Kitabı oku: «Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1», sayfa 30
Anmerkungen
[6]
Der starke Ausdruck stammt aus dem österr. Allgemeinen Gesetz über Verbrechen und derselben Bestrafung (Josephina) v. 1787 (I § 134).
[7]
BGH 32, 269; 44, 360; NJW 89, 917 m. Anm. Otto JR 89, 340.
[8]
Ebenso Bohnert GA 78, 353; Krack, List als Straftatbestandsmerkmal, 1994, S. 25.
[9]
BGH 25, 237. Kritisch Geilen JZ 74, 542 f.
III. Menschenhandel (§§ 232–233b)
Schrifttum:
Eydner, Der neue § 233 StGB – Ansätze zum Verständnis der „Ausbeutung der Arbeitskraft“, NStZ 06, 10; Renzikowski, Die Reform der Straftatbestände gegen den Menschenhandel, JZ 05, 879; Schroeder, Das 37. Strafrechtsänderungsgesetz: Neue Vorschriften zur Bekämpfung des „Menschenhandels“, NJW 05, 1393; Schroeder, Gesetzestechnische Fehler im 37. Strafrechtsänderungsgesetz, GA 05, 307; Schroeder, Das Rechtsgut der neuen Vorschriften gegen den Menschenhandel (§§ 232-233b StGB), NStZ 17, 320.
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Nach vielfältigen internationalen Bestrebungen gegen den Frauen- und Kinderhandel wurde durch das 6. StrRG von 1974 erstmals eine Vorschrift gegen den Menschenhandel geschaffen (§ 181 StGB a.F.). Das 26. StÄG von 1992 verselbstständigte die Vorschriften gegen die Verführung zur Prostitution zu einem neuen § 180b (dazu Schroeder JZ 95, 231ff.). Das 37. StÄG von 2005 ergänzte die Vorschriften gegen die Veranlassung zur Prostitution aufgrund eines Rahmenbeschlusses des Rats der EU um eine Bestimmung gegen die Ausbeutung der Arbeitskraft und überführte sie als §§ 232–233b StGB in die Straftaten gegen die persönliche Freiheit (dazu Schroeder NJW 05, 1393). Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels vom 11.10.2016 hat aufgrund der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2011 die Vorschriften abermals erheblich verändert und erweitert. Die Regelung ist infolge zahlloser Strafschärfungs- und Verweisungsvorschriften sehr unübersichtlich.
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1. Die Richtlinie 2011/36/EU definiert den Menschenhandel als Anwerbung und Weitergabe einer Person zum Zweck der Ausbeutung. Alle Tatbestände der §§ 232–233b StGB enthalten dieses Merkmal, teils im Text, teils wenigstens in der Überschrift[10]. Ausbeutung ist die Benutzung zur Erzielung wirtschaftlicher Vorteile ohne oder unter grob unangemessener Gegenleistung (BT-Dr 90/9095 S. 26).
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2. Die Überschriften der neuen Paragrafen sind plakativ und teilweise irreführend. Die neue Regelung beginnt mit einem vorverlagerten Zwecktatbestand mit umfangreicher Aufführung der Bereiche des Menschenhandels § 232, s.u. 5). Die folgenden Tatbestände erfassen die Veranlassung zu einer ausbeutenden Tätigkeit (§§ 232a, 232b, s.u. 6, 7). Die §§ 233, 233a regeln eine Ausbeutung ohne Veranlassung (s.u. 8, 9).
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3. Die unter Strafe gestellten Handlungen müssen unter Ausnutzung der persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder der Hilfsbedürftigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder in Bezug auf Personen unter 21 Jahren erfolgen. Hierbei handelt es sich um eine eingeschränkte Widerstandsfähigkeit als Vorstufe der Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit. Unter eine persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage fällt eine ernste persönliche oder wirtschaftliche Bedrängnis des Opfers (BGH 42, 400). Mit ihr muss eine wesentliche Beschränkung der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten verbunden sein, der die Gefahr anhaftet, den Widerstand des Opfers herabzusetzen (BT-Dr 90/9095, S. 24). Die Bedrängnis kann sich insbesondere aus einem unsicheren auslandsrechtlichen Status und der Furcht vor Abschiebung ergeben (aaO). Nach BGH NStZ 14, 576 sollen „prekäre wirtschaftliche Verhältnisse“ im Heimatland genügen. Eine „auslandsspezifische“ Hilflosigkeit besteht, wenn das Opfer in der konkreten Lage und nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, sich dem Ansinnen aus eigener Kraft zu entziehen (BGH NStZ 99, 350), insbesondere bei der häufigen Wegnahme der Ausweispapiere (BT-Dr 18/9095, S. 25). Die „Fremdheit“ des Landes bezieht sich nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf die geringe Vertrautheit mit den Lebensumständen. Die Herbeiführung der Zwangslage oder Hilflosigkeit fällt argumento a minore ad maius erst recht unter den Tatbestand[11].
Schwerere Formen der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit (Gewalt, Drohung, List) werden durch gesonderte Tatbestände erfasst (§ 232 Abs. 2, § 232a Abs. 3, § 232b Abs. 3)[12]. Das Merkmal der List soll insbesondere die sog. Loverboy-Fälle erfassen, bei denen der Täter eine gemeinsame Zukunft vorspiegelt, während das Opfer in Wahrheit der Prostitution nachgehen soll (BT-Dr 18/9095 S. 30). Heterogene Strafschärfungsgründe (Interessen des Opfers, gewerbs- oder bandenmäßige Begehung) werden durch §§ 232 Abs. 3, 232a Abs. 4, 232b Abs. 4, 233 Abs. 2, 233a Abs. 3) erfasst.
Erforderlich ist eine „Ausnutzung“ dieser Umstände. Dies erfordert insbesondere eine Abwägung zwischen der Zwangslage und der angesonnenen Tätigkeit. Die Aufnahme der Prostitution ist etwas anderes als die eines ungünstigen Arbeitsverhältnisses. Nicht unter die Ausnutzung fällt der altruistische Rat, der Zwangslage durch Prostitution auszuweichen (Schroeder NJW 05, 1395).
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4. Der einleitende Zwecktatbestand (§ 232). Als Tathandlungen sieht § 232 die Anwerbung, Beförderung, Weitergabe, Beherbergung und Aufnahme von Personen vor, wenn diese ausgebeutet oder in anderer Weise behandelt werden sollen. Mit dieser Formulierung vermeidet das Gