Kitabı oku: «Perspektiven auf den Lernort Berufsfachschule (E-Book)», sayfa 7

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Didaktische Implikationen für kaufmännische Berufsfachschulen

Im Folgenden werden die didaktischen Implikationen der Reform «Kaufleute 2022» für die kaufmännischen Berufsfachschulen analysiert. Zunächst wird der Begriff der Handlungskompetenz in der Bildungsforschung verortet, sodann die Handlungskompetenzorientierung als curriculares Prinzip gedeutet und schliesslich die Bedeutung von Berufskunde und Allgemeinbildung als Ziele der Berufsbildung dargelegt.

Die Verortung der Handlungskompetenz in der Bildungsforschung

Der Begriff «Kompetenz» ist in den letzten Dekaden en vogue geworden, sowohl in der breiten Öffentlichkeit wie auch in vielen Sozialwissenschaften. Die Bedeutung des Begriffs Kompetenz (lat. competentia: Zusammentreffen) ist in der Alltagssprache sehr vielfältig: von «Zuständigkeit» und «Befugnis» im betrieblich-organisatorischen und öffentlich-rechtlichen Sinne bis zu «Fähigkeit» und «Fertigkeit» im pädagogisch-psychologischen Sinne (vgl. Duden, 2020).

In der Bildungsforschung findet sich für Kompetenz kein einheitliches Konzept und keine einheitliche, allgemein anerkannte Definition (vgl. dazu Hartig, 2008, S. 16; Klieme, Maag Merki & Hartig, 2007, S. 5; Weinert, 2001a, S. 46). Je nach Forschungsbereich (z. B. Leistungsmessung, Curriculumsentwicklung) wird denn auch ein anderes Kompetenzkonzept beziehungsweise eine andere Kompetenzdefinition verwendet. Als zentrale und gemeinsame Elemente des Kompetenzbegriffs gelten folgende: «Kompetenzen sind Dispositionen, die im Verlauf von Bildungs- und Erziehungsprozessen erworben (erlernt) werden und die Bewältigung von unterschiedlichen Aufgaben bzw. Lebenssituationen ermöglichen. Sie umfassen Wissen, kognitive Fähigkeiten, […] Selbstregulation und sozial-kommunikative Fähigkeiten wie auch motivationale Orientierungen» (Klieme & Hartig, 2007, S. 21).

Für den Forschungsbereich der Kompetenzmodellierung und Leistungsmessung verfasste Weinert (1999, 2001) vor rund 20 Jahren eine Expertise und trug einen Katalog von Kompetenzkonzepten zusammen, nach denen Kompetenz bislang definiert und interpretiert worden war (vgl. Weinert, 1999, 2001, zit. nach Hartig & Klieme, 2006, S. 128 f.). Zwei dieser Konzepte sind bis heute in der pädagogisch-psychologischen Bildungsforschung verbreitet:

– Das engere Konzept beschreibt Kompetenz als kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen, die sich funktional auf die Anforderungen bestimmter Situationsfelder beziehen. Diese kognitiven Leistungsdispositionen lassen sich auch als Kenntnisse, Fertigkeiten oder Routinen charakterisieren (vgl. ebd., S. 128).

– Das breitere Konzept beschreibt Kompetenz als Handlungskompetenz, das heisst eine Integration von kontextspezifischen kognitiven Leistungsdispositionen und motivationalen Orientierungen, bezogen auf Anforderungen eines spezifischen Handlungsfeldes, wie zum Beispiel eines Berufes (vgl. ebd., S. 128).

Im Forschungsbereich der Curriculumsentwicklung wurde das Konzept der umfassenden Handlungskompetenz nach Roth (1971) einflussreich. Kompetenz ist hierbei als Mündigkeit zu interpretieren, und zwar in einem dreifachen Sinne (vgl. Roth, 1971, S. 180, zit. nach Klieme & Hartig, 2007, S. 20): a) Selbstkompetenz, das heisst die Fähigkeit, für sich selbstverantwortlich zu handeln (personenbezogene Fähigkeit, z. B. Selbstregulation, Selbstwirksamkeit, Selbstreflexion); b) Sachkompetenz, das heisst die Fähigkeit, für Sachbereiche urteils- und handlungsfähig und damit zuständig zu sein (gegenstandsbezogene Fähigkeit, z. B. Fachwissen, Berufswissen); c) Sozialkompetenz, das heisst die Fähigkeit, für gesellschaftlich und politisch relevante Sachbereiche urteils- und handlungsfähig und ebenfalls zuständig zu sein (gemeinschafts- und gruppenbezogene Fähigkeit, z. B. Kommunikation, Kooperation). Dieses Kompetenzkonzept ist ebenfalls breit und umfassend angelegt, da «Fähigkeit» nicht nur als kognitive, sondern auch motivationale und volitionale Dispositionen verstanden wird (vgl. Klieme & Hartig, 2007, S. 20).

