Kitabı oku: «Qualitative Medienforschung», sayfa 23
Entstehung und Kernaussagen des Domestizierungskonzepts
Vorläufer
Das Domestizierungskonzept knüpfte an der ethnographisch orientierten Fernsehforschung der Cultural Studies aus den 1980er-Jahren an. Diese war auf den Ort ausgerichtet, an dem Fernsehen stattfindet: auf den Kontext des Häuslichen sowie speziell der Familie und der Paarbeziehung. Leitend war die These, dass die vieldeutige Tätigkeit Fernsehen nur im häuslichen Kontext, im Kontext von Familie und Freizeit verstanden werden kann (vgl. Moores 1993; → Mikos, S. 146 ff.).
Einflussreich war ferner die international viel rezipierte englische Publikation des deutschen Ethnologen Hermann Bausinger (1984) über »Media, Technology and Daily Life«. Darin macht er anhand einer fiktiven Fallstudie über »Familie Meier« anschaulich, dass sich die Bedeutung von Rezeptionssituationen erst im weiteren Kontext des Alltags und des Zusammenlebens sowie in der Zusammenschau aller genutzten Medien erschließt – hier hat also sowohl das Konzept der »Medienrepertoires« (Hasebrink/Domeyer 2012) als auch das Bewusstsein von der Alltagseinbettung jeglicher Mediennutzung einen wichtigen Ausgangspunkt. Insbesondere vertiefte Bausinger in diesem Rahmen die unauffällige Präsenz und »Einbürgerung« von Technologien in den häuslichen Alltag (Bausinger 1983, S. 29). Von hier führt eine Linie hin zum Domestizierungsansatz.
Das HICT-Projekt
Das Domestizierungskonzept wurde im Rahmen des HICT-Projekts – The Household Uses of Information and Communication Technologies – entwickelt. Silverstone, Morley, Hirsch und Livingstone führten dieses Projekt Ende der 1980er-Jahre unter Einbeziehung der (damals) neuen Medientechnologien durch (vgl. die Beiträge in Silverstone/Hirsch 1992; ferner Morley/Silverstone 1990; Hartmann 2013, S. 45–47). Das Projekt zielte auf die Nutzung des gesamten Ensembles der Medien und Kommunikationstechnologien im Kontext der Haushalte, der Familien-, Generationen- und Geschlechterbeziehungen, wie es Bausinger nahegelegt hatte. Anliegen des Projekts war es, die damals dominante Fernsehrezeptionsforschung bezogen auf das Medienrepertoire zu rekontextualisieren und das Feld der Medienforschung insgesamt in einem breiteren soziotechnischen und kulturellen Rahmen neu zu definieren, um eine Alternative zu technikdeterministischen Ansätzen zu entwickeln. Das Projekt startete zu einer Zeit, als der Einzug von Computern in die private häusliche Welt gerade in den Anfängen steckte und »neue« Medien Satelliten-TV, Spielekonsolen u. Ä. waren, sodass HICT zu einer Pionierstudie über die Frühphase der Digitalisierung der Haushalte wurde. Zwar blieb die Auswertung der Haushalts-Fallstudien bruchstückhaft, jedoch wurden wichtige theoretisch-konzeptionelle Grundlagen des Domestizierungsansatzes im Projektrahmen entwickelt.
