblick auf einen bestimmten Gesichtspunkt vorzustellen: Die hier diskutierten Ansätze verbinden RechtskritikRechtskritik mit einer Bewegung, die auf eine entscheidende TransformationTransformation der modernen, westlichen Rechtsordnung abzielt, auf eine Ordnung nach dem JuridismusJuridismus. Post-juridisch sind diese Theorien auch insofern ihr Blick auf das Recht und seine Beschreibung von einem Ort außerhalb des geschlossenen juridischen Diskurses, nämlich aus der Philosophie, der Sprach- oder den Sozialwissenschaften, erfolgt.

So wenig wie die hier vorgestellten kritischen Rechtstheorien für sich selbst den Sammelbegriff »post-juridisch« beanspruchen würden, so wenig würden Verteidiger*innen des bürgerlichen Rechts dieses als »juridisch« bezeichnen. Vielmehr enthält der Begriff des JuridismusJuridismus schon eine Kritik des bürgerlichen Rechts. So hat beispielsweise Daniel LoickLoick, Daniel seine RechtskritikRechtskritik als Kritik des Juridismus formuliert[260]. Dabei bezeichnet für LoickLoick, Daniel der Begriff des Juridismus

die Dominanz des Rechts in den zwischenmenschlichen Interaktionsweisen westlicher Gesellschaften, welche die Bedingungen eines guten oder gelingenden Lebens als Zusammenleben untergräbt[261].

Für LoickLoick, Daniel dient also das Recht nicht dazu, Gleichheit oder individuelle Freiheit in modernen Gesellschaften zu verwirklichen. Vielmehr hinderte es die Menschen an ihrer freien Entfaltung.

Ohne ihre Kritik explizit auf den Begriff des JuridismusJuridismus zuzuspitzen, haben eine Reihe von Autor*innen immer wieder unterschiedliche Aspekte und Wirkungsweisen des bürgerlichen Rechts problematisiert. Ein zentraler Ansatzpunkt für die Kritik betrifft das Verhältnis von Recht und GewaltRecht und Gewalt. Liberale Rechtstheorien gehen davon aus, dass das Recht dazu beiträgt, zwischenmenschliche Gewalt zu begrenzen, indem es den Anspruch auf legitime Gewaltausübung monopolisiert. Dass das moderne Recht aber nicht nur Gewalt begrenzt, sondern selbst auf |68|Gewalt angewiesen ist, hat unter anderem der deutsch-jüdische Denker Walter BenjaminBenjamin, Walter (1892–1940) in seinem Aufsatz Zur Kritik der Gewalt herausgearbeitet[262]. Seine Studie über das Verhältnis von Recht und Gewalt trifft sensible Punkte traditioneller Rechtstheorie, die bis heute dazu einladen, darüber nachzudenken, inwiefern der liberale Rechtsstaat tatsächlich die Verwirklichung einer Gesellschaft freier Menschen ist.

Eine radikale RechtskritikRechtskritik, die auf die konstitutive Rolle des Rechts für die Aufrechterhaltung gewaltvoller oder unfreier Gesellschaftsverhältnisse hinweist, provoziert immer auch die Frage, was aus dieser Erkenntnis folgt. Im deutschsprachigen Raum haben zuletzt die Philosophen Christoph MenkeMenke, Christoph[263] und Daniel LoickLoick, Daniel[264] über die Auseinandersetzung mit BenjaminBenjamin, Walter hinaus eine ausführliche Rechtskritik vorgelegt, die jeweils in dem Entwurf eines Rechts mündet, das die zuvor diagnostizierten Probleme zu überwinden sucht[265]. Neben der Rechtstheorie Benjamins soll hier daher ebenfalls in die Werke dieser beiden eingeführt werden. Der erste Teil des Kapitels stellt die Rechtskritiken der einzelnen Autoren vor. Im zweiten Teil wird dann auf die von den Autoren skizzierten Wege hin zu einer post-juridischen Rechtordnung eingegangen. Wie wir sehen werden, verlangt die Suche nach einem post-juridischen Rechtpostjuridisches Recht immer auch danach, das Verhältnis von Recht und Politik neu zu fassen.