Das Konzept der umfassenden Handlungskompetenz beziehungsweise die Trias der Kompetenzbereiche ist vor allem in der Berufsbildung verbreitet. Entsprechend findet es sich als berufliche Handlungskompetenz in wissenschaftlichen Beiträgen (vgl. z. B. Reetz, 1990; 1999), Rechtserlassen (Art. 21 Abs. 2 lit. a Berufsbildungsgesetz; Art. 12 Abs. 1 lit. b und Art. 49 Abs. 2 Berufsbildungsverordnung) und Bildungsplänen (vgl. z. B. SKKAB, 2011a; 2011b). Häufig wird dabei der Kompetenzbereich Sachkompetenz unterteilt in Fach- und Methodenkompetenz und/oder die Kompetenzbereiche Sozial- und Selbstkompetenz zusammengelegt (vgl. z. B. SKKAB, 2011b). Dieses Konzept der umfassenden Handlungskompetenz hat sich jedoch in der empirischen Berufsbildungsforschung kaum bewährt: Sozial- und Selbstkompetenzen lassen sich nur schwer in operationalisierbare Konstrukte überführen und mittels standardisierter Testverfahren reliabel erfassen und entsprechend sind die Testergebnisse kaum valide zu interpretieren.

Die Deutung der Handlungskompetenzorientierung als curriculares Prinzip

Lehrpläne unterliegen wechselnden didaktischen «Strömungen», wie zum Beispiel Wissenschafts-, Situations-, Subjekt-, Lernziel- oder Kompetenzorientierung (vgl. Reinisch, 2017; Robinsohn, 1967). Als jüngere Strömung ist die Kompetenzorientierung zu nennen, die mitnichten als eine Verdrängung oder Verneinung von Wissen und Wissenschaft zu verstehen ist: «Kompetenzorientierung bedeutet keine Abkehr von einer fachlichen Wissensbildung und schon gar nicht von der Leitidee des verständnisorientierten und problemlösenden Lernens. Es geht im Gegenteil ganz zentral um fachliche Bildung, in deren Kontext auch fachübergreifende – methodische, soziale und personale – Kompetenzen kultiviert werden sollen» (Reusser, 2014, S. 326).

In der Wirtschaftspädagogik werden zur Lösung des «Relevanzproblems», das heisst zur Ermittlung, Auswahl und Begründung von relevanten Lerngegenständen in Lehrplänen, drei curriculare Prinzipien vorgeschlagen (vgl. Reetz, 1984; 2003; Tramm & Reetz, 2010): Wissenschafts-, Situations- und Persönlichkeitsprinzip. Diese drei Prinzipien sind interdependent; in der Curriculumsentwicklung geht es daher nicht um eine isolierte, sondern um eine komplementäre Verwendung dieser drei Prinzipien (vgl. Reetz, 2003, S. 101 f.).

