Kitabı oku: «Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1», sayfa 20
Anmerkungen
[13]
Grünewald LK 1; Sternberg-Lieben S/S 1; BGH MDR 59, 856; OLG Frankfurt DAR 65, 217.
[14]
RG 74, 95; BGH 4, 91; Berz aaO.
[15]
Für Verfassungswidrigkeit zuletzt Paeffgen/Zabel NK 44 ff.; Sternberg-Lieben aaO 136 ff. und GS Keller 03, 289.
[16]
BayObLG JR 99, 122 m. Anm. Otto: Zusammenschlagen als Aufnahmeritual einer Jugend-Gang.
[17]
Vgl. auch Grünewald LK 9, ZStW 83, 165 ff.; Frisch aaO. Zust. Roxin AT 1 § 13 Rn. 41 unter Beschränkung auf Lebensgefährlichkeit (s.u. bei Anm. 20).
[18]
Roxin aaO; Berz aaO; Wolters SK 9. Einschränkend Roxin AT § 13 Rn. 37; Niedermair 183; Grünewald LK 9.
[19]
Sitzmann GA 91, 71 ff. Roxin AT 1 § 13 Rn. 50. A.A. Berz aaO; RG JW 28, 2229; 29, 1015; DR 43, 234.
[20]
BGH NStZ 00, 88; BayObLG JR 99, 122; BGH 49, 42, 172 m. Anm. Hirsch JR 04, 475; Stree NStZ 05, 40; Duttge NJW 05, 260; BGH 53, 55. Grundsätzlich Jakobs und Kühl FS Schroeder, 2006, 507, 521.
[21]
Roxin AT 1 § 13 Rn. 12 ff.; Schmidhäuser FS Geerds 593. Dagegen Hirsch LK11 Vor § 32 105.
[22]
BGH 32, 262. Eingehend Vogel LK § 15 235 f.; Niedermair S. 122 ff.
[23]
Eingehend Schroeder aaO 28 ff.
[24]
Friedrich NJW 66, 760; Rössner FS Hirsch 1999 321 ff. Vgl. auch Zipf aaO 92 ff. und Dölling aaO: Sozialadäquanz. Kombinierend Eser JZ 78, 368.
[25]
Schroeder aaO 31; Zipf aaO 98; BayObLG NJW 61, 2072.
[26]
Schroeder aaO 30 gegen BayObLG 61, 72.
[27]
BGH 4, 30 mit freilich zweifelhafter Begründung; Jescheck JZ 57, 112. A.A. Eb. Schmidt JZ 54, 369.
[28]
Geppert aaO; Zipf aaO 74 ff.
[29]
OLG Celle MDR 69, 69; Schuknecht DAR 66, 17.
[30]
OLG Oldenburg NJW 66, 2132; OLG Celle VRS 33, 433.
2. Die Abschaffung des Züchtigungsrechts
Schrifttum:
Beulke, Neufassung des § 1632 Abs. 2 BGB und Strafbarkeit gem. § 223 StGB, FS Schreiber, 2003, 29; Gebhardt, Prügelstrafe und Züchtigungsrecht im antiken Rom und in der Gegenwart, 1994; Hoyer, Im Strafrecht nichts Neues? – Zur strafrechtl. Bedeutung der Neufassung des § 1631 II BGB, FamRZ 01, 521; Priester, Das Ende des Züchtigungsrechts, 1999; Roxin, Die strafrechtliche Beurteilung der elterlichen Züchtigung, JuS 04, 177.
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Das Züchtigungsrecht war lange Zeit ein allgemein anerkanntes Rechtsinstitut. Es bestand für Eltern, Lehrer – differenziert nach den Schularten –, Lehrherren, gegenüber minderjährigen Hausangestellten, in der Fürsorgeerziehung, und fand in den Erläuterungswerken eine entsprechend differenzierte und umfangreiche Darstellung (s. die Vorauflagen). Seit Längerem befand es sich jedoch auf dem Rückzug. Es bestand zuletzt nur noch gegenüber eigenen Kindern mit Möglichkeit der Übertragung der Ausübung auf andere Personen durch die Eltern.