B. Kritiken des Rechts

Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung kritischer Rechtstheorie seit den 1990er Jahren ist der Text Zur Kritik der Gewalt, den Walter BenjaminBenjamin, Walter bereits 1921 veröffentlicht hat[266]. Eine Reihe zeitgenössischer Autor*innen beziehen sich auf Benjamins Text, um aktuelle rechtliche und politische Entwicklungen in unterschiedlichen Kontexten zu analysieren und zu überlegen, wie ein gerechtes, nicht gewaltbasiertes Recht aussehen könnte. Neben dem Aufsatz Gesetzeskraft. Der »mystische Grund der Autorität«, mit dem Jacques DerridaDerrida, Jacques[267] die BenjaminBenjamin, Walter-Rezeption in der kritischen Rechtstheorie vorangetrieben hat, sind hier unter anderen die Arbeiten des italienischen Philosophen Giorgio AgambenAgamben, Giorgio[268], der |69|nord-amerikanische Sprachwissenschaftlerin Judith Butler[269] sowie des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek[270] zu nennen. Weil Benjamins Text einen zentralen Bezugspunkt für zeitgenössische theoretische Interventionen bildet, soll hier zunächst auf seine RechtskritikRechtskritik eingegangen werden.

I. Recht und GewaltRecht und Gewalt bei Walter BenjaminBenjamin, Walter

Walter BenjaminBenjamin, Walter (geb. 1892) war ein deutsch-jüdischer Intellektueller, der bis zu seinem Tod auf der Flucht vor den Nationalsozialisten im Jahr 1940 zu einer Vielzahl von Themen gearbeitet hat. Im Deutschland der Nachkriegszeit hat man seinem Werk vor allem in den Kultur- und Sprachwissenschaften Aufmerksamkeit geschenkt. Als Denker des Politischen oder als Rechtstheoretiker wird er erst in jüngerer Zeit wahrgenommen. Dies liegt auch daran, dass er sich in den wenigsten Texten explizit mit dem Recht auseinandersetzt und sich viele Gedanken zu dem Thema nur verstreut in anderen Texten finden. BenjaminBenjamin, Walter hat in diesem Sinne keine kohärente Rechtstheorie vorgelegt. Darüber hinaus ist das theoretische Gedankenfeld, auf dem sich Benjamin erklärtermaßen bewegt, durchaus eklektisch. In seinen Texten finden sich sowohl Denkfiguren aus der jüdischen Theologie als auch aus dem Marxismus. Mit BenjaminBenjamin, Walter zu denken erfordert daher die Bereitschaft sich zumindest zeitweise auf diese Welten einzulassen.

In seinem Aufsatz Zur Kritik der Gewalt analysiert BenjaminBenjamin, Walter die Gewaltförmigkeit des modernen Rechts. Kritik der Gewalt bedeutet bei Benjamin keine negative Beurteilung – also Verurteilung – von Gewalt, sondern den Versuch das Wesen der Gewalt, und ihr Verhältnis zum Recht, zu erfassen[271]. BenjaminBenjamin, Walter stellt zunächst fest, dass der Rechtspositivismus hierzu keinen Beitrag leistet, denn er unterscheidet lediglich zwischen sanktionierter (erlaubter) und nicht sanktionierter (verbotener) Gewalt, gibt aber keine Auskunft darüber, warum diese Unterscheidung überhaupt möglich ist. Eine positive, also gesetzte, Rechtsordnung könne nicht aus sich heraus begründen, anhand welcher Kriterien diese Linie zwischen erlaubter und nicht erlaubter Gewalt jeweils gezogen werde.

Um zu beantworten, warum eine solche Unterscheidung überhaupt möglich ist, schlägt BenjaminBenjamin, Walter eine historisch-philosophische Perspektive auf das Verhältnis von Recht und GewaltRecht und Gewalt vor[272]. Sowohl die Einsetzung einer Rechtsordnung, als auch ihre Aufrechterhaltung, so BenjaminBenjamin, Walter, sei auf die Gewalt als Mittel angewiesen. BenjaminBenjamin, Walter unterscheidet daher zwischen rechtssetzender und rechtserhaltender Gewalt.

