Kitabı oku: «Oberhausen:Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd.1», sayfa 5
Das mittelalterliche Sterkrade in der Literatur
Sterkrade kann als eine über Jahrhunderte hinweg kontinuierlich gewachsene Kommune betrachtet werden. Eigentlich hätte demnach erwartet werden dürfen, dass diese seit 1913 zur Stadt erhobene Gemeinschaft auch durch geschichtswissenschaftliche Hinterlassenschaften auf sich aufmerksam gemacht hätte. Ein Blick in die Findbücher des Landesarchivs Düsseldorf zeigt, dass hier eine Vielzahl von Quellen vorhanden ist, aus denen die Geschichte Sterkrades ablesbar wird. Auch die Bestände der Stadtarchive Essen, Duisburg und Oberhausen oder die vielfach unerschlossenen und unzugänglichen kirchlichen Archive dieses Stadtteils verfügen über viele laufende Meter an Dokumenten, die intensive Einblicke in die zurückliegenden Jahrhunderte bieten. Trotz der überbordenden Menge an Quellen und damit auch einer immensen Menge an Fragen ist es erstaunlich, dass die Zahl der über diesen Stadtteil verfassten Arbeiten immer überschaubar geblieben ist.
Dass es einen Ort namens Sterkrade bereits im Mittelalter und in den vorausgegangenen Epochen gab, erscheint angesichts der diesen Stadtteil prägenden Nachkriegs- und Großstadtarchitektur fast unglaublich. Dies mag daran liegen, dass sich kaum noch Überbleibsel, wie Artefakte aus Ton, Stein, Bronze oder Eisen, aus der vorindustriellen Epoche finden lassen. Und dennoch ist dieser Zeitabschnitt an diesem Ort präsent, er liegt nur unter Schutt, Geröll oder dem Straßenpflaster verborgen. Kratzt man aber an der Oberfläche oder nutzt die Gelegenheit, bei Bauarbeiten genauer hinzuschauen, so wird man durchaus Relikte aus den Jahren vor 2012 entdecken können.
So wurden bei den Bauarbeiten am Kleinen Marktes in den 1990er Jahren zufällig Reste von Wasserläufen, Holzabfälle, Keramik und Leder entdeckt, die aus dem 13. Jahrhundert stammen und eindeutig in das Umfeld des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters gehören. Aufgelesene Reste von Roggen und Hafer zeigen an, dass es Kornfelder auf der Sterkrader Mittelterrasse gegeben hat. Körner des weißen Gänsefußes z. B., von dem bekannt ist, dass die Pflanze in Gärten gezogen wurde, weisen darauf hin, dass man sie in der Vergangenheit als Gemüse zu nutzen verstand. Unmittelbar am ehemaligen Wasserlauf – im Bereich des heutigen sogenannten Kleinen Markts – wurden Hinweise entdeckt, dass hier Erlen gestanden haben, d. h. vor der Gründung des Klosters im 13. Jahrhundert wird man in der (heutigen) Sterkrader City wohl ursprünglich Schafweiden vorgefunden haben.1 Was hier nicht gefunden wurde, sind importierte Obstsorten wie Feige, Weintrauben und anderes mehr. Daraus leitet sich die Aussage ab, dass es in und um Sterkrade, anders als beispielsweise in Wesel, Büderich oder Krefeld-Oppum, nur Böden von minderer Güte gegeben hat.2
In der Neuzeit ist die ausgedehnte Bewaldung immer noch ein spezielles Charakteristikum dieses nördlichen Oberhausener Stadtteils. Auch die nähere Umgebung ist durchzogen von vielen mit Wald bestandenen Flächen. Hier ist aber im Laufe der Jahre ein Wandel eingetreten: Für das späte Mittelalter konnten einige wenige Spuren von Eiche, Buche, Hainbuche, Haselnuss und Holunder nachgewiesen werden. Am häufigsten waren Erlenreste nachweisbar, die längs der Fluss- und Bachufer einen Wald gebildet haben.3