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Schon das G zur Reform des Kindschaftsrechts von 1997 erklärte in § 1631 Abs. 2 BGB „entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, insbesondere körperliche und seelische Misshandlungen“ für unzulässig. Allerdings erklärte die Begründung des Gesetzes, dass es keine Ausweitung der Strafbarkeit der Eltern bedeute[31]. Entsprechende Unklarheit bestand daher in der Auslegung[32].
Das G zur Ablehnung der Gewalt in der Erziehung vom 2.11.2000 hat in § 1631 Abs. 2 BGB jedoch ausdrücklich bestimmt: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig“; der Gesetzgeber hat erklärt, dass das elterliche Züchtigungsrecht schon durch das KindRG abgeschafft worden sei[33].
Eltern und Lehrer sind nunmehr nicht nur nicht straflos, sondern unterliegen sogar den erhöhten Strafdrohungen der §§ 225 (s.u. § 10) und 340 (s.u. § 9 III).
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So missbilligenswert brutale Erziehungsmethoden sind, so lebensfremd erscheint der in der Neufassung des Gesetzes zum Ausdruck kommende radikale Eifer. Jedem Erzieher ist das Suchen von Kindern nach Widerstand, auch körperlichem, ja geradezu die Herausforderung dazu, bekannt. Nicht zuletzt besteht eine strafbewehrte Erziehungspflicht (§ 171; s. Tlbd. 2, § 63 IV). Besondere Probleme bereiten anderweitige Erziehungsgepflogenheiten von Mitbürgern aus anderen Kulturkreisen. Die Bestimmung wird moderate elterliche Reaktionen nicht verhindern und damit die Akzeptanz der Rechtsordnung weiter schwächen[34]. Versuche zur Einschränkung (Erfordernis einer Entwürdigung bei La/Kühl § 223 11, einer Unangemessenheit bei Beulke aaO) missachten den Gesetzeswortlaut und verhindern die dringend erforderliche Änderung des Gesetzes.
Zur Verhinderung des überzogenen Einsatzes des Staatsanwalts im Kinderzimmer bleibt gegenüber Eltern nur:
a) eine Annahme der allgemein straflosen (s.u. § 9 Rn. 4) Unerheblichkeit der Körperverletzung bei moderater Reaktion[35]
b) die Bejahung der geringen Schuld nach § 153 StPO.
Angesichts der zunehmenden Gewalt in Schulen dürften für Lehrer auch Notwehr und Notwehrhilfe in Betracht kommen.
Anmerkungen
[31]
BT-Dr 12/6343, 13/8511.
[32]
Nachw. bei La/Kühl § 223 11.
[33]
BT-Dr 14/3781 m. Anl. 14/1247 S. 6.
[34]
Für eine starke bewusstseinsbildende Wirkung jedoch Bussmann RdJB 01, 35.
[35]
Vgl. auch Beulke FS Hanack 539 ff. Einschränkend Grünewald LK § 223 10; Hillenkamp JuS 01, 165. Für Ausklammerung der Züchtigung zu Beaufsichtigungszwecken Hoyer FamRZ 01, 521.
3. Das Festnahmerecht
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Das Festnahmerecht nach § 127 StPO rechtfertigt allenfalls geringfügige Körperverletzungen; der staatliche Strafanspruch hat gegenüber der Gesundheit zurückzutreten (Schroeder Jus 80, 337; BGH 45, 381). Jedoch entsteht bei Gegenwehr des Festzunehmenden ein Notwehrrecht (BGH 45, 385 mit Anm. Kargl/Kirsch NStZ 00, 604 und Mitsch JuS 00, 848).
