Kitabı oku: «Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft», sayfa 3

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Die Zunahme intermediärer Religiositätsformate

Nach einer der wichtigsten in letzter Zeit zur religiösen Gegenwartssituation durchgeführten Untersuchungen, dem Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung (2008), bezeichnen sich 58 Prozent der Menschen in Westdeutschland als religiös (Bertelsmann Stiftung 2009, CD 37). Nun kann man natürlich fragen: Was bedeutet das? Was steckt hinter dieser Selbsteinschätzung? Aber zunächst einmal ist diese Zahl, gerade in Anbetracht einer diagnostizierten „Gottesverdunstung“ (vgl. Mette 2009), einfach erstaunlich. Wenn man von diesen 58 Prozent nun jene kleine Minderheit von 7 Prozent abzieht, die sich für „sehr religiös“ hält, kommt man zu jener großen Menge von Menschen, die ich als die religiöse Mitte bezeichnen würde. Diese Mitte ist durchaus kein Einheitsbrei, denn dort finden sich sowohl Kirchenmitglieder als auch Konfessionslose. Es finden sich dort Kirchenmitglieder ohne starke religiöse Überzeugungen und Konfessionslose mit ausgeprägten religiösen Bedürfnissen. Das heißt, es gibt hier sowohl, was die britische Religionswissenschaftlerin Grace Davie „belonging without believing“ nennt, als auch das anscheinend umgekehrte Muster eines „believing without belonging“, frei übersetzt: einer Religiosität ohne Religionszugehörigkeit (vgl. Davie 1994). Das sind typische Ausprägungen dessen, was ich ein intermediäres Religiositätsformat nennen möchte: Formate, die eigentlich in die überkommenen Kategorien religiöser Klassifizierung nicht passen, die irgendwo und irgendwie dazwischen liegen, die teilweise überhaupt kein klares Profil erkennen lassen. Dass diese Formate zunehmen, ist meines Erachtens das zentrale Kennzeichen unserer religiösen Situation. An einigen exemplarischen Ausprägungen möchte ich zu zeigen versuchen, welcher Art diese religiöse Mitte ist.

Ein religionsfreundliches Kulturchristentum

2007 hat Jürgen Habermas in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) einen interessanten Artikel geschrieben. Titel: „Ein Bewusstsein von dem, was fehlt. Über Glauben und Wissen und den Defaitismus der modernen Vernunft“. Dort fragt er sich, wie mit dem Erbe der großen Weltreligionen umzugehen sei, „die als das sperrigste Element aus der Vergangenheit in diese Moderne hineinragen“. Schon in dieser Frage stecken zwei Thesen: Erste These: Die großen Weltreligionen sind heute im Wesentlichen Geschichte, Erblasser. Zweite These: Um der Zukunft der Moderne willen muss die Frage nach dem Wert des religiösen Erbes gestellt werden. Wie schon in seiner viel zitierten Büchnerpreisrede macht Habermas auch hier deutlich, dass das religiöse Erbe Momente enthalte, die nicht verloren gehen dürften. Es gehe im fortschreitenden Prozess gesellschaftlicher Entwicklung nicht darum, religiöse Traditionsgehalte auszuscheiden, als vielmehr darum, sie zu transformieren.

