Kitabı oku: «Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1», sayfa 29
Anmerkungen
[93]
Lange II; Eisele S/S 33; Würtenberger FS Rittler 1957, 135.
[94]
So BayObLG NJW 65, 163; dafür sehr weitgehende Anerkennung der Notwehr bei BayObLG NJW 93, 211: Anlegen einer als scharfe Waffe erscheinenden Gaspistole auf einen sich über eine Nötigung im Verkehr beschwerenden Autofahrer.
[95]
BGH 17, 331. Dagegen Hirsch JZ 63, 150.
[96]
BGH NStZ 04, 441; NStZ 87, 70 (mit zu weitgehendem Leitsatz).
§ 14 Freiheitsberaubung (§ 239)
Schrifttum:
Bloy, Freiheitsberaubung ohne Verletzung fremder Autonomie?, ZStW 96, 703; Geyer, Konkurrenz von § 239 und § 240, GS 27, 379; Käb, Zur Lehre von der Freiheitsberaubung, 1897; Kargl, Die Freiheitsberaubung nach dem 6. StrRG, JZ 99, 72; Orth, Rechtsgut und Tatopfer der Freiheitsberaubung, Diss. Gießen 1988; Schumacher, Freiheitsberaubung und „Fürsorglicher Zwang“ in Einrichtungen der stationären Altenhilfe, FS Stree/Wessels 1993, 431; Than, Die Freiheitsdelikte, Diss. Ffm. 1970; Widmann, Die Freiheitsberaubung mit Todesfolge als erfolgsqualifizierte Straftat mit eingeschränktem Ursachenrahmen, MDR 67, 972.
I. Geschichte – allgemeine Charakterisierung
1
1. Die Freiheitsberaubung wurde bis zum Beginn des 19. Jhdts. als private Gefangenhaltung und damit als Majestätsverbrechen, später als Verbrechen gegen die Obrigkeit angesehen (Bloy aaO 706 f.). Der dramatische Ausdruck stammt von Feuerbach (bay. StGB 1813 I Art. 192).
2
2. Schutzobjekt der Freiheitsberaubung ist die Fortbewegungsfreiheit (BGH 14, 316; 32, 183), nicht dagegen auch die Freiheit des Zugangs zu bestimmten Orten, zur Bestimmung des Aufenthaltsorts[1] und auch nicht die Freiheit des Zugangs zu anderen. § 239 StGB schützt nicht nur die Betätigung des aktuellen Fortbewegungswillens, sondern bereits die Möglichkeit hierzu, die potenzielle Bewegungsfreiheit ohne Rücksicht auf einen aktuellen Willen[2]; doch wird in diesen Fällen häufig eine Einwilligung vorliegen (s.u. Rn. 12). Zu weit geht aber die Einbeziehung des mutmaßlichen oder hypothetischen Fortbewegungswillens[3].
3
3. Die Freiheitsberaubung sieht einen Grundtatbestand als Vergehen vor (Abs. 1, s.u. II), auf dem sich zwei unselbstständige, qualifizierende Tatbestände aufbauen: die längere oder die Freiheitsberaubung mit der Folge einer schweren Gesundheitsschädigung (Abs. 3) und die Freiheitsberaubung mit Todesfolge (Abs. 4), beides Verbrechen (näher u. III).
Anmerkungen
[1]
BGH 32, 189; Meyer-Gerhards, JuS 74, 569. Unzutr. LG Mainz MDR 83, 1044.
[2]
BGH 14, 316; 32, 183; Kargl JZ 99, 76. Krit. Jakobs JR 82, 207: nur Versuch.
[3]
Wolters SK 5; Bloy aaO; Schumacher aaO.