IV. Beurteilung medizinischer Behandlung
Schrifttum:
Baumann, Körperverletzung oder Freiheitsdelikt?, NJW 58, 2092; Bockelmann, Rechtliche Grundlagen und rechtliche Grenzen der ärztlichen Aufklärungspflicht, NJW 61, 945; Bockelmann, Operativer Eingriff und Einwilligung des Verletzten, JZ 62, 525; v. Bubnoff, Organtransplantation aus der Sicht des Strafrechts, GA 68, 65; Engisch, Ärztliche Eingriffe zu Heilzwecken und Einwilligung, ZStW 58, 1; Engisch, Die rechtliche Bedeutung der ärztlichen Operation (Sammelwerk Stich-Bauer, Fehler und Gefahren bei chirurgischen Operationen, 4. Aufl. 1958, 1521); Engisch, Arzt und Patient in der Sicht des Strafrechts, Universität 65, 469; Engisch, Warum ist der ärztliche Eingriff nicht als Körperverletzung anzusehen?, Berliner Ärztebl. 1967, 590; Engisch/Hallermann, Die ärztliche Aufklärungspflicht aus rechtlicher und ärztlicher Sicht, 1970; Engisch, Über Rechtsfragen bei homologer Organtransplantation, Der Chirurg 1967, 252; Geilen, Einwilligung und ärztliche Aufklärungspflicht, 1963; Geilen, Rechtsfragen der Organtransplantation, in: Honecker (Hrsg.), Aspekte und Probleme der Organverpflanzung, 1973, 127; Geilen, Rechtsfragen der ärztlichen Aufklärungspflicht, in: Die juristische Problematik in der Medizin, hrsg. von Mergen, Bd. II, 1971, 11; Graefe u. Clauß, Arzt und Körperverletzung, JR 62, 254; Grahlmann, Heilbehandlung und Heilversuch, 1977; Grünwald, Die Aufklärungspflicht des Arztes, ZStW 73, 5; Grünwald, Heilbehandlung und ärztliche Aufklärungspflicht, in: Göppinger, Arzt und Recht, 1966, 125; Hardwig, Beobachtungen zur Frage des Heileingriffs, GA 65, 161; Jung/Schreiber (Hrsg.), Arzt und Patient zwischen Therapie und Recht, 1981; Arthur Kaufmann, Die eigenmächtige Heilbehandlung, ZStW 73, 341; Kohlhaas, Rechtliche Fragen bei der Organtransplantation, MMW 67, 2265; Krauß, Zur strafrechtlichen Problematik der eigenmächtigen Heilbehandlung, FS Bockelmann 1979, 557; v. Kress/Heinitz, Ärztliche/Rechtliche Fragen der Organtransplantation, 1970; Maurach, Zum heutigen Stand der Meinungen über die strafrechtliche Beurteilung ärztlicher Eingriffe, Z. f. Arztrecht 1952, H. 1; Mezger, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für ärztliche Kunstfehler, Z. für ger. Medizin Bd. 42 (1953), 365; Neidhardt-Müller, Behandlungsrecht des Arztes und ärztliche Aufklärungspflicht in der Sicht des Arztes und Juristen, NJW 56, 1097; Niese, Ein Beitrag zur Lehre zum ärztlichen Heileingriff, FS Eb.-Schmidt 1961, 364; Noll, Der ärztliche Eingriff in strafrechtlicher Sicht, Z. f. d. ges. gerichtl. Medizin 1966, 12; Sauer, Tatbestand und Rechtmäßigkeit, Heilbehandlung und Einwilligung, GS 113, 79; Eb. Schmidt, Der Arzt im Strafrecht, 1939; Eb. Schmidt, Ärztliches Strafrecht, in: Ponsold, Lb. der gerichtlichen Medizin, 2. Aufl. 1957, 33; Eb. Schmidt, Empfiehlt es sich, dass der Gesetzgeber die Fragen der ärztlichen Aufklärungspflicht regelt?, Vhdlg. des 44. DJT, Bd. I, 4. Tl., 1962; Schröder, Eigenmächtige Heilbehandlung im geltenden Strafrecht und im StGB-Entwurf 1960, NJW 61, 951; Schroeder, Besondere Strafvorschriften gegen Eigenmächtige und Fehlerhafte Heilbehandlung (Angermühler Gespräche, Bd. 11), 1998; Schwalm, Die strafrechtliche Bedeutung der ärztlichen Aufklärungspflicht, MDR 60, 722; Schwalm, Grenzen der ärztlichen Aufklärungspflicht aus der Sicht des Juristen, 1961; Tempel, Inhalt, Grenzen und Durchführung der ärztlichen Aufklärungspflicht, NJW 80, 609; Tröndle, Selbstbestimmungsrecht des Patienten – Wohltat oder Plage?, MDR 83, 881; Ulsenheimer, Arztstrafrecht i. d. Praxis, 4. Aufl. 2008. S.a. vor Rn. 1.
