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Legitimität, Recht, Gleichgewicht, Ordnung

Das „durch Tradition gehärtete Prinzip dynastischer Legitimität“ spielte in Wien eine zentrale Rolle;10 ins Spiel gebracht werden konnte es von den Bourbonen-Königen von Frankreich, Spanien und Neapel, die nie mit der Revolution oder Napoleon paktiert hatten. Die (keineswegs selbstverständliche) Durchsetzung der Rückkehr des Thronprätendenten Louis Stanislas aus dem angestammten Herrscherhaus nach Frankreich als Ludwig XVIII. ermöglichte es Talleyrand, auf dem Kongress „die monarchische Legitimität im allgemeinen zum Gegenprinzip gegen die Revolution zu erheben und dem Konzert der Mächte auf diese Weise einen Leitbegriff für seine Politik der Friedenssicherung an die Hand zu geben.“11

In dem wichtigen Schreiben Talleyrands an Metternich vom 19. Dezember 1814, das den Schulterschluss Österreichs und Großbritanniens mit Frankreich im Konflikt um Polen und Sachsen vorbereitete, sind die wichtigsten Programmbegriffe und Prinzipien der Kongresspolitik genannt. Von „Restauration“ ist nicht die Rede (lediglich vom „Werk der Wiederherstellung für ganz Europa“ („l’œuvre de la restitution … pour toute l’Europe“)), sehr wohl dagegen von der „Gerechtigkeit“ als „erste[r] Tugend“ („la vertu première est la justice“), von „Legitimität“ [<<14] („légitimité“), „Gleichgewicht“ („équilibre“) und der wichtigen Rolle des „öffentlichen Rechts Europas“ („le droit public de l’Europe“).12 In der Sicht Metternichs gehörten auch „Ruhe“ (als „erste[s] Bedürfniss[es] für das Leben und Gedeihen der Staaten“) und „Ordnung“ zu diesen Grundprinzipien. Der Staatskanzler qualifizierte sie in seinem um 1850 geschriebenen „Politischen Testament“ als zentrale Gegengewichte zu den von der Revolution entfesselten Freiheitsvorstellungen: „Nur auf dem Begriff von ‚Ordnung‘ kann jener der ‚Freiheit‘ ruhen.“13

Monarchie

Legitimität im Sinne des nicht hinterfragbaren, „nicht weiter ableitbare[n] Herrschaftsrecht[s] der historischen Dynastie“ verweist aus sich selbst heraus auf die zentrale Rolle von Monarchie und Dynastie im Europa der Wiener Ordnung.14

Das Europa des 19. Jahrhundert war und blieb vor allem ein monarchisches Europa. Die Monarchie überbrückte erfolgreich die Zäsur der Revolutionszeit: Sie hatte vom französischen Muster der Zentralisierung und Homogenisierung staatlicher Macht ebenso profitiert wie von einer weitgehenden Kooperation mit dem selbsternannten Kaiser der Franzosen, nun inszenierte sie sich als Garant von Frieden und Sicherheit. Die vom Kongress beschlossenen neuen Königskronen für Polen, die vergrößerten Niederlande und Hannover bezeugen die ungebrochene Attraktivität des monarchischen Grundmusters und den politischen Willen, die napoleonischen Rangerhöhungen für Bayern, Württemberg und Sachsen nachträglich zu kompensieren.

Das in der Präambel zur französischen Charte erstmals ausformulierte „monarchische Prinzip“ hatte eine doppelte Funktion: Einerseits stellte [<<15] es, etwa in der Denkfigur des Gottesgnadentums, die Kontinuität zur vorrevolutionären Epoche her, andererseits sollte es den Boden bereiten für den Nachweis der „Überlegenheit der Monarchie in der Fähigkeit … zur notwendigen Anpassung der Institutionen an die Bedürfnisse der neuen Zeit.“15 Als „Prinzip monarchischer Brüderlichkeit“ konkret zur Schau gestellt wurde es in Wien in der Inszenierung und Ikonographie der gemeinsamen Auftritte von Kaiser Franz I., Zar Alexander I. und König Friedrich Wilhelm III., der Sieger über Napoleon.16 Die Einzüge der drei Monarchen und ihre bildlichen Repräsentationen wiederholten in Frankfurt, Paris und London etablierte Muster und versinnbildlichten konkret die Praxis konzertierter Politik in Europa in den Jahren 1813–1815.