Eine mögliche Form einer solchen Transformation des religiösen Erbes ist, was ich hier als „religionsfreundliches Kulturchristentum“ ansprechen möchte. Beispiel: Der Mainzer Germanist Hermann Kurzke, unter anderen auch ein großartiger Exeget kirchlichen Liedguts. Kurzke bezeichnet sich als „religiösen Ästheten“. Er schreibt: „Der religiöse Ästhet erhebt nicht den Anspruch, den alten substantiellen Glauben wiederherzustellen und unumstößliche Gewissheit im Leben und Sterben zu geben. Sein Ziel ist bescheidener. Er fragt, ob es nicht förderlicher sei, die abendländischen Mythen zu pflegen (auch den Sonntag vor der Gier der Ökonomen zu beschützen), anstatt den Acker unbestellt zu lassen. An der alten christlichen Liturgie teilzunehmen hält er für besser als aufgeklärt zu verstummen. ‚Piété sans la foi‘ (Ernest Renan), Frömmigkeit ohne Glauben: er sieht darin eine paradoxe Möglichkeit. Er will nicht auf die Kultur verzichten müssen, die im Glauben steckt. Wo er keine eigene Sprache mehr erzeugt, zum Beispiel im Bereich der Eschatologie und der Kultur des Sterbens, schlägt er vor, die alte Sprache wenigstens im Zitat zu bewahren. Was gibt es Besseres, als am Grabe der Mutter zu sprechen: ‚Herr, gib ihr die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihr‘“ (Kurzke/Wirion 2005, 25).

Kurzke versucht also im Zitat zu retten, was er in der Substanz für verloren hält. Ich denke, damit geht er in die Richtung dessen, was auch Habermas mit seinem Vorschlag einer Transformation des religiösen Erbes vorschwebt. Ja, er geht sogar noch ein ganzes Stückchen weiter, und mitunter kann man sich fragen, was sein Kulturchristentum von einem substantiellen Glauben eigentlich trennt. Vielleicht müssen wir auch gar nicht genau wissen, wo das schöne Zitat aufhört und wo der „echte“ Glaube anfängt und wo Kulturarbeit umschlägt ins Gebet. Der von Kurzke repräsentierte Religiositäts-Typus scheint mir unter der Spezies der Kulturschaffenden jedenfalls durchaus verbreitet zu sein.

Natürlich wird jeder dieser Menschen beanspruchen, ein Sonderfall zu sein – und dies selbstverständlich völlig zu recht. Gleichwohl gibt es doch deutliche Familienähnlichkeiten in diesem Feld des religionsfreundlichen Kulturchristentums. Und manchmal staunt man, wer hier alles auftaucht. Beispielsweise der Philosoph und Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz. Bolz hat sich noch vor wenigen Jahren ziemlich herablassend über die Sinnlosigkeit der Sinnfrage amüsiert. (vgl. Bolz 1997) Nun schreibt er: „Fast 2000 Jahre lang haben fast alle intelligenten und gebildeten Menschen unserer europäischen Kultur die Frage nach dem christlichen Gott durchdacht und durchlitten; ob apologetisch, ob kritisch gleichviel. Jeder ernst zu nehmende Gedanke ist Metaphysik, und jede Metaphysik ist säkularisierte Theologie. Sich aus diesem Traditionszusammenhang herausreflektieren zu wollen, ist geistiger Selbstmord“ (Bolz 2008, 137). Bolz erklärt, es gebe „einen Glauben […], der auch den trägt, der nicht hoffen kann, ein Christ zu sein. Das ist der Glaube an den einzigartigen Wert der von Griechentum und Christentum geprägten europäischen Kultur. […] In diesem Sinne plädieren wir hier für eine ernste Arbeit an der objektiven Religion, d.h. dem Kultur gewordenen Christentum […]. Dieser Weg steht gerade auch dem religiös Unmusikalischen offen“ (Bolz 2008, 138f).

In einer Zeitung war kürzlich das Statement zitiert: „Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn“. Das ist in gewisser Weise die Essenz des „religionsfreundlichen Kulturchristentums“. Man kann sicher darüber streiten, wie es zu interpretieren ist. Aber in seiner Breite ist es unzweifelhaft ein Phänomen religiösen Wandels. Und zwar gleich in verschiedener Hinsicht. Denn in dieser Einstellung zu Religion und Religiosität treffen sich sowohl Leute, die eine Vergangenheit als fromme Katholiken haben als auch solche, die eine Vergangenheit als rigorose Aufklärer und Säkularisierer haben. Gewandelt haben sich die einen wie die anderen, wenn auch, wenn man so will, in verschiedene Richtungen. In der neuen religiösen Mitte jedenfalls finden sie anscheinend gleichermaßen ihren Platz.