Nach Süden grenzt die Emscher Sterkrade gegen Oberhausen ab. Diese natürliche Barriere wurde noch 1914 durch den Rhein Herne Kanal verstärkt und somit die Grenze zwischen beiden Stadtteilen gleichsam zementiert. Es verwundert also nicht, wenn Sterkrader, die zum Einkaufen nach Oberhausen fahren, stets betonen, sie „fahren in die Stadt“. Auch nach Osten, also gegen Osterfeld, grenzte sich die Gemeinde Sterkrade ab. An dem 1888 errichteten Rathaus prangt unübersehbar ein Wappenschild, auf dem als einziges, weithin sichtbares Element ein schräger Wellenbalken zu erkennen ist. Dieses Wappen ist eine Neuanfertigung: König Friedrich Wilhelm III. verlieh dieses Wappen 1817 zunächst nur der Provinz Großherzogtum Niederrhein. Fünf Jahre später wurde es auf die gesamte Rheinprovinz übertragen und 1881 in dieser Funktion durch Wilhelm I. bestätigt. Der schräge, silberne Wellenbalken symbolisiert den Rhein, der sich durch die grüne Landschaft schlängelt. Seit 1953 ist diese gemeine Figur Bestandteil des Wappens von Nordrhein Westfalen. In der derzeitigen (Sterkrader) Form verkündet es dem am Rathaus Vorüberziehenden auch: „Vorsicht, Sie betreten jetzt westfälischen Boden.“ bzw. „Sie haben das Rheinland erreicht.“
Der Zeitabschnitt „Mittelalter“ ist aber in Sterkrade vornehmlich dann ein fester Bestandteil der Kultur vor Ort, wenn die Gläubigen mit der Prozession durch die Straßen ziehen oder die Besucher auf der Sterkrader Fronleichnamskirmes eine Pause einlegen. Anlässlich dieses Volksfestes wird gerne auf die „jahrhundertealte“ Historie dieses Events verwiesen, wobei man in Sterkrade allerdings erst jüngst hinnehmen musste, dass die Ursprünge und Entwicklungen dieses überregionalen Großereignisses gar nicht so weit, wie immer gern und oft angenommen, zurückreichen, sondern wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu suchen sind. Was freilich nicht heißen soll, dass das Fronleichnamsfest nicht bereits im Mittelalter begangen wurde. Damals wie heute war/ist dieses Datum ein wichtiger Festtag im kirchlichen Kalender, zu dem der Besuch des Gottesdienstes dazu gehörte. Nachher trafen sich die Kirchgänger, die zum Teil von entfernt liegenden Höfen kamen, an der Kirche, tauschten Nachrichten aus, kauften auf dem Markt ein oder feierten. Womit die „jahrhundertalte“ Tradition gerettet wäre.
Die Gründe für das geringe Interesse an der Sterkrader Geschichte im allgemeinen und an mittelelalterlichen Themenstellungen im Besonderen dürften vor allem darin zu suchen sein, dass die Region „Ruhrgebiet“ – trotz des Kulturhauptstadtjahrs 2010 – von den Mediävisten nicht gerade als Zentrallandschaft der mittelalterlichen Reichsgeschichte angesehen wird4. Die Schwerpunkte der Forschung konzentrieren sich auf einige wenige Orte dieses Raumes, wie etwa die Abtei Werden, das Stift und die Stadt Essen, die Reichsstädte Duisburg und Dortmund oder auf die das Revier durchschneidende Handelsstraße, den Hellweg. Alle anderen Orte, die z. B. nicht im Reiseverzeichnis der mittelalterlichen Herrscher verzeichnet waren, in denen sich keine bedeutenden klösterlichen Gemeinschaften etabliert hatten oder Städte und Orte, die sich nicht durch ihre besondere Entwicklungsgeschichten von den anderen Gemeinden ringsum abhoben, fallen durch das Raster bzw. werden von den Forschern jedweder Couleur nur am Rande wahrgenommen.
Es gibt auch andere, handfestere Gründe: Wahrscheinlich wird das geringe Interesse an diesem Zeitabschnitt auch damit zu begründen sein, dass die explosionsartige Entwicklung des Raumes zwischen Rhein, Ruhr und Lippe im 19. und 20 Jahrhundert alle anderen Epochen an den Rand drängte: Herausragende Kennzeichen dieser Region waren nun einmal die Fördergerüste, die Hochöfen und die qualmenden Schornsteine, hinter denen alle anderen historischen Relikte in den Hintergrund traten. Die die Epoche der Industrialisierung begleitenden signifikanten Bauwerke, von Architekten und Kunstwissenschaftlern immer wieder gern zu „Kathedralen der Industriekultur“ hochstilisiert, überlagern komplett die voraufgegangene mittelalterliche und frühneuzeitliche Epoche, decken sie – nicht nur im übertragenen Sinn – wie mit einer dicken Betonschicht zu, wurden wie christliche Kirchen an jenen Stellen, wo einst Götzentempel gestanden hatten, errichtet und lenken so den Blick weg von den wenigen Relikten jener Epoche, in der die Basis für die spätere Industrialisierung erst gelegt wurde.
