Kitabı oku: «Strafrecht Besonderer Teil», sayfa 17

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|139|bb) Ausnutzungstatbestand gem. § 239a Abs. 1 Alt. 2 StGB, § 239b Abs. 1 Alt. 1 StGB

315Der Ausnutzungstatbestand greift, wenn der Täter das Opfer entführt oder sich seiner bemächtigt hat, aber dabei nicht von vornherein eine Erpressung oder qualifizierte Nötigung im Sinn hatte. Er entscheidet sich dazu erst dann, wenn die Zwangslage des Opfers schon besteht und nutzt diese für sein neues Ziel aus. In diesem Fall muss zu der subjektiven Absicht auf objektiver Ebene das Merkmal des Ausnutzens hinzutreten. Im objektiven Tatbestand ist neben dem Entführen oder Sich-Bemächtigen daher zusätzlich zu prüfen, ob (zumindest) unmittelbar zu einer Erpressung oder qualifizierten Nötigung angesetzt wurde.[597] Die Lage, die der Täter ausnutzt, muss er selbst geschaffen haben oder zumindest zum Zeitpunkt der Ausnutzung unterhalten. Der sog. Trittbrettfahrer einer Geiselnahme durch andere Täter ist folglich nicht nach den §§ 239a, 239b StGB strafbar.[598]

316Tab. 12: Prüfungsaufbau §§ 239a Abs. 1 Alt. 2, 239b Abs. 1 Alt. 2 StGB


|140|c) Erfolgsqualifikationen

317§ 239a Abs. 3 StGB, der gem. § 239b Abs. 2 StGB auch auf Fälle der Geiselnahme anwendbar ist, enthält eine Erfolgsqualifizierung, wonach das Strafmaß lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren ist, wenn der Täter durch die Tat mindestens leichtfertig den Tod des Opfers verursacht. Erfasst sind nicht nur Konstellationen, bei denen das Opfer durch das Entführen oder Sich-seiner-Bemächtigen zu Tode kommt, sondern auch tödlich endende Befreiungsversuche. Der BGH hat zwar in einem Fall, in dem zwei Bankräuber eine Geisel genommen hatten und ein Polizeibeamter, der davon nichts wusste und die Geisel in der Annahme, es handele sich um einen der Räuber, erschoss, das Vorliegen der Erfolgsqualifikation verneint. Er begründete dies jedoch mit der Spezifik des Sachverhalts, da sich gerade nicht das besondere, durch den Grundtatbestand geschaffene Risiko realisiert habe, sondern der Tod der Geisel auf dem Irrtum des Beamten beruhe. Generell finde der Qualifikationstatbestand aber auch Anwendung, »wenn der Tod der Geisel als Folge einer Befreiungsaktion eintritt, die von ihr selbst, dem Erpressungsopfer oder Dritten, namentlich der Polizei, unternommen wird, um die Geiselnahme zu beenden. Hier wird der spezifische Zusammenhang zwischen Grunddelikt und Todeserfolg dadurch vermittelt, daß der tödliche Geschehensablauf durch die Zwangslage ausgelöst wird, in die der Täter die Geisel, das Erpressungsopfer und andere, um das Wohl der Geisel besorgte Dritte versetzt hat. Die Gefahr für das Leben der Geisel, die sich aus solchen, der Beseitigung der Zwangslage dienenden Gegenmaßnahmen ergibt, gehört zu den tatbestandsspezifischen Risiken, die mit der Verwirklichung des Grundtatbestandes typischerweise einhergehen; realisiert sie sich, so muß der Täter – sofern ihn der Vorwurf der Leichtfertigkeit trifft – nach Maßgabe des Qualifikationstatbestands für den Tod der Geisel haften. Voraussetzung ist aber, daß das Eingreifen des Dritten als Teil des qualifikationsspezifischen Gefahrzusammenhangs erscheint, weil es in seinem Ob oder Wie von der Tatsache der Geiselnahme und den Möglichkeiten des Geiselnehmers mit bestimmt wird.«[599]

d) Konkurrenzen

318Das Verhältnis der §§ 239a und 239b StGB zueinander hängt davon ab, welche Motive der Täter verfolgt. »Soweit die Geiselnahme zu dem Zweck vorgenommen wird, durch Bedrohung des Opfers eine unrechtmäßige Bereicherung zu erlangen, ist allein § 239a StGB anzuwenden; § 239b StGB tritt ihm gegenüber zurück. Anders ist die Sachlage, wenn die Geiselnahme sowohl dem Ziel der Bereicherung als auch anderen Zielen dient. In einem solchen Fall würde der Unrechtsgehalt der Tat durch die Anwendung allein des § 239a StGB nicht voll erfaßt. Die beiden Gesetzesverletzungen stehen dann zueinander im Verhältnis der Tateinheit […].«[600]

319|141|Zwischen den §§ 253, 255 StGB und den §§ 239a, 239b StGB besteht Tateinheit, soweit dies erforderlich ist, um klarzustellen, dass die Erpressung bereits bis zum Versuchsstadium oder sogar zu Vollendung gelangt war.[601] Wurden die §§ 239a, 239b StGB in der Ausnutzungsvariante verwirklicht, verdrängen sie die versuchten §§ 253, 255 StGB (Spezialität).[602]

6. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB)
a) Einleitung / Rechtsgut

320§ 113 StGB dient dem Schutz staatlicher Amtshandlungen und der ausführenden Amtsträger.[603] Gegenüber § 240 StGB ist § 113 StGB lex specialis, wobei es sich seit der Angleichung des Strafrahmens durch das zum 5.11.2011 in Kraft getretene 44. Gesetz zur Änderung des StGB[604] nicht mehr um eine Privilegierung handeln dürfte.[605] Es bestehen wegen der Irrtumsregelung in Abs. 4 und der Begrenzung der Drohungsvariante auf das Inaussichtstellen von Gewalt[606] im Verhältnis zu § 240 StGB zwar weiterhin täterbegünstigende Elemente, die u.a. dem spezifischen Charakter hoheitlicher Zwangsmaßnahmen und der Konfrontation mit diesen Rechnung tragen. Allerdings bedarf es für die Vollendung des § 113 StGB andererseits keines Nötigungserfolges (unechtes Unternehmensdelikt) und es genügt bereits jeder tätliche Angriff auf den Amtsträger als Tathandlung, so dass § 113 StGB gleichzeitig auch strafbarkeitsbegründende Regelungen trifft.[607]

b) Objektiver Tatbestand
aa) Rechtswidrigkeit der Diensthandlung

321Der objektive Tatbestand des § 113 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass einem Amtsträger bei der Vornahme einer Diensthandlung – die sich nicht unbedingt gegen den Täter richten muss[608] – in qualifizierter Weise Widerstand geleistet wird. Dabei muss es sich gem. Abs. 3 um eine rechtmäßige Diensthandlung handeln. Der Widerstand gegen rechtswidrige Maßnahmen steht also dem Wortlaut nach nicht unter Strafe.