Eine persönliche Selbstvergewisserungsreligion

Fragen der Religion und des Glaubens werden heute vielfach als etwas so Persönliches betrachtet, dass man eine Unterscheidung zwischen mehr oder weniger zutreffenden Antworten für eigentlich nicht möglich hält. Antworten auf religiöse Fragen können aus dieser Sicht nicht beanspruchen, eine allgemeingültige Wahrheit zum Ausdruck zu bringen; was sie ausdrücken, könnte man eher nennen: eine persönliche Einstellung zum Umgang mit elementaren Daseinsrisiken. Eine solche Einstellung muss sich nicht nach konsensfähigen Kriterien bewahrheiten, sondern braucht sich lediglich im individuellen Einzelfall zu bewähren. Eine gute Religion und ein tragfähiger Glaube zeichnen sich also vor allem dadurch aus, dass sie, wie auch immer, einen Beitrag zur Steigerung der individuellen Lebensqualität leisten. Ein Beispiel aus einem Gespräch mit Claudia, einer 17-jährigen Gymnasiastin aus Bayern:

Frage: Würdest Du sagen, dass Du manchmal betest?

Claudia: Ja, würd’ ich schon sagen!

Frage: Und wie sieht das aus, wenn ich Dich fragen darf?

Claudia: Ich falte nicht meine Hände, oder so, ich denk’, hey komm’, hoffentlich schaffst’ es! Vielleicht steht mir ja doch einer bei, oder so. Aber ich denk mal so. – Das wichtigste ist eigentlich, dass du auf dich selber vertraust, oder? Einfach, dass ich denke, ey, vielleicht hast du Glück, oder so. Vielleicht haut’s hin! Oder manchmal, wenn es irgendwie, so im Moment geht’s mir eigentlich so ganz gut, aber so vor einem Jahr hatte ich mal voll die Krise, da hab ich so an allem gezweifelt, oh Gott, ey: Was bringt dir das alles überhaupt, wenn du hier in der Gesellschaft lebst, und dass du überhaupt, was weiß ich, morgens einkaufen gehst und mittags in die Schule oder umgekehrt, und da, wenn dir irgendwas total wehtut, oder so, dann hast du irgendwas, an das du denken kannst, und dann, würde ich sagen, dann betest du. Oder manchmal, genau, wenn ich abends allein heimlaufe, oder so, ich mach das eigentlich gerne, so allein ein Spaziergang, wenn ich dann irgendwo lang lauf’, und dann denke ich so. – Hey, dann rede ich einfach so mit mir selber oder mit jemandem anderen, ob jemand da ist, oder nicht! Ich denk’ mal, das ist Beten, bei mir. Dann fühlst du dich eigentlich auch nicht allein.

Frage: Glaubst Du, dass irgendwer zuhört, eingreift, antwortet?

Claudia: Das ist gar nicht ausschlaggebend, oder? Kommt halt drauf an, dass du dich selbst gut fühlst. Ich weiß nicht, vielleicht überträgt sich’s ja irgendwo hin, aber ich glaub eher nicht. Es ist mir auch nicht so wichtig, eigentlich. (vgl. Prokopf/Ziebertz 2000, 39)

Claudia zermartert sich nicht das Hirn darüber, ob Gott existiert oder nicht, ob da einer ist, der sie hört, wenn sie betet, oder nicht. Aber sie hat in bestimmten Situationen ein offensichtlich starkes Bedürfnis nach diesem Akt einer externalisierten Selbstreflexion, nach einem „Besprechen des Lebens“ (Bitter 1986, 376f), das ihr das Gefühl gibt, nicht allein zu sein – und das sie mit einem gewissen religiösen Selbstbewusstsein eben „beten“ nennt.