Konzeptionelle Grundlagen
Medien werden im Domestizierungsansatz in ihrer doppelten Bedeutung fokussiert, nämlich als Medium und als Medientechnologie, wie es u.a. Silverstone und Haddon (1996, S. 62) mit dem Konzept der »Double Articulation« gefasst haben (vgl. ausführlich Hartmann 2013, S. 24–27). Das Medium ist Träger von Bedeutungen; hier wird die symbolische Ebene in den Blick genommen, die Rezeption bezieht sich auf die Nutzung und Aneignung von Inhalten. Demgegenüber trägt die Medientechnologie die Bedeutung in sich; hier geht es um die materielle Ebene, die Rezeption bezieht sich auf die Nutzung und Aneignung des Objekts. Auf beiden Ebenen zugleich entsteht Bedeutung, und zwar durch die Sinnproduktionen der Rezipierenden im Prozess der Aneignung. Obwohl der Domestizierungsansatz beansprucht, beide Ebenen zu berücksichtigen, zeigt die empirische Praxis eine Konzentration auf die medientechnologische Ebene und damit auf situatives Medienhandeln in raum-zeitlichen und sozialen Kontexten (vgl. Röser 2016, S. 488–490). Dies dürfte zum einen forschungsökonomischen Zwängen geschuldet sein, zum anderen war speziell diese zweite Ebene von der Kommunikationswissenschaft lange vernachlässigt worden und stellte eine innovative Erweiterung der Perspektive dar.
Der Prozess der Domestizierung von Medien wurde im HICT-Projekt in vier Dimensionen systematisiert (vgl. Silverstone u.a. 1992, S. 20–26)2: (1) »Appropriation« bzw. »Commodification«, wie Silverstone (2006, S. 233) später als präziseren Begriff vorschlug, meint die Anschaffung und die Inbesitznahme der Technologie, ihre Überführung vom Außen ins Innen nach einem Entscheidungsprozess. (2) »Objectification« bezeichnet die Platzierung der Technologie im Haushalt und mögliche Veränderungen der Räume. (3) »Incorporation« zielt auf die Integration der Technologie in die zeitlichen und alltäglichen Routinen des Haushalts und seiner Mitglieder – eine zentrale Dimension mit vielfältigen Unterkategorien. (4) »Conversion« schließlich bezeichnet (etwas unscharf) den medieninduzierten Wandel der Beziehung des Haushalts zu anderen Sphären.
Die zweite und dritte Dimension rücken die innerhäuslichen Prozesse in den Blick, wozu sowohl das Einpassen der Technologie in vorhandene Strukturen und Praktiken gehört als auch die Veränderung von Räumen und Routinen bis hin zu den Geschlechter- und Generationeninteraktionen durch Impulse des neuen Mediums. Die erste und vierte Dimension beinhalten die Beziehung des Haushalts zu anderen gesellschaftlichen Kontexten. So ist das Zuhause durch den Kauf einer neuen Medientechnologie mit den Politiken der Produktion und Technikentwicklung, des Konsums und Marketings verbunden; in umgekehrter Richtung wirken die Aneignungsweisen im Haushalt auf gesellschaftliche Entwicklungen, Kommunikationsweisen und somit auf die Makroebene zurück (vgl. Silverstone 2006).3
Damit sollte deutlich geworden sein, dass die häuslichen Alltagspraxen nicht isoliert stehen, sondern mit ökonomischen, technologischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen interagieren. Das Zuhause ist ein Mikrokosmos des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels durch Medien. Es ist in der Domestizierungsperspektive somit nicht Mikro- im Gegensatz zur Makroebene, vielmehr finden alle gesellschaftlichen und kulturellen Fragen der Medienkommunikation ihren Ausdruck (auch) im häuslichen Kontext und werden von hier aus beeinflusst. Morley lenkte den Blick auf den häuslichen Kontext als vielschichtigen Schnittpunkt. In ihm vollziehen sich: die Verbindung von technologischen Innovationen, sozialen Beziehungen und kulturellen Identitäten; die Einbindung »der Texte und Technologien von Kommunikation und Information« in das »Management von Zeit und Arbeitsteilung sowie in die Schaffung und Erhaltung sozialer Beziehungen und individueller Identitäten«; die Organisation sozialer Räume, in denen Individuen in Familie und Haushalt mittels Medien miteinander verbunden und voneinander getrennt sind; die medienvermittelte Beziehung zwischen der Familie/dem Haushalt und der sie umgebenden Welt (Morley 1999, S. 313). Inwieweit das Zuhause auch in Zeiten von Mobilkommunikation und Globalisierung diese Relevanz weiterhin besitzt, wird unterschiedlich eingeschätzt – wir kommen auf diese Frage im Ausblick zurück.
Perspektivenerweiterung: Durchsetzung von und Teilhabe an neuen Medien durch Domestizierung
Der Domestizierungsansatz verfügt über ein weiteres Analysepotenzial, das in den frühen, besonders den historischen Arbeiten zwar implizit bereits enthalten war, in gängigen Darstellungen aber meist übersehen wird (vgl. z. B. Hartmann 2013). Domestizierung eignet sich als Ansatz zur Beschreibung und Theoretisierung von Verbreitungsprozessen neuer Medien aus der Nutzerperspektive, wie Projekte zur Internetdomestizierung zeigen konnten: Das Internet wandelte sich erst durch seine Domestizierung von einem Elite- zu einem Massenmedium (vgl. Röser/ Peil 2010). Im Zentrum dieser Perspektive steht die Frage, inwieweit die Durchsetzung neuer Medien(-Technologien) entscheidende quantitative und qualitative Impulse durch die Integration in die häusliche Sphäre bekommt und Domestizierung so zu mehr Teilhabe an einem neuen Medium führt, weil sich Nutzerkreise verbreitern (vgl. ebd.; Peil/Röser 2014). Aufschlussreich sind in dieser Perspektive historische Studien zu Telefon, Radio und Fernsehen. So zeigen Oral-History-Studien zum frühen Radio interessante Parallelen zur Verbreitung von PC und Internet in den 2000er-Jahren (vgl. Moores 2007; Röser 2007a; 2007b). Genau wie das Radio waren PC und Internet anfangs kleinen männlichen Expertenkreisen vorbehalten. Durch Domestizierungsprozesse machen diese Medien einen Wandel von einer technischen Rahmung zu einer alltagskulturellen Kontextuierung durch: Die Technologie wandert von den Insidern und Experten zu den Laien, von spezialisierten Teilöffentlichkeiten zu breiten Nutzerkreisen. Dabei vermindern sich soziale Differenzen in Zugang und Nutzung, die bei dominant technisch gerahmten Medien zunächst eine besonders große Rolle spielen. Im Zuge dieser Entwicklung wurden insbesondere Frauen (aber auch technikferne Männer) immer stärker von dem Medium angesprochen.
Damit kann das Domestizierungskonzept auch bezogen auf den Aspekt der wachsenden Teilhabe an neuen Medien als rezipientenorientierter Gegenentwurf zu Ansätzen wie Diffusionstheorie oder Digital Divide gefasst werden, die die Linearität des Verbreitungsprozesses neuer Medien und die Exklusion bestimmter Bevölkerungsgruppen überbetonen.
Geschlechterverhältnisse und Domestizierung
Der Prozess der Domestizierung eines Mediums und das Medienhandeln im Alltag sind eng verbunden mit der Ausgestaltung von Geschlechterverhältnissen. Deutlich wird dies erstens – wie gerade erläutert – in Bezug auf Ausschluss und Teilhabe an neuen Medien(-Technologien). Darüber hinaus gilt dies zweitens auch bezogen auf die alltägliche Mediennutzung: In vielen Studien, die das Zuhause als Kontext des Medienhandelns analysieren, erwiesen und erweisen sich geschlechtsgebundene Nutzungsweisen und Bedeutungszuschreibungen als zentral. So wurde z. B. herausgearbeitet, wie die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zu unterschiedlichen Mediennutzungsmustern und inhaltlichen Präferenzen führt (vgl. ausführlicher Moores 1993; Röser 2007a; Röser u.a. 2017). Im häuslichen Kontext wird das Konzept des »Doing Gender« – d. h. die Produktion von Geschlechterpositionen und geschlechtsgebundenen Aneignungsweisen im alltäglichen Handeln der Subjekte – mit Leben gefüllt, aber auch verändert und variiert. Da viele Domestizierungsstudien Haushalte mit zusammenlebenden heterosexuellen Paaren und Familien untersucht haben, ist diese Konfliktlinie innerhalb eines Haushalts fast automatisch präsent. Demgegenüber rücken schichtspezifische Besonderheiten erst im Vergleich unterschiedlich positionierter Haushalte in den Blick.