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Die vieldiskutierte Frage nach dem Verhältnis ärztlicher Behandlung zur Körperverletzung hat nicht nur konstruktive, sondern auch größte praktische Bedeutung. Dies gilt sowohl für den verunglückten als auch für den erfolgreich abgeschlossenen Eingriff als auch schließlich für die unterlassene Behandlung. Freilich bestand und besteht kein Streit darüber, dass die nach den anerkannten Kunstregeln („lege artis“) mit Einwilligung des Patienten durchgeführte und glücklich verlaufene Heilbehandlung – mag sie auch „Verletzungen“ und damit sowohl Substanzeinbußen (z.B. Amputationen) als auch Missbehagen des Patienten bedingen – nicht strafbar sein darf. Mit diesem kargen, weil selbstverständlichen Ergebnis ist aber weder dem Arzt noch dem Patienten gedient. Der Arzt hat ein berechtigtes Interesse daran, den sozialen Wert seiner Handlung durch Verneinung der Tatbestandsmäßigkeit, äußerstenfalls durch Zubilligung eines Rechtfertigungsgrundes, bescheinigt zu erhalten. Nicht geringer ist das Klärungsbedürfnis des Patienten; denn nur von einem solchen Arzt darf er Heilung erhoffen, dessen Verantwortungsbereitschaft durch das Strafrecht nicht gelähmt, sondern gefördert wird. Die Probleme komplizieren sich bei den zwar sachgemäß vorgenommenen, aber erfolglos gebliebenen Operationen; sie verschieben sich auf eine andere Ebene bei den unsachgemäß durchgeführten und deshalb missglückten Eingriffen. Stets kommt die Frage hinzu, ob anstelle der Körperverletzungstatbestände oder neben diesen nicht noch andere Straftatbestände den Arzt bedrohen. Daher ist es zweckmäßig, die strafrechtliche Beurteilung des ärztlichen Behandlungsrechts ohne starre Bindung an den Verbrechensaufbau (Tatbestand – Rechtswidrigkeit – Schuld) nach Sachgruppen getrennt zu behandeln. Wir unterscheiden demgemäß: 1. die pflichtwidrig unterlassene Behandlung; 2. den lege artis durchgeführten und erfolgreich verlaufenen Eingriff; 3. den lege artis vorgenommenen, aber erfolglos gebliebenen Eingriff; 4. den infolge Kunstfehlers verunglückten Eingriff; 5. ärztliche Handlungen außerhalb des eigentlichen Heilzweckes.
Neulandoperationen will Grahlmann aaO aus der Kategorie des ärztlichen Heileingriffs herausnehmen und als Humanexperiment kumulativ mit Einwilligung, Heilzweck und Wahrnehmung berechtigter Interessen rechtfertigen[36]. Die Abgrenzung der Verantwortung unter mehreren Operationsärzten bzw. Hilfskräften ist im AT § 43 Rn. 76 behandelt[37].
Anmerkungen
[36]
A.A. v. Bubnoff GA 68, 77; Jakobs ZStW 91, 642.
[37]
Vgl. hierzu Stratenwerth FS Eb. Schmidt 1961, 383; Engisch in Langenbecks Arch. klin. Chir. Bd. 297, 236; Baumann NJW 62, 375; Wilhelm Jura 85, 183.