Beim Wissenschaftsprinzip orientiert sich die Auswahl der Lerngegenstände an der Fachdisziplin beziehungsweise den Fachdisziplinen (vgl. Reetz, 2003, S. 101), also den akademischen Wissensbeständen. In der Wirtschaftspädagogik sind diese Bezugsdisziplinen die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (vgl. z. B. Beck, 1989; Kaminski, 2017; May, 2010; Ochs & Steinmann, 1987; Tafner, 2017; Weber, 2014). Das Situationsprinzip richtet die Lerngegenstände an gegenwärtigen und zukünftigen Lebenssituationen aus, die für Lernende bedeutsam sind oder bedeutsam werden können (vgl. Reetz, 2003, S. 101). Hierbei geht es mitunter um das Eruieren von Kompetenzen, die für die Bewältigung dieser Situationen notwendig sind (vgl. Ochs & Steinmann, 1978; Robinsohn, 1967; Steinmann, 1997). In der Wirtschaftspädagogik sind dies ökonomisch geprägte Situationen, die im persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Lebensbereich verankert sind (vgl. Albers, 1988, 1995; ausführlich bei Ackermann, 2019, S. 62–67, im Druck-b). Im beruflichen Lebensbereich sind berufsallgemeine (z. B. Berufs- und Studienwahl, Aus- und Weiterbildung) und berufsspezifische Anforderungssituationen und Kompetenzen (z. B. kaufmännisch-verwaltende Tätigkeiten) zu unterscheiden. Das Persönlichkeitsprinzip wählt die Lerngegenstände hinsichtlich der Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden aus (vgl. Reetz, 2003, S. 101). Es bezieht sich auf ein Bildungsideal, das heisst auf die normative Vorstellung des gebildeten Menschen. In der Wirtschaftspädagogik sind diese Bildungsideale der «mündige Wirtschaftsbürger» (vgl. Albers, 1995; Dubs, 2011, 2013; Ulrich, 1993, 2001) und der «ehrbare Kaufmann» (vgl. Casper, 2017; Schlömer, 2017; Tafner, 2017).

In den kaufmännischen Schullehrplänen der Schweiz hat das Wissenschaftsprinzip eine lange Tradition, repräsentiert durch allgemeinbildende Fächer (z. B. Wirtschaftskunde, Staatskunde, Rechtskunde, Deutsch, Fremdsprachen) und berufskundliche Fächer (z. B. Buchhaltung, kaufmännisches Rechnen, Stenografie, Maschinenschreiben, Handelskorrespondenz) (vgl. König et al., 1985, S. 121). So machten zum Beispiel die Fremdsprachen (Französisch, Englisch, Italienisch) im Jahr 1930 circa ein Drittel der Stundentafel aus (ebd.). Der hohe Stellenwert der Allgemeinbildung in der kaufmännischen Berufsbildung liegt unter anderem in der Statusorientierung der kaufmännischen Angestellten begründet, die sich seit jeher als (besser) gebildete Bürgerinnen und Bürger sahen: «Nebenbei thut der junge Sohn Merkurs gut, sich auch für handelspolitische und volkswirthschaftliche Fragen zu interessiren, damit er ein Verständniss für den Zusammenhang aller gewerblichen und kaufmännischen Thätigkeit erlangt» (Fortschritt, 1884, zit. nach Wettstein, 1987, S. 12).

Bereits mit den Reformen im Jahr 2003 und 2012 wurden Kompetenzen beziehungsweise berufliche Handlungskompetenzen in der kaufmännischen Grundbildung eingeführt, allerdings waren damals die Fachkompetenzen lernortspezifisch und lernbereichsspezifisch strukturiert (vgl. BBT, 2003; SKKAB, 2011a; 2011b). Mit der Reform «Kaufleute 2022» werden nun berufliche Handlungskompetenzen konsequent auf alle drei Lernorte erweitert. Eine solche berufliche Handlungskompetenzorientierung im Lehrplan kann als Mischform des Situationsprinzips und des Persönlichkeitsprinzips betrachtet werden, bei dem berufsspezifische Handlungssituationen und berufsspezifische Handlungskompetenzen gleichzeitig als Ausgangspunkt und als Zielvorgabe für die didaktische Inszenierung dienen. Insofern geht mit der Reform eine Verschiebung vom Wissenschaftsprinzip zum Situationsprinzip und Persönlichkeitsprinzip im Bildungsplan der Kaufleute vonstatten (vgl. Ackermann, eingereicht). Für die kaufmännischen Lernorte Betrieb und überbetriebliche Kurse ist das Situationsprinzip nicht neu: Bereits heute sind im generischen Qualifikationsprofil und in den branchenspezifischen Leistungszielkatalogen für den Lernbereich «Branche und Betrieb» berufliche Handlungskompetenzbereiche («Richtziele») und berufliche Handlungskompetenzen («Leistungsziele») beschrieben (vgl. SKKAB, 2011a; 2011b). Für den kaufmännischen Lernort Berufsfachschule ist dieses curriculare Prinzip hingegen ein Novum – und eine entsprechende Herausforderung.