Auch das könnte man als eine Art „Frömmigkeit ohne Glauben“ (vgl. Kurzke/Wirion 2005) bezeichnen. Jedenfalls geht es Claudia nicht in erster Linie um die Wahrheit eines Glaubens, sondern um die Wirksamkeit eines Tuns – eines Tuns, das in mancher Hinsicht therapeutische Züge trägt, das von Claudia selbst aber in einen religiösen Interpretationszusammenhang hineingestellt wird. Gleichzeitig zeigt sich hier noch einmal eine deutlich andere Einstellung der Religion gegenüber als beim religionsfreundlichen Kulturchristentum. Denn was bei diesem im Vordergrund steht: der Respekt vor den kulturellen Folgen des europäischen Christentums bzw. die Auseinandersetzung mit dem, was Bolz die „objektive Religion“ nennt, spielt bei Claudia möglicherweise gar keine Rolle. Deren Religiositätstypus könnte man eher eine „persönliche Selbstvergewisserungsreligion“ nennen. Gleichwohl wird auch hier etwas Religiöses erkennbar, das jenseits kirchlich gelebten Glaubens lebendig ist. Aus meiner Sicht jedenfalls sind Claudia und all diejenigen, für die sie hier steht, nicht in einem Feld religiöser Ignoranz und Bedürfnislosigkeit anzusiedeln, sondern eben in der vielgestaltigen neuen Mitte intermediärer Religiositätsformate. Ich vermute: Auch Claudia würde auf Nachfrage sagen, sie halte sich für „religiös“ – aber eben nicht für „ziemlich“ oder gar „sehr“ religiös, sondern, wie 40 Prozent der westdeutschen Bevölkerung, für „mittel religiös“. (vgl. Bertelsmann Stiftung 2009, CD 37)

Eine religionspädagogisch interessante Situation

Der Schlüssel zum Verständnis der neuen religiösen Mitte ist meines Erachtens die Situation religiöser Pluralität und der von ihr ausgehende Relativierungsdruck. Die Bedingungen religiöser Pluralität haben das Bewusstsein einer letztlich unüberholbaren Kontingenz religiöser Optionen deutlich vor Augen geführt. Unter diesen schwierigen Umständen tendiert die Mehrheit zu intermediären Religiositätsformaten wie denen des „religionsfreundlichen Kulturchristentums“ oder der „persönlichen Selbstvergewisserungsreligion“. Die intermediären Religiositätsformate insgesamt sind, was den Bestand ihrer Überzeugungen anbelangt, hochgradig unbestimmt und, was den Stil ihrer religiösen Praxis angeht, sehr fluide. (vgl. auch Lüddeckens/Walthert 2010) Ich würde ihnen sogar jene Ausprägungen einer zugegebenermaßen „schwachen“ Religiosität noch zurechnen, deren Vertreterinnen und Vertreter sich mit der vagen Vermutung begnügen: „Da ist etwas“ oder, noch vager, „irgendetwas wird es schon geben“. (vgl. Nassehi 2009, 175) Auch hier zeigt sich ja noch eine gewisse Sensibilität für das, was Theologinnen und Theologen die „religiöse Dimension der Wirklichkeit“ oder das „unsagbare Geheimnis unseres Lebens“ (Karl Rahner) nennen. Diese Sensibilität verbindet sich jedoch offenbar bei immer mehr Menschen mit der Skepsis gegenüber der Möglichkeit, dieses Geheimnis, in welchen Formen auch immer, deutlicher zu artikulieren und zu ihm, wie es die Religionen versuchen, in eine wie auch immer „geregelte Beziehung“ zu treten. (vgl. Englert 2010)

Ein Mann mittleren Alters sagt: Ich „glaube […] noch immer an einen Gott. Nicht dauernd. Manchmal ist das Gefühl für Monate weg, aber dann ist es auf einmal wieder da. Meistens denke ich an ihn, wenn es mir besonders gut geht – oder wenn ich mich sorge. Dann, rede ich ein bisschen mit ihm, vorm Einschlafen meistens, sage: Lass den oder den bitte wieder gesund werden. Ich sage übrigens nie: ‚Wie kannst du zulassen, dass […]‘ Wahrscheinlich bin ich ihm nicht nahe genug, um mich mit ihm zu streiten. Wobei ich auch nicht erwarte, dass sich Gott ins Leben einmischt. Ich glaube, dass er sich raushält. Am ehesten glaube ich noch: Er weiß, was passieren wird“ (Stolz 2009, 16).

