Kitabı oku: «Steine des Schreckens», sayfa 3
„Wieso glaubst du das?“
„Tu ich gar nicht. Es ist eher eine Befürchtung. Bei dem toten Fisch haben wir doch festgestellt, dass da jemand vorsätzlich was arrangiert hat. Ich habe doch erzählt, dass so ein toter Fisch eine unbewusste Botschaft sein kann, ein Hinweis auf eine grosse Enttäuschung oder verlorene Hoffnung, jedenfalls interpretieren manche Menschen das da hinein.“
„Ja, ich kann mich noch erinnern. Das hast du bei unserem Gespräch mit den jungen Leuten mit dem Schlabrador gesagt. Und?“
„Das kann ja sein, dass der betreffende Mensch an solche Traumdeutereien glaubt. Und jetzt das mit dem Hund. Ein Hund in einem Traum kann einerseits ein Freund, andererseits ein Symbol für einen Feind sein. Im Islam, so habe ich gelesen, existiert folgende Vorstellung: wenn man im Traum einen Hund tötet, dann vernichtet man symbolisch seinen Feind.“
„Aber Traumdeutereien heisst doch, dass man deutet, was man geträumt hat. Das hier ist aber real. Das sind keine Träume.“
„Genau, das ist das, was mir im Kopf rumgeht. Hier könnte doch jemand in einer Scheinwelt leben …“
„… und das würde heissen …“
„… dass ein psychisch Kranker einen Realitätsverlust erlitten hat und nicht mehr unterscheiden kann zwischen Traum und Wirklichkeit … und … die Kreise um irgendeine zukünftige Tat immer enger werden … wie bei einem Hai auf der Jagd.“
„Beängstigend.“
„Oder auch nicht. Vielleicht erwischen sie ja den Tierquäler jetzt und der Spuk hat ein Ende. Die Chancen stehen sicher nicht schlecht. Wenn der Hund gechipt ist, dann ist man eventuell dem Ganzen entscheidend näher gekommen.“
„Und wenn nicht?“
„Egal. Auf jeden Fall wird jetzt ermittelt. Tierquälerei ist ein Offizialdelikt. Es wird von Amtes wegen verfolgt.“
„Na hoffen wir mal das Beste. Es kann einem ja richtig unheimlich werden hier.“
„Du wirst jetzt aber nicht vorzeitig abreisen wollen?“
„Auf gar keinen Fall! Wegen einem Fisch und einem Hund? Das wäre ja noch toller.“
„Das wäre auch zu schade. Das Wetter soll bald wieder besser werden.“
„Hier kann man wenigstens noch raus bei Wind und Wetter. Am Strand ist es, solange es so bleibt, ungefährlich. Bei uns fallen einem im Wald bei dem Wind schon die Äste auf den Kopf.“
„Und in der Stadt kriegst du einen Blumenkasten auf die Nuss. Da muss man ja mit einem Helm rumlaufen.“
„Bei Sturm hat man eigentlich auch draussen nichts verloren.“
„Ich habe mal gelesen, dass die grösste Gefahr bei einem Tornado nicht die ist, dass man hochgesaugt wird von so einer Rüsselwolke wie in einem Staubsauger. Die grösste Gefahr ist, dass man irgendwas an die Rübe bekommt, weil der ganze Dreck und die Steine und Schilder und alles mögliche Zeug herumgeschleudert wird.“
„Ich habe mal von hoch in die Luft geschleuderten LKW’s gelesen.“
„Da hat man echt schlechte Karten, wenn man sowas auf die Glatze kriegt!“
„Mal was ganz Anderes. Was machen wir heute eigentlich noch? Gehen wir essen?“
„Ein gemütliches Essen? Das passt zu dem miesen Wetter. Das machen wir. Am besten irgendwo, wo man von innen auf’s Wasser schauen kann.“
„Da fällt mir jetzt spontan nichts ein. Ich sehe mal auf dem Insel-Plan nach.“
„Aber nicht am anderen Ende der Insel!“
„Nein, weit fahren will ich auch nicht mehr. Ich suche uns was in der Nähe.“
Er guckte auf der Karte herum, fand viele Stellen, informierte sich im Reiseführer über Restaurants und sagte dann: „Das könnte was sein. Wir fahren an den Wulfener Hals.“
„Was ist das denn?“
„Ein Berg. Sagenhafte 18 m hoch, steht hier. Schade habe ich meine Hochgebirgsausrüstung nicht dabei. Steigeisen, Gletscherbrille, Pickel, Sturmhaube, Gamaschen, alles zuhause gelassen. Wir hätten uns einer Seilschaft anschliessen können oder wären mit der nächsten Expedition los. Oder ganz alleine auf eigene Faust mit drei oder vier Sherpas. Die errichten dann vom Basislager auf 9 m aus das erste Hochlager auf 14 m und von dort wagen wir dann den Gipfelsturm. Wir deponieren eine Fahne, machen zum Beweis ein paar Fotos und beginnen dann rechtzeitig mit dem Abstieg.“
