Kitabı oku: «Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania», sayfa 4

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3 Online-Diskurse als Sonderform öffentlicher Diskurse

Um ein möglichst vollständiges Bild über die Struktur und Funktionsmechanismen von Wissensordnungen und Sinnsystemen im sprachnormativen Diskurs zu erhalten, muss nicht nur bedacht werden, dass unterschiedliche teildiskursbildende Akteursgruppen im Diskurs wirken, sondern dass sich diese auch verschiedener medialer Aktionsformen bedienen. Wie bereits Osthus (2003, 139) hervorgehoben hat, spielt dabei das Internet eine immer größere Rolle als Kommunikationsplattform für Laienlinguisten:

Aujourd’hui, une valorisation du discours normatif – surtout s’il s’agit de celui-ci des non-spécialistes – ne peut se faire sans prendre en compte les nouveaux médias qui sont en train de bouleverser nos habitudes de communication. Ce ne sont pas que publicitaires et marchands qui se lancent dans l’Internet, comme en témoignent […] les amateurs de la langue déjà nombreux avant l’arrivée du réseau mondial. En fait, il ne faut être ni linguiste ni Académicien pour juger sur le bon usage et les normes. Il suffit de se brancher sur Internet.

Online-Diskurse werden in der Diskursforschung nicht als „Verkürzung der angebotsförmigen, inhaltlichen und insbesondere handlungspraktischen, also produktiven und rezeptiven, Verflechtungen von medialen Angeboten“ angesehen, sondern sie bezeichnen einen Forschungsgegenstand, der sich aus der Gesamtheit „transmediale[n], multimodale[n] Kommunizierens“ ergibt (Fraas/Meier/Pentzold 2013, 8). Durch den Einsatz von digitalen und sich vernetzenden Medien erhalten diskursive Praktiken eine so große Reichweite und Vernetzung, dass „eine Verkürzung auf nur internetbasierte oder computervermittelte Inhalte und Diskussion“ (id., 10) dem diskurslinguistischen Forschungsanspruch nach einer Untersuchung transtextueller und transmedialer Diskursmuster nicht gerecht werden kann. In diesem Sinne ist die vorliegende Untersuchung natürlich als exemplarischer Beitrag zu verstehen, der kommunikative Strukturen und dahinter stehende mentale Konzepte im Rahmen eines Teildiskurs-Ausschnitts anhand von Textkommentaren untersucht und somit auch nicht den Anspruch erhebt, generalisierbare Aussagen über „relativ dauerhafte und regelhafte, also zeitlich und sozial formierte, Wissensordnungen […] in Diskussionen, Texten, Bildern, audiovisuellem Material und anderen multimodalen Äußerungen“ zu treffen (vgl. 4). Dennoch soll an dieser Stelle die Reflexion methodischer Implikationen für die Untersuchung zentraler Sprachgebrauchsmuster in internetbasierten Kommunikationsbereichen nicht unerwähnt bleiben.

Öffentlichkeit (vgl. 2) spielt sich aus mediensoziologischer Sicht auf unterschiedlichen Ebenen ab, die sich nach Reichweite und Grad an Stabilität unterscheiden lassen und die an „unterschiedliche Kommunikationstechnologien und -modi geknüpft sind“ (Schmidt 2013, 36). „Massenmedial hergestellte Öffentlichkeit ist […] per definitionem technisch vermittelt, wobei die Produktion von Kommunikationsinhalten unter Umständen zeitlich deutlich von der Rezeption abgekoppelt ist“ (ibid.). Schmidt (2015, 40ff.) definiert auf der Grundlage der Hybridität onlinebasierter Kommunikation vier verschiedene Typen von „Kommunikationsarenen“, die in der Regel auch miteinander vernetzt sind: die „Arena der massenmedialen Öffentlichkeit“, „der Expertenöffentlichkeit“, „der kollaborativen Öffentlichkeit“ und „der persönlichen Öffentlichkeit“. Zur letzten Arena zählen Netzwerkplattformen des sogenannten „personal publishing“ wie Facebook, Twitter, Foren oder Webblogs, „in denen Menschen Informationen insbesondere nach Kriterien der persönlichen Relevanz auswählen und zur Verfügung stellen“ (id., 43). In diesem Sinne ist das dort vertretene Publikum keineswegs eine „disperse unbekannte >Masse<, sondern üblicherweise das eigene erweiterte soziale Netzwerk, also das Geflecht von Personen, zu denen bereits Beziehungen existieren, seien es freundschaftliche Bindungen, ein geteiltes thematisches Interesse o.ä.“ (ibid.). Auf dieser Grundlage ist weiter davon auszugehen, dass „Medien als ‚gesellschaftliche Einrichtungen und Technologien […] etwas materiell oder symbolisch vermitteln und dabei eine Problemlösefunktion übernehmen‘. Im Gebrauch ermöglichen und formen Medien Wahrnehmungen, Handlungen und Kommunikationsprozesse“, d.h. sie agieren als Sozialisationsinstanz und wirken dabei nicht selten als Vektor stereotyper Darstellungen (Meißner 2015, 33f.; vgl. Thiele 2015).

Diese Komplexität internetbasierter Daten und damit verbundener sozialer Konstruktionen, die stets „als Produkt eines bestimmten Settings“ (Schirmer/Sander/Wenninger 2015, 10) zu verstehen sind, erfordert bei der Sammlung des Datenmaterials sowie bei der linguistischen Analyse spezifische methodische Überlegungen, worunter die Art der erfassten Daten, die Problematik der „Erfassbarkeit der Dynamik und der Flüchtigkeit von Internetdaten“ (id., 11) sowie letztlich auch Fragen des Urheberrechts und der Verwendbarkeit von online-publizierten Daten4 fallen. Bei sozialen Netzwerken stellt vor allem die Multimodalität eine Herausforderung dar, „weil sie sich naturgemäß mit den oft sprach- und schriftbasierten Verfahren nicht adäquat fassen lassen [kann]“ (id., 13). In Foren liegt eine maßgebliche Schwierigkeit in der Asynchronität der Diskussionsbeiträge. Alle diese Interaktionszusammenhänge möglichst detailliert zu erfassen und in interdiziplinärer Perspektive zu untersuchen hat sich als Postulat sowohl seitens der Qualitativen Sozialforschung (vgl. Schirmer/Sander/Wendiger 2015) als auch der Linguistischen Diskursanalyse (vgl. z.B. Busse/Teubert 2013; Fraas 2008; Fraas/Pentzold 2008) etabliert. Eine solch umfassende Analyse kann natürlich im vorliegenden Beitrag nicht vorgenommen werden, weshalb er sich aus diskurslinguistischer Perspektive auf eine ausgewählte Ebene der Sprachstruktur beschränkt (vgl. 4).

So interessiert sich die vorliegende Fragestellung neben den theoretisch erörterten Spezifika der Online-Kommunikation in erster Linie für das kommunikative Verhalten und die kommunikativen Strategien in metasprachlichen Äußerungen laienlinguistischer Akteure, bei denen anzunehmen ist, dass sie in ihrer Gesamtheit eine weitaus heterogenere Gruppe repräsentieren als die traditionell am sprachnormativen Diskurs beteiligten Parteien.

4 Linguistische Diskursanalyse als methodischer Zugang zu laienlinguistischer Sprachreflexion

Das Interesse der Linguistischen Diskursanalyse in ihrer je nach spezifischem Forschungsschwerpunkt mehr oder weniger starken Anlehnung an die Diskurstheorie Michel Foucaults (vgl. 1969; 1971) gilt der Erforschung von sprachlichen Regelsystemen. Foucault ging es dabei weniger um das systematische Erfassen „sprachlich-grammatikalische[r] Muster des Sprachgebrauchs“ als vielmehr um das Aufdecken eines strukturalistischen „Formationssystem[s]“ (Spitzmüller/Warnke 2011, 69), in dessen Mittelpunkt „die semantische Ebene der Bedeutungen bzw. die Regeln der Bedeutungserzeugung und […] die institutionell eingebetteten, stabilisierten Praktiken der Diskursproduktion“ stehen (Keller 2011, 46). Knotenpunkt bei Foucault sind damit nicht Texte in ihrem sprachsystematischen Aufbau, sondern die darin enthaltenen Aussagen (énoncés) (vgl. Foucault 1969, 106; vgl. Spitzmüller 2005, 34), die in der Gesamtheit ihrer regelhaften Anordnungen und der in sie eingebundenen kulturellen und historischen Rahmenbedingungen den Diskurs abbilden: „On appellera discours un ensemble d’énoncés en tant qu’ils relèvent de la même formation discursive“ (Foucault 1969, 153). Eine linguistische Auseinandersetzung mit sprachlichen Aussagen ist hingegen per se an die sprachliche Form selbst gebunden, auch wenn es Ziel der jeweiligen Untersuchung ist, Diskurse im Sinne einer „Erweiterung der systematischen Interessen an Sprache und an verschiedenen Sprachen“ von der intratextuellen Ebene bis zur transtextuellen Ebene zu durchleuchten, wie es z.B. seitens der germanistischen Linguistik gefordert wird:

Wenn wir hier von >transtextueller Ebene< sprechen […] dann verstehen wir darunter eine komplexe Struktur der Sprache und ihrer Funktionen jenseits der Textgrenze, wie immer diese definiert wird. Eine transtextuelle Analyse ist dann transtextuell, wenn sie nicht nur einzelne oder vereinzelte Texte untersucht, […] sondern wenn sie eine Mehrzahl, besser: Vielzahl von Texten bzw. Aussagen in verschiedenen Texten, verschiedenen Medien, von verschiedenen Akteuren usw. analysiert, und zwar eine Vielzahl, die strukturelle Übereinstimmungen und Handlungsbezüge aufweist (Spitzmüller/Warnke 2011, 187).

Das DIMEAN-Modell nach Spitzmüller/Warnke (2011, 201) liefert einen methodischen Vorschlag, der den Zugang zu kollektiven Wissensbeständen über drei ineinander integrierte Ebenen (intratextuelle und transtextuelle Ebene sowie Ebene der Akteure) ermöglichen soll. Die Untersuchung der Argumentationsstruktur und Topoi (vgl. 4.1) wird im Modell als möglicher Teil der transtextuellen Analyseeinheit dargestellt.

4.1 Strukturierende Diskurseinheiten auf transtextueller Ebene: Topoi und Argumente

Wie oben bereits dargestellt wurde, dienen diskurslinguistische Untersuchungen der Aufdeckung kollektiver Wissensbestände in einem bestimmten thematischen Gebiet. Wenn dieses Wissen verbalisiert wird, dann, so sagt Hermanns (2012, 56),

[…] [werden] Schemata des Denkens greifbar […]. Sie erscheinen dann in Form von »Topoi«. Topoi – früher nannte man sie (noch nicht abschätzig) »Gemeinplätze« (»loci communes«) – sind die allgemein bekannten, sozusagen allgemein gebräuchlichen Gedanken. Sie sind daher auch »gewohnheitsmäßige Gedanken«, wie ich sie hier nennen möchte, also eingeübte, automatisierte und routinemäßige Gedanken, die man, weil sie eingeschliffen sind, im Denken (und im Sprechen) immer wieder wiederholt. Insgesamt ergeben die auf einen Gegenstand bezogenen Topoi den Stereotyp des Gegenstandes.

Dieser auf Aristoteles zurückgehende Topos-Begriff im Sinne sprachlich explizierter, kollektiv verankerter, normativer oder faktischer Schemata (vgl. Wengeler 2003, 177ff.), kann im vorliegenden Kontext auf den Bereich verbalisierter Spracheinstellungen angewandt werden. Aus diskurslinguistischer Sicht können Topoi dabei als inhaltliche „Oberprämisse[n] einer Argumentation“ verstanden werden, d.h. durch die Verwendung bestimmter Topoi werden „eigene Diskurswelten“ durch die Akteure thematisch konstituiert (id., 256).5 Die Argumente selbst gehen dann in einem weiteren Schritt aus den Topoi hervor und haben den Zweck „[…] Strittiges mit Hilfe von sprachlichen Äußerungen, die außer Frage stehende Fakten und Normen/Werte des gemeinsamen Sprachspiels repräsentieren, wieder in Geltendes zu überführen“ (Kienpointner 1983, 70). Dem ist ergänzend hinzuzufügen, dass der Alltagssprache entstammende argumentative Muster in der Regel nicht formallogisch aufgebaut sind, sondern vielmehr auf Schemata beruhen, die vor allem dazu dienen, Plausibilität zu vermitteln (vgl. id., 74; Spitzmüller 2005, 271).

In der Argumentationstheorie wurden bis heute verschiedene Typologien beschrieben, die es erlauben, Argumente nach formalen und/oder inhaltlichen Aspekten zu kategorisieren (vgl. z.B. Kienpointner 1983; Kopperschmidt 1989; Perelman/Olbrechts-Tyteca 2004; Ottmers 2007). Da diese hier nicht im Detail erläutert werden können, werden für die im Anschluss stehende Analyse (vgl. 5) nur die wichtigsten Differenzierungskriterien erläutert. Grundlegend kann bei Argumenten zwischen kontextabstrakten und kontextspezifischen Argumenten unterschieden werden, die dann wiederum deskriptiv oder normativ ausgerichtet sein können (vgl. Kienpointner 1983, 87f.; Wengeler 2003, 271; Ottmers 2007, 92). Ferner können unterschiedliche Schritte der Argumentation nach ihren Funktionen unterschieden werden, die der Stützung oder Widerlegung einer Aussage dienen, also pro- oder kontra-argumentativ eingesetzt werden können (vgl. Ottmers 2007, 74).

