Kitabı oku: «Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4», sayfa 15

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Magnus Dellwig / ​Ernst-Joachim Richter

Die Neue Mitte Oberhausen: Motor des Strukturwandels für Oberhausen
Interview mit Burkhard Drescher

Herr Drescher, wie haben Sie nach dem Scheitern der Projekte in den 1980er Jahren die Stimmungslage für einen Strukturwandel in Oberhausen Anfang der 1990er Jahre wahrgenommen?

Ich habe es auf einer Podiumsdiskussion der WAZ, zum Entsetzen der Zuhörer, einmal so skizziert: Die Stadt macht den Eindruck, als sei sie in einen tiefen Defätismus verfallen. Die Stimmungslage nach dem Scheitern des World Tourist Centers (WTC) 1988 war so niedergeschlagen, dass man „jegliche Hoffnung hatte fahren lassen“, es herrschte also eine sehr gedrückte Stimmung.

Wahrscheinlich war das dann ein deutlicher Umschwung in der Stimmungslage, die die Stadtbevölkerung erlebt hat.

Anfang der 1990er Jahre, als die Erkenntnisse und die Eindrücke aus dem Scheitern des World Tourist Centers noch ziemlich stark waren, war die Stimmung, wie gesagt, sehr gedrückt. Belegt wurde dies auch durch regelmäßige Befragungen. Das städtische Amt für Statistik und Wahlen führte regelmäßig Bürgerbefragungen durch und daran war abzulesen, dass sowohl die Stimmung gegenüber der Politik als auch gegenüber der Verwaltung und in Bezug auf die Zukunftsperspektive der Stadt sehr negativ war. Die Zustimmungsraten bewegten sich um die 50 Prozent. Das hat dann auch dazu geführt, dass Bemühungen der Wirtschaft entstanden, in Eigeninitiative etwas für den Standort zu tun. Daher stammte der Impuls zur Gründung der EGO, der Entwicklungsgesellschaft Oberhausen. Die EGO war eine Initiative der Wirtschaft. Die Unternehmer in der Stadt trauten Politik und Verwaltung nicht zu, den Strukturwandel zu fördern. Um 1990 wurde die EGO gegründet und diese versuchte, mit eigenen Ideen die Diskussionen zum Strukturwandel anzufachen. Diese Ideen hatten zum Teil einen visionären Charakter. Da ging es z. B. um einen Zukunftspark auf dem damaligen Schlackenberg und ähnliche Themen. Im Ergebnis waren diese Projekte doch weit weg von der Realisierung.

Herr Dr. Ruprecht Vondran war damals Treiber auf Seiten der Wirtschaft. Herr Vondran war Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Stahlindustrie mit Sitz in Düsseldorf. Er kam aus Oberhausen und kandidierte 1992 für die CDU zum Bundestag. Er setzte sich an die Spitze der Bewegung. Die zentrale Botschaft lautete: Die Wirtschaft muss jetzt den Strukturwandel selber in die Hand nehmen, nachdem die Politik mit dem World Tourist Center 1988 gescheitert war. Eine meiner ersten Bemühungen bestand darin, die getrennten Aktivitäten der Wirtschaftsförderung von Stadt und Wirtschaft zusammen zu führen. Durch viele, viele Gespräche und – ich nenn es mal salopp „Mund-zu-Mund-Beatmung“ der Wirtschaft – gelang das schließlich. Aus der EGO wurde die ENO, die Entwicklungsgesellschaft Neu Oberhausen, eine gemeinsame Gesellschaft von Stadt und Wirtschaft. Aus städtischer Sicht ging es auch darum, die Dynamik der Wirtschaft für das gesamtstädtische Interesse zu nutzen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es damals in der Tat so, dass es zwischen der Wirtschaft und dem Rathaus nur sehr wenig Kommunikation gab.

Das hat letztendlich aber noch nicht zum Stimmungswechsel geführt, sondern das war nur eine wichtige Voraussetzung für den Aufbruch in den Strukturwandel. Die entscheidende Stimmungswende kam durch das Projekt Neue Mitte Oberhausen.

Kann man denn vermuten, dass in dieser Stimmungslage zwischen Stadt und Wirtschaft die beginnende Realisierung des Projektes Neue Mitte mit dem CentrO, dass das die Stimmungslage auch im positiven Sinne beflügelt hat? Dass man der Stadt etwas mehr zugetraut hat, nachdem diese Projektentwicklung in Gang gekommen war?