Aber nicht nur die „große“ Geschichte trug dazu bei, dass die Beschäftigung mit dem mittelalterlichen Sterkrade eher als ein Freizeitvergnügen angesehen wird. Auch die meisten der in diesem Raum lebenden Menschen nehmen diese Epoche kaum wahr: Der Blick zurück beginnt bei der Industrialisierung und endet bei dem Abschnitt „Nationalsozialismus“, vielleicht gestattet man sich noch Hinweise auf die „Nachkriegszeit“. Wenn das Zauberwort „Mittelalter“ jedoch fällt, so löst das beim Zuhörer – Umberto Eco sei Dank – automatisch den Reflex aus: „Ja, genau. Da gab es doch Burgen und Ritter.“ Sterkrade hatte aber weder das Eine noch das Andere – also gab es das Mittelalter in Sterkrade nicht.
Wie sehr sich die im Ruhrgebiet beheimatete mittelalterliche Forschung um diesen Zeitabschnitt sorgte, zeigen die vielen Revitalisierungsversuche, die z. B. die Ausstellungsmacher im Jahr 1990 veranlassten, einer dieser Epoche gewidmeten Retrospektive im Ruhrlandmuseum den bezeichnenden Titel „Vergessene Zeiten“ zu verpassen.5 Gelegentlich macht sogar der abgegriffene Slogan von dem „dunklen Zeitalter Mittelalter“ die Runde, das den Blick auf die schöne, klare und durch die zahlreichen Funde so angenehme Epoche der Antike verstellt. Dabei gibt es in der Geschichtsschreibung keine uninteressanten Themen, keine abseits liegenden Epochen und auch keine uninteressanten Orte. Jeder Zeitabschnitt hat seinen eigenen Charakter und jede Studie verfügt über einen nur ihr eigenen Wert, was sich dem Leser in der Regel nicht auf den ersten Blick erschließt. Eins muss aber leider festgestellt werden: Das Mittelalter hat in Sterkrade zwar stattgefunden, sein Niederschlag in historischen oder lokalgeschichtlichen Publikationen ist allerdings vergleichsweise bescheiden.
Einer der ersten, der sich mit dem Mittelalter und der Gemeinde Sterkrade beschäftigte, war der Lehrer Friedrich Gehne, dessen Forschungsergebnisse fast durchgehend nur als Manuskripte oder als Loseblattsammlungen erhalten sind. In ihnen fasste er seine Eindrücke zusammen, die er aus Studien an Quellen gewonnen hatte. So ist es nicht erstaunlich, wenn der überwiegende Teil aller nachfolgenden Arbeiten zum Thema Sterkrade immer wieder seine Ergebnisse zitiert. Dabei macht es Gehne dem Leser nicht gerade leicht, die positivistischen Überblicke und seine publizierten Ergebnisse nachzuvollziehen. Vielfach verzichtet er darauf, die von ihm genutzten Quellen anzugeben, verweist auf eigene, nur handschriftlich abgefasste Manuskripte und überlässt es dem Leser, die vorgelegten Aussagen zu akzeptieren oder lässt ihn nach nochmaliger umfangreicher Quellenarbeit vielleicht zu demselben Ergebnis kommen.