Das bekannteste Argumentationsschema, basierend auf dem prototypischem Dreischritt aus Argument (= D/Daten), Schlussregel (= SR) und Konklusion (K) geht auf Toulmin (vgl. 1958, 99) zurück. Nach diesem Muster wird eine strittige Aussage (K) durch Argumente (D) begründet und durch eine Schlussregel (SR) gerechtfertigt. Eine Erweiterung des Schemas kann durch zusätzliche Stützungen (S) der Schlussregel oder einschränkende Ausnahmebedingungen (AB) erfolgen, jedoch wird eine Argumentation, wenn sie explizit geäußert wird, in der Regel als unvollständiger Schluss (Enthymem) hervorgebracht, sodass meistens nur das Argument selbst und die Konklusion sichtbar sind.

Um auf die Kategorisierung der den Argumenten übergeordneten Topoi zurückzukommen, so orientiert sich die folgende Analyse an der Typologie alltagssprachlicher Argumentationsmuster nach Kienpointner (vgl. 1996, 246), die u.a. von Ottmers resümiert (vgl. 2007, 93) und von Wengeler (2003, 273ff.) diskurslinguistisch adaptiert wurde. Die Typologie unterscheidet zwei Großklassen argumentativer Verfahren: Eine erste Klasse, die alle alltagslogischen Schlussregeln umfasst, wobei unterschieden wird, ob diese deduktiv abzuleiten oder induktiv zu erschließen sind. Die deduktiven Muster lassen sich weiter in Einordnungs-, Vergleichs-, Gegensatz- und Kausalschemata unterteilen. Das induktiv argumentierende Verfahren arbeitet mit Beispielargumentationen. Der zweiten Großklasse sind konventionalisierte Schlussverfahren zuzuordnen, zu denen die Kategorien des Autoritäts- und Analogiearguments sowie illustrative Beispielargumente gehören. Darüber hinaus sind weitere Techniken der Argumentation relevant – bei Textkorpora in Form verbaler Strategien – wie z.B. das Verwenden einer indirekten Ausdrucksweise, die Herstellung von Gemeinsamkeit oder das argumentum ad personam (Kienpointner 1982, 146ff.).


Typologie alltagssprachlicher Argumentationsschemata (AS)
AS, die SR benutzen AS, die SR etablieren AS, die weder SR benutzen noch etablieren
Einordnungsschemata Vergleichsschemata Gegensatzschemata Kausalschemata induktive Beispielargumentation illustrative Beispielargumentation Analogieargument Autoritätsargument

Abb. 1: Typologie alltagssprachlicher Argumentationsmuster (gekürzt adaptiert nach Wengeler 2003, 273).

4.2 Sprachnormierungskriterien als Fundament sprachpflegerischer Topoi

Für eine sprachkontrastiv angelegte Untersuchung von metasprachlichen Daten stellt sich mithin die Frage, ob im sprachnormativen Diskurs der ausgewählten Sprachgemeinschaften unterschiedliche Sprachnormen und verschiedene Repräsentationen von Sprachnormenbewusstsein auftreten (vgl. Settekorn 1990, 1) oder ob es umgekehrt topische Muster gibt, die auf äquivalenten Normierungskriterien beruhen. Um die transtextuell-thematischen Diskursstrukturen dahingehend zu prüfen, muss eine qualitative textbasierte Untersuchung erfolgen, die ein Verständnis des normativen Diskurses als Sammlung „kohärente[r] Textgebilde“ voraussetzt, „in denen ein Autor oder eine Gruppe von Autoren [im vorliegenden Fall Akteure der laienlinguistischen Sprachpflege, Erg. VN] sprachliche Aussagen macht, deren Intention es ist, auf die Änderung einer sprachlichen Gegebenheit zu zielen“, d.h. dass es „[…] sich dabei also stets um persuasive Texte handelt“ (Schmitt 1990, 28).