Zunächst einmal hatte ich den Vorteil, als neuer Oberstadtdirektor und als der jüngste Verwaltungschef überhaupt in Nordrhein-Westfalen, das Vertrauen der Wirtschaft leichter gewinnen zu können. Ich hatte sozusagen die Gnade des „späten Erscheinens“ in Oberhausen. Unbeteiligt an der Vergangenheit rund um das WTC konnte ich sehr schnell die Wirtschaftsvertreter für die städtischen Interessen mobilisieren. Durch Projekte, wie das Technologiezentrum Umweltschutz im ehemaligen Werksgasthaus seit 1991 oder Reformvorhaben, wie das Rathaus ohne Ämter seit 1995, verfestigte sich das Vertrauen bei Wirtschaft und Bevölkerung zusätzlich. Die Neue Mitte Oberhausen hat dann zu dem positiven Gesamtbild entscheidend beigetragen.

Das Projekt ist mir durch die Vermittlung von WestLB und Heinz Schleußer bekannt geworden. 14 Tage nach meiner Ernennung zum Oberstadtdirektor, am 14. März 1991, wurde mir das Projekt in Düsseldorf in der Messe vorgestellt. Ich hatte Herrn Fassbender, den Leiter der in der Stadtverwaltung neu eingerichteten Projektgruppe „O2000“, zur Präsentation mitgenommen. Wir waren die einzigen, die aus Oberhausen das Projekt zu Gesicht bekamen. Im damaligen Führungszirkel der Stadt, wozu Heinz Schleußer, aber auch Friedhelm van den Mond, der damalige SPD-Vorsitzende Dieter Schanz und Mike Groschek als Fraktionsvorsitzender gehörten, haben wir verabredet, dass wir das Projekt noch geheim halten wollten, um nicht ein weiteres Mal, ausgehend von einer hohen Erwartungshaltung, dann Frustrationen in der Bevölkerung auszulösen. Wir wollten es erst öffentlich machen, wenn die Realisierung abgesichert erschien.


Abb. 1: Burkhard Drescher

Wir schafften es tatsächlich bis zum Oktober 1991 das Projekt geheim zu halten. In der Zwischenzeit hatten wir das Projekt soweit entwickelt, dass wir dann bereits einen städtebaulichen Rahmenplan präsentieren konnten. Nun wussten wir wirklich, dass die Investition auch kommen würde, dass auch das Land NRW bereit war, die Baureifmachung des Geländes zu finanzieren. Trotzdem: Als wir im Oktober 1991 an die Öffentlichkeit gingen, war zunächst die Skepsis sehr groß. Das Stigma, dass Politik und Verwaltung Projekte ankündigten und sich dann die Realisierung zerschlägt, war noch tief verwurzelt. Die Bevölkerung verhielt sich folgerichtig dem Projekt gegenüber zunächst sehr, sehr zurückhaltend. Die Aufmerksamkeit in den Medien war riesengroß. Dem folgte eine kritische Diskussion. Es wurde öffentlich infrage gestellt, ob das Projekt realisierbar sei oder wieder durch Klagen verhindert werden würde. Ebenso wurden die Auswirkungen auf die Stadtteile innerhalb von Oberhausen und auf die Nachbarstädte diskutiert. Allerdings ließ das, nachdem die Realisierungsphase begann, mehr und mehr nach. Step by Step konnte man das an der Stimmung in der Bevölkerung messen. Weil sich dann seit 1993 die Kräne drehten, wurde erkennbar, dass man nicht über Visionen, sondern über ein reales Investment – in Beton gegossen – sprach.

Im Nachgang entsteht durchaus der Eindruck, dass die Erfahrung des World Tourist Centers vom Ende der 1980er Jahre durchaus das Stimmungsbild und die Wahrnehmung von Strukturwandelchancen der Oberhausener Bevölkerung stark beeinflusst hat. Was waren aus ihrer Sicht die entscheidenden Bedingungen für die erfolgreiche Realisierung des CentrO, die zugleich auch den Unterschied zur Situation um das World Tourist Center ausmachten?