II. Die einfache Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1)
1. Der objektive Tatbestand
4
a) Da das Gesetz das Einsperren nur als Unterfall der Beraubung der Freiheit ansieht, bedarf das Objekt der Tat einschränkender Auslegung: in Betracht kommen nur Personen, die ihre Freiheit gebrauchen können, also fortbewegungsfähig sind. Untaugliche Tatobjekte sind daher Säuglinge (BayObLG JZ 52, 237), Ohnmächtige und Schlafende[4], doch liegt bei Letzteren im Augenblick des Erwachens eine Freiheitsberaubung durch Unterlassen vor (Rechtspflicht: vorangegangenes Tun). Unproblematisch ist die Freiheitsberaubung ferner dann, wenn der Täter das Opfer zu diesem Zweck bewusstlos macht. Geschäftsfähigkeit ist für die Fortbewegungsfähigkeit nicht erforderlich, sodass die Tat auch gegenüber Kindern und Geisteskranken (RG 62, 160) begangen werden kann. Gegenüber Personen, die wie Blinde oder Gelähmte physisch mit eigener Kraft zur Ortsveränderung nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sind, kann die Freiheitsberaubung durch Entzug der Hilfspersonen oder -mittel (z.B. durch Einsperren des Blindenhundes oder Wegnahme des Rollstuhls) erfolgen. Auch bereits in Unfreiheit Befindliche (z.B. Gefangene) können durch weitere Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit Objekt der Tat sein (BGH LM 2 zu § 3). Umgekehrt schließt ein gewisser Bewegungsspielraum eine Freiheitsberaubung nicht aus[5].
5
b) Als wichtigsten Unterfall der Freiheitsberaubung nennt das Gesetz zunächst die Einsperrung. Dies meint Hinderung am Verlassen des Ortes durch mechanische Vorrichtungen: Zuschließen von Türen, Wegnahme der an den Heuboden gelehnten Leiter. Eine völlige Umschließung des Opfers setzt die Einsperrung nicht voraus. § 239 begnügt sich vielmehr mit der „relativen“ Einsperrung; eine solche ist gegeben, wenn der Verletzte in Bedingungen versetzt wird, unter denen er sich für eingesperrt hält oder die ihm eine Befreiung nur unter Inkaufnahme unzumutbarer Gefahren oder Schwierigkeiten gestatten. „Eingesperrt“ ist daher auch, wer die Mechanik des Schlosses nicht zu betätigen versteht oder wer den vorhandenen Ausweg (Fenster, Brandleiter) als zu gefährlich nicht zu benutzen wagt, endlich auch, wem das Vorhandensein eines normalen Ausgangs (Tapetentür!) nicht bekannt war[6].
6
c) Die Freiheitsberaubung „auf andere Weise“ ist, sofern nur das Grundmerkmal der Raum- oder Platzbindung gewahrt bleibt, auf denkbar verschiedene Weise begehbar, so durch Fesselung, Hypnose, Narkotisierung, nicht nur kurzfristiges (BGH NStZ 03, 371) Festhalten, Drohung mit einem empfindlichen Übel[7], Weisungen an einen Schwachsinnigen und Versetzung in eine Umgebung, in der er sich nicht orientieren kann[8]. Die oben erwähnte Relativität spielt hier eine besondere Rolle. Freiheitsberaubung ist daher gegeben bei schnellem Weiterfahren eines Taxis nach Aussteigewunsch, sodass der Fahrgast nur unter Lebensgefahr hinausspringen könnte (RG 25, 147; BGH NStZ 05, 507; OLG Koblenz VRS 49, 347), oder durch die Wegnahme der Kleider eines nackt Badenden (einschränkend RG 6, 232).
7
d) Die Tat kann sowohl durch aktives Tun als auch durch Unterlassen begangen werden, z.B. durch Nichtöffnen eines versehentlich zugeschlossenen Zimmers nach Entdeckung des Irrtums (s. auch o. Rn. 4) oder Nichtbefreiung aus einer Fußangel.