Für BenjaminBenjamin, Walter ist der Akt der Rechts(ein)setzung auf zweifache Weise mit Gewalt verbunden. Zum einen wird eine neue Ordnung häufig mit Hilfe von |70|Gewalt (zum Beispiel durch eine Revolution, einen Unabhängigkeitskampf oder der Neugründung eines Staates) eingesetzt. Die Gewalt verschwindet aber nicht, sobald sich die neue Rechtsordnung etabliert hat. Vielmehr lebt sie in ihr fort. Denn die mit der neuen Ordnung gesetzten Rechtszwecke könnten sich nun auf Gewalt als legitimes Mittel zu ihrer Durchsetzung berufen. Der an die Gewalt gebundene Zweck werde damit »als Recht unter dem Namen der Macht« eingesetzt«[273]. Die rechtsetzende Gewalt bedient sich also nicht nur der Gewalt als Mittel, sondern bestimmt gleichzeitig zu welchen Zwecken der Staat in Zukunft (rechtserhaltende) Gewalt anwenden darf. Dabei kann sie nicht begründen, an welcher Stelle die Grenze zwischen sanktionierter und nicht sanktionierter Gewalt gezogen wird. Um ein Beispiel zu nennen: Wie lässt sich begründen, dass ein Todesfall im Kontext eines bewaffneten Raubüberfalls als unzulässige Gewalt kriminalisiert werden muss, ein Todesfall in der Folge von Armut oder Unterernährung aber zulässige Gewalt darstellt[274]? Bei BenjaminBenjamin, Walter heißt das: »Rechtsetzung ist Machtsetzung[275]. DerridaDerrida, Jacques hat in seiner Lektüre Benjamins diese zweite Funktion der Gewalt im Zuge der Rechtssetzung als Gründungsgewalt oder foundational violence bezeichnet[276]. Gewalt bezeichnet hier nicht physische Gewalt, sondern den Umstand, dass dem gesetzten Recht ein letzter Grund fehlt, dies aber vom Recht verschleiert wird[277].

BenjaminBenjamin, Walter zufolge ruft jede rechtsetzende Gewalt eine zweite Art der Gewalt auf den Plan, die er rechtserhaltende Gewalt nennt. Es sei ein Reflex jeder Rechtsordnung sich gegen Akte der Rechtssetzung zu wehren, die die bisher etablierte Ordnung herausfordern. So versucht jede Rechtsordnung zum Beispiel über das Strafrecht Verhalten zu unterbinden, das die bestehende Werteordnung untergräbt. Allerdings – und dies ist der springende Punkt der Benjaminschen Analyse – dient die rechtserhaltende Gewalt nicht nur der Aufrechterhaltung einer bereits etablierten Rechtsordnung, sondern sie hat sich in ihrer tatsächlichen Manifestation immer schon mit einer neuen rechtssetzenden Gewalt vermischt. Ein Ort dieser laut BenjaminBenjamin, Walter »gespenstischen Vermischung« von rechtserhaltender und rechtssetzender Gewalt ist die Polizei. Dient sie offiziell dazu die etablierte Ordnung aufrecht zu erhalten, kommt es im konkreten Einsatz immer wieder zur eigenständigen Auslegung der Rechtslage durch die Exekutive, und dadurch zu einer neuen Rechtssetzung. Für Benjamin ist diese Vermischung von rechtssetzender und rechtserhaltender Gewalt nicht lediglich – wie es die liberale |71|Rechtstheorie deutet – eine vermeidbare Übertretung der Gesetze durch die Polizei, sondern sie ist vielmehr in der Offenheit der Rechtsvorschriften selbst angelegt[278].