Ich scheue wirklich davor zurück, den Vergleich mit dem World Tourist Center zu ziehen, denn damals war ich noch nicht in Oberhausen. Was wir beim Projekt Neue Mitte Oberhausen (NMO) anders gemacht haben, beginnt schon mit dem Namen. Wir haben wirklich versucht, das Projekt mit einer Dachmarke zu versehen, alleine, um die Kommunikation auf „die richtige Bahn“ zu bringen. Außerdem: Die Partner, die wir als Investoren hatten, verfügten über Erfahrung mit dem Strukturwandel. Die Healeys haben in Sheffield ein vergleichbares Projekt realisiert, in der trostlosesten Landschaft aus Industrieruinen, die man sich nur vorstellen kann.

Aber: Der entscheidende Faktor, neben dem überzeugenden, ganzheitlichen Konzept war die Phase der Aktivierung und der Kommunikation. Ich alleine habe in Oberhausen und Umgebung damals um die 250 Veranstaltungen in einem Jahr durchgeführt – nur zum Thema Neue Mitte. Und neben mir haben dieses viele andere Akteure ebenso gemacht. Vom Einzelhandelsverband Essen-Borbeck über die katholische Jugend bis zu den Gewerkschaften, alle wurden direkt umfassend informiert. Wir haben im Grunde durch direkte Kommunikation versucht, das Projekt zu erklären. Und daneben gab es kontinuierlich die Kommunikation über Newsletter und Medienberichte. Wir haben die Landtagsabgeordneten und die Oberbürgermeister der Region sowie die Bezirksplanungsräte regelmäßig mit schriftlichen Informationen versorgt. Und auch für die breite Bevölkerung wurde immer wieder in periodischen Publikationen berichtet: Jetzt ist der Bebauungsplan zur Rechtskraft gelangt, jetzt fangen die Abbrucharbeiten an, jetzt wird der Grundstein gelegt usw. Wir haben intensiv kommuniziert. Und das war aus meiner Sicht ein wesentlicher Grund dafür, warum sich keine großen Widerstände aufbauten. Widerstände, die es dann zwar immer noch mal gegeben hat, kamen vor allen Dingen aus den Nachbarstädten. Obwohl wir versucht haben, die Nachbarn in Arbeitskreisen mit einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, den Planungsprozess mitzugestalten. Letztlich sind die formal vorgetragenen Widerstände vor dem OVG in Münster gescheitert. Die Stadt hat in allen Belangen ein rechtssicheres Planungsverfahren durchgeführt.

Wenn man sich die Situation Oberhausens im Vergleich mit den Nachbarstädten um das Jahr 1990 betrachtet, dann kann man sagen, Oberhausen war auf der Landkarte des Einzelhandels und der Freizeitwirtschaft zum damaligen Zeitpunkt eher ein weißer Fleck. Vor dem Hintergrund stellt sich sicherlich noch einmal die Frage, welche Stellung die Region und das regionalpolitische Management zugunsten des Projektes eingenommen haben?

Es stimmt, dass es ohne die regionale Akzeptanz sehr schwer gewesen wäre, die Neue Mitte Oberhausen umzusetzen. Die regionale Akzeptanz ist durch die Kommunikation sicherlich gefördert worden, aber vor allem auch durch das Projekt selber, weil das touristische Gesamtkonzept der NMO allgemein als regional nützlich anerkannt wurde. Auch schon in den frühen Anfängen spielte dabei die Akzeptanz innerhalb des IBA-Prozesses eine große Rolle. Insbesondere der Erhaltung des Gasometers als IBA-Projekt in der Neuen Mitte Oberhausen kam dabei eine enorme Bedeutung zu. Oder auch der Umbau des Werksgasthauses zum Technologiezentrum, als weiteres IBA-Projekt mitten in der Neuen Mitte. Das waren Ankerpunkte, die regional im IBA-Prozess von Herrn Ganser, dem Direktor der Internationalen Bauausstellung Emscherpark, positiv begleitet wurden und dann zur Akzeptanz auch des konsumorientierten Teils des Gesamtprojektes beitrugen.

Bezogen auf die Situation im Einzelhandel kann man sagen, dass sich die Marktstraße um 1992 längst im Abschwung befand. Als Versorgungszentrum hatte sie über den Stadtteil Alt-Oberhausen hinaus keine Bedeutung mehr. Das war eine Entwicklung, die sich schon in den 1970er/​1980er Jahren abgezeichnet hatte. Wir haben nachgewiesen, dass Kaufkraftströme längst an Oberhausen vorbei gingen. Der Kaufkraftabfluss in die Nachbarstädte, aber auch nach Düsseldorf, war enorm. Wir konnten sagen: Wir binden Kaufkraft wieder in Oberhausen. Dabei bestand der Ansatz von Beginn an nicht darin, nur Kaufkraft aus Oberhausen zu binden, sondern immer stand der touristische Ansatz im Vordergrund der Projektidee. Das hat dann dazu geführt, dass vom CentrO als ein Baustein in der Neuen Mitte kaum Zentrenschädlichkeit für die Nachbarkommunen ausging, weil der Einzugsbereich durch den touristischen Ansatz so breit angelegt war.