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e) Auch in mittelbarer Täterschaft kann das Delikt begangen werden. Anerkannt war dies schon stets, wenn der Täter den Mittelsmann im Widerspruch zur positiven Rechtsordnung gutgläubig handeln ließ, so bei der durch wahrheitswidrige Verdächtigungen herbeigeführten vorläufigen Festnahme (§ 127 StPO) oder Verhaftung (BGH 3, 4) eines Unschuldigen, bei der arglistig veranlassten Einweisung eines angeblich Geisteskranken in eine Irrenanstalt, endlich durch Missbrauch von Prozesshandlungen (falsche Anschuldigung und Zeugenaussage), der zu einer formell ordnungsgemäßen, materiell unhaltbaren Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe führte (HRR 39/464). Die Veranlassung einer materiell berechtigten Inhaftierung oder Unterbringung durch einen ausgeschlossenen Richter oder einen Nichtarzt ist dagegen keine Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft[9].
9
Aus der Liquidationsmasse des Nationalsozialismus erstand aber die weitere Frage, ob Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft auch dann anzunehmen ist, wenn die Handlung im Einklang mit dem 1933–45 geltenden positiven Recht, aber im Widerspruch zur Sittenordnung vorgenommen wurde, so bei der wahrheitsgemäßen Anschuldigung wegen Abhörens ausländischer Sender, wegen Geschlechtsverkehrs mit Juden oder defätistischer Äußerungen, die dann den Angeschuldigten einer Polizei- oder Justizmaschinerie auslieferte, die in einem willkürlichen oder mindestens die Verteidigung praktisch beseitigenden Verfahren (Sondergerichte, Polizeijustiz) und unter Bindung an drakonische Strafdrohungen in Funktion zu treten hatte. Hier erheben sich die gleichen Streitfragen wie bei der mittelbaren Täterschaft überhaupt (vgl. AT § 48 II B und o. § 2 Rn. 8), zwar nicht bezüglich der Möglichkeit der mittelbaren Täterschaft bei volldeliktisch handelndem Werkzeug (der „Täter hinter dem Täter“ ist heute fast allgemein anerkannt), wohl aber bezüglich der materiellen Geltung der nationalsozialistischen Gesetze. Die Rechtsprechung neigt mit überwiegender Zustimmung der Wissenschaft zu einer Bejahung des § 239[10]. Moderne Unrechtssysteme haben diese Problematik aktualisiert[11]. Über die Beurteilung der zur Freiheitsentziehung führenden Denunziation nach § 241a s.u. § 15 Rn. 9 ff.
Anmerkungen
[4]
A.A. Geppert JuS 75, 387; Jakobs FS Roxin 804 (s. aber o. Rn. 2).
[5]
Schumacher aaO 440; unzutr. Sack/Dengler MDR 82, 973 betr. jugendpsych. Kliniken.
[6]
Sehr weitgehend BGH NStZ 01, 420: weil sonst Übernachtung im Freien erforderlich.
[7]
Schroeder JuS 80, 338; Orth aaO 149 ff. Einschränkend Binding I 99; Wolters SK 8; Hirsch JR 1980, 115; BGH NJW 93, 1807.
[8]
Herzberg/Schlehofer JZ 84, 482 und Geerds JR 84, 432 gegen BGH 32, 189.
[9]
BGH MDR/H 78, 624; OLG Schleswig NStZ 85, 74 m.Anm. Otto und Amelung/Brauer JR 85, 474.
[10]
BGH 3, 110; OLG Bamberg SJZ 50, 207; Lange DRZ 48, 155 und SJZ 48, 655; BayObLG JZ 51, 25; v. Weber NJW 50, 35.
[11]
S. für die DDR OLG Düsseldorf NJW 79, 59; BGH NStZ 94, 437; BGH 42, 375 m. Anm. König JR 97, 317.
2. Der subjektive Tatbestand
10
Die Freiheitsberaubung ist ein Delikt mit kongruentem objektiven und subjektiven Tatbestand. Es genügt Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale, und zwar einschließlich des dolus eventualis. Auf die mangelnde Befugnis zur Handlung braucht sich der Vorsatz nicht zu beziehen (vgl. u. Rn. 13).