322Umstritten ist jedoch, was unter Rechtmäßigkeit in diesem Kontext zu verstehen ist. Hier kollidieren zwei grundlegende Erwägungen: Einerseits ist die |142|Gesetzesbindung der staatlichen Gewalten zentrales Merkmal des Rechtsstaates. Den Bürger dazu zu verpflichten, rechtswidriges hoheitliches Verhalten zu dulden, erscheint daher widersinnig. Andererseits ist es zur Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit und Handlungsfähigkeit des Staates erforderlich, dass die Rechtmäßigkeit einer Diensthandlung regelmäßig erst im Nachhinein und auf gerichtlichem Wege überprüft wird. Der BGH geht daher von Folgendem aus: Es »ist nicht jede Amtsausübung, enthielte sie auch den schlimmsten Mißbrauch, schon ihrer Eigenschaft als Amtshandlung wegen stets rechtmäßig, wie es früheren polizeistaatlichen Grundsätzen entspricht. Gegen einen rechtswidrig handelnden Vollzugsbeamten bleibt vielmehr Notwehr zur Abwehr des rechtswidrigen Angriffs an sich zulässig. Aber die Rechtmäßigkeit der Vollzugshandlung hängt nicht vorwiegend vom sachlichen Recht ab, sondern regelmäßig schon von der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Beamten zum Eingreifen, von den gesetzlichen Förmlichkeiten, soweit solche vorgeschrieben sind, von dem vom zuständigen Vorgesetzten erteilten Auftrag (Befehl) oder, soweit der Beamte nach eigenem Ermessen handelt, von der Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so handelt der Beamte rechtmäßig; auf die sachliche Rechtmäßigkeit des Vollzugsakts und auf einen Irrtum des Widerstehenden darüber kommt es dann nicht mehr an.«[609] Grundsätzlich sind demnach also auch materiell rechtswidrige Diensthandlungen zu dulden, solange sie im Rahmen der Zuständigkeit des Amtsträgers ausgeführt werden und die Grenzen der wesentlichen Förmlichkeiten und der pflichtgemäßen Ermessensausübung eingehalten werden (strafrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff[610]). Umgekehrt formuliert: Die Diensthandlung muss für § 113 StGB zwar rechtmäßig sein, der Rechtmäßigkeitsbegriff ist aber auf die (örtliche und sachliche) Zuständigkeit, die Einhaltung der wesentlichen Förmlichkeiten (z.B. Belehrungspflichten) und die pflichtgemäße Ermessensausübung reduziert[611], damit die Beamten auch in unübersichtlichen Situationen schnelle Entscheidungen treffen und durchsetzen können, ohne zunächst in eine ausführliche Rechtsprüfung eintreten zu müssen.[612] In der Literatur wird dem zum Teil ein engerer Rechtmäßigkeitsbegriff entgegengehalten, der auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage (vollstreckungsrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff[613]) bzw. die verwaltungsrechtliche Wirksamkeit der Maßnahme (verwaltungsrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff[614]) abstellt.

323|143|Es ist ferner streitig, wie das Rechtmäßigkeitserfordernis aus Abs. 3 dogmatisch einzustufen ist[615], da es aufgrund seiner systematischen Stellung in der Norm jedenfalls nicht zum objektiven Tatbestand gehört.[616] Für die Fallbearbeitung ist dieser Streit aber von untergeordneter Bedeutung, da er letztlich nur den Prüfungsaufbau betrifft. Dieser ist aber nicht zu begründen, sondern muss lediglich dogmatisch vertretbar sein und konsequent durchgehalten werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit bietet es sich an, die Rechtmäßigkeit wie eine objektive Bedingung der Strafbarkeit als eigenen Prüfungspunkt nach dem subjektiven Tatbestand zu thematisieren.[617]

324Tab. 13: Prüfungsaufbau § 113 StGB


|144|bb) Amtsträger

325Personale Schutzobjekte des § 113 StGB sind Amtsträger und Bundeswehrsoldaten, die zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen sind. Darunter fallen etwa Polizisten und Gerichtsvollzieher. § 114 StGB erweitert den Schutzbereich auf Amtsträgern gleichgestellte Personen. Unter § 114 Abs. 2 StGB fallen etwa von der Polizei oder dem Ordnungsamt zum Abschleppen von Falschparkern beauftragte Unternehmen.[618]

cc) Bei Vornahme einer Vollstreckungshandlung

326»Vollstreckungshandlung in diesem Sinne ist jede Handlung einer dazu berufenen Person, welche die Verwirklichung des (die Regelung eines bestimmten Falles anstrebenden), nach Umfang und Inhalt durch das Gesetz oder die in § 113 StGB bezeichneten Staatsorgane bestimmten und begrenzten, notfalls zwangsweise durchsetzbaren Staatswillens bezweckt […].«[619] Der Staatswille muss folglich konkretisiert und zwangsweise durchsetzbar sein. Insbesondere bei Polizeibeamten muss deshalb genau zwischen Vollstreckungshandlung und allgemeiner Diensttätigkeit (z.B. Streifenfahrten, Beschuldigtenvernehmungen, Befragungen[620]) unterschieden werden. Problematisch ist dies beispielsweise bei allgemeinen Verkehrskontrollen, bei der die Polizei ohne konkretisierten Verdacht stichprobenartig Autofahrer anhält. Die Rechtsprechung sieht bereits in der Aufforderung zum Anhalten eine bestimmte Vollstreckungshandlung, da die Beamten zur unmittelbaren Verwirklichung des Gesetzeswillens (der hier darin besteht, dass gemäß den Vorschriften der StVO regelmäßig allgemeine Verkehrskontrollen durchgeführt werden) handelten und »ihr Haltegebot notfalls mit unmittelbarem Zwang durchsetzen« könnten, »wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur für die Frage, welche Zwangsmittel zulässig sind, eine Rolle spielt.«[621]

327Zeitlich gilt, dass auch schon Verhaltensweisen vor dem Beginn der Vollstreckungshandlung den Tatbestand erfüllen können, wenn sie in Hinblick auf die Diensthandlung als gezielte Vorbereitung zu ihrer Be- oder Verhinderung fungieren: »So wird es beispielsweise als strafbares Widerstandleisten anzusehen sein, wenn ein Täter in Erwartung des Gerichtsvollziehers an seiner Wohnungstüre – durch nicht ganz unerhebliche Kraftentfaltung – eine Vorrichtung anbringt, die geeignet ist, den Beamten beim Betreten zu verletzen und damit die Amtshandlung zu erschweren, ohne daß der Täter zu diesem Zeitpunkt noch ein irgendwie geartetes Tun vollbringt. Ebenso muß es genügen, wenn der Täter die Wohnungstür so abschließt, daß der erwartete |145|Gerichtsvollzieher die Wohnung nicht zu betreten vermag.«[622] Umgekehrt ist eine Vollstreckungshandlung »so lange nicht beendet, wie das Verhalten des Vollstreckungsbeamten in so engem Zusammenhang mit der Durchsetzung des Staatswillens steht, daß es nach natürlicher Lebensauffassung als Bestandteil der zur Regelung des Einzelfalls ergriffenen Maßnahme angesehen werden kann. Dies gebietet der Zweck der Norm. Denn so lange jedenfalls ist der Beamte des besonderen Schutzes bedürftig, den § 113 Abs. 1 StGB ihm im Zusammenhang mit der Vornahme einzelner Vollstreckungshandlungen gewährt […]. Deshalb gehört auch der Rückweg des Polizeibeamten über das Gelände, das er nur zur Vornahme einer bestimmten Vollstreckungshandlung betreten hat, zu seinem am Rand dieses Geländes abgestellten Dienstfahrzeug noch zu der vorgenommenen Vollstreckungshandlung.«[623]