Konstitution

Im Modell der französischen Charte schloss die restaurierte Monarchie ein Bündnis begrenzter Reichweite mit dem Konstitutionalismus und akzeptierte die Bindung an ein Verfassungsdokument, betonte aber gleichzeitig den Vorrang der monarchischen Souveränität. Solche in der Regel durch einen einseitigen Willensakt des Herrschers erlassenen („oktroyierten“) Verfassungen frühkonstitutionellen Typs wurde zu einer wichtigen Signatur des vormärzlichen Europa.

Auch auf dem Wiener Kongress spielten geschriebene Verfassungen eine Rolle, etwa in der Selbstverpflichtung des Zaren, für sein neues Königreich Polen eine solche zu erlassen, oder bei der Neukonstitution der Niederlande. Von politisch zunächst durchaus erwünschter Doppeldeutigkeit war Art. 13 der Deutschen Bundesakte, der den Erlass einer „landständische[n] Verfassung“ „in allen Bundesstaaten“ vorsah. Der Streit, ob damit die Konstitutionen neuen Typs nach dem Modell der „Charte“ oder die altständischen Modelle des Ancien Régime gemeint waren, gewann in den Jahren nach dem Kongress an Brisanz und wurde [<<16] im Zuge der konservativen Wende der Bundespolitik bis 1820 im Sinne des altständischen Typus entschieden. Vorher waren freilich 1818–1820 in Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt Repräsentativverfassungen neuen Typs in Kraft gesetzt worden.

Die beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen blieben allerdings ohne Verfassung, und der Versuch, auch Drittstaaten auf solche antikonstitutionelle Politikmodelle zu verpflichten, kam nicht erst während der europäischen Mächtekonferenzen ab 1820 auf: Schon im Juni 1815 schloss Metternich einen Vertrag mit Ferdinand I., König von Neapel und Sizilien, in dem er entsprechenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Institutionen des neu zu gestaltenden Doppelkönigreichs beider Sizilien nahm.

Intervention

Um das politisch-rechtliche Regelsystem Europas, wie es im Rahmen der „Wiener Ordnung“ entstand, als Raum gemeinsam gelebter politischer Verantwortung handhabbar zu machen, bedurfte es der Instrumente für eine konkrete Umsetzung. Hierzu zählte vor allem der Mechanismus regelmäßiger multilateraler Konsultationen, wie er sich nicht nur in den bekannten Mächtekongressen in Aachen 1818, Troppau und Laibach 1820/21 sowie in Verona 1822 manifestierte, sondern auch in den Botschafterkonferenzen in Frankfurt, Paris und London, auf denen u. a. die im deutschen Raum offen gebliebenen Territorialfragen und die Abwicklung der französischen Kriegskostenentschädigungen besprochen wurden.17

Zu diesen als legitim eingeschätzten, da der Aufrechterhaltung des Friedens dienenden Instrumenten zählten auch punktuelle Interventionen in Drittstaaten mit bewaffneter Macht. Im Gedankenhaushalt aller politischen Entscheider von 1814/15 (nicht nur in jenem Metternichs) waren innenpolitische Stabilität und Austarieren des außenpolitischen Gleichgewichts eng aufeinander bezogen. Die generelle Kriegsmüdigkeit in Europa, die angespannte Situation der Staatsfinanzen, die in [<<17] der Erinnerung aller Politiker noch lebendige Verquickung innen- und außenpolitischer Konflikte im Verlauf der Französischen Revolution sowie ein gewisser Konsens unter den „bedingt reformwilligen konservativen Machthabern und Oligarchien“ führten zur politischen Verabsolutierung des Metternichschen Wertepaars „Ruhe und Ordnung“, bezogen auf die innere wie auf die äußere Politik. Wenn innere Unruhen, wie sie etwa auch die Forderung nach einer Verfassung auslösen konnte, in der Perzeption der Entscheidungsträger das Potential kriegerischer Auseinandersetzungen in sich bargen, dann musste, immer in der Logik dieser Perzeption, die Beseitigung von Aufstandsherden zugleich der Friedenswahrung dienen: „Der kleine Krieg sollte zum Ersatz für den vermiedenen großen werden.“18