Medienethnographie als methodischer Zugang
Methodologisch erfordert der Domestizierungsansatz eine Umsetzung der aneignungs- und kontextorientierten Perspektive auf Medienhandeln, wie sie in den eingangs skizzierten Prämissen zum Ausdruck kommt. Entsprechend bedarf es eines »methodologischen Situationalismus« (vgl. Morley 1999, S. 302), um Domestizierung gegenstandsangemessen zu erheben. Anders als Rezeptionsstudien, die das Individuum bzw. das individuelle Medienhandeln ins Zentrum der empirischen Analyse stellen, sollten Domestizierungsstudien die Einbettung des Medienhandelns in den nicht medialen Alltag und den Charakter der häuslichen Mediennutzung als kollektiven Prozess einbeziehen (vgl. Röser 2007a, S. 19). Wer zur Domestizierung von Medien forscht, untersucht beispielsweise, wie Medien räumlich in Haushalte integriert sind, was dies über Kommunikationsweisen der Bewohner aussagt, warum etwa manche Medien in Gemeinschaft, andere alleine genutzt werden.
Medienethnographien (vgl. Bachmann/Wittel 2006; → Winter, S. 588 ff.) vermögen die skizzierten Anforderungen besonders gut einzulösen. Ein medienethnographischer Zugang bezeichnet keine Methode im engen Sinn, sondern eine Perspektive, die theoretisch, aber auch in Bezug auf die empirische Anlage einer Studie eingenommen wird. Passend zum Domestizierungsansatz zeichnet er sich durch Alltagsnähe der Forschung, einen »primär verstehenden Zugang« in Bezug auf die Sicht der Menschen, eine an Zusammenhängen interessierte Perspektive und einen Methodenmix in der Empirie aus (Bachmann/Wittel 2006, S. 186). Wie im Domestizierungsansatz werden in der ethnographischen Forschung Strukturen und Diskurse berücksichtigt, die aus der Gesellschaft in das untersuchte Feld hineinwirken. Aufgrund dieser Gemeinsamkeiten haben die beiden Felder einander, trotz unterschiedlicher Entstehungszusammenhänge, seit den 1980er-Jahren befruchtet. »Akkumulierte ethnographische Miniaturen« (ebd., S. 191) haben sich in der Domestizierungsforschung besonders bewährt. Bei diesem Verfahren treten mehrere Aufenthalte von kurzer Dauer an die Stelle eines langen Aufenthalts im Feld. Im Zentrum steht die Rekonstruktion des Medienhandelns und seiner situativen Rahmung über eine Kombination von Interviews und Beobachtungen: »Mehr als pure Interviews werden solche Kurzaufenthalte dann, wenn sie (a) in der Lebenswelt der erforschten Menschen stattfinden, (b) durch Beobachtung zusätzliche Daten über diese Lebenswelt erheben und (c) diese Lebenswelt wiederum Thema des Interviews ist […].« (ebd.) Beobachtungsdaten dienen in diesem Zusammenhang zu mehr als »nur illustrativen Zwecken«, weil sie es den Forschenden im Interview ermöglichen, »auf den Kontext« zu reagieren und ihre Fragen entsprechend anzupassen (ebd.). Auf diese Weise lässt sich z. B. erheben, warum in einem Haushalt häufig Serien gestreamt werden, und gleichzeitig beobachten, wo die onlinefähigen Endgeräte platziert sind, die zum Abspielen dieser Inhalte genutzt werden.