Die Bedeutung der schulischen Unterrichtsbereiche Berufskunde und Allgemeinbildung als Ziele der Berufsbildung

Die berufliche Grundbildung in der Schweiz erfüllt drei wesentliche Ziele: berufliche Qualifizierung, grundlegende Allgemeinbildung und lebenslanges Lernen. Berufslernende sollen berufsspezifische Handlungskompetenzen erwerben, die sie befähigen, die entsprechende Berufstätigkeit auszuüben (Art. 15 Abs. 2 lit. a Berufsbildungsgesetz). Diese berufliche Qualifizierung wird durch die Kooperation von drei Lernorten angestrebt und sichergestellt: Lehrbetrieb, Berufsfachschule und überbetriebliche Kurse (Art. 16 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz; SBFI, 2020, S. 10). Die Abschlüsse der Berufsbildung sind durch den nationalen Qualifikationsrahmen Berufsbildung international vergleichbar (Schweizerischer Bundesrat, 2014; SBFI, 2014). Die Ausbildung von qualifizierten Fachkräften ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zentral.

Des Weiteren sollen Berufslernende eine grundlegende Allgemeinbildung erhalten, die sie dazu befähigt, sich in die Gesellschaft zu integrieren und darin zu partizipieren (Art. 15 Abs. 2 lit. b und c Berufsbildungsgesetz). Insbesondere sollen sie befähigt werden, zu einer nachhaltigen Entwicklung in der wirtschaftlichen, ökologischen, politischen und kulturellen Dimension beizutragen. Gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen in der Gesellschaft stellen sich unter anderem angesichts der Megatrends wie Globalisierung, Demografie, Ökologie und Migration (z. B. Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den schweizerischen Arbeitsmarkt) (vgl. Zukunftsinstitut, 2020). Schliesslich sollen Berufslernende auf das lebenslange Lernen sowie das selbständige Urteilen und Entscheiden vorbereitet werden (Art. 15 Abs. 2 lit. d Berufsbildungsgesetz).

Bei den allermeisten beruflichen Grundbildungen der Schweiz werden am Lernort Berufsfachschule zwei Unterrichtsbereiche angeboten: Allgemeinbildung und Berufskunde (Art. 16 Abs. 2 lit. b Berufsbildungsgesetz). Der allgemeinbildende Unterricht zielt auf die Orientierung in der persönlichen und gesellschaftlichen Lebenswelt sowie auf die Bewältigung von persönlichen und beruflichen Herausforderungen ab (vgl. BBT, 2006a, Art. 2 Verordnung Allgemeinbildung). Entsprechend sollen Kompetenzen im Lernbereich Sprache und Kommunikation (Rezeption, Produktion, Normen) und Kompetenzen im Lernbereich Gesellschaft (Kultur, Politik, Recht, Wirtschaft, Technologie, Ökologie und Ethik) gefördert werden (vgl. BBT, 2006a, 2006b). Der Berufskundeunterricht hingegen zielt auf die Vermittlung von Berufskenntnissen ab, die für die Ausübung des Berufs erforderlich sind. Hier sollen berufsspezifisches Konzeptwissen erworben sowie berufsspezifisches Handlungswissen eingeübt und reflektiert werden.

Mit der Reform «Kaufleute 2022» werden an den kaufmännischen Berufsfachschulen die traditionellen schulischen Unterrichtsbereiche mit ihrer disziplinären Struktur (z. B. Wirtschaft & Gesellschaft, erste Landessprache, Fremdsprachen) aufgelöst und durch den grossen Unterrichtsbereich «Berufskenntnisse und Allgemeinbildung» ersetzt. Dieser Unterrichtsbereich ist nach den fünf Handlungskompetenzbereichen sowie nach dem Wahlpflichtbereich und der Option strukturiert und gewichtet: Der Bereich A hat einen Anteil von 10 Prozent (160 Lektionen), der Bereich B 12.5 Prozent (200 Lektionen), die Bereiche C und D je 20 Prozent (je 320 Lektionen), der Bereich E 15 Prozent (240 Lektionen), der Wahlpflichtbereich 15 Prozent (240 Lektionen) und die Option 7.5 Prozent (120 Lektionen) (vgl. SBFI, 2020b, Art. 11 Abs. 1 Verordnung Kaufleute EFZ).