Was weiter die im normativen Diskurs ausgehandelten Sprachnormen anbelangt, so bezeichnet Gloy (2008, 396) diese als „Objekte und die Ergebnisse bestimmter Entscheidungs- und Durchsetzungsprozesse“, die „[i]ntensional sind […] über das Merkmal einer (heteronomen) Verpflichtung […], die als Vorschrift oder als Regel oder als Gebot der Vernunft gegeben sein kann“. Sprachnormen zielen damit auf eine rechtmäßige, richtige und zweckmäßige Verwendung von Sprache ab, wobei ihre Anwendung dabei auf sprachliche Objekte unterschiedlichen Komplexitätsgrades erfolgt (vgl. ibid.). Der Geltungsanspruch sprachlicher Normen orientiert sich jedoch nicht nur an objektiven innersprachlichen Kriterien, sondern auch an pragmatischen oder soziologischen Kriterien, was dazu führt, dass die Verbindlichkeit von Sprachnormen von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen verschieden definiert wird (vgl. ibid.). Der Gegenstandsbereich der Sprachnormen umfasst somit also „alle ‚(versuchten) normativen Handlungen‘ […] zu denen man jede, auch die von Einzelpersonen vorgetragene Normformulierung, metasprachliche Urteile […] und die gesamte Sprachkritik […] zählen kann“ (id., 397).

Die diskursive Aushandlung von Sprachnormen liegt in Deutschland und Frankreich in einem spätestens seit Ausbildung der europäischen Nationalstaaten traditionellen Streben nach dem Erhalt „der idealen Gestalt der Standardsprache“ (Schweickard 2005, 177) begründet und orientiert sich dabei an motivationalen Gesichtspunkten, die von ästhetischen Beweggründen, über bestimmte ideologische Auffassungen bis hin zu politischen Überlegungen reichen. Die Sprachpflege und der Ausbau von Sprachnormen haben sich jedoch in beiden Ländern durch individuelle historische Prozesse entwickelt und weisen heute dementsprechend divergierende Ausprägungsformen und gesellschaftliche Wirkungsbereiche auf. Eine länderübergreifende Gemeinsamkeit repräsentiert dabei jedoch – wie die Korpusanalyse zeigen wird (vgl. 5) – das beiderseitige Wirken gegen den Einfluss der englischen Sprache und der anglophonen Kulturen. Wo in Deutschland diese Effekte globaler Entwicklungen bislang lediglich von einzelnen Akteursgruppen kritisch diskutiert wurden, setzt sich Frankreich bekanntermaßen der englischen Einflussnahme mittels einer gut ausgebauten institutionalisierten Sprachpflege und einer aggressiven Sprachpolitik zur Wehr.

Auf der Grundlage seiner Perspektivierung von Sprachnormierung als Bereich „gesellschaftlicher Verflechtung“ liefert Gloy einen Katalog sprachlicher Normierungskriterien für die erstrebte Standardform der deutschen Sprache, deren Geltungsanspruch und soziale Akzeptanz sich historisch etabliert hat (2008, 397ff.):

(a) Konstitution und Erhalt einer Einheit der Nation

(b) allgemeine Verständlichkeit

(c) etablierter Sprachgebrauch („jedermanns“)

(d) Sprachgebrauch von (kulturellen) Autoritäten

(e) Erhaltung des sozialen Distinktionswertes

(f) das aus sprachwissenschaftlicher Sicht Richtige und Systemgemäße

(g) das in einer Kultur- bzw. Gesellschaftskritik Angeratene

(h) das historisch Gewachsene

(i) das politisch Machbare

(j) das Finanzierbare

(k) der wahrhafte Ausdruck

(l) die kognitiven Folgen

Auch wenn ein solcher Normenkatalog mit Sicherheit nicht ohne Weiteres zu verallgemeinern ist und je nach Sprachraum, diskursiver Funktionalisierung und Interessen der Akteure („Normenverfasser, Normensetzer, Normenvermittler, Normenbefürworter u.a.“ id., 399, Hervorhebungen i.O.) andere Ausprägungen annehmen oder Erweiterungen erfahren kann, so liefert er dennoch ein analytisches Raster, das einen ersten Ausgangspunkt für die hier angestrebte sprach- und kulturkontrastive Schwerpunktsetzung liefert. So wird im Folgenden erstens zu prüfen sein, ob sich die oben aufgeführten, diachron erfassten Normierungskriterien auch in heutigen sprachpflegerischen Diskursen manifestieren. Zweitens stellt sich anhand der konkreten Gegenüberstellung der Diskurse in Deutschland und Frankreich die Frage, ob die in metasprachlichen Äußerungen ermittelten Normvorstellungen gleichen inhaltlichen Mustern und argumentativ vermittelten Geltungsansprüchen unterliegen oder voneinander abweichen. Ein dritter zu beachtender Aspekt bezieht sich auf die für die Internetkommunikation angenommene Heterogenität der Akteure und die damit verbundene Hypothese, diesen sprachpflegerischen Teildiskurs anhand bestimmter Merkmale im Bereich der Laienlinguistik zu verorten.

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