Weil jede rechtsetzende Gewalt auf rechtserhaltende Gewalt angewiesen ist, um die Existenz der von ihr eingesetzten Rechtsordnung zu sichern, und dadurch »indirekt sich selbst schwächt«, spricht BenjaminBenjamin, Walter von einem Schwankungsgesetz, dem die modernen Rechtsordnungen unterliegen[279]. Aus dieser Perspektive erscheint die Geschichte historischen und politischen Wandels als ein zur Wiederholung verdammter Zyklus, in dem sich rechtssetzende und rechtserhaltende Gewalt ablösen. Weil Recht und GewaltRecht und Gewalt auf diese Weise schicksalshaft miteinander verquickt sind, stellt sich für BenjaminBenjamin, Walter die Frage, wie der Übergang zu einer neuen Ordnung möglich ist, die aus diesem Zyklus ausbricht und damit nicht länger auf Gewalt angewiesen ist.

II. Zur Legalisierung des NatürlichenLegalisierung des Natürlichen bei Christoph MenkeMenke, Christoph

Auch der Frankfurter Rechtsphilosoph Christoph MenkeMenke, Christoph beschreibt eine Gewalt, die vom Recht ausgeht und die – ähnlich wie die rechtssetzende Gewalt Benjamins – durch die Einsetzung des Rechts entsteht. Anders als bei BenjaminBenjamin, Walter liegt der Fokus Menkes aber nicht auf historisch-politischen Zyklen, sondern auf der politischen Wirkungsweise des Rechts. Die Gewalt, die MenkeMenke, Christoph beschreibt, betrifft das Verhältnis von Recht und dem, was er Nicht-Recht nennt.

MenkeMenke, Christoph untersucht dieses Verhältnis anhand der subjektiven Rechtesubjektive Rechte[280]. In seiner Kritik der Rechte versucht Menke zu zeigen, dass »die bürgerliche Form der subjektiven Rechtesubjektive Rechte […] auf einem Fehler [beruht]« und eben dieser Fehler dazu führe, dass der Mensch auf ein bestimmtes Menschenbild festgelegt wird. Dazu präzisiert er zunächst die Herangehensweise seiner kritischen Analyse der Rechte:

[Die Kritik am juridischen LiberalismusLiberalismus] besteht in nichts anderem als darin, die Frage zu stellen (die der Liberalismus nicht stellt), warum der Status der Gleichheit sich als subjektive Rechtesubjektive Rechte der Person darstellt. Warum nimmt jener Inhalt diese Form an? Warum überhaupt (subjektive) Rechte, wenn es um Gleichheit geht[281]?

Wie auch bei Benjamins Kritik der Gewalt gilt Menkes Kritik der Rechte nicht lediglich der liberalen Rechtsordnung, sondern auch der liberalen Rechtstheorie. In Menkes Worten: dem LiberalismusLiberalismus. Denn dieser reproduziere lediglich die Logik und Begründung der Rechte, nehme sie für bare Münze und könne daher nichts zu deren Verständnis beitragen. MenkeMenke, Christoph rekonstruiert zunächst diese liberale Begründung der Rechte ausführlich in zwei Schritten. Das Neue am |72|modernen Recht sei, dass es seine eigene Normativität hervorbringen müsse;[282] d.h., die Kriterien für eine gerechte Ordnung ließen sich im modernen Recht nicht länger mit Verweis auf eine anders abgeleitete gute Ordnung bestimmen. Ausgehend von einer Ideengeschichte der Rechte im Privatrecht kommt er zu dem Schluss, dass das Recht seine eigene Normativität durch die »Legalisierung des NatürlichenLegalisierung des Natürlichen« herstellt. Was ist damit gemeint?

Liberale Theorien des Rechts gehen, so MenkeMenke, Christoph, von einem natürlichen, vorrechtlichen Trieb des Menschen zur Selbsterhaltung aus. Die Selbsterhaltung zu garantieren und zu ermöglichen werde im modernen Recht zum Zweck. Indem das Recht den inneren Selbsterhaltungstrieb zum Grund seiner Existenz mache, werde dieser Trieb für das Recht unantastbar. Reglementierend eingreifen dürfe das Recht dem LiberalismusLiberalismus zufolge lediglich bezüglich der Umsetzung dieses Triebes, so dass alle Menschen gleichermaßen der Selbsterhaltung nachkommen können[283].