Aus der Benennung und Strukturierung des Unterrichtsbereichs «Berufskenntnisse und Allgemeinbildung» lässt sich schliessen, dass hier sowohl berufskundliche als auch allgemeinbildende Inhalte verankert und vermischt sind. Allerdings werden die allgemeinbildenden Themenbereiche nicht singulär und explizit in der Lektionentafel aufgelistet, sondern sind in die Handlungskompetenzbereiche A bis E integriert (vgl. SBFI, 2020b, Art. 11 Abs. 3 und Abs. 4 Verordnung Kaufleute EFZ). Es ist also zu vermuten, dass berufskundliche Inhalte im Schullehrplan eine deutlich stärkere Gewichtung erhalten als allgemeinbildende – zumindest, wenn man einem herkömmlichen Verständnis von Allgemeinbildung folgt, wonach sich Allgemeinbildung vorwiegend auf disziplinär orientiertes Konzept- und Handlungswissen bezieht.

Im neuen Bildungsplan «Kaufleute 2022» ist ein anderes Verständnis von Allgemeinbildung erkennbar, und zwar durch zwei wesentliche curriculare Elemente: Erstens, sprachlich-kommunikative Kompetenzen werden vor allem im Handlungskompetenzbereich D (Gestalten von Kunden- und Lieferantenbeziehungen, in der regionalen Landessprache und/oder einer Fremdsprache) angeeignet und eingeübt («focus on form», Arbeit an der Sprache), aber in allen Handlungskompetenzbereichen angewendet («focus on meaning», Arbeit mit der Sprache) (vgl. SKKAB, 2020c, S. 28 ff.). Zweitens, Kompetenzen für persönliche und gesellschaftliche Lebenssituationen werden im Handlungskompetenzbereich A (Handeln in agilen Arbeits- und Organisationformen) themenorientiert aufgebaut (vgl. SKKAB, 2020c, S. 12 ff.): persönliche Kompetenzentwicklung und lebenslanges Lernen (mittels Portfolio), individuelle Lebensbewältigung (soziale Beziehungen, Wohnen, Arbeiten, Versichern und Vorsorgen, Budget und Schulden, Steuern), berufliche Teilhabe (Netzwerke, Selbstvermarktung), gesellschaftliche Teilhabe (Rechtsordnung, Demokratie, politische Rechte und Meinungsbildung, Migration, Globalisierung, Mobilität, Klimawandel). In den Themenbereichen «individuelle Lebensbewältigung» und «gesellschaftliche Teilhabe» finden sich Lerngegenstände aus der traditionellen Rechtskunde (z. B. Rechtsordnung, Verträge) und traditionellen Wirtschaftskunde (z. B. gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge und Entwicklungen, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Finanz- und Geldpolitik), jedoch mit (verengter) Perspektive auf den beruflichen Lebensbereich: das Handeln als Kauffrau beziehungsweise Kaufmann in Betrieb und Branche.

Des Weiteren ist im neuen Bildungsplan «Kaufleute 2022» die Fokussierung auf kaufmännische Berufskenntnisse für Betrieb und Branche erkennbar: Berufliche (Handlungs-)Kompetenzen werden (arbeits-)situationsorientiert entlang der Handlungskompetenzbereiche B bis E aufgebaut (vgl. SKKAB, 2020c, S. 17 ff.). Die beruflichen Handlungskompetenzen lassen sich grösstenteils auf berufs- und fachwissenschaftliche Erkenntnisse stützen, wie zum Beispiel Betriebswirtschaft, Kommunikation sowie Arbeits- und Organisationspsychologie. Jedoch sind viele Handlungskompetenzen allgemein und unspezifisch formuliert, sodass die betreffende Kompetenz zwar methodisch, sozial und/oder personal umrissen wird, aber fachlich unklar bleibt und somit beliebig wird. Dies birgt didaktische Unwegsamkeiten, wenn «das Betriebliche» an der kaufmännischen Berufsfachschule verallgemeinernd und branchenübergreifend vermittelt werden soll. Die folgenden Handlungskompetenzen vermögen dies exemplarisch zu illustrieren: «a3: Kaufmännische Aufträge entgegennehmen und bearbeiten», «c3: Betriebliche Prozesse dokumentieren, koordinieren und umsetzen», «d4: Beziehungen mit Kunden und Lieferanten pflegen», «e4: Betriebsbezogene Inhalte multimedial aufbereiten» (vgl. SKKAB, 2020c, S. 9). Solche allgemeinen Handlungskompetenzen sind eher als berufsüberfachliche Kompetenzen zu deuten und weniger als berufsfachliche Kompetenzen (auf den Lern- und Arbeitsgegenstand bezogene Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten; berufsspezifisches Konzept- und Handlungswissen).