1. Die unterlassene Behandlung
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Die Eigenschaft als Arzt begründet nach allgemeinen Grundsätzen eine Garantenstellung, wenn der Arzt eine Behandlung individuell übernommen oder sich als Bereitschaftsarzt zur Verfügung gestellt hat[38]. Ansonsten kommt § 323c StGB in Betracht (s. Tlbd. 2, § 55 Rn. 20). Voraussetzung ist allerdings eine Einwilligung oder mutmaßliche Einwilligung des Patienten (s.u. Rn. 26 ff.).
Anmerkungen
[38]
BGH 7, 211; OLG Hamm NJW 75, 604.
2. Der sachgemäße und erfolgreiche Eingriff
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Hier besteht Einigkeit darüber, dass wegen Körperverletzung jedenfalls dann nicht gestraft werden darf, wenn die Operation mit Einwilligung des Patienten oder bei Eingreifen gleichwertiger Ersatzrechtfertigungsgründe vorgenommen wurde. Weiter geht – ein bedauerliches Ergebnis – der Konsens aber nicht. In der Frage des Warum scheiden sich die Auffassungen weitgehend.
a) Die extrem konservative Auffassung wird unentwegt von der Praxis vertreten. Diese sieht den Tatbestand grundsätzlich deskriptiv und objektiv. Der amputierende, Geschwüre öffnende oder Injektionen vornehmende Arzt begeht bei Beschränkung der Tatbestandsmäßigkeit auf das objektiv wahrnehmbare Augenblicksgeschehen eine „an sich tatbestandsmäßige Misshandlung“[39] und unterscheidet sich insofern nicht vom Messerstecher. Nur § 224 wird mangels konkreter Gefährlichkeit abgelehnt (BGH NStZ 87, 174). Es bedarf also der Ermittlung eines Rechtfertigungsgrundes, um die Gegenindizierung der Tatbestandswirkung herbeizuführen. Das RG verfuhr zunächst engherzig, indem es nur die (ausdrücklich erklärte oder vermutbare) Einwilligung des Patienten oder dessen gesetzlichen Vertreters genügen ließ (RG 25, 377). Erst unter dem Druck der Wissenschaft verstand sich die Praxis dazu, ohne Aufgabe ihres grundsätzlichen Standpunktes die Rechtfertigung zu erweitern, so unter großzügiger Auslegung der Einwilligung[40], die Berücksichtigung einer hypothetischen Einwilligung[41] oder allgemein bei Gefahr im Verzuge, hier notfalls auch gegen den Willen des Sorgeberechtigten (RG 74, 350), und wegen fehlender Realisierung des Schutzzwecks der Aufklärungspflicht[42]. Eine Herleitung des Operationsrechts aus einer allgemeinen ärztlichen Berufsbefugnis ist allgemein zutreffend abgelehnt worden (RG 25, 375 und Schrifttum) – die Folgen einer solchen Konstruktion wären unüberschaubar (Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe gegen den Widerstand des Patienten?). Im Ganzen aber kann die Auffassung der Praxis, die im neueren Schrifttum wieder zunehmend Anhänger findet[43], nicht befriedigen. Die „An-sich-Tatbestandsmäßigkeit“ des Eingriffs ist ein auch die ärztliche Kunst diskreditierender Systemfehler. Auch führt die Suche nach anderen Rechtfertigungsgründen nicht immer zu haltbaren Ergebnissen. Diese werden im Falle eines Irrtums des Arztes über Ob und Umfang der Einwilligung bei konsequenter Anwendung der eingeschränkten Schuldtheorie des BGH noch unbefriedigender[44].
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b) Im Gegensatz dazu steht der überwiegende Teil des Schrifttums. Er lehnt bereits den objektiven Tatbestand der Körperverletzung ab. Die Begründung hierfür ist allerdings nicht einheitlich. Überzeugend ergibt sich der Fortfall des Tatbestandes aus der Relativität des Rechtsguts und der sinnhaften Beurteilung des Heileingriffs als Einheit, als Gesamtakt. Ebenso wie ein bereits Kranker noch an seiner „Gesundheit“ beschädigt werden kann, kann umgekehrt ein den relativen Zustand verbessernder Eingriff nicht als Körperverletzung angesehen werden. Dabei darf nicht auf den einzelnen Teilakt wie den Einstich, Schnitt und dgl., sondern es muss auf den Gesamtvorgang abgestellt werden[45]. Schließlich können Integritätsverletzungen (z.B. Amputationen) und Gesundheitsschädigungen (z.B. Narben, Dauerschmerzen, Nebenwirkungen) durch Gesundheitsverbesserung kompensiert werden[46].