Die Praxis der internationalen Politik zwischen 1815 und 1830/31 ist viel zu komplex, als dass sie in den gängigen Schlagworten vom „System Metternich“ oder vom „Kutscher Europas“ abgebildet werden könnte. Expansive Bestrebungen der Großmächte und staatenpolitische Konkurrenz spielten weiterhin ihre Rolle, zunehmend aufgeladen durch ideologische Differenzen. Die Schemata der Interventionspolitik in diesem Zeitraum folgten keinem eindeutigen Muster. Gehandelt wurde pro forma im Kollektiv nach gegenseitiger Absprache oder zumindest Information; wer intervenierte, legte Wert auf ein „Mandat“ zur Rechtfertigung. Am gängigen Bild von den demokratiefreundlichen Westmächten und den zur Oppression neigenden Ostmächten sind etliche Abstriche zu machen: Die Franzosen intervenierten 1823 in Spanien, und die Briten erkannten wohl allen kontinentalen Mächten ein Recht zur Intervention zu, lehnten aber jedes verbindliche, sie selbst einbeziehende Regelwerk völlig ab. Außerdem legten sie in verfassungspolitischen Fragen ganz andere Maßstäbe an als Wien oder Berlin. Da unter den Hauptakteuren der europäischen Politik keine verbindlichen Vorstellungen über die Grundprinzipien einer legitimen inneren Staatsordnung existierten, blieb auch das Recht, im Namen des europäischen Friedens zu militärischen Interventionsmaßnahmen zu greifen, stets umstritten. [<<18]

1 Geisthövel, Restauration und Vormärz, S. 9.

2 Sellin, Geraubte Revolution, S. 321. Fahrmeir, Europa, S. 104 spricht von einem „problematischen Etikett“.

3 Hippel/Stier, Europa 1800–1850, S. 60.

4 Fahrmeir, Europa, S. 1.

5 Siemann, Metternich, S. 52f.; Fahrmeir, Revolutionen und Reformen, S. 143.

6 Sellin, Geraubte Revolution, S. 12–18, 275–325.

7 Lentz, Congrès, S. 63.

8 Fahrmeir, Revolutionen und Reformen, S. 132.

9 Langewiesche, Reich, Nation, Föderation, S. 116, 118.

10 Langewiesche, Reich, Nation, Föderation, S. 118.

11 Sellin, Geraubte Revolution, S. 17.

12 Angeberg, Congrès, S. 540–542 (frz.); Müller, Quellen, Nr. 51, S. 269–271 (dt.).

13 Metternich, Denkwürdigkeiten, S. 465f.

14 Sellin, Geraubte Revolution, S. 281. Vgl. Langewiesche, Reich, Nation, Föderation, S. 111–125; Paulmann, Pomp und Politik, S. 56–130.

15 Sellin, Geraubte Revolution, S. 289.

16 Fahrmeir, Revolutionen und Reformen, S. 141.

17 Pyta, Konzert der Mächte, S. 149.

18 Osterhammel, Krieg im Frieden, v. a. S. 294–302, Zitate S. 297f.

2. Bündnisse, Verträge und der Kongress (1813/14)
2.1 Die Entstehung der sechsten Koalition gegen Napoleon

Nach dem Scheitern des Russlandfeldzugs verließ Kaiser Napoleon Anfang Dezember 1812 die dezimierten Reste seiner „Großen Armee“ und kehrte nach Paris zurück. Seine Hegemonie auf dem europäischen Kontinent schien ihm trotz dieser Niederlage nicht gefährdet.

Gegen den Rat seiner führenden Militärs entschied Zar Alexander I. noch im Dezember 1812, sich nicht mit der Befreiung seines russischen Reiches zu begnügen, sondern den Krieg gegen Napoleon in Mitteleuropa fortzusetzen. Früh fasste er dabei – und dies sollte sich als Grundpfeiler seiner Politik in den kommenden zwei Jahren erweisen – einen territorialen Gewinn für das Zarenreich ins Auge, und zwar Polen in Gestalt des 1807/09 von Napoleon auf Kosten Preußens und Österreichs geschaffenen, mit der sächsischen Königskrone in Personalunion verbundenen Herzogtums Warschau. Sein diplomatischer Chefberater Karl Graf Nesselrode formulierte als Idealziel, „dass Frankreich hinter seine natürlichen Grenzen zurückgedrängt wird“ (die mit Rhein, Schelde, Alpen und den Pyrenäen umschrieben wurden).1 Dafür sei freilich die Mitwirkung Österreichs und Preußens notwendig. Warschau dagegen dürfe der Zar sich aus eigenem Recht und sofort sichern; der russische Oberbefehlshaber Kutuzov besetzte das Gebiet bis Ende Februar 1813.