Die Vorbereitung und Durchführung des neuen Unterrichtsbereichs «Berufskenntnisse und Allgemeinbildung» stellt Lehrpersonen an kaufmännischen Berufsfachschulen vor eine grosse fachliche und didaktische Herausforderung. Zum einen haben die meisten Lehrpersonen einen akademischen Hintergrund (z. B. Wirtschaftswissenschaften, Sprachwissenschaften) und verfügen über wenig bis keine berufspraktische Erfahrung im kaufmännischen Bereich (vgl. Holtsch, 2018; Pfiffner & Ackermann, 2020). Es ist also zu vermuten, dass kaufmännische Lehrpersonen mit den betrieblichen Lern- und Arbeitssituationen ihrer Lernenden nicht oder nicht genügend vertraut sind, um im schulischen Unterricht die entsprechenden Kompetenzen authentisch zu vermitteln (vgl. Pfiffner & Ackermann, 2020). Zum anderen können kaufmännische Lehrpersonen für die Aufarbeitung und Vermittlung der berufskundlichen Lerninhalte nicht auf eine traditionelle Fachdidaktik (z. B. Fachdidaktik Wirtschaft, Fachdidaktik Deutsch) mit ihren spezifischen Methoden, Materialien und Medien zurückgreifen.

Didaktische Implikationen für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung

Nachfolgend werden die didaktischen Implikationen der Reform «Kaufleute 2022» für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung behandelt. Als Erstes wird auf die Qualifikation der zukünftigen kaufmännischen Berufsfachschullehrerpersonen eingegangen, als Zweites auf die Konzeption einer kaufmännischen Berufsdidaktik.

Die Qualifikation der zukünftigen kaufmännischen Berufsfachschullehrpersonen

Die Ausbildung der Berufsbildungsverantwortlichen ist in der Schweiz an den Hochschulen angesiedelt. So werden in der Abteilung Sekundarstufe II/Berufsbildung der PH Zürich diverse berufsbegleitende Studiengänge angeboten (vgl. PHZH, 2020c), zum Beispiel Lehrdiplome für Allgemeinbildenden Unterricht (ABU), Berufskunde (BK), Information, Kommunikation, Administration (IKA, für kaufmännische Berufsfachschullehrpersonen) sowie Wirtschaft und Gesellschaft (W&G, für kaufmännische Berufsfachschullehrpersonen). In diesen Studiengängen wird nach dem sogenannten 4K-Modell ausgebildet (vgl. Sterel, Pfiffner & Caduff, 2018, S. 158 ff.; Sterel & Pfiffner, 2019). 4K steht für die vier zentralen Kompetenzen des 21. Jahrhunderts (vgl. NEA, 2012; Partnership for 21st Century Skills, 2019): kritisches Denken und Problemlösen, Kommunikation, Kooperation sowie Kreativität und Innovation.

Im Hinblick auf die Reform «Kaufleute 2022» müssen die bisherigen Studiengänge W&G und IKA an der PH Zürich ab Herbstsemester 2022 konsequent auf die neue kaufmännische Berufsbildung ausgerichtet werden. Dies bedingt ein Zusammenlegen der bisherigen Studiengänge W&G und IKA zu einem neuen «kaufmännischen Studiengang». In diesem Studiengang sollen Studierende mit verschiedenen fachwissenschaftlichen Hintergründen (z. B. Betriebswirtschaft, Wirtschaftsinformatik) und ausgewiesener kaufmännischer Berufserfahrung integriert ausgebildet und gezielt auf den handlungskompetenzorientierten und interdisziplinären Unterricht an kaufmännischen Berufsfachschulen vorbereitet werden.

Dieser neue «kaufmännische Studiengang» bedingt eine fundamentale Umgestaltung der bisher vermittelten Fachdidaktik, die sich auf den Unterrichtsbereich «Wirtschaft und Gesellschaft» bezieht und an den fachwissenschaftlichen Disziplinen (Wirtschaftslehre, Rechtslehre, Staatslehre) orientiert. Die neue Fachdidaktik ist eine kaufmännische Berufsdidaktik, die sich am Unterrichtsbereich «Berufskenntnisse und Allgemeinbildung» ausrichtet und kaufmännische Lern- und Arbeitssituationen zum Gegenstand hat.

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