„Geht dir schon wieder der Gaul durch? Dir fehlt es eindeutig an Ernsthaftigkeit. Das ist doch nicht seriös. Immer diese Spielchen. Wer dich nicht kennt, könnte dich für dumm halten – oder für einen Spinner – oder für beides.“
„Wer mich kennt – auch.“
„Dazu sage ich jetzt nichts. Ohne meinen Anwalt schon grad gar nicht. Aber zurück zum Thema: wir können dort nach dem Essen noch ein paar Schritte am Strand laufen.“
„Wenn der Wind nachlässt, gerne.“
„Normalerweise ist es abends immer ruhiger, der Wind lässt nach wegen den nicht mehr so grossen Temperaturdifferenzen, weil die Sonne weg ist.“
„Die Sonne war doch nie da.“
„Ja, trotzdem, sei doch nicht so pingelig.“
Burg auf Fehmarn:
Medieninformation der Polizei, 6. September
Toter Hund gefunden – Polizei ermittelt
Ein Anwohner von Presen hat am nahegelegenen Deich einen in eine Decke eingewickelten toten Hund entdeckt. Die Polizei ermittelt und sucht Zeugen.
Am Freitag informierte ein Anwohner der Ortschaft Presen die Polizei über einen am Deich abgelegten Hundekadaver. Die eingesetzten Beamten fanden einen in eine grüne Decke eingewickelten braunen Rüden der Rasse Rauhaardackel im Bereich des nahen Parkplatzes.
Beamte der Kriminalpolizei untersuchten den Kadaver, fanden jedoch keine Hinweise auf Herkunft oder Halter, dafür aber neben anderen Verletzungen erhebliche Bissverletzungen am Körper des toten Tieres. Diese Bissverletzungen könnten nach Auskunft eines zufällig anwesenden Jägers von einem Kampfhund herrühren. Wegen des Verdachts einer Straftat nach dem Tierschutzgesetz wurde ein Strafverfahren eingeleitet.
Unmittelbar neben dem toten Hund wurde ein sehr auffälliger Stein gefunden, welcher die Form eines Hundeschädels hatte.
Zeugen, die gesehen haben, wie die Tierleiche abgelegt wurde oder sonstige sachdienliche Hinweise zu dem Fall geben können, werden gebeten, sich bei der Kriminalpolizei Burg auf Fehmarn zu melden.
Die Polizei weisst ausdrücklich auf ein kürzlich vom Bundesgerichtshof bestätigtes Urteil des Landgerichts Hamburg hin, mit dem zwei Halter von so genannten Kampfhunden wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurden und erinnert in diesem Zusammenhang an den Leinen- und Maulkorbzwang für potenziell gefährliche Hunde.
Der Tod der vornehmen Frau

Die Insel bietet viel. Eigentlich ist für jeden etwas dabei. Vor allem für Familien. Für Kinder ist das hier sozusagen ein einziger grosser Spielplatz. Für Erwachsene aber auch. Ein grosser Spielplatz mit ganz viel Sand zum Buddeln und ganz viel Wasser – und ganz vielen Steinen.
Es hat selbstverständlich auch immer viele Kinder auf der Insel. Jelato dachte aber trotzdem bei so manchem Spaziergang am Strand, dass es mehr Hunde als Kinder sind. Er machte sich dann jeweils Gedanken über die Zukunft eines Landes, wo es mehr Hunde als Kinder gibt. Zu seiner Frau sagte er unvermittelt: „Die Hundesrepublik Deutschland besteht aus 16 Hundesländern, sie hat einen Hundestag, eine Hundeskanzlerin und einen Hundespräsidenten.“
„Mann, muss ich mir jetzt Sorgen um dich machen?“
„Nein, aber um die aussterbende Republik.“
„Sie wird nicht aussterben. Die Hunde werden die Herrschaft übernehmen. Das ist alles.“
„Haben sie das nicht schon lange gemacht?“
Irgendwie störten ihn die vielen Hunde. Das lag vor allem an den wenigen Hunden, die natürlich trotz Leinenpflicht auf dem Deich ohne Leine vollkommen unerzogen auf ihn zugerannt kamen und an ihm hochsprangen. Er konnte nicht recht einordnen, ob das jetzt eine aggressive Attacke in Richtung Kehle durchbeissen war, oder ob der Hund nur eine Begrüssung mit Gesicht abschlecken im Sinn hatte. Es war ihm auf jeden Fall unangenehm, egal welche Absicht der Hund hatte. Es war für ihn immer eine Belästigung und er fragte sich, wie man generell dagegen vorgehen könnte.