Als erster Verbündeter kam nur Preußen in Frage, dessen politische Elite in den vergangenen Jahren am Zarenhof Zuflucht gefunden hatte. Das preußische Hilfskorps zur Großen Armee hatte General Yorck für [<<19] zwei Monate neutralisiert, was den Russen ein Vorrücken ins ostpreußische Gebiet ermöglichte (Konvention von Tauroggen 30. Dezember 1812).2 Nur zögernd konnte sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. dazu entschließen, diese Aktion anzuerkennen und den risikoreichen Schritt zu tun, ins Lager der Gegner Napoleons zu wechseln. Dies bedeutete auch, sich in die Rolle eines politischen Juniorpartners des Zaren zu fügen, der von seiner historischen Mission überzeugt war, Napoleons Hegemonie zu beenden.

Vorerst gehörten weder eine flächendeckende Wiederherstellung der vorrevolutionären Zustände auf der Landkarte Europas noch ein Regimewechsel in Frankreich zu den Zielen der entstehenden Koalition. Doch der russische Anspruch auf das ganze Herzogtum Warschau brachte unweigerlich mit sich, dass für territoriale Kompensationen, die Preußen für einen Seitenwechsel versprochen werden mussten, nicht die vormaligen polnischen Teilungsgebiete in Frage kamen, sondern Entschädigungen anderswo gesucht werden mussten. Dies wiederum bedeutete der Tendenz nach die Notwendigkeit, Napoleons Kontrolle über das deutsche Gebiet militärisch zu beenden. Anlass zur Hoffnung in dieser Richtung gab, dass die französischen Oberbefehlshaber (zunächst Murat, dann Beauharnais) ihre Truppen in den ersten Monaten des Jahres 1813 etappenweise zur Weichsel, dann zur Oder und schließlich an die Elbe zurückzogen. Am 4. März zogen russische Truppen in Berlin ein.

Die formelle Bündnisabsprache zwischen den Monarchen Russlands und Preußens wurde am 28. Februar 1813 im russischen Hauptquartier in Kalisch geschlossen. Sie stand im Zeichen einer Machterweiterung Russlands nach Westen unter gleichzeitiger Wiederherstellung der Stellung Preußens von 1806 mit militärischen Mitteln. Dazu sollte ein Heer von insgesamt 230.000 Mann aufgestellt werden. In einem Geheimartikel bekam Friedrich Wilhelm III. zur Wiederherstellung seines Staatswesens Zusagen für Gebietserweiterungen „im nördlichen Deutschland“. Ausdrücklich garantiert wurde auch der weitere Besitz des alten Herzogtums [<<20] (Ost-)Preußen; daran schloss sich die vage Zusage der Übertragung eines Gebietsstreifens an, der in „geographischer wie militärischer Hinsicht“ Ostpreußen und Schlesien miteinander verbinden sollte.3

So zeichneten sich auf der geheim gehaltenen Innenseite der Mächtepolitik zwei klare Ziele ab: eine territoriale Vergrößerung für Russland und die Wiederherstellung der früheren Machtstellung Preußens. Die nach außen gerichteten Appelle, die für einen Anschluss an die werdende Militärkoalition gegen Napoleon warben, gipfelten in der Kalischer „Proclamation an die Deutschen“ des russischen Feldmarschalls Kutuzov (25. März 1813), deren Leitlinien der Freiherr vom Stein vorgegeben hatte. Sie verlangte die als „allgemeinen Volkswunsch“ hingestellte Auflösung des Rheinbunds und kündigte den Schutz des Zaren für eine selbstbestimmte Neuordnung Mitteleuropas durch die „Fürsten und Völker[n] Deutschlands“ an, sobald die „Befreiung … vom fremden Joche“ einmal Realität sein würde. Frankreich wurde aufgefordert, sich „fernerhin mit der Beförderung seiner innern Glückseligkeit“ zu beschäftigen und die künftige „Unabhängigkeit aller Staaten von Europa“ anzuerkennen. Unter dem Motto „Ehre und Freiheit“ riefen die verbündeten Monarchen durch Kutuzov zu einer umfassenden Mobilisierung gegen den Kaiser der Franzosen auf.4