Ich denke, so oder ähnlich würden das viele Menschen heute sagen. Sie sind sozusagen offen in viele Richtungen. Sie bilden die in sich vielgestaltige religiöse Mitte. Für die Religionspädagogik schafft dies interessante, aber auch schwierige Bedingungen. Norbert Mette, der die religiöse Gegenwartssituation seit den 1970-er Jahren immer wieder luzide kommentiert hat, meint: Die Vielgestaltigkeit neuer, untereinander nur schwer kommunizierbarer Religiositätsformate, die sich noch dazu von den traditionellen Religionen teilweise ausdrücklich absetzen, stellt für „eine an einer traditionellen Religion orientierte Religionspädagogik […] eine enorme Herausforderung dar“ (Mette 2009, 10). Man werde sorgfältig zu bedenken haben: Bringt die neue Situation „eher Chancen mit sich oder hindert sie eher daran, die überkommenen und zentralen christlichen Glaubensinhalte in die religiöse Erziehung und Bildung einzubringen und geltend zu machen?“ (Mette 2009, 10). Aus Mettes Sicht entscheidet sich, wie es hier weitergeht, vor allem am Umgang mit der Gottesfrage!

Literatur

Bertelsmann Stiftung (Hg.), Woran glaubt die Welt? Analysen und Kommentare zum Religionsmonitor 2008, Gütersloh 2009 (mit CD „Grundauswertung, Methodenberichte, Umfrageprotokolle“).

Bitter, G., Art. „beten/lobpreisen“, in: G. Bitter/G. Miller (Hgg.), Handbuch religionspädagogischer Grundbegriffe, Bd. 1, München 1986, 376-383.

Bolz, N., Das Wissen der Religion. Betrachtungen eines religiös Unmusikalischen, München 2008

Ders., Die Sinngesellschaft, Düsseldorf 1997.

Davie, G., Religion in Britain since 1945. Believing without belonging, Cambridge/USA 1994.

Englert, R., Religionsunterricht in der Multioptionsgesellschaft, in: Katechetische Blätter 135 (2010), 284-291.

Habermas, J., Ein Bewusstsein von dem, was fehlt. Über Glauben und Wissen und den Defaitismus der modernen Vernunft, in: NZZ-online vom 12. 2. 2007: http://www.nzz.ch/2007/02/10/li/articleEVB7X.html.

Kurzke, H./Wirion, J., Unglaubensgespräch. Vom Nutzen und Nachteil der Religion für das Leben, München 2005.

Lüddeckens, D./Walthert, R. (Hgg.), Fluide Religion. Neue religiöse Bewegungen im Wandel. Theoretische und empirische Systematisierungen, Bielefeld 2010.

Mette, N., „Gottesverdunstung“ – eine religionspädagogische Zeitdiagnose, in: R. Englert (u.a.) (Hgg.), Gott im Religionsunterricht (Jahrbuch der Religionspädagogik, Bd. 25), Neukirchen-Vluyn 2009, 9-23.

Nassehi, A., Religiöse Kommunikation: Religionssoziologische Konsequenzen einer qualitativen Untersuchung, in: Bertelsmann Stiftung (Hg.), Woran glaubt die Welt? Analysen und Kommentare zum Religionsmonitor 2008, Gütersloh 2009, 169-203.

Prokopf, A./Ziebertz, H.-G., Abduktive Korrelation – Eine Neuorientierung für die Korrelationsdidaktik?, in: Religionspädagogische Beiträge 44 (2000), 19-50.