Welche Rechte hat der, der belästigt wird? Den Besitzer zu verhauen geht gar nicht. Auch den Hund zu töten scheidet aus. Das wäre ja so, als hätte bei Regen ein Autofahrer ihn mithilfe einer Pfütze versaut und er würde daraufhin mit dem Hammer dessen Auto demolieren. Nein, sowas geht einfach nicht. Dafür landet man bestenfalls in der Psychiatrie als interessanter Fall von Hundephobie und irgendeiner schreibt seine Doktorarbeit darüber und bis die fertig ist, muss man zur Beobachtung drin bleiben. Das kann dauern.
Seine Frau meinte auch immer: ‚der Hund kann doch nichts dafür‘. Seine Antwort war dann: ‚es ist mir doch egal, an welchem Ende der Leine sich das Problem befindet‘. Sie unterstellte ihm dann anschliessend jeweils einen Hundehass.
Sein Gegenargument war dann ein sogenanntes Gedankenexperiment.
„Wenn man sich mal vorstellt, alle Hundebesitzer hätten anstatt eines Hundes einen Schimpansen und sie hätten den nicht an der Leine, sondern diese Affen kämen immer gerannt, um dann Blödsinn zu veranstalten, dann würden die Menschen das wohl nicht als normal betrachten – ohne dass man jetzt irgend einem gleich einen generellen Hass auf Schimpansen unterstellen könnte. Aber bei Hunden ist das gesellschaftlich fast akzeptiert, oder besser, man muss es hinnehmen. Bei Schimpansen würde man sagen: was soll das? Geht’s eigentlich noch? Wo sind wir denn hier? Was ist das für ein Affenzirkus?“
Seine Frau erwiderte dann, dass es durchaus Kulturen gibt, in denen frei herumlaufende Affen nicht nur toleriert, sondern sogar hoch geschätzt werden, zum Beispiel der Affentempel Swayambunath in Kathmandu in Nepal. Und Affenberge mit relativ frei laufenden Affen sind der Renner, zum Beispiel der Affenberg in Salem oder 'La Montagne des Singes' in Kintzheim im Elsass.
Er nahm das dann wortlos zur Kenntnis. Sein innerer Groll war aber nicht beseitigt.
Begegnungen mit Hunden gehörten also auf der Insel zu Wanderungen einfach dazu – und wandern war ein grosses Hobby von ihnen. Immer häufiger bemerkten sie auf ihren Wanderungen aber auch Erfreuliches. Kam ihnen jemand mit einem freilaufenden Hund entgegen und sah sie kommen, rief dieser Mensch seinen Hund und hielt ihn anschliessend mithilfe eines kleinen Leckerbissens bei sich. War die potenzielle Konfliktstelle dann passiert, durfte der Hund wieder losrennen. Inzwischen freuten sich offensichtlich die Hunde schon, wenn jemand entgegenkam und liefen in Erwartung eines Leckerbissens von selber zum Besitzer. Geht doch! Friedliche Koexistenz ist keine Fiktion, sie ist lebbar.
Die Zeiten, wo einige Hundebesitzer ihren Hund noch heimlich aufhetzten, wenn jemand entgegen kam, diese Zeiten waren wohl tatsächlich vorbei. Das hat es früher oft genug gegeben. Die Besitzer glaubten wohl, durch diese künstliche Kampfwertsteigerung des Tieres mehr Eindruck zu hinterlassen. In Wirklichkeit wurden ihnen nur charakterliche Mängel bescheinigt. Schlicht ungeeignet zum Halten eines Hundes hiess das Urteil. Kampfhunde gelten schon lange nicht mehr als schick. Ihre Besitzer werden gleich in bestimmte gesellschaftliche Randgruppen eingeordnet – und, erstaunlich, erstaunlich, oft genug stimmt es sogar.
Die Hunde haben auch was dazu gelernt. Früher wurde jeder Waldläufer – es hiess nicht schon immer Jogging – sofort attackiert und es wurde direkt die Verfolgung aufgenommen. Die Jogger von heute sind bei weitem nicht mehr so interessant wie die Waldläufer von früher. Dafür ist ihre Anzahl zu gross.