Die hier bis zur 5. Auflage vertretene Begründung, wonach mit dem Körperverletzungsvorsatz der subjektive Tatbestandsteil fehlt, wird somit nicht mehr aufrechterhalten, da für den Vorsatz die Kenntnis des äußeren Tatgeschehens ausreicht (es handelt sich nicht einmal um einen unbeachtlichen Subsumtions„irrtum“, sondern allenfalls um eine Überzeugungstat).
Diese Auffassung hat allerdings zur Folge, dass eine Differenzierung zwischen Ärzten und Laien nicht infrage kommt: selbst der höchst zufälligerweise heilende Messerstich eines Raufbolds bleibt außerhalb des Tatbestandes[47], freilich als Versuch strafbar.
Neuerdings schlägt das Verständnis für die Ärzte im Schrifttum teilweise ins gegenteilige Extrem um, so, wenn dem BGH vorgeworfen wird, dass er eine zweifach überhöhte Gammastrahlung (BGH 43, 306) und weit übermäßige Röntgenaufnahmen (BGH 43, 353) als Körperverletzungen angesehen hat[48].
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c) Unbeschadet des Streites zwischen Praxis (a) und Theorie (b) besteht Einigkeit darüber, dass eine völlige Straflosigkeit des operierenden Arztes nur eingreift, wenn die Einwilligung des Patienten, mindestens ein vollwertiges Einwilligungssurrogat, vorliegt. Fehlt die Einwilligung, muss die Praxis wegen vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223), beim Tode des Patienten gegebenenfalls sogar wegen § 227 strafen.
Nach allgemeinen Grundsätzen hat eine Einwilligung rechtfertigende Wirkung, wenn sie dem Handelnden erklärt oder mindestens bekannt (vgl. AT § 17 Rn. 61 ff.) und wenn sie in Kenntnis des Sachverhaltes erteilt wurde (BGH JZ 64, 231 m. Anm. Eb. Schmidt). Daher muss der Arzt, um dem Vorwurf der Körperverletzung bzw. Nötigung den Rechtfertigungsgrund „Einwilligung“ entgegenzuhalten, den Patienten entsprechend unterrichten. Die Diskussion um diese Aufklärungspflicht des Arztes ist nach wie vor außerordentlich aktuell[49]. Das Problem, um dessen Ausschöpfung sich insbesondere die Rechtsprechung der Zivilsenate des BGH bemüht hat[50], kann hier nur grob umrissen werden. Entgegen der Methode des Hippokrates, den Patienten in dessen eigenem Interesse möglichst im Unklaren über dessen Krankheit zu halten (Ausfluss des früher dominierenden „Fürsorgeprinzips“), ist in der Gegenwart eine weitgehende Aufklärungspflicht anerkannt (Ausfluss des grundgesetzlich anerkannten Selbstbestimmungsrechts des Patienten). Die von der Rechtsprechung der Zivilsenate des BGH erarbeiteten Anforderungen an eine pflichtgemäße Patientenaufklärung sind im Jahr 2013 durch den Gesetzgeber in § 630e BGB kodifiziert worden. Danach muss der Patient mündlich, rechtzeitig und verständlich über Chancen und Risiken des ihm vorgeschlagenen Eingriffs, alternativer Behandlungsmethoden und eines etwaigen Verzichts auf jegliche Behandlung seiner Krankheit aufgeklärt werden. Der Umfang der Aufklärungspflicht variiert nach Komplikationsdichte, Dringlichkeit des Eingriffs und Größe des Risikos (Tempel NJW 80, 611). Stets kann aber eine nach den genannten Maximen an sich bestehende Aufklärungspflicht in concreto dann entfallen, wenn die Offenlegung der Sachlage durch den Arzt Schockwirkungen befürchten lässt, die größere Risiken als der Eingriff selbst in sich bergen (sog. „therapeutisches Privileg“). Daher hängt die Aufklärungspflicht auch von der Individualität des Patienten ab.