Abb. 2: Modell des geplanten CentrO, 1993

Aus heutiger Perspektive haben sicherlich viele Menschen in Oberhausen den Eindruck, dass einzelne Personen von großer Bedeutung für die Realisierung des Projektes waren. S. haben der damalige Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond oder der nordrhein-westfälische Finanzminister Heinz Schleußer und eben Sie persönlich ganz entscheidend für die Realisierung des Projektes gewirkt. Wie kann man sich das vorstellen? Wie hat die praktische Zusammenarbeit zwischen diesen wichtigen Oberhausener Akteuren ausgesehen?

Grundsätzlich hängen alle Entwicklungen von Ländern, von Städten, von Regionen immer von den handelnden Personen ab. Und wenn Personen nicht miteinander harmonieren, wenn die verschiedenen Entscheidungsträger in einem solchen Entwicklungsprojekt nicht auf einer gewissen gemeinsamen Vertrauensbasis agieren, dann ist das meist das Ende für solche komplexen Projekte. Misstrauen raubt Zeit, raubt Kreativität und behindert letztendlich den Fortschritt. Man muss sagen, das war damals schon ein einmaliges Zeitfenster, das wir da erwischt hatten. Mit Johannes Rau als Ministerpräsident in Düsseldorf hatten wir einen Fürsprecher für den Strukturwandel im Ruhrgebiet und auch für dieses Projekt. Er wusste genau, was hier passierte. Wir hatten die Unterstützung des gesamten Landeskabinetts, also von Klaus Matthiesen als Umweltminister, über Franz Josef Kniola und später Ilse Brusis als Städtebauministern oder auch von Manfred Dammeyer als dem Fraktionsvorsitzenden der SPD– Landtagsfraktion. Alle entscheidenden Akteure auf Landesebene haben dieses große Projekt im Hinblick auf die Notwendigkeit des wirtschaftlichen Strukturwandels im Ruhrgebiet gefördert. Das besondere politische Gewicht des damaligen Finanzministers Heinz Schleußer war allerdings unser größter Rückhalt. Auf dieser Basis war es auch sehr nützlich, dass ein Vertrauensverhältnis in der Stadt zwischen dem damaligen Oberbürgermeister und mir als Oberstadtdirektor, aber auch mit der Spitze der SPD-Fraktion, Herrn Groschek sowie mit Herrn Schanz als dem Parteivorsitzenden bestand. Auch das Verhältnis zu der großen Oppositionsfraktion im Rat, der CDU, war ausgesprochen gut. Die CDU hat das Projekt ebenso mitgetragen wie die FDP. Nur die Grünen waren damals so wie heute skeptisch, standen abseits. Es hat sich später mit der Person von Herrn Pohlmann als Fraktionssprecher geändert. Jedoch andere Grüne wollten mit dem Projekt nie etwas zu tun haben und haben das CentrO auch kontinuierlich bekämpft.

Die eben genannte persönliche Vertrauensbasis in der politischen Führung der Stadt, über belastbare Kommunikationswege organisiert, war sicherlich eine Voraussetzung dafür, dass es gelungen ist, die ganze Stadtbevölkerung mitzunehmen. Wir haben damals mit hohen Zustimmungsraten von über 80 Prozent, die sich letztendlich auch in Wahlergebnissen niederschlugen, die gesamte Bevölkerung in Oberhausen in eine positive Stimmungslage versetzen können. Es hatte sich verfestigt, dass aus dem Rathaus kein Geschwätz kam, sondern dort wirklich gehandelt wurde, dass wirklich neue Arbeitsplätze entstanden. Oberhausen wurde aus dem Stimmungstief befreit. Dieses wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht eine große Gruppe von Multiplikatoren gewonnen hätten, die das Projekt mit trugen. Dazu gehörte sicherlich auch das Verhältnis zur Wirtschaft. Die Wirtschaft hat viel schneller als manche andere in der Öffentlichkeit erkannt: Es bewegt sich was, es kommen Investitionen in die Stadt. Unsere wichtigsten Multiplikatoren nach innen wie nach außen kamen aus der Wirtschaft. Bei der IHK für Essen, Mülheim, Oberhausen, ob der Senior Kurt Löwenthal oder Manfred Assmacher oder später Dirk Grünewald. All jene, die aus Oberhausen in diesen Wirtschaftsgremien vertreten waren, wurden auf einmal zu ganz praktischen Wirtschaftsförderern der Stadt Oberhausen und haben das Projekt mit Verve vertreten. Auf die konnte man sich verlassen. Das waren alles Bausteine, die das Fundament gebildet haben für so ein riesiges Investitionsvorhaben, das im Ruhrgebiet seit Opel nicht mehr vorgekommen war. Das setzte auch die Region in Erstaunen.