Inselwanderung war also auch heute Morgen das Thema für die beiden Urlauber. Aber es fehlte irgendwie der Wille zur Entscheidung, sie waren ein bisschen lasch. Es wurde erst mal ausgiebig gefrühstückt und dabei wurden auch alternative Pläne für den Tag geschmiedet.
„Was machen wir?“
„Bitte keine grosse Wanderung heute! In den letzten Tagen sind wir genug gewandert.“
„Hmm. Geht mir ähnlich. Man wird halt älter. Ein bisschen Abwechslung wäre wirklich nicht schlecht. Wir könnten einen Ruhetag einlegen. Relaxen und regenerieren ist angesagt – die Jungen sagen abhängen dazu.“
„Chillen heisst das heute. Wir sollten mal raus auf‘s Meer.“
„Ok, ein Ausflug mit einem Schiff raus auf die Ostsee oder einfach rund um die Insel schippern, das wäre doch die ideale Erholung vom vielen Wandern.“
Leider wurde sowas aber jetzt nicht angeboten. Inselrundfahrten gibt es derzeit nur mit dem Bus, nicht mit dem Schiff, hiess es lapidar bei einer telefonischen Anfrage. Dann wollten sie eben eine normale Kutterfahrt raus auf See und nach ein paar Stunden wieder zurück. Das sollte doch möglich sein.
Nein, genau dasselbe, das wurde leider auch nicht angeboten. Entweder zu wenig Nachfrage (Auskunft: ‚bei weniger als 10 Leuten fahren sie nicht‘) oder der Kapitän machte selber Ferien.
Jelato und seine Frau wollten aber unbedingt mal raus auf See. Also was tun? Hier war guter Rat teuer – äh, nein, nicht mal, er war sogar recht günstig.
Sie hatten eine Idee.
„Wir fahren einfach mit der normalen Fähre nach Dänemark und nach ein paar Stunden wieder zurück. Schau mal hier.“
Sie studierten den Prospekt über die Vogelfluglinie und die Fahrpläne.
„Die Fähre ist für Fussgänger gar nicht so teuer. Das sind nur 6 Euronen für jeden von uns, hin und zurück, macht zusammen 12 Euronen für uns beide. Das ist ja billiger als mit einem Kutter für zwei Stunden raus. Nach der Überfahrt sind wir ein paar Stunden in Dänemark. Da können wir uns richtig Zeit lassen, die Fähren fahren Tag und Nacht alle halbe Stunde. Und irgendwann später fahren wir dann wieder zurück. Da hätten wir unsere Schiffsfahrt auf der Ostsee verbunden mit einem Dänemark-Aufenthalt, nicht schlecht, was? Da hätten wir den Fünfer und das Weggli!“
„Also. Worauf warten? Auf geht’s! Pack mer’s, wie der Bazi sagt. Setzen wir über.“
Eine Viertelstunde später sassen sie im Auto. Er steckte den Zündschlüssel ins Schloss und liess den Motor an. Kein Problem. Nur ein Geräusch, das sie in der letzten Zeit öfters gehört hatten, weckte ihre Aufmerksamkeit.
„Bing!“
„Was war das?“ fragte seine Frau.
„Ach, die Karre nervt mich schon die ganze letzte Zeit. Immer wenn ich den Motor anlasse, dann macht es ‚Bing‘ und es leuchtet eine Schrift im Armaturenbrett auf, siehst du … hier … das da.“
Sie las vor: „Ölwechsel durchführen“. Das wunderte sie jetzt. Sie kümmerte sich nie viel um die Technik, aber dass bei einer Inspektion ein Ölwechsel routinemässig vorgenommen wird, das wusste sie, und der Jeep war gerade in der Inspektion gewesen.
„Haben die vergessen, das Öl zu wechseln?“
„Nein. Das habe ich schon kontrolliert. Und hier hängt auch der Zettel am Lenker. Ich vermute was anderes.“
„Was denn? Müssen wir jetzt in die Werkstatt?“
„Ich glaube nicht. Die haben wahrscheinlich nur vergessen, die Meldung im Inspektionsmenü oder so zurückzusetzen. Oder das Wartungsintervall ist falsch. Die haben gesagt, nach 20‘000 km müsste die Karre zur Inspektion, da war er dann ja auch in der Werkstatt. Aber vielleicht sind es ab Werk eigentlich 25‘000 km und jetzt, wo wir die voll haben, zeigt er halt immer diese Meldung.“
„Ist das schlimm?“
„Nein, aber es nervt. Ich muss mich mal schlau machen, wie man die Meldung löscht. Das mache ich dann irgendwann. Jetzt fahren wir erst mal.“
Eine viertel Stunde später erreichten sie den Parkplatz am Fährhafen der Scandlines. Sie stellten den Wagen ab, gingen die Treppe rauf zum Ticketautomaten und waren mental auf ein komplexes Problem mit den Geräten vorbereitet. Sie näherten sich respektvoll den grossen Automaten und studierten die Benutzeroberfläche. Sie beurteilten diese erleichtert als insgesamt bedienerfreundlich und konnten innert Minuten sogar erfolgreich ihre Fahrscheine lösen. Sie waren stolz auf sich.