Subjektive Rechtesubjektive Rechte erfüllen laut MenkeMenke, Christoph eine Funktion der Selbstbeschränkung des Rechts gegenüber dem Vor- oder Außerrechtlichen, also der Materie[284]. Weil es seinen normativen Geltungsanspruch in Bezug auf dieses Vorrechtliche oder »Natürliche« begründet, spricht MenkeMenke, Christoph von der »Legalisierung des NatürlichenLegalisierung des Natürlichen«. Anders als von liberalen Rechtstheorien angenommen, bringen also nicht Subjekte eine Rechtsordnung, sondern Rechte das moderne Subjekt hervor[285]. Weil das liberale Recht zu seiner normativen Begründungen etwas voraussetzt (nämlich natürlich-faktische Strebungen nach Selbsterhaltung), was es allerdings selbst erst als natürlich hervorbringt, ist für MenkeMenke, Christoph das Recht ontologisch falsch. Dies ist der Kern der Menk’schen RechtskritikRechtskritik: »Die positivistische Falschheit der Form der subjektiven Rechtesubjektive Rechte besteht in ihrer Paradoxieverleugnung«[286].

Zwar entwickelt MenkeMenke, Christoph seine Kritik der Rechte aus einer Analyse des modernen, bürgerlichen Rechts, doch anders als zum Beispiel marxistische Kritiken des bürgerlichen Rechts betrifft seine rechtsphilosophische Betrachtung nicht die Rolle der bürgerlichen Rechte bei der Aufrechterhaltung kapitalistischer Akkumulations- und Ausbeutungsverhältnisse (obwohl er diese ausführlich betrachtet)[287]. Vielmehr spitzt er die Kritik der Rechte auf ihre Funktion in der Begrenzung und Ermöglichung politischen Wandels zu. Das Problematische an der falschen Ontologie der Rechte: Indem subjektive Rechtesubjektive Rechte menschliche Bestrebungen nach Selbsterhalt als natürlich voraussetzen, verfestigen sie ein bestimmtes, |73|gesellschaftlich und historisch gewachsenes, Menschenbild (das des Bourgeois) und entziehen es der Veränderung[288].

Mit dem Fokus auf die Ambivalenz der Figur der Rechte (rechtliche Selbstbeschränkung durch Legalisierung des NatürlichenLegalisierung des Natürlichen) begibt MenkeMenke, Christoph sich in die Gesellschaft anderer Theoretiker*innen, die sich die Frage stellen, inwiefern subjektive Rechtesubjektive Rechte oder Menschenrechte Instrument zur Durchsetzung emanzipatorischer Projekte sein können[289]. Kern all dieser Betrachtungen der Figur der Rechte ist die Einsicht, dass Rechte zwar ein normatives Versprechen auf Gleichheit enthalten sowie in gesellschaftlichen Kämpfen Freiräume für diskriminierte gesellschaftliche Gruppen eröffnen. Sich auf die Sprache der Rechte einzulassen bedeutet aber auch immer bestimmte, historisch gewachsene, gesellschaftliche Verhältnisse zu reproduzieren[290]. Für MenkeMenke, Christoph ergibt sich daraus die Frage, wie eine Rechtsordnung beschaffen sein müsste, die die Hervorbringung des Natürlichen im Recht zutreffend reflektiert, d.h. als ihr eigenes Produkt erkennt und damit verhandelbar macht.

III. Juridismuskritik bei Daniel LoickLoick, Daniel

Eine weitere ausführliche Auseinandersetzung mit existierenden Kritiken des Rechts hat der Philosoph Daniel LoickLoick, Daniel unter dem Titel JuridismusJuridismus. Konturen einer kritischen Theorie des Rechts vorgelegt. Auf den ersten Blick teilen MenkeMenke, Christoph und Loick viele theoretische Bezugspunkte und ihre Interventionen verfolgen eine ähnliche Stoßrichtung, jedoch setzen ihre Argumentation an unterschiedlichen Ebenen an. Das heißt, sie begründen die Richtigkeit oder den Wahrheitsanspruch ihrer Argumente unterschiedlich. Wie oben beschrieben argumentiert MenkeMenke, Christoph, subjektive Rechtesubjektive Rechte seien ontologisch falsch. Wie auch schon bei BenjaminBenjamin, Walter bedeutet für MenkeMenke, Christoph Kritik also nicht die Bewertung des Rechts anhand eines äußeren Maßstabes. Sie will vielmehr einen bestimmten, vom Recht selbst verleugneten Sachverhalt aufzeigen.