Eine zentrale Herausforderung bei der Erstellung von Medienethnographien stellen der Umgang mit dem umfangreichen ethnographischen Datenmaterial und seine systematische Aufarbeitung dar. Um das Medienhandeln eines Falls im Zusammenhang darzustellen und auf dieser Basis Fallvergleiche anstellen zu können, sollte das Material in der Auswertung analytisch geordnet und verdichtet werden. Für die Umsetzung dieses Anspruchs gibt es kaum Vorbilder, weil Studien wie das oben genannte HICT-Projekt nur vage Auskunft über die Auswertungsverfahren geben. Um Domestizierungsprozesse als eine »dichte Beschreibung« (Geertz 2009, S. 284) im Sinne einer »sinnvollen Darstellung alltäglicher kultureller Praktiken und den damit verbundenen Fragen« (ebd.) aufzuarbeiten, bietet sich die Verwendung von medienethnographischen Porträts an – ein Verfahren, das speziell für die Analyse von medienethnographischem Material entwickelt wurde (vgl. Röser u. a. 2017).
Trotz des aufwendigen methodischen Designs haben Studien, die die Domestizierung von Medien zu einem definierten Zeitpunkt betrachten, eine Leerstelle: Sie können der Prämisse der Prozesshaftigkeit nur bedingt Rechnung tragen. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, bedarf es Panelstudien, die sich über mehrere Jahre mit dem Verlauf der Domestizierung einzelner Medien beschäftigen und dabei – der eingangs erwähnten vierten Prämisse folgend – die Entwicklung des gesamten häuslichen Medienrepertoires in den Blick nehmen. Ein Beispiel für eine solche Langzeitstudie wird im Weiteren vorgestellt.
Anwendungsbeispiel: Domestizierung als Prozess analysieren
Die qualitative Panelstudie »Das mediatisierte Zuhause I–III« untersuchte unter Beteiligung der Autorinnen die Domestizierung des Internets im Zuge der Mediatisierung des Häuslichen. Um den Wandel von Medienrepertoires und häuslicher Kommunikationskulturen prozesshaft zu erfassen, wurde ein Sample von 25 Paarhaushalten innerhalb von acht Jahren drei Mal zu Hause besucht und die Paare gemeinsam interviewt sowie einmal schriftlich befragt (vgl. Röser/Peil 2010; Röser u.a. 2017). Wohnungsbegehungen und Skizzen der platzierten Medien sowie Fotos der jeweiligen Medienarrangements ergänzten die Interviews um Beobachtungselemente. Die alltagsbezogene Mediennutzung war das zentrale Thema, es wurden aber auch Kontextbedingungen wie z.B. veränderte Lebenssituationen, die Paarbeziehung oder Berufsaspekte thematisiert. Im ersten Interview 2008 wurde zudem ein Jahrzehnt zurückgeblickt und der Prozess, wie man das Internet entdeckt und zu Hause etabliert hat, mit den Paaren rekonstruiert.
Ein erster zentraler Befund ergibt sich aus der Rekonstruktion des Verlaufs der häuslichen Internetdomestizierung. Sie differenziert sich in eine Frühphase und eine Öffnungsphase: In der Frühphase (1995/1996–1999) bildeten Studium und Beruf den dominanten Hintergrund für die Anschaffung des Internets. In der Regel gaben das Kennenlernen und die Nutzung des Mediums in diesen Kontexten entscheidende Anstöße für die Einführung im Privaten. In der Öffnungsphase ab dem Jahr 2000 rückten deutlich vielfältigere und heterogenere Zugänge zum Internet in den Vordergrund. In Haushalten, die zwischen 2000 und 2007 erstmals zu Hause online gingen, waren private Interessen (z. B. Hobbys), Impulse aus dem sozialen Nahbereich (z. B. E-Mailen mit Familie und Freunden) und weitere Kontextbedingungen (z. B. ein technischer Helfer im sozialen Umfeld) entscheidend (vgl. Röser/Peil 2010).