„Siehst du, wir gehören halt doch noch nicht zum alten Eisen, wir können unsere Fahrkarten am Automaten noch selber ziehen!“
„Der hier war ja auch einfach. Es war auch alles schön gross angeschrieben, das ging sogar ohne Brille.“
„Stimmt. Bei uns sollten sie mal über Seniorenautomaten nachdenken. Grosse Schrift und grosse Tasten und verständliche Tarifzonen, nicht so Dinger, wo du erst eine Viertelstunde studieren musst und dann doch die falsche Fahrkarte ziehst.“
Dann ging es weit nach hinten in der langen überdachten Landungsbrücke in Richtung bereitstehender Fähre, dort nahmen sie ihren Bon für zollfreies Einkaufen auf hoher See in Empfang und sassen dann endlich auf dem Mitteldeck der Fähre Prinsesse Benedikte und erwarteten die Abfahrt. Das Oberdeck war leider nicht zugänglich, schade.
Ein kurzes Vibrieren lief durch das Schiff und es ging los in Richtung Rødby. Sie genossen die Fahrt. Irgendwann kam eine Durchsage, dass man jetzt in internationalen Gewässern wäre und die zollfreien Läden nun geöffnet seien. Die Durchsage war in verschiedenen Sprachen, aber sie hörten gar nicht hin. Das interessierte sie alles nicht weiter. Sie wollten die See geniessen, die Luft, die Sonne, den Ausblick.
„Ist das hier eine schottische Fähre?“
Seine Frau schaute ihn nur fragend an.
„Ich frage das deshalb, weil das hier das erste Schiff ist, wo keine Möwen hinterher fliegen, wahrscheinlich weil sie wissen, dass es nix gibt. Die sind doch geizig, die Schotten.“
„Jetzt wo du das sagst, tatsächlich. Keine einzige Möwe. Das ist doch hoffentlich kein schlechtes Zeichen. Man sagt doch, die Tiere spüren Naturkatastrophen zuerst. Es wird doch keinen Tsunami geben? Oder einen schlimmen Sturm?“
„Haha, ein Sturm zieht sicher nicht auf! Die werden halt nur nicht gefüttert, das ist alles. Das haben die inzwischen echt gelernt, dass es hier nix gibt. Sonst hast du hinter jedem Schiff einen ganzen Schwarm von den Viechern.“
„Was ist das denn für eine komische Vogelfluglinie, wenn da kein Vogel fliegt auf dieser Linie?“
„Wenn sie wegziehen im Herbst oder im Frühjahr wieder kommen, dann sind sie schon hier unterwegs.“
Die Begegnung mit einer entgegenkommenden Fähre auf hoher See war der Höhepunkt der Seereise. Auch ohne Möwen, wie sie sofort feststellten. Die Fähre liessen sie selbstverständlich nicht unfotografiert in den Hafen zurück.
„Eigentlich schade, dass sie hier einen Tunnel bauen wollen.“
„Was? Wo wollen sie einen Tunnel bauen?“
„Na hier, wo wir jetzt gerade fahren. Es gibt ein Projekt namens ‚Feste Fehmarnbeltquerung‘. Das wird ein grosser Tunnel werden.“
„Das ist ja wie bei uns. Tunnel und Kreisel überall. So ein Wahnsinn. Das wird teuer!“
„Ach die paar Milliarden. Wir haben’s ja. Sei nicht so knausrig!“ antwortete er ironisch.