3. Vollendung und Versuch
11
Vollendung tritt mit Aufhebung der Bewegungsfreiheit für nicht ganz unerhebliche Dauer und ohne Rücksicht darauf ein, ob sich der Eingesperrte der Freiheitsberaubung bewusst geworden ist (Eisele S/S 11). Der Versuch der einfachen Freiheitsberaubung (Abs. 2) ist durch das 6. StrRG von 1998 ebenfalls strafbar gestellt worden.[12]
Anmerkungen
[12]
Zur früheren Rechtslage vgl. BGH 30, 235 m.Anm. Jakobs JR 82, 206.
4. Rechtswidrigkeit
12
Wegen der „Relativität des Freiheitsbegriffes“ (s.o. § 12) überwiegen bei der Freiheitsberaubung die rechtmäßigen Verwirklichungen des Tatbestandes (Verhaftungen, Einweisungen, Strafvollstreckungen) bei Weitem, während die rechtswidrigen Tatbestandshandlungen durchaus zu den Ausnahmen gehören. Insbesondere besteht nach § 127 StPO bei Betreffen auf frischer Tat ein Festnahmerecht für jedermann[13]. Zu den bei § 239 praktisch bedeutsamen Rechtfertigungsgründen gehört ferner die erlaubte Selbsthilfe (§ 229 BGB), insbesondere im Rahmen der Familienpflege für geisteskranke Angehörige[14]. Die Unterbringung von geistig Behinderten und alten Menschen ermöglicht § 1906 BGB[15]. Über die Bedeutung der Einwilligung s.o. § 12 Rn. 15. Eine erschlichene Einwilligung ist unbeachtlich[16]. Zur Nichtöffnung von Flugzeugen Fahl JR 09, 100. Die Aufarbeitung des DDR-Unrechts hat auch einige ungewöhnliche Rechtfertigungsprobleme aufgeworfen[17].
13
Die irrige Annahme des Täters, zur Freiheitsberaubung berechtigt zu sein, ist ein Verbotsirrtum, der den Vorsatz unberührt lässt und nach BGH 2, 194 zu behandeln ist: Schuldausschluss bei Unvermeidbarkeit, fakultativ gemilderte Vorsatzstrafe bei Vermeidbarkeit des Irrtums (§ 17). Die von der Judikatur vorgenommene Differenzierung nach Sachverhalts- und Bewertungsirrtum führt, da § 239 nicht fahrlässig begangen werden kann, zu untragbaren Konsequenzen. Zum Verbotsirrtum aufgrund türkischer Ehevorstellungen AG Grevenbroich NJW 83, 528.
Anmerkungen
[13]
Hierzu zuletzt Schröder Jura 99, 10; Kargl NStZ 00, 8.
[14]
BGH 13, 197 m. krit. Anm. Sax JZ 59, 778.
[15]
Näher v. Eicken/Ernst/Zenz, Fürsorglicher Zwang, 1990; Schumacher aaO.
[16]
OLG Zweibrücken GA 81, 94; differenzierend Bloy aaO.
[17]
BGH 42, 338; BGH JZ 98, 366 m. Anm. Schroeder, Lemke NJ 98, 265, Fahl NJ 98, 573: „Rettung“ eines Flüchtlings wider Willen.
5. Strafe – Konkurrenzen
14
Der Grundtatbestand ist mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bewehrt und damit Vergehen. § 239 ist ein besonders typischer Fall des Dauerdeliktes (vgl. AT § 54 III A) mit den sich daraus ergebenden Folgen für Verjährung und Teilnahme: Vollendung tritt mit der Tatsache der Einsperrung, Beendigung mit der Freilassung ein. Letzterer Zeitpunkt ist maßgebend für die Abgrenzung von Teilnahme und Begünstigung sowie für den Verjährungsbeginn.