dd) Tathandlungen

328(1) Widerstand leisten mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt: »Unter Widerstand ist eine aktive Tätigkeit gegenüber dem Vollstreckungsbeamten zu verstehen, mit der die Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme verhindert oder erschwert werden soll. Die Tat muss demgemäß Nötigungscharakter haben. Allerdings wird ein effektiver Nötigungserfolg nicht vorausgesetzt (…). ›Mit Gewalt‹ wird Widerstand geleistet, wenn unter Einsatz materieller Zwangsmittel, vor allem körperlicher Kraft, ein tätiges Handeln gegen die Person des Vollstreckenden erfolgt, das geeignet ist, die Vollendung der Diensthandlung zumindest zu erschweren (…).«[624] Es soll nur aktiver Widerstand unter diese Definition fallen, einfacher Ungehorsam im Sinne untätigen Widersetzens genügt hingegen nicht.[625] Im Einzelfall ist diese Grenze allerdings unscharf. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch »Handlungen wie das Festhalten an Gegenständen […] und das Stemmen der Füße gegen den Boden […], mit denen eine Person ihr Verbringen an einen anderen Ort verhindern will«, gewaltsame Widerstandshandlungen im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB, da »derartige Verhaltensweisen durch den oftmals nicht unerheblichen Einsatz von Körperkraft gekennzeichnet« seien und »durch ebenfalls nicht unerheblichen Krafteinsatz überwunden werden« müssten.[626] Die tatbestandsmäßige Drohung muss sich auf Gewalt im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB beziehen, wobei diese aber auch für die Zeit nach der Vollstreckungshandlung in Aussicht gestellt werden kann.[627]

329|146|(2) Tätlicher Angriff: Ein tätlicher Angriff ist nach der herrschenden Meinung »jede in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung, und zwar ohne Rücksicht auf einen Erfolg derselben.«[628] Der Täter muss danach den Amtsträger folglich weder berühren, noch ist eine sonstige körperliche Einwirkung oder gar ein Verletzungserfolg erforderlich.[629] Anders als bei der ersten Begehungsvariante muss der tätliche Angriff auch nicht dazu dienen, die Vollstreckungshandlung zu be- oder verhindern, sondern nur zeitgleich mit ihr erfolgen. Es sind demnach auch durch Wut, Frust oder Rache motivierte tätliche Angriffe erfasst.[630]

c) Subjektiver Tatbestand

330Auf subjektiver Ebene ist mindestens bedingter Vorsatz hinsichtlich der Elemente des objektiven Tatbestandes erforderlich (also nicht in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung, vgl. Rn. 323). Dazu gehört insbesondere das Wissen, dass es sich um eine Diensthandlung handelt. Dieses kann etwa fehlen, wenn Beamte in zivil Zwangsmaßnahmen ergreifen und sich dabei aber nicht als Amtsträger zu erkennen geben.

d) Rechtswidrigkeit und Schuld

331Bei der Rechtswidrigkeit kommen die üblichen Rechtfertigungsgründe in Betracht. Die Schuld entfällt gemäß Abs. 4 S. 2, außer in den Fällen der üblichen Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründe dann, wenn der Täter sich unvermeidbar über die Rechtswidrigkeit der Vollstreckungshandlung irrt und ihm das Zuwarten auf eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung nicht zumutbar war.[631] Ob der Irrtum tatsächlich unvermeidbar war, bemisst sich nach den im Zusammenhang mit § 17 StGB entwickelten Kriterien.[632]

e) Regelbeispiele gem. § 113 Abs. 2 StGB

332In Abs. 2 sind besonders schwere Fälle des § 113 StGB geregelt. Bei der Nr. 1 ist zu berücksichtigen, dass die Waffe oder das gefährliche Werkzeug in Verwendungsabsicht mit sich geführt werden muss und dass die abstrakte Gefährlichkeit des Werkzeugs aufgrund dieser konkret beabsichtigten Einsatzart bestehen muss.[633] Die in Nr. 2 benannte Gewalttätigkeit ist kein Synonym zum Begriff der Gewalt, sondern wird eigenständig definiert als ein aggressives, aktives Tun, »durch das unter Einsatz oder Ingangsetzen physischer Kraft unmittelbar oder mittelbar auf den Körper eines Menschen in einer dessen leibliche oder seelische Unversehrtheit beeinträchtigenden oder konkret gefährdenden Weise eingewirkt wird.«[634]