LoickLoick, Daniel wählt eine andere Strategie für seine RechtskritikRechtskritik. Er versteht seinen Ansatz als sozialphilosophische Kritik, das heißt das Soziale ist nicht nur Gegenstand der Betrachtung, sondern auch normativer Maßstab[291]. Für LoickLoick, Daniel unterscheidet sich sozialphilosophische Kritik von anderen Kritikstrategien darin, dass sie weder ausschließlich rechtlich noch moralisch vorgeht, sondern vielmehr |74|das Recht im Hinblick auf das soziale Gefüge betrachtet[292]. Er untersucht, inwiefern Recht ein strukturelles Hindernis auf dem Weg zu einer »gelungenen Sozialität« ist[293]. LoickLoick, Daniel beansprucht dabei, den Maßstab für die gelungene Sozialität nicht selbst zu setzen und damit von außen an das Recht heranzutragen, sondern aus den eigenen normativen Prinzipien des Rechts heraus zu entwickeln. Seine These: Das europäische Recht verstellt die Möglichkeit einer sinnvollen Ausübung der rechtlich garantierten Freiheiten[294].

Die rechtliche Kolonialisierung menschlicher Interaktionen führe, erstens, zu »ideologischer Verklärung der wahren Bedingungen des Gelingens menschlichen Zusammenlebens«[295]. Denn – so auch schon Hegel und Marx – der dem bürgerlichen Recht zu Grunde liegende negative Freiheitsbegriff verleugne die Tatsache, dass der Mensch ein soziales Wesen sei, und nur als solches existieren könne[296].

Der zweite Kritikpunkt den LoickLoick, Daniel herausarbeitet betrifft den psychologischen Effekt rechtlicher Subjektivierungsprozesse. Die Tatsache, dass wir uns überhaupt als Individuum mit eigenen Bedürfnissen, Interessen und Ansprüchen wahrnehmen – also als Rechtssubjekt – ermächtige zwar den einzelnen Menschen dazu selbstbestimmt zu handeln; gleichzeitig seien Individuen aber nie ganz von gesellschaftlichen Erwartungshaltungen und Normen befreit, innerhalb derer Entscheidungen getroffen werden. Um mit diesem Zwiespalt umzugehen, entwickelten Menschen eine Reihe psychologischer Strategien[297].

Das soziale Gefüge, so der dritte von LoickLoick, Daniel herausgearbeitet Aspekt, verliere durch die Institution des bürgerlichen Rechts auch an kommunikativer Qualität[298]. Indem Menschen auf ihre Rechtssubjektivität reduziert würden, verkäme jede Kommunikation zum Aushandeln individueller Ansprüche. Anstelle von Empathie würden die eigenen Bedürfnisse universalisiert.

Schließlich macht LoickLoick, Daniel das Feld der Politik als einen Bereich aus, der durch die Rechtsform negativ beeinflusst wird. Der Atomismus der Bürger, so wie er dem liberalen Menschenbild zugrunde liegt, mache Zwang als zusammenhaltendes Element in einem Staat notwendig. Dies berge grundsätzlich die Gefahr eines Despotismus.

Trotz der ausführlich formulierten RechtskritikRechtskritik weist LoickLoick, Daniel darauf hin, dass das Recht nicht für das Scheitern menschlicher Interaktion, sondern auch für ihr Gelingen wichtig sei. Eine Rechtskritik müsse ernst nehmen, dass insbesondere geschwächte Gruppen und Individuen sich immer wieder auf das Recht berufen, um ihre Position zu stärken. Eine Kritik des Rechts könne daher nicht auf die |75|Abschaffung oder Überwindung des Rechts abzielen, sondern müsse seine »radikale TransformationTransformation« anstreben[299].

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