15
Das umstrittene Verhältnis zwischen Nötigung und Freiheitsberaubung hängt von dem mit der Einsperrung erstrebten Zweck ab: diente die Freiheitsberaubung zur Erzwingung eines über deren bloße Duldung hinausgehenden Verhaltens des Verletzten, so ist Idealkonkurrenz gegeben, andernfalls wird § 240 durch § 239 aufgezehrt (h.M.). Fehlt bei § 235 der Strafantrag (Abs. 7), so darf, da das Antragserfordernis die Vermeidung belastender Strafverfahren ermöglichen soll, nicht auf § 239 zurückgegriffen werden[18]. Die Strafschärfung für Freiheitsberaubung im Amt (§ 341) ist wegen ihrer Geringfügigkeit durch das EGStGB aufgehoben, doch stellt die Beamteneigenschaft des Täters einen strafschärfenden Umstand nach § 46 dar (LG Mainz MDR 83, 1044).
16
Idealkonkurrenz ist insbesondere möglich mit Körperverletzung (RG 62, 160), Beleidigung (BGH GA 63, 16) und Vergewaltigung (BGH NJW 55, 1327). Die Klammerwirkung der Freiheitsberaubung als Dauerdelikt entfällt, wenn ihr Unrechtsgehalt deutlich hinter dem der übrigen Gesetzesverstöße (z.B. §§ 177 Abs. 7, 224) zurückbleibt (BGH NStZ 08, 209).
Anmerkungen
[18]
BGH 19, 328; 28, 19; OLG Düsseldorf JR 81, 386 m. Anm. Bottke. A. für § 235 BGH 39, 239.
III. Die Freiheitsberaubung von langer Dauer oder mit schweren Folgen (§ 239 Abs. 3–5)
17
Die Tat ist ein Verbrechen (mit unterschiedlichen Strafdrohungen), wenn die Freiheitsberaubung über eine Woche gedauert oder eine schwere Gesundheitsschädigung (s.o. § 4 Rn. 13 ff.) oder den Tod des Opfers verursacht hat. Nicht nur die den §§ 226, 227 nachgebildeten letzteren Tatbestände, sondern auch die Freiheitsberaubung von langer Dauer[19] ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt nach § 18 (näher o. § 9 Rn. 23 f.). Der Täter haftet daher nach der schweren Strafdrohung nur, wenn die lange Dauer oder die schweren Folgen für ihn mindestens voraussehbar waren. Versuchte Erfolgsqualifizierung und erfolgsqualifizierter Versuch sind möglich[20].
18
Eine Unmittelbarkeit zwischen Freiheitsberaubung und schweren Folgen ist nicht erforderlich. Schon das Gesetz bezieht hier die Behandlung während der Freiheitsentziehung als Ursache ein[21]; der Tod infolge Selbstmords (Eisele S/S 15), Fluchtversuchs (BGH 19, 382; abl. Widmann MDR 67, 972) oder Eingreifens Dritter (OGH 3, 99) genügt[22].
Anmerkungen
[19]
BGH 10, 306; BT-Dr 13/8587 S. 84. Sehr umstr.; Literaturübersicht bei La/Kühl 9.
[20]
BGH GA 58, 304; La/Kühl 9.
[21]
Hierzu BGH 28, 20. Allgemein zum „begleithandlungserfolgsqualifizierten Delikt“ Schroeder FS Lüderssen 599 ff.
[22]
Näher Schroeder LK11 § 18 18.
§ 15 Menschenhandel, Menschenraub, Verschleppung und Geiselnahme
Schrifttum:
Zu §§ 232–233b BT-Dr 15/3045 (E SPD, B 90/GR), 4048 (RA-Beschlussempf. u. Bericht), 18/9095). Prot. 54. Sitzung RA des BT. Zu §§ 234a, 241a Denkschrift des Bundesjustizministeriums, Bundesanzeiger 1951, Nr. 122, S. 7 = DRiZ 51, 162. Zu §§ 239a, 239b BTD VI/2139 (Bundesratsvorlage), 2722 (Bericht des SA); SA-Berat. VI/1547–1581; BTD 11/2834, 4359 (RegE und RA-Bericht zum ÄndG 1989).
I. Entstehungsgeschichte
1
Der Menschenraub findet sich erstmals in der österreichischen Theresiana von 1768 (Art. 98) und im preuß. ALR von 1794 (II 20 §§ 1089 ff.). Die Versklavung wurde zuerst im bayer. StGB 1813 als Strafschärfungsgrund erfasst (I Art. 199) und ging von hier aus als Absicht in §§ 204 preuß. StGB 1851 und § 234 RStGB ein. Durch das 37. StÄG 2005 wurde sie wieder aus diesem ausgegliedert und in den §§ 232 und 232b mitberücksichtigt (näher u. Rn. 6, 11).
Vorläufer des § 234a StGB waren die Berliner Gesetze über die Verschleppung von Personen aus den Berliner Westsektoren vom 12.9.1949 und zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 7.6.1951. Die ersten Entwürfe für das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit der Bundesrepublik knüpften an den Begriff der Verfolgung aus politischen Gründen als Unterfall der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Art. II 1 c des KRG Nr. 10 an. Aus rechtsstaatlichen Gründen (Denkschrift aaO) beschränkte sich das G zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 15.7.1951 auf die Einführung der §§ 234a, 241a. Die Tatbestände sind aber nur eine moderne Version des „qui civem hosti tradiderit“ der Zwölftafeln[1].
2
Die Strafdrohung des § 239a wurde in ihrer ursprünglichen Fassung anlässlich eines in Deutschland wohl erstmalig vorgekommenen „Kidnapping“-Falles durch G vom 22.6.36 eingeführt. Der zweifelhafte Gewinn des „schnellen und harten Zupackens des Gesetzgebers“ wurde durch die schwerwiegende Verletzung des Rückwirkungsverbotes völlig zunichte gemacht. Auch war der mit absoluter Todesstrafe bedrohte Handlungsvorgang in verfehlter generalpräventiver Absicht trotz der Beschränkung auf „fremde Kinder“ in einem so uferlosen Tatbestand fixiert, dass mit Ausnahme des genannten Präzedenzfalles kaum ein deutsches Gericht sich in Zweifelsfällen zur Bejahung des § 239a entschlossen haben dürfte. Eine gemäßigte und präzisierte Form erhielt die Strafvorschrift durch das 3. StÄG vom 4.8.53[2].
Angesichts einiger spektakulärer erpresserischer Menschenraubfälle, insbesondere des Münchener Bankraubs von 1971[3], wurde § 239a durch das 12. StÄG vom 16.12.71 wesentlich erweitert, insbesondere auf die Entführung jedes „anderen“, und zugleich der auf die Abnötigung eines beliebigen Verhaltens gerichtete, sonst aber analog konstruierte § 239b eingeführt (gefordert auch durch die UN-Konvention gg. Geiselnahme von 1979). Das G z. Änderung des StGB usw. vom 9.6.1989 hat bei den §§ 239a, 239b die Nötigung der Entführungsopfer selbst einbezogen und dadurch die Grenzen zu anderen Delikten gegen die persönliche Freiheit verwischt[4]; außerdem wurden die Strafrahmen nach oben und unten erweitert[5].
Anmerkungen
[1]
Schroeder Staatsschutz 197.
[2]
Eingehend Maurach JZ 62, 559.
[3]
Näher Schroeder Polizei und Geiseln. Der Münchner Bankraub (Aktuelle Dokumente), 1972.
[4]
Krit. Hassemer StV 89, 78; Kunert NStZ 89, 450.
[5]
Krit. Kunert aaO; Bohlander NStZ 93, 440; Renzikowski JZ 94, 498.