Er hatte sich im Laufe seines Lebens über so viele Geldverschwendungsprojekte verschiedenster Art geärgert, jetzt sprach mittlerweile nur noch Resignation aus seinen Worten. Grosse Flughäfen, sinnlose Flughäfen, wahnsinnige Bahnhofsprojekte, die aus dem Ruder laufende Philharmonie, Autobahnen, Tunnel, Kreisel oder beliebige militärische Anschaffungen, überall dasselbe, immer hat es nachher doppelt so lange gedauert und der Finanzrahmen war sowieso gesprengt. Es war ihm mittlerweile egal, ob absolute Inkompetenz der Planer und Budgetierer oder Betrug der Baufirmen oder Lügen von Politikern oder alles zusammen in die jeweilige Misere führen. Es steigerte nur noch seine Melancholie, aber mit zwei oder drei Gläsern vom roten Wasser des Vergessens war es wieder ok.
Sie insistierte: „Was ist denn an den Schiffen nicht mehr gut, dass sie unbedingt einen Milliarden-Tunnel bauen wollen?“
„Schiffe sind zu gemütlich für unsere hektische Welt. Die wollen doch heutzutage mit über 100 Sachen unter der Ostsee durchsausen.“
„Was machen sie mit der gesparten Zeit?“
„Fernsehgucken, Nintendo spielen, im Internet surfen. Auf Facebook posten, dass sie keine Zeit haben. Eye, Alter, eye, ich bin voll im Stress, eye.“
„Ich sag’s ja: alles wird besser …“
„Ja, ja.“
„Was machen wir in Dänemark?“
„Gehen wir ins Zentrum von Rødby, oder laufen wir einfach ein paar Stunden am Strand in Richtung Søndernor?“
„Nein, wir wollten doch nicht schon wieder laufen. Ich habe da einen anderen Vorschlag: wir fahren nach Nykøbing ins ‚Middelaldercenter‘ und schauen uns ein Ritterturnier an.“
„Das wäre interessant. Wie kommen wir denn dahin – ohne Auto?“
„Ich glaube, es gibt eine gute Zugverbindung.“
Alles klappte. Sie hatten einen herrlichen Tag. Das Wetter war ok. Blauer Himmel, Sonnenschein, erträgliche Temperaturen.
Die Ritter hatten sich alle Mühe gegeben und wacker gekämpft. Jetzt waren sie wieder friedlich und ermattet vom Kampf tranken sie ihre Bierchen. Krieg macht durstig. Auch die auf dem Schlachtfeld Gefallenen feierten lustig mit. Die abgeschlagenen Gliedmassen waren alle wieder nachgewachsen. Medizinischer Fortschritt wo man hinguckt, alle Kämpfer hatten eine Spontanheilung erfahren, restitutio ad integrum, wär’s nur immer so.
Die mächtigen Steinschleudern hatten alle von der Seeseite her kommenden virtuellen Angreifer mit realen Steinen versenkt, man war der Bedrohung nochmal knapp entkommen. Die Welt war wieder in Ordnung. Die Küste war erfolgreich verteidigt worden und die Besucher waren von der Kampfkraft und der Willensstärke der alten und neuen Wikinger restlos überzeugt. Das war besser als eine NATO-Truppenübung. Niemals würden sie Dänemark angreifen wollen – keiner, der das hier gesehen hat, würde sich trauen.
Das Essen für die zwei Urlauber war auch in Ordnung gewesen und so befanden sie sich schliesslich am späten Nachmittag wieder auf der Fähre auf dem Rückweg. Diesmal hiess die Fähre anders, es war die Schleswig-Holstein.
Ein richtig schöner Ferientag war das. Schade, dass im Urlaub immer alles so schnell rumgeht …
Es war genau wie am Vormittag eine ruhige Überfahrt – wiederum ohne Möwen. Und wieder war eine entgegenkommende Fähre ohne Möwen der Höhepunkt der Überfahrt.
Kurz nach der Durchsage zum zollfreien Einkauf fing es auf dem Mitteldeck an, nach Rauch zu riechen – nach Zigarettenrauch. Sie hassten das. Diese herrliche Seeluft hier und anstatt die zu geniessen, zogen sich diese Suchtis auf offener See ihre Lungenbrötchen rein. Gerade so, als hätten sie panische Angst vor frischer Luft.
„Kannst du dich an diese Geschichte erinnern, wo Ausserirdische die Erde besucht haben.“
„Nein, erzähl.“
„Also für diese Wesen war Sauerstoff giftig. Da haben sie selbstverständlich gedacht, dass auch für alle anderen Wesen Sauerstoff giftig ist. Dann haben sie gesehen, dass die Menschen, wenn sie in den Wald gehen, wo es viel frische Luft hat, dass also diese Menschen kleine weisse Stäbchen mitnehmen, die sie entzünden und diese Stäbchen verbessern die Luft. Dann haben sie gesehen, dass die Menschen Fahrzeuge ersonnen haben, mit denen man nicht nur fahren kann, sondern die gleichzeitig noch die Luft verbessern. Da hielten sie die Menschen für ziemlich schlau.“
„Mir stinkt es auch. Komm, wir wechseln auf Luv, da haben wir ungebremste Frischluftzufuhr.“
Schliesslich lief das Schiff mit der gebotenen Vorsicht in den Hafen von Puttgarden ein. Die Passagiere versammelten sich vor dem Ausstieg.