Eine ausführlich angelegte Studie über das Kloster in Sterkrade ist das von Robert Scholten verfasste dünne Bändchen, in dem er neben einem kurzen historischen Abriss und einer Auflistung der Namen der Nonnen vor allem eine ausführliche Beschreibung des Klosterbesitzes anhand der Urkunden vornimmt.6
Heinrich Schmitz, ebenfalls Lehrer, unternahm 1911 im Auftrag des Verkehrsvereins Sterkrade erstmalig den Versuch, die Geschichte der Gemeinde und der späteren Bürgermeisterei von ihren Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts aufzuschreiben.7
Auf wesentlich breiterer Quellenbasis gründete ein anderer Forscher seine Studien zu dem mittelalterlichen/frühneuzeitlichen Sterkrade. In 69 Schulheften, viele voluminös erweitert durch eingelegte Seiten, hielt Johannes Robertz, zuletzt Direktor des Freiherr vom Stein Gymnasiums, in akribischer Form die Inhalte und Fundorte jeder einzelnen Quelle fest, der er habhaft werden konnte. Publiziert wurden seine Ergebnisse, die sich immer wieder mit dem Thema „Abtei in Sterkrade“ befassen, in dem 1937 erschienenen Heimatbuch sowie in einer für die Ruhr- und Emscherzeitung verfassten Artikelserie. Seine handschriftlichen Exzerpte und Manuskripte liegen inzwischen in maschinenlesbarer Form vor und dienen so als direkter Einstieg in die Vergangenheit dieses Ortsteils.
Mit den von Johannes Robertz angelegten Quellensammlungen und den von ihm verfassten Publikationen schien das Thema „Sterkrade“ erledigt, erforscht, abgehakt. Angesichts der von ihm nachgelassenen Menge an Exzerpten, Kopien, Manuskripten und Entwürfen von Vorträgen ist dieser Schluss durchaus nachvollziehbar. Verständlich wäre auch der Gedanke, dass es – angesichts der von Robertz vorgelegten Materialfülle – nichts Neues mehr in Sterkrade zu entdecken gäbe. Erst 1977 erschien eine neue Arbeit von Heinz Janousek, in der der Verfasser, allerdings mit Rückgriff auf die von Robertz vorgelegte Quellensammlung, die Geschichte des Klosters am Marienbach und die Historie der Pfarrei St. Clemens beschrieb.8
1984 erschien der von Günter von Roden im Auftrag der Germania Sacra herausgegebene Band über die Klöster Saarn, Duissern und Sterkrade.9 Wie schon vor ihm H. Janousek rekurrierte der Verfasser bei dem Abschnitt „Sterkrade“ immer wieder auf die von Robertz angefertigten Exzerpte. Heftige Kritik an dem vorgelegten Band übte Kurt Niederau, der insbesondere bei dem Namensmaterial und zu den Kommentaren über die Zisterzienserinnen und die von ihnen beschäftigten Mitarbeiter immense Defizite konstatierte und erste Ansätze unternahm, um die genealogischen Lücken zu schließen.10 Auch andere Ergebnisse von Rodens, wie z. B. seine apodiktische Aussage: „Über das Vorhandensein einer Klosterbibliothek ist nichts bekannt“11, wären zu überprüfen.
Am ausführlichsten behandelt wird die Geschichte der Sterkrader Abtei von Wilhelm Mattler in seiner 1994 erschienenen Studie zur Zisterzienserinnen – Abtei Sterkrade und der Propsteikirche St. Clemens.12 Der Autor steht in der Tradition der von Johannes Robertz gepflegten Herangehensweise an dieses nicht einfache Thema und bietet auf einer breit angelegten Quellenbasis den intensivsten Überblick über die Geschichte der Kirche und der Abtei, die 1809 säkularisiert wurde. Ausführlich widmet er sich dabei der Frage, woher das dem Kloster anhaftende ▶ Patronatsrecht stammt. Auch wenn manchem Fachmann diese Annäherung als nicht zeitgemäß erschien, so hat W. Mattler durch seine intensive Beschäftigung mit dem Thema neue Perspektiven für die Historie des Klosters eröffnet.
Klöster waren in ihrer Wirtschaftsführung vornehmlich auf Spenden, Schenkungen der Gläubigen angewiesen, erst nach einer Anlaufzeit konnten sie auf eigenes Vermögen zurückgreifen. Dieser Frage, d. h. der Suche nach dem Vermögen, dem Besitzstand und der Entwicklung dieser Abtei widmete sich Stephan Flechsig in seiner 1997 erschienenen Dissertation.13 Er zeigte, dass es den Sterkrader Nonnen gelang, eine für diesen Raum immens umfangreiche Grundherrschaft aufzubauen, der sich über den Raum zwischen Duisburg und Bochum bzw. von Dorsten bis Mülheim erstreckte. Über 600 Jahre hinweg konnte das Kloster seinen Stammbesitz von mehr als 100 Höfen und Kotten behaupten. Zu einem Einbruch in der Wirtschaftsführung kam es seit dem Ende des 16. Jahrhunderts, als die Klosterfrauen verstärkt gerichtliche Auseinandersetzungen wegen rückständiger Pachtzahlungen anstrengten oder die mit der Kontrolle der klösterlichen Haushaltsmittel beauftragten Sekretäre nicht immer um eine klosterfreundliche und nachvollziehbare Buchführung bemüht waren. Die über den Ort immer wieder hereinbrechenden Soldaten haben ihr Übriges geleistet, sodass für das Kloster schon vor der Säkularisation ein deutlicher Abwärtstrend zu erkennen war, von dem es sich nicht mehr erholen sollte.
In bislang ungewohnter Weise setzte sich in den Jahren zwischen 2003 und 2006 eine Arbeitsgruppe mit dem Thema „Die Sterkrader und ihre Abtei“ auseinander. Ungeklärt war über viele Jahre hinweg die Frage, wo denn nun das Kloster und der es umgebende Grund zu suchen wären: Ein Mediziner, ein Architekt, zwei Lehrerinnen, ein Hüttenmann und ein hochrangiger Beamter eines Düsseldorfer Ministeriums vergruben sich zusammen mit dem städtischen Bereich „Kartographie“ in mittelalterliche und frühneuzeitliche Quellen. In langwierigen Diskussionen konnten sie schließlich nachweisen, dass das Gelände zwischen Steinbrink-, Kloster- und Holtener Straße einst als Klosterbesitz anzunehmen war. Eine vielbesuchte Ausstellung im Technischen Rathaus an der Bahnhofstraße – also in Blickweite des ehemaligen Klosters – rundete die jahrelange Forschung ab.
Die zuletzt erschienene Studie zum Kloster Sterkrade ist eine von Andreas Mölich 2008 vorgelegte Diplomarbeit über „Reformatio und Reclusio“.14 Beschrieben wird der wirtschaftliche Aufstieg des Klosters Sterkrade im 15. Jahrhundert, der aber zur Folge hatte, dass die Klosterdisziplin in gleichem Maße nachließ. Die um die Mitte des 15. Jahrhunderts einsetzenden Versuche, die Nonnen auf die Ordensregeln einzuschwören, waren zunächst von Erfolg gekrönt, der aber nur von kurzer Dauer war.
Gemeinsam ist allen vorgestellten Studien, dass das Thema Mittelalter und Sterkrade ausschließlich am Beispiel der Abtei dargestellt wird. Es existiert keine Studie über diesen Ort, in der nicht die griffige und allerorten benutzte Formel „Sterkrade + Mittelalter = Kloster am Marienbach“ in den Mittelpunkt gerückt wird. Es scheint einfach nicht ohne die Sterkrader Nonnen zu gehen, die ja von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zum Jahr 1809 in diesem Dorf nachweislich, aber nicht mehr für jedermann sichtbar und auf die ihnen eigene Art Geschichte geschrieben haben. Am deutlichsten hat z. B. die Äbtissin Anna Catharina von Nunum gen. Dücker (1674 – 1715) dadurch ungewollt ein bleibendes Zeugnis hinterlassen, indem die Gemeindeverwaltung sich am 24. Juni 1913 schließlich dazu durchgerungen hat, das Dückersche Familienwappen als Stadtwappen zu verwenden. Oder die bekannte Episode über den apostolischen Nuntius namens Fabio Chigi, der 1649 auf seinem Weg von Münster nach Aachen bei den Nonnen am Marienbach vorstellig wurde und um ein Nachtquartier bat. Die Äbtissin Anna Maria von der Capellen wies das Ansinnen dieses Mannes jedoch zurück. In seinen späteren Erinnerungen notierte der italienische Nuntius, der am 7. April 1655 zum Papst gewählt wurde und als Alexander VII. in die Geschichte einging, dass ihm in Sterkrade unhöfliche Nonnen begegnet seien.15
Die Beispiele, aus denen ersichtlich wird, dass das Sterkrader Kloster durchaus Geschichte geschrieben hat bzw. in seinen Mauern historische Prozesse in Gang gesetzt wurden, die wiederum dazu beitrugen, dass das Leben in diesem Ort sich fortentwickelte, ließen sich gewiss vielfach steigern. Es ist richtig, und die gesamte Klostergeschichte hindurch belegt diese Aussage: Die Entwicklung hin zur späteren Stadt hätte ohne das Kloster nicht stattgefunden, die in der historischen Forschung geübte Fokussierung auf die Nonnen und ihr Kloster reicht allein jedoch nicht aus, um Sterkrade und Mittelalter hinreichend zu beschreiben. Eine solche Arbeit, in der unter moderner Fragestellung die gesamte Entwicklung des Stadtteils Sterkrade dargestellt wird, fehlt im Augenblick noch. Auch der vorliegende Beitrag wird diese Lücke nicht schließen können.
Aufgehoben und Geborgen
Bei der Annäherung an die Vergangenheit können Historiker normalerweise auf geschichtswissenschaftliche Hinterlassenschaften zurückgreifen. Das geht schnell, kann dank des Internets fast vom Sessel aus und von Jedermann mittels weniger Tastenkombinationen erledigt werden. Am Ende steht dann eine Geschichte, die das wiederholt, was andere Forscher vorher bereits erkannt und publiziert haben. Forschung will aber mehr: Sie will Wissen schaffen. Dies geht aber nur durch die Arbeit an solchen Quellen, die noch nicht oder nur zaghaft auf ihren Informationsgehalt hin überprüft wurden. Je weiter sich Forscher jedoch vom Mittelalter entfernen und sich längs der Zeitachse auf Abschnitte zubewegen, in denen schriftliche Zeugnisse die Ausnahme darstellen, umso schwieriger wird es, die Historie eines Ortes auch nur ansatzweise chronologisch exakt einzuordnen. In der Regel sind aber die ältesten Zeugnisse, die Hinweise auf die Vergangenheit eines Ortes geben können, nicht unmittelbar zugänglich und liegen auch nicht in klinisch reiner oder gut lesbarer Form vor. Die frühesten Originale, denen die historisch Interessierten auch in Sterkrade nachjagen, liegen nun aber im Boden vergraben und sind erst nach mühsamer und langwieriger Arbeit zugänglich. Nach ihrer Klassifizierung sind es dann aber Unterlagen, die – zusammen mit Urkunden, Registern usw. – dann augenfällig Auskunft geben über die Vergangenheit.
Die ersten Hinweise auf eine Besiedlung des Sterkrader Raums fanden sich 1911, als in einem Garten an der Bremenstraße mehrfach Goldmünzen entdeckt wurden. Drei Münzen wurden dem Rheinischen Landesmuseum übergeben16, zwei Kopien, sogenannte Galvanoplasten, befinden sich im Besitz der Stadt Oberhausen.
1921 berichtete der Studienrat Heinrich Schmitz über Funde, die in einem Garten an der Weselstraße gemacht wurden.17 In einer Tiefe von einem Meter wurden mehrere ▶ merowingerzeitliche Bestattungen festgestellt.18 Die eigentlichen Grabungen erfolgten aber erst im Jahr 1936. Bei der Spurensuche auf der zwischen Alsbach und Reinersbach gelegenen Sterkrader Mittelterrasse konnte gezeigt werden, dass es sich um ein Gelände handelte, welches „schon in der Vorzeit besiedelt war“.19 Suchschnitte ließen zudem erkennen, dass der festgestellte „Braunerdeboden auf ursprünglichen Waldbestand schließen“20 ließ, in dem offene Siedlungsflächen vorhanden waren. Anhand der Bestattungsformen, d. h. Brandgräber neben Körpergräbern, wird die als Friedhof charakterisierte Fläche in die Zeit zwischen dem sechsten und dem achten Jahrhundert zu datieren sein.21 Das nachgewiesene Gräberfeld wird zu der „Altsiedlung Sterkrade, wohl zu einem Hof oder später wüst gefallener Siedlung“22 gehören. Nach Rudolf Stampfuß könnte es sich hierbei um den nahe des Alsbachs gelegenen Schultenhof handeln.23 Unklar ist jedoch nach wie vor, warum aus dem Siedlungsgebiet im Umfeld des Alsbaches sich nicht wie in anderen Fällen eine Siedlung entwickeln konnte. Der Mittelpunkt der späteren Stadt liegt doch einige Kilometer entfernt vom Ausgrabungsort. Gleichfalls unbeantwortet ist die Frage, welche Entwicklung für das Areal am sogenannten Marienbach bis zum frühen Mittealter angenommen werden darf.