2.2 Das Scheitern der österreichischen Vermittlung

Der weitere Aufbau der Allianz gegen Napoleon erfolgte nicht mit der Dynamik, die die beiden Bündnispartner von Kalisch erwartet hatten. In Österreich schwenkte Metternich aufgrund von Bedenken wegen der Verlässlichkeit der Politik des Zaren und angesichts eines bestehenden Bündnisses mit Napoleon von 1812 vorläufig nicht auf den Konfliktkurs ein. Vorerst setzte er auf Zeitgewinn, einen neutralen Kurs zwischen den Antagonisten und das Angebot einer Friedensvermittlung an Frankreich. [<<21]

Napoleon hatte in Rekordzeit eine neue Armee von 200.000 Mann an den Main gebracht und damit ein deutliches Zeichen gesetzt, dass er nicht daran dachte, das Rheinbundgebiet aufzugeben. Seine Planung zielte auf einen Vorstoß Richtung Sachsen; dort begannen ab Mitte März 1813 neue Kämpfe mit den Truppen Kutuzovs und des preußischen Generals Blücher. Napoleons Erfolge ermöglichten ihm bis Mitte Mai die Besetzung der westlichen und zentralen Teile Sachsens. König Friedrich August I. erneuerte das Bündnis mit Frankreich. Um Zeit für die Neuaufstellung seiner Kavallerietruppen zu gewinnen, stimmte der Kaiser der Franzosen nach der Schlacht bei Bautzen (20./21. Mai 1813) einem von Österreich vorgeschlagenen Waffenstillstand zu (Pläswitz 4. Juni 1813).

Während dieser sich bis zum 10. August erstreckenden Waffenruhe bereitete eine Serie von Gesprächen im schlesischen Städtchen Reichenbach sowie auf verschiedenen Schlössern in Nordböhmen die Annäherung zwischen Wien und dem russisch-preußischen Bündnis vor. Der Zar, Nesselrode und Hardenberg besprachen mit den Spitzen von Politik und Militär des österreichischen Kaiserstaats ab dem 3. Juni eine Reihe gemeinsamer Forderungen an Napoleon, die am 27. Juni 1813 formalisiert wurden. Ihre Erfüllung sollte die Voraussetzung dafür bilden, dass Österreich sich weiterhin um einen Präliminarfrieden zwischen Napoleon und den beiden Ostmächten bemühen durfte. Die Bedingungen an Napoleon enthielten die Aufgabe des Herzogtums Warschau und Danzigs, die Rückstellung der Illyrischen Provinzen an Österreich, die Anerkennung des Rechts Preußens auf territoriale Vergrößerung sowie die Wiederherstellung der Hansestädte Hamburg und Lübeck. Metternich sorgte zwar einerseits dafür, dass der Waffenstillstand nochmals verlängert wurde, legte aber andererseits Mitte Juli seinen Kaiser für den entsprechenden Fall auf Kriegskurs fest.

Auch der britische Prinzregent Georg formalisierte seine Unterstützung für die Allianz in Gestalt von zwei Konventionen, die sein Gesandter beim Zaren, William Earl Cathcart, in Reichenbach mit Preußen und Russland (14./15. Juni) abschloss. Dabei ging es, einer schon länger geübten Tradition entsprechend, vor allem um Subsidienzahlungen: Über 1,1 Mio. Pfund wurden dem Zaren, über 660.000 Pfund dem Preußenkönig für Militärausgaben im Jahr 1813 zur Verfügung gestellt. Berlin bekam nun [<<22] auch von den Briten seine Wiederherstellung nach dem Territorialstand von 1806 zugesagt, und mit Nesselrode vereinbarte Cathcart eine Abstimmung künftiger militärischer Aktionen sowie den Verzicht auf einseitige Verhandlungen mit Napoleon.5

Metternich traf mit Napoleon am 26. Juni 1813 zu einem langen Gespräch in Dresden zusammen, um die Möglichkeit zur Aufnahme von Friedensverhandlungen auszuloten. Napoleon lehnte territoriale Zugeständnisse im Sinne der Reichenbacher Forderungen rundheraus ab. Auf formaler Ebene errang Metternich aber einen wichtigen Erfolg, denn der Empereur entließ Österreich aus den Verpflichtungen des Bündnisvertrags von 1812 und anerkannte seine Rolle als neutraler Vermittler.