Stolz, M., Ich glaube, ich trete aus, in: Zeit-Magazin vom 17.12.2009, 12-19.

Striet, M. (Hg.), Wiederkehr des Atheismus. Fluch oder Segen für die Theologie?, Freiburg 2008.

Tobias Kläden
Neurowissenschaftliche Herausforderungen an die Praktische Theologie – nur ein Hirngespinst?

„Ohne Hirn ist alles nichts.“ Diese lässige, jedoch nicht als Provokation gemeinte Aussage kann als die Leitidee der Hirnforschung betrachtet werden. Vielleicht ist die Aussage viel zu allgemein formuliert, um überhaupt wahr sein zu können. Also genauer: Die Leitthese der kognitiven Neurowissenschaften besagt, dass unser Bewusstsein, unser gesamtes mentales Leben nicht möglich wäre ohne bestimmte, spezifische und funktionierende Hirnzustände.

Die kognitiven Neurowissenschaften sind ein Teil des Bündels von Disziplinen, die man unter der Sammelbezeichnung „Hirnforschung“ zusammenfasst. Sie befassen sich mit den neuronalen Grundlagen von kognitiven und psychischen Funktionen; im Mittelpunkt des Interesses stehen also die höheren Leistungen des menschlichen Gehirns. Aus der klinischen und der experimentellen Erfahrung der Neurowissenschaften lässt sich nun eine starke Intuition ableiten: Alle Vermögen des Menschen setzen ein intaktes Hirn voraus – seien es Denken, Sprache, Gedächtnis, Wahrnehmungsfähigkeit, aber auch seine Wünsche und Emotionen. Es gibt zumindest keine überzeugenden und vor allem keine replizierbaren Berichte über die Existenz von psychischen Phänomenen, die unabhängig von bestimmten Hirnprozessen aufträten.

Formuliert man diese Intuition über die empirischen Daten hinausgehend, so gelangt man zu der These, dass psychische Phänomene ausschließlich im Zusammenhang mit (spezifischen) Hirnprozessen auftreten, oder umgekehrt: Ohne Hirnprozesse gibt es keine psychischen Phänomene. Ohne hier auf die weit reichenden philosophischen Konsequenzen dieser oft vertretenen These eingehen zu können, wird ohne weiteres deutlich, dass diese These und die dahinterstehenden Ergebnisse der Hirnforschung von theologischer und auch von praktischtheologischer Relevanz sind. Denn wie die breite Diskussion in der Öffentlichkeit zeigt, lassen die Befunde der Hirnforschung das Selbstverständnis des Menschen nicht unbeeinflusst. Offenbar schicken sich die Neurowissenschaften an, die vornehmsten Eigenschaften des Menschen, wie etwa seine Reflexionsfähigkeit, seinen Intellekt oder seinen freien Willen, auf natürliche Weise, mit den Mitteln der Naturwissenschaften zu erklären und damit vielleicht wegzuerklären. Dadurch droht der Mensch, seine Sonderstellung als geistbegabtes Wesen zu verlieren.

Auch die Religiosität des Menschen gerät in den Fokus der neurowissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Religiöse Einstellungen und Überzeugungen unterliegen dem Programm der Naturalisierung, der natürlichen Erklärbarkeit genauso wie religiös motivierte Verhaltensweisen. Spätestens an dieser Stelle kann sich die praktische Theologie nicht mehr heraushalten aus der Diskussion um die Fragen, die die Neurowissenschaften aufwerfen.

Im Folgenden werde ich versuchen, die Relevanz dieser Fragestellungen für die praktische Theologie aufzuzeigen und diese Bedeutung an einem Beispiel exemplarisch zu veranschaulichen. Im diesem Beispiel soll es ganz knapp um die Befunde und Thesen gehen, die unter der Bezeichnung „Neurotheologie“ durch populäre und wissenschaftliche Medien geistern.

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