Eine zweite zentrale Einsicht ergab sich aus dem weiteren Verlauf der Internetdomestizierung: Während sich die Haushalte bis 2011 danach unterscheiden ließen, wie intensiv das Internet in den Alltag integriert wurde, kam es in den 2010er-Jahren im Sample zu einer tendenziellen Angleichung in der Art und Weise, das Internet zu Hause zu nutzen (vgl. Röser u. a. 2017). Das Medium ist seitdem in allen Haushalten umfassend alltagsintegriert und zu einem festen Bestandteil der Medienrepertoires geworden. Sowohl die Durchsetzung des Internets bei der breiten Bevölkerung als auch die spätere Angleichung der Verwendungsweisen ist im Wesentlichen auf die häusliche Nutzung des Mediums zur Alltagsorganisation (z. B. zum Onlineshopping und Onlinebanking) zurückzuführen.
Ein dritter Befund der Studie verdeutlicht, dass neue Nutzungsmuster entstehen, indem alte und neue Medien(-Angebote) neu kombiniert werden. Zwischen 2011 und 2016 hat die Integration mobiler onlinefähiger Medien zu einer neuartigen Präsenz des Internets in nahezu allen Räumen des Haushalts geführt. Dadurch kam es zu einer Re-Domestizierung des Mediums in Form einer Umgestaltung etablierter kommunikativer Arrangements; beispielsweise wurde das Verfolgen individueller Medieninteressen über Second Screens in die gemeinschaftliche Fernsehnutzung der Paare integriert (vgl. ebd.).
Die Langzeitbetrachtung macht also deutlich, dass die Domestizierung des Internets im Erhebungszeitraum unterschiedliche Stadien durchlaufen hat und ein unabgeschlossener Prozess ist.
Ausblick
Insgesamt hat der Domestizierungsansatz die Perspektive der Medien- und Kommunikationswissenschaft um soziologische und kulturwissenschaftliche Aspekte erweitert hin zum »overlapping between research on audiences and wider studies of cultural consumption, technology and everyday life« (Moores 1993, S. 54). Die deutsche Forschung hat entsprechende Forschungstraditionen erst im Zuge der Digitalisierung verstärkt aufgegriffen, weil die Relevanz des Alltagskontextes für das Verstehen von Medienaneignung unübersehbar wurde. National und international wurden bestimmte Prämissen des Domestizierungskonzepts auf Studien zur Mobilkommunikation sinnvoll übertragen (vgl. Haddon 2003; Hartmann 2013, S. 91–94). Dabei sind auch Diskussionen aufgekommen, ob der örtlich definierte Kontext des Zuhauses in Zeiten von Globalisierung und Mobilkommunikation überhaupt noch eine herausgehobene Bedeutung hat (vgl. Morley 2006). Aus unserer Sicht ist diese Frage aus drei Gründen zu bejahen (vgl. Peil/Röser 2014): Erstens werden auch Onlinemedien ganz wesentlich im Kontext des Zuhauses angeeignet, wie am Beispiel der Internetverbreitung, aber auch des Smartphones deutlich wird. Damit rückt zweitens schon in den Blick, dass Mobilkommunikation eben kein Gegensatz zur häuslichen Medienkommunikation, sondern eng mit ihr verbunden ist. Smartphones und andere tragbare Technologien werden intensiv im häuslichen Kontext genutzt und haben die innerhäusliche Mobilisierung des Medienhandelns enorm vorangetrieben und dadurch die Mediatisierung des Zuhauses intensiviert.4 Schließlich gilt es drittens zu betonen, dass das Zuhause der zentrale Ort ist, an dem Nutzerinnen und Nutzer ihre Medienrepertoires gestalten und das Verhältnis von alten und neuen Medien (immer wieder neu) verhandeln. Die Grenzen des Zuhauses sind zwar poröser und gestaltbarer geworden, gleichwohl ist die häusliche Sphäre nach wie vor von entscheidender Bedeutung für die Aneignung von Medien und deren Position und Funktion innerhalb des Medienrepertoires.
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