Abb. 3: Haupteingang des CentrO vor der Erweiterung von 2011/​2012

Viele Zeitzeugen und die Tagespresse haben Mitte der 1990er Jahre ganz besonders wahrgenommen und hervorgehoben, dass es bei der Entwicklung und Realisierung des Projektes Neue Mitte Oberhausen ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und dem Investor Eddie Healey gab. Können Sie uns das schildern, vielleicht besondere Situationen, die besonders in Erinnerung geblieben sind?

Also prinzipiell ist das richtig. Als ich zum ersten Mal das Projekt präsentiert bekam, am 14. März 1991, bin ich aus der Präsentation gegangen und hab’ zu Herrn Fassbender, der mich damals als Leiter der Projektgruppe O. 2000 begleitet hat, gesagt: „Das Projekt wird nie etwas. Das ist zu groß, zu gigantisch. Das können wir nicht umsetzen. Oh weh, oh weh …“.

Und das aus Ihrem Munde!

Also es war mir nach 14 Tagen als Oberstadtdirektor in Oberhausen einfach eine Nummer zu groß. Dann kam aber Herr Healey einige Tage später ins Rathaus und da fand ich den Mann sehr überzeugend. Das hat meine Skepsis jedoch nur bedingt gemindert. Daraufhin bin ich sehr schnell nach Sheffield gereist. Und als ich dann von der Innenstadt von Sheffield durch diese Industrieruinen fuhr und auf einmal dieses riesige Investment sah, da kam bei mir erstmalig der Gedanke: „Wenn der das hier kann, dann gibt es vielleicht doch eine Realisierungschance in Oberhausen“. Der Eindruck vom Umfeld der Meadow Hall war wirklich schlimmer, als jeder Stadtteil im Ruhrgebiet nur sein kann. Und dann war es sicherlich Eddie Healey mit seiner visionären Überzeugungskraft und seiner Flexibilität, der mich davon überzeugt hat, dass man das schaffen kann.

Wobei eines witzig ist: Ich habe ja später für Amerikaner gearbeitet. Ich glaube, mich im Englischen inzwischen gut ausdrücken zu können. Damals war mein Englisch aber so verkümmert, dass ich mich kaum mit Eddie Healey unterhalten konnte. Das war mehr auf Augenkontakt aufgebaut. Wir haben auch nie telefoniert. Darüber hat er sich in späteren Jahren einmal amüsiert. „Wir haben gemeinsam beinahe eine neue Stadt gebaut, ohne je miteinander telefoniert zu haben“. Marion Weinberger, die Beauftragte von Healey, war als Vermittlerin unsere „Telefonleitung“. Das hing damit zusammen, dass mein Englisch damals so schlecht war, dass ich mir zwar ein Bier bestellen, aber nicht über Bauplanungsrecht philosophieren konnte. Das Vertrauensverhältnis wuchs auch darüber, dass wir viel gemeinsam unterwegs waren, wir haben uns vergleichbare Bauvorhaben weltweit angesehen, um für unser Projekt zu lernen und weniger Fehler zu machen. Und dabei habe ich Herrn Healey immer näher kennen gelernt. Es war schon eine sehr, sehr große Vertrauensbasis erreicht. Die hat im Ergebnis dazu geführt, dass wir bestimmte Dinge auf Zuruf entscheiden konnten. Ich hatte z. B. ein städtisches Anliegen, da brauchten wir jetzt Hilfe. Er hat dann sofort im Gespräch entschieden: Wir lösen das Problem. Das ist heute tatsächlich undenkbar bei global agierenden Immobilienkonzernen mit ihren großen Projektentwicklungen. Aber Eddie Healey war Alleineigentümer, Familienunternehmer. Er konnte ganz alleine entscheiden und er entschied dann über Milliarden. Das waren Abläufe, die man sich heute so kaum mehr vorstellen kann.

Heißt das auch, dass sein Partner, die Logistik-und Transportgesellschaft P & O, ihm großen Freiraum eingeräumt hat, im gemeinsamen Unternehmen Stadium, das in Oberhausen tätig wurde, Entscheidungen zu treffen?

P & O hat die Zwischenfinanzierung gestemmt. Doch sie waren in dem Projekt für uns nicht sichtbar. Das war alles auf dem persönlichen Verhältnis zu Eddie Healey und seinem Sohn Paul, der heute die Geschäfte übernommen hat, aufgebaut. Das hat es natürlich vereinfacht, so ein komplexes Projekt umzusetzen. Wir haben den Bebauungsplan erarbeitet und parallel schon die Altanlagen abgerissen. Als strategische und logistische Leistung findet man das in der Dimension wahrscheinlich – auch bis heute – nicht so oft.

Der Planungsprozess und die Realisierung des Projektes sind Themen, die uns ganz besonders interessieren. Eine Vielzahl von Gutachtern, Stadtplanern, Experten hat mitgewirkt an der Vorbereitung der Planungsphase, ob es jetzt den Verkehr betrifft oder regionale Betrachtungen zum Thema Einzelhandel und Kaufkraft. Wie war die für ein Vorhaben dieser Größenordnung tatsächlich ganz ungewöhnlich schnelle Projektumsetzung in nur gut vier Jahren möglich?

Erstens hatten wir sehr gründlich über eine Projektorganisation nachgedacht. D. h. wir hatten ein, wie ich fand und wie ich auch heute noch finde, sehr effektives Projektmanagementsystem organisiert. Wir haben damals schon einen sogenannten runden Tisch eingesetzt – der war tatsächlich rund und stand im Rathaus, im Raum 117. Und an diesem runden Tisch saß der Investor, die Architekten, externe Juristen und Berater ebenso wie die städtischen Mitarbeiter, und zwar hierarchiefrei. Das war für die eine oder andere Führungsperson im Rathaus ungewöhnlich, wenn Mitarbeiter ihr widersprachen, nur weil ich sie dazu aufgefordert hatte. Alle sollten sich daran gewöhnen, dass an dem Projekttisch nur die fachliche Meinung galt und keine Hierarchien aus der Verwaltung. Wirklich hilfreich war auch, dass wir externen Sachverstand an den Tisch geholt hatten. Der bekannte Stadtplaner Jochen Kuhn aus Düsseldorf z. B. hat den Grundlagenplan erarbeitet, der die Basis des städtebaulichen Gesamtkonzeptes für das Projekt Neue Mitte Oberhausen bildete.

Das erste Projekt in der Neuen Mitte war der Umbau des Werksgasthauses zum Technologiezentrum Umweltschutz ab 1991. Es waren die Pariser Architekten Reichen & Robert, die diese Spiralkonzeption entwickelten. Von dem Rundbau des TZU, um das alte Werksgasthaus herum, haben sie Schleifen gezogen. Das hat Herr Kuhn dann aufgenommen und daraus das ganze städtebauliche Bild für die Neue Mitte gebildet. Das ging im Norden hoch bis zum Dom in Osterfeld. Die Landesgartenschau hat sich später ebenfalls daran orientiert. Wir haben wirklich eine neue Struktur kreiert, weil wir nicht einfach ein beliebiges Shopping-Center haben wollten. Wir waren gemeinsam mit Herrn Kuhn davon überzeugt: Wir können hier für Oberhausen eine Neue Mitte bauen. Deshalb wollten wir dann eine Mixtur von Gewerbe, Freizeit, Einkaufen und Wohnen realisieren. Bis auf Wohnen ist im Grundsatz alles realisiert worden.

Für die Gesamtkonzeption haben wir uns sehr viel Mühe gegeben, den Sachverstand, den man republikweit bekommen konnte, einzubeziehen. Also den besten Verkehrsplaner, die besten juristischen Berater und dann noch das Thema Einkaufen. Was ist für das Einkaufen an Kaufkraftpotenzial vorhanden? Welche Projektbausteine sind denn wirklich touristisch zu begründen? Denn es machte wenig Sinn, nur Umschichtungen zwischen Alt-Oberhausen und CentrO oder zwischen Bottrop und CentrO vorzunehmen. Unser Ziel bestand darin, Besucher aus Münster, aus Köln oder aus Erfurt ins Ruhrgebiet zu holen, sie touristisch anzulocken, indem man das Einkaufen als eine Art des moderneren Freizeitvergnügens entwickelt. Um dieses Ziel zu erreichen, war es erforderlich, möglichst viel Sachverstand zu organisieren, weil es Urban-Entertainment-Center, wie es sie damals im internationalen Maßstab schon gab, in Deutschland noch nicht gab. Warum wir damit keine strategischen Fehler machten? Wir hatten sicherlich einen Investor, der ein gutes „Shopping-Näschen“ hatte und weltweit alle Entwicklungen kannte. Aber zugleich mussten wir das Projekt europäisieren, mehr oder weniger auf deutsche Maßstäbe und dazu noch Ruhrgebietsmaßstäbe herunter brechen. Da waren die vielen, vielen Berater, die wir hatten, höchst sachdienlich.

Sie hatten gerade den Investor Herrn Healey angesprochen und den Planer Herrn Kuhn. Wenn man die Möglichkeit hat, nach England zu reisen und sich die Meadow-Hall in Sheffield im städtischen Umfeld anzusehen, dann fallen durchaus einige gravierende Unterschiede auf, die das dortige, als Solitär errichtete Einkaufszentrum vom CentrO, vor allen Dingen von der gesamten Neuen Mitte als Konzeption deutlich unterscheiden. Wie ist es ihnen gelungen, den Investor Herrn Healey von den Oberhausener Vorstellungen zu überzeugen, nämlich ein breit aufgestelltes, differenziertes Dienstleistungszentrum zu entwickeln?

Das war an sich gar nicht so schwer. Schwieriger waren die amerikanischen Architekten, die Herr Healey mitbrachte, – RTKL, ein amerikanisches Architekturbüro. RTKL hatte viele Shopping-Malls in Amerika gebaut und war auch in Sheffield maßgeblich beteiligt. Die RTKL-Architekten hatten das Ziel, wie es in Amerika üblich ist, dass die Shopping-Malls in sich geschlossene Systeme sind, mit nur vier Eingängen für alle Himmelsrichtungen. Wir wollten aber das Ganze eher mediterran öffnen, in die Stadt integrieren. Darauf sollten die baulichen Strukturen aufbauen. Uns gelang es, die ganze Mall nach außen zu öffnen, also keinen geschlossenen Baukörper zu bilden. Deshalb findet man da sogar zu den Parkplätzen Schaufenster. Das haben wir mühevoll durchgesetzt bei den Architekten. Herr Healey war für diese Fragen sehr offen, hat dafür sogar mehr Geld in die Hand genommen, als funktional notwendig gewesen wäre, wie übrigens für die Begrünung auch. Das haben wir alles gemeinsam in einem mühevollen Prozess erarbeitet. Dafür war besonders wichtig, deutsche Architekten einzubeziehen. In einem Wettbewerb unter Beteiligung internationaler Büros haben wir schließlich RKW aus Düsseldorf ausgewählt. RKW hat es dann übernommen, die Übersetzung der Stadtplanungsideen von Herrn Kuhn und der Stadt in eine architektonische Gesamtlösung zu überführen.

Am Anfang erzählte Herr Healey mir, hatte er vor, schon in Sheffield um die Meadow-Hall herum mehr zu bauen, mehr Entertainment zu etablieren, weil er schon die Grundidee hatte, das Einkaufen neu zu positionieren.

Wir haben damals im Planungsprozess wirklich versucht, weltweite Entwicklungen aufzunehmen. Wo sind Dinge, die wir auf keinen Fall wollen und wo gibt es Ansätze, aus denen wir etwas lernen können? Wir hatten auch eine intensive Diskussion mit der IBA und ihrem Direktor Karl Ganser, der gerade an der touristischen Stadtentwicklung in Deutschland an exponierter Stelle mitgewirkt hat. Dadurch wurde der Plan immer besser und die Akzeptanz nahm zu. Wir kamen immer mehr dazu, neue Wege zu gehen zu einem neuen Zentrum, wo man Einkaufen mit Tourismus verknüpft, so wie es das in Deutschland noch an keiner Stelle bisher gab und auch bis heute nicht gibt. Dabei wollten wir das Ruhrgebiet nicht amerikanisieren, sondern wir wollten schon die europäischen Stadtentwicklungs- und Stadtbilder übertragen wissen. Und der nächste Schritt war, dass wir das Wohnen in die Neue Mitte hineinziehen wollten. Das ist aus vielerlei Gründen nicht gelungen. Einerseits lagen die Ursachen in den Eigentumsverhältnissen begründet, weil die Grundstücke nicht in unserer Hand waren. Andererseits gab es baurechtliche Einschränkungen. Die Abstandserlasse setzten gewisse Grenzen, weil rundherum immer noch Industrie und Gewerbe vertreten war. Das hat sich erst später, als das Stahlwerk Oberhausen im Dezember 1997 stillgelegt wurde, relativiert.

Aus der Perspektive der Landesplanung und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gehörte die Darstellung eines hohen ÖPNV-Anteils an den Verkehren zur Neuen Mitte zu den wichtigen Vorgaben. Das erforderte die Planung eines neuen ÖPNV-Konzeptes für Oberhausen, was wiederum zur Wiedereinführung der Straßenbahn von 1994 bis 1996 führte. War die neue zentrale ÖPNV-Trasse für Sie schlicht eine Notwendigkeit zur Realisierung der Neuen Mitte oder doch mehr die Chance zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung des öffentlichen Nahverkehrs in Oberhausen?


Abb. 4: Innenaufnahme aus dem Centro-Mitteldom, 1996

Der entscheidende Punkt war wirklich, schon unter Klimaschutzgesichtspunkten – obwohl das damals nicht wie heute das politische Thema Nummer eins war – zu überprüfen: Welche Transportmöglichkeiten gibt es, um die erwarteten Käuferströme leistungsfähig zu bedienen? Was sind die effektivsten Methoden, was sind auch die umweltfreundlichsten? Das spielte damals schon eine große Rolle. Ich möchte auf Folgendes zurückkommen: Das Projekt Neue Mitte sollte eine neue Mitte für Oberhausen werden. Und von daher sollte sie auch erschließungstechnisch eine neue Mitte werden. D. h. wir wollten von da aus auch die Stadtquartiere anbinden. Wir haben die Straßenbahn von Mülheim über die Innenstadt von Oberhausen am Hauptbahnhof vorbei, dann in die Neue Mitte und von dort bis in die Innenstadt von Sterkrade weiter geführt. Es gab aber auch Planungen, sie sogar bis nach Schmachtendorf zu führen. Wir haben die Trassenplanung dafür gemacht. Auch in Richtung Essen wollten wir Oberhausen anbinden. Das alles war durchgeplant, war durchgerechnet. Es hat eine lange Diskussion darüber gegeben, ob wir unsere Ziele mit der Straßenbahn erreichen können. Denn eine U-Bahn, das war uns klar, wäre viel zu teuer gewesen. Duisburg baute damals eine U-Bahn-Verbindung für 120 Millionen D-Mark pro Kilometer. Das war jenseits jeder Realisierungschance. Wir haben andererseits diskutiert, ob man das Verkehrsvolumen mit dem Bus-Verkehr bewältigen kann. Da hat es schon heftige Diskussionen gegeben. Der damalige STOAG-Vorstand wollte unbedingt Busse. Ich war sehr früh für die Straßenbahn als Verkehrsmittel, weil wir viele nicht mehr genutzte Werksbahntrassen hatten und es bot sich einfach an, diese als neue Straßenbahntrassen zu nutzen. Das haben wir dann ab dem Hauptbahnhof realisieren können. Deshalb war das Ganze relativ preisgünstig. Es hat sich im Alltag schließlich auch bewährt. Man konnte einen relativ hohen ÖPNV-Anteil im ▶ Modal Split aller Verkehrsmittel erreichen, also den von etwa zwölf Prozent auf 25 bis 30 Prozent stark erhöhen ÖPNV–Anteil an allen Verkehrsmitteln. Ein weiteres Ziel war, hohe Grünflächenanteile zu erreichen. Die Landesgartenschau 1999 in Osterfeld war ein Teilprojekt der Neuen Mitte. Ehemals verbotene, mit ▶ Altlasten verseuchte Flächen, sollten der Freizeitgestaltung zugeführt werden. Im Nachhinein betrachtet lässt sich feststellen, wir haben uns damals durchaus auf der Höhe der Stadtentwicklungsdiskussion in Deutschland bewegt.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
1310 s. 235 illüstrasyon
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9783874683203
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