II. Grundstruktur
3
1. Das Gemeinsame der hier zusammengefassten Tatbestände besteht zum Ersten darin, dass sie die Erlangung der Herrschaft über einen anderen verlangen bzw. zur Strafschärfung benutzten. Menschenraub und Geiselnahme, ebenso die Qualifizierung des Menschenhandels nach § 232 Abs. 2 Nr. 2, erfassen ein „Sich-Bemächtigen“[6]. Dieser Begriff stellt im Gegensatz zu dem der Freiheitsberaubung nicht auf den Verlust der Freiheit beim Opfer, sondern auf die Erlangung der Herrschaft beim Täter ab. Er ist damit einerseits enger, andererseits aber auch weiter als jener. Enger ist er insofern, als die bloße Einschränkung der fremden Fortbewegungsfreiheit, z.B. bei Einsperren im fremden Haus, nicht genügt, sondern der Täter zugleich die jederzeitige Verfügungsmöglichkeit über das Opfer erlangen muss. Weiter ist der Begriff, da er im Gegensatz zu § 239 (s.o. § 14 Rn. 4) keine Fortbewegungsfähigkeit des Opfers verlangt und daher auch gegenüber Kleinstkindern und Bewusstlosen möglich ist (BTD VI/2722 S. 2; BGH 26, 72). Näher hierzu und zu der von den §§ 239a, 239b alternativ erfassten Entführung u. Rn. 30.
4
Die Verbringung in ein fremdes Staatsgebiet bei der Verschleppung (§ 234a) ist eine gesteigerte Form der Entführung, zudem in ein fremdes Herrschaftsgebiet, in welchem keine rechtsstaatlichen Grundsätze herrschen und daher Gewalt- und Willkürmaßnahmen möglich sind. Der Täter ist daher Kollaborateur der fremden Gewalt- und Willkürherrschaft und erreicht eine Umwandlung von Freiheit in Beherrschung. § 241a schließlich aktualisiert die in einem Gewalt- und Willkürsystem latent vorhandene Bedrohung durch Anzeige.
Die Begehungsmittel List, Drohung oder Gewalt (§§ 232 Abs. 2, 232a Abs. 2, § 232b Abs. 3, 234, 234a) sind auch bei der Entführung nach §§ 239a, 239b erforderlich (BGH NStZ 96, 277). Zur Gewalt und Drohung s.o. § 13 Rn. 10 ff. Die List wird sehr weitgehend subjektiv definiert als Verhalten, das darauf abzielt, unter geflissentlichem und geschicktem Verbergen der wahren Ziele oder Mittel die Ziele des Täters durchzusetzen[7]. Allerdings hat der BGH die Erweckung falscher Vorstellungen verlangt[8]. Bei Bewusstlosen kommt das Merkmal der Gewalt zum Zuge[9].
5
2. Der gegenüber der Freiheitsberaubung größere Unrechtsgehalt der hier behandelten Delikte zeigt sich auch darin, dass sie überwiegend zweigliedrig sind und in dem zweiten Tatbestandsteil weitere Nachteile für das Opfer oder Dritte erfassen. Der Menschenraub (§ 234), die 1. Alt. des Erpresserischen Menschenraubs (§ 239a) und der Geiselnahme (§ 239b) und der „Menschenhandel“ (§ 232) sind insofern Absichtsdelikte. Dabei knüpfen diese Tatbestände in ihrem Absichtsteil überwiegend an andere Straftatbestände an: der Menschenraub nach § 234 an die Aussetzung (§ 221), der Erpresserische Menschenraub (§ 239a) an die Erpressung (§ 253), die Geiselnahme an die Nötigung (§ 240), allerdings nur mit besonders schweren Drohungen. Die §§ 234a, 241a sind Gefährdungsdelikte. Die Gefahren sind mit der Einbeziehung der empfindlichen Beeinträchtigung in der beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung sehr weit in den sozialen und in den wirtschaftlichen Bereich ausgedehnt; das entscheidende Unrechtselement ist die Verfolgung aus politischen Gründen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen.
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