Sie hielten sich aus dem Gedränge beim Aussteigen raus. Sie hatten ja Zeit. Die Hektik kann man ruhig den Hektikern überlassen, die können das sowieso besser.
Es gab keine Zollkontrollen, nichts, alles völlig unproblematisch. Aber nur bis zum Ausgang der Landungsbrücke. Dort war ein Rückstau. Ein rechtes Gedränge war das dort.
Seiner Frau fiel es gleich auf: „Mein Gott, was für ein Polizeiaufgebot! Was hast du wieder angestellt? Mir kannst du es ja sagen.“
Sie lachten.
„Ich glaube, die suchen dich!“
Von hier oben konnten sie alles gut überschauen. Alle und alles wurde kontrolliert, allerdings nur die Abreisenden in Richtung Dänemark. Sie als Einreisende blieben unbehelligt. Einen Rückstau gab es aber trotzdem.
„Da muss was passiert sein!“
Alle, aber wirklich alle Abreisenden wurden kontrolliert, gut, die Kinder nicht, aber sonst alle, auch die im Zug, welcher vor der Fähre auf seine Einfahrt in den Bauch des Schiffes wartete.
Hunde waren im Einsatz. Polizeiautos standen an der Zufahrt zur Fähre. Polizeimotorräder standen bereit für etwaige Verfolgungen. Ohne Zweifel. Da war was passiert.
Seine Frau fragte: “Ich dachte, es gibt keine Personenkontrollen mehr nach dem Schengener Abkommen? Dänemark hat zwar nicht den Euro – die Glücklichen – aber die sind doch in der EU, oder?“
„Ja, die sind schon lange in der EU. Das hier ist auch keine normale Personenkontrolle. Das ist auch keine Aktion vom Zoll, der hilft nur. Das ist eine Polizeiaktion, eine Fahndung. Da wird jemand ganz Bestimmtes gesucht. Ich frage mal.“
Jelato ging zu einem etwas abseits stehenden Polizeibeamten, der ihn gleich fixierte und ihn wohl als näher kommende Belästigung registrierte. Er zeigte ihm seine Kriminaldienstmarke und erhielt auch gleich problemlos Auskunft über das Geschehene und ausführlich Bericht über die Lage vor Ort. Das fand er erstaunlich, da die Marke deutlich als Schweizer Produkt erkennbar war. Scheinbar arbeitete die Polizei auch hier über die Grenze hinweg problemlos mit ausländischen Kollegen zusammen.
Er ging zurück zu seiner Frau und erklärte ihr, was los war.
„Es ist so: sie suchen einen Mörder!“
„Einen Mörder!“
„Ja, es ist eine Frau ermordet worden.“
„Um Gottes willen! Wo denn?“
„Na hier auf der Insel. In unserem Ferienort sogar. Die Frau – eine gewisse Selina C. – wurde von ihrer Familie als vermisst gemeldet. Es gab keine Nachricht, es ging keiner ans Telefon, es hat niemand die Tür geöffnet. Also ist die Polizei in die Wohnung eingedrungen und hat die Frau dort ermordet aufgefunden. Jetzt fahnden sie nach dem Mörder, man vermutet einen Bekannten als Täter.“
„Wieso einen Bekannten?“
„Die Wohnung ist nicht aufgebrochen worden und war ordentlich verschlossen als die Beamten eintrafen. Das heisst also, dass diese Selina ihren Mörder wohl in die Wohnung gelassen hat oder dass der Mörder einen Schlüssel hatte. Man sucht jetzt also folgerichtig, wie gesagt, einen ihrer Bekannten. Es gibt scheinbar Hinweise auf ein Beziehungdelikt.“
„Ein Mord auf der Insel! Damit hätte ich nie gerechnet. Als Tourist empfindet man hier alles irgendwie harmonisch und ohne Probleme, so eine Art Paradies. Und dann sowas. Ein Mord! Mein Gott, die arme Frau. Wie alt war sie denn?“
„So um die 30, hat der Polizist gesagt.“
„Hoffentlich fassen sie den Täter schnell!“
„Man hat konkrete Ansatzpunkte. Und vergiss nicht, die Aufklärungsquote bei Mord ist sehr hoch.“
„Wie hoch ist sie denn?“
„Letztes Jahr betrug sie 96 %.“
„Trotzdem, ich fühle mich auf der Insel nicht wohl, wenn ich weiss, dass ein Mörder frei rumrennt.“
„Verlass dich drauf, man wird ihn schnappen! Siehst ja selber, wie viel Leute den suchen. Alles wird kontrolliert, die Fähren, die Züge, die Autos, Hobby-Segler, Motorboote, sogar Hubschrauber sind zur Überwachung der Küste im Einsatz. Hinter der Fehmarn-Brücke wird alles kontrolliert, was auf den ‚Kontinent‘ will.“
Sie waren mittlerweile bei ihrem Auto angelangt und nach dem gewohnten
‚Bing – Ölwechsel durchführen‘
fuhren sie los zur Ferienwohnung.
Auch heute trafen sie ihren Vermieter wieder. Er arbeitete auf dem Hof und war mit der Reparatur eines Tores beschäftigt.
Der Vermieter sprach ihn sofort an: „Moin moin, Herr Jelato, haben Sie schon gehört?“
„Wenn Sie den Mord meinen: ja!“
„Das ist ja unglaublich. Sowas, hier, bei uns, das glaubt man ja nicht. Der letzte Mord hier auf der Insel war vor über 50 Jahren.“
„Haben Sie diese Selina gekannt?“
„Ja freilich, die wohnt doch gar nicht weit weg, dahinten.“ Er zeigte mit der Hand die Strasse runter. „Und ihren Bekannten, der jetzt gesucht wird, den haben wir auch öfters gesehen!“
„Haben Sie ein wenig Zeit? Ich habe einen Haufen Fragen, sozusagen beruflich, obwohl ich ja im Urlaub bin.“
„Ja, schon, wenn es Sie nicht stört, dass ich am Tor weiter arbeite, sonst hauen mir heute Nacht alle Tiere ab.“
„Nein, das stört überhaupt nicht. Sie kennen doch den Spruch: wir haben keine Zeit, den Zaun zu reparieren. Wir müssen immer die Hühner einfangen.“
„Nicht schlecht. Ich repariere lieber mein Tor.“
„Ich würde gerne von Ihnen wissen, was sie für ein Mensch war? Wie lebte sie? War sie verheiratet? War sie berufstätig? Hat sie Kinder? Mich interessiert alles. Ich habe immer gerne ein möglichst komplettes Bild von einem Opfer. Oft genug findet man so zum Täter.“
„Ja, da kann ich Ihnen schon Auskunft geben. Sie heisst Selina, war früher mal verheiratet, die Beziehung hat aber nicht lange gehalten. Das ist sicher schon 5 Jahre her. Ihr Ex hat sie aber bestimmt nicht umgebracht, nach der langen Zeit. Sie lebte seitdem mehr oder weniger alleine. Besucher waren auch nicht so häufig, der Bekannte war der einzige Besucher, den wir ab und zu gesehen haben. Kinder sind auch keine da.“
„Hmm.“
„Vornehm war sie. Immer korrekt gekleidet, richtig durchgestylt. Manchmal noch geschmückt wie ein Weihnachtsbaum. Mit Schmuck hatte sie es irgendwie. Aber immer ein bisschen zu viel. Vielleicht ein bisschen zu aufgeputzt für unser Dorf. Und irgendwo in der Gegend hat sie ein Pferd auf einem Reiterhof, sie ist oft hier über den Deich geritten.“
„Vornehm? Was verstehen Sie unter vornehm? Wissen Sie, die Menschen tun oft so vornehm. Da sitzen sie am Tisch und essen Schweineärsche und diskutieren zur gleichen Zeit, welches spezielle Glas für welchen Wein sie nehmen und wie das Besteck liegen muss. Der Mensch ist wirklich ein komisches Tier.“
„Das haben Sie schön gesagt. Ich sehe das ähnlich. Wie gesagt: passt einfach nicht zu so einem Dorfleben. Hier ist man bodenständig. Man muss nicht in Stöckelschuhen durch die Kuhfladen gehen. Nebenbei bemerkt – ein schickes Cabrio hat sie neuerdings auch gefahren. Und ja, ob sie berufstätig war, das kann ich Ihnen gar nicht sagen. Ich habe sie allerdings morgens immer wegfahren sehen. Meine Weide liegt dahinten, da bin ich natürlich öfters vorbeigegangen“, sagte er und schraubte neue Schrauben in den Torbeschlag.
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