|147|f) Konkurrenzen

333Gegenüber der mitverwirklichten §§ 240 Abs. 1; 223 Abs. 2, 22, 23 (Versuch!) StGB ist § 113 StGB lex specialis, sie treten also im Wege der Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) zurück.[635] Problematisch sind Fälle, in denen nur mit einem empfindlichen Übel gedroht wird, die sonstigen Voraussetzungen des § 113 StGB (Amtsträger, rechtmäßige Vollstreckungshandlung) aber vorliegen. Vertreten wird sowohl eine Sperrwirkung des § 113 StGB, so dass der Täter straflos wäre[636], als auch eine Strafbarkeit gem. § 240 Abs. 1 StGB unter analoger Anwendung der Abs. 3, 4 des § 113 StGB.[637] Vorzugswürdig ist die Annahme einer Sperrwirkung, da nur so dem Umstand Rechnung getragen wird, dass § 113 StGB eine Sonderregelung für Nötigungskonstellationen trifft, in denen der Staat (Zwangs)maßnahmen gegen Bürger ergreift.[638] Würde in solchen Situationen ergänzend und tatbestandserweiternd der § 240 StGB gelten, würde der Charakter der Sonderregelung ausgehebelt.

7. Leitentscheidungen

334OLG Düsseldorf, NJW 1989, 1; Einmaligen und kurzen, aber dennoch tatbestandsmäßigen Nötigungshandlungen im Straßenverkehr fehlt die Verwerflichkeit gem. § 240 Abs. 2 StGB: Wegen des waghalsigen Fahrmanövers eines anderen Autofahrers beim Auffahren auf die Autobahn hatte der (vermeintliche) Geschädigte stark abbremsen müssen, um zu verhindern, dass er auf das Auto des Beschuldigten auffuhr. – Das OLG Düsseldorf sah darin zwar eine tatbestandsmäßige Nötigungshandlung mittels Gewalt. Diese sei aber nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB. Die Gewalt sei gegenüber dem erstrebten Zweck nicht in einem so hohen Maße sittlich zu missbilligen, dass sie strafwürdig sei. Dies sei bei einmaligen kurzen Verkehrsvorgängen, die auch nur mit kurzzeitigen Beeinträchtigungen einhergingen, regelmäßig der Fall.[639]

335OLG Frankfurt a.M., BeckRS 2006, 06300;[640] Blockade einer Homepage ist keine Gewalt i. S. v. § 240 StGB: Im Rahmen einer »Online-Demonstration« gegen die Mitwirkung der Lufthansa an Abschiebungen von Ausländern hatten tausende Menschen zu einer bestimmten vereinbarten Uhrzeit auf die Internetseite der Fluggesellschaft zugegriffen mit der Folge, dass diese zeitweise wegen Überlastung ausfiel. – Auf die Sprungrevision des Angeklagten entschied das OLG, dass es sich bei diesem Verhalten nicht um Gewalt i.S. |148|§ 240 StGB handele, da es an der erforderlichen körperlichen Kraftentfaltung fehle. Das Klicken mit der Maus genüge hierfür nicht.[641]

336BGH NStZ 1997, 437; Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft: Ein Staatsbürger der Bundesrepublik arbeitete als sog. Informeller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Im Rahmen dieser Tätigkeit denunzierte er einen DDR-Bürger, der zu fliehen beabsichtigte. Dieser wurde daraufhin zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. – Der BGH stellte in seiner Entscheidung fest, dass nicht nur derjenige, der einen anderen unter falschen Behauptungen anzeigt und dadurch seine Inhaftierung erwirkt, sich wegen Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft strafbar mache. Dies gelte vielmehr auch für denjenigen, der zwar bei Anzeigeerstattung wahre Tatsachenangaben macht, damit aber sehenden Auges rechtswidrige Maßnahmen gegen den Angezeigten provoziert, etwa einen rechtswidrig handelnden Staatsapparat für seine Ziele ausnutzt.

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