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Die Aufklärung muss durch den behandelnden Arzt oder eine andere Person erfolgen, die ebenfalls über die zur Durchführung des Eingriffs notwendige Ausbildung verfügt, § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB. Wird die sachlich korrekte und vollständige Aufklärung durch einen Nicht-Arzt geleistet, soll die daraufhin erteilte Einwilligung sogar bei Aufklärung über die fehlende Approbation unwirksam sein,[51] § 630d Abs. 2 BGB – eine bedenkliche Beschneidung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten (vgl. auch Bockelmann JZ 62, 525).
Der Irrtum über den Umfang der Aufklärungspflicht ist nach Auffassung der Rechtsprechung ein Tatbestandsirrtum, der nur eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung übrig lässt[52].
28
d) Fehlt es an einer Einwilligung, insbesondere bei überraschenden Befunden während einer Operation, sog. Operationserweiterung, kommt eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht, und zwar auch dann, wenn der Arzt es fahrlässig versäumt hat, eine ausdrückliche Einwilligung einzuholen. Wegen des Vorrangs des Selbstbestimmungsrechts des Patienten ist der Inhalt des mutmaßlichen Willens in erster Linie aus den persönlichen Umständen des Betroffenen, seinen individuellen Interessen, Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen zu ermitteln (BGH 35, 246; 45, 219). Beim Irrtum über die mutmaßliche Einwilligung zeigt die eingeschränkte Schuldtheorie besonders bedenkliche Auswirkungen[53].
e) In Fällen, in denen Ärzte – meist zur Vertuschung voraufgegangener Behandlungsfehler – eine Aufklärung bewusst unterlassen haben, anerkennt die Rechtsprechung wie schon vorher im Zivilrecht eine Straflosigkeit, wenn der Patient bei einer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte (hypothetische Einwilligung); die hypothetische Nichteinwilligung ist dem Arzt nachzuweisen[54].
Diese Figur ist eine Zwangsgeburt der Beurteilung des ärztlichen Eingriffs als Körperverletzung (s.o. Rn. 24). Ihre Problematik zeigt sich schon an dem Streit um ihre Rechtsnatur. Angeboten werden: Fehlen der Rechtswidrigkeit (BGH JR 04, 251), der Kausalität der Nichtaufklärung (Ulsenheimer NStZ 96, 132), der Realisierung des Schutzbereichs der Aufklärungspflicht (BGH NStZ 96, 35, neben der hypothetischen Einwilligung!), der objektiven Zurechnung im Bereich des Tatbestands (Roxin AT 1 § 13 Rn. 132) oder der Rechtswidrigkeit (Kuhlen JR 04, 227), des Erfolgsunwerts (Mitsch JZ 05, 279)[55].
Gegen die Figur der hypothetischen Einwilligung wendet sich Puppe wegen der Nichtbeweisbarkeit der hypothetischen Nichteinwilligung[56], Duttge wegen dogmatischer Unhaltbarkeit[57], Gropp wegen der Aushebelung der Aufklärungspflicht[58], Otto wegen der Unzulässigkeit einer nachträglichen Erklärung der Einwilligung (AT § 8 Rn. 134). Starke Bedenken auch bei Roxin (AT 1 § 13 Rn. 134) trotz des Zuwachses für die Lehre von der objektiven Zurechnung.
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f) Auch die h.L. im Schrifttum (Rn. 25) kann den ohne Einwilligung operierenden Arzt nicht straflos lassen. Solange es an einer besonderen Strafdrohung wegen eigenmächtiger Heilbehandlung[59] fehlt, kommen Nötigung und Freiheitsberaubung in Betracht.