In dieser Rolle gelang es Metternich, Zar Alexander und König Friedrich Wilhelm die Entsendung von Bevollmächtigten nach Prag abzuhandeln, wo er ab dem 11. Juli die Unterredungen aufzunehmen gedachte. Andererseits beteiligten Schwarzenberg und Radetzky sich an den militärischen Planungen der Koalition (zu der inzwischen auch Jean-Baptiste Bernadotte, ehemaliger Marschall Napoleons und seit 1810 als Karl Johann Kronprinz von Schweden, gestoßen war) für ein gemeinsames Vorgehen in Sachsen; der im niederschlesischen Trachenberg am 12. Juli 1813 fertiggestellte Operationsplan sah die Aufstellung von drei Hauptarmeen in Böhmen (unter Schwarzenberg), in Schlesien (unter Blücher) und an der Elbe („Nordarmee“ Bernadottes) vor.6

Napoleon setzte bei den Prager Verhandlungen auf eine leicht durchschaubare Verzögerungstaktik. Sein erster Vertreter war weder mit Instruktionen noch mit Vollmachten ausgestattet; erst am 22. Juli erhielt der zweite Abgesandte, Graf Caulaincourt, General, Senator und langjähriger diplomatischer Vertreter des Kaisers am Zarenhof, wenigstens erstere, blieb aber ohne Ermächtigung zu einem Abschluss. Eingehend und erfolglos wurde über Verfahrensfragen gestritten. Napoleon verlangte eine Einbeziehung der Briten und wollte auch nach eindringlicher [<<23] Erinnerung an die Reichenbacher Forderungen der Alliierten (der noch die Aufgabe des Protektorats über den Rheinbund hinzugefügt wurde) keine Veränderungen am Status quo von 1812 akzeptieren. Ernsthafte Verhandlungen kamen in Prag jedenfalls nicht zustande.

Am 10. August erklärten Preußen und Russland ihre Vollmachten für erloschen; neue, nach größerer Kompromissbereitschaft klingende französische Vorschläge wurden nicht mehr behandelt. Am 12. August 1813 erfolgte die formelle Kriegserklärung Österreichs an Frankreich. Es war offensichtlich, dass Napoleon im Sommer 1813 „nicht ernsthaft an einen Frieden der Verständigung [dachte], bei dem er … hätte Konzessionen machen müssen. Vielmehr baute er weiterhin auf seine militärische Schlagkraft …“7

Die militärischen Auseinandersetzungen flammten ab der letzten Augustwoche 1813 rund um Napoleons Zentralposition in Sachsen neu auf. Blücher hielt den französischen Marschall MacDonald erfolgreich von Schlesien ab (Schlacht an der Katzbach 26. August). Der Empereur konnte seine Stellung in Dresden gegen Schwarzenbergs Armee behaupten (26./27. August), nicht aber mit Erfolg offensiv gegen Böhmen vorgehen (Schlacht bei Kulm 29./30. August). Vorstöße der Marschälle Oudinot und Ney Richtung Berlin wehrten preußische Verbände der Nordarmee ab (Großbeeren 23. August; Dennewitz 6. September).

Anfang September flauten die Kämpfe, die Napoleon größere Verluste gekostet hatten als die drei Alliierten, wieder ab. Im nordböhmischen Teplitz kamen die Monarchen Österreichs, Preußens und Russlands zusammen, um ihre gemeinsamen politischen Ziele neu festzuschreiben. Sie wurden in einem geheimen Zusatzartikel zum Allianzvertrag vom 9. September 1813 festgehalten: Wiederherstellung Österreichs und Preußens nach dem Territorialstand von 1805, einvernehmliches „arrangement“ der drei Höfe über die neue Konfiguration Polens, Wiederherstellung Hannovers, Auflösung des Rheinbunds bei Bewahrung der Souveränität seiner Mitgliedsstaaten und, besonders wichtig, eine enge gemeinsame Abstimmung der künftigen Politik („travailler de concert“ lautete der [<<24] Fachausdruck in der Diplomatensprache Französisch).8 Großbritannien, vertreten vom Earl of Aberdeen, schloss am 3. Oktober einen weiteren Subsidienvertrag, der Österreich Zahlungen in Höhe von einer Million Pfund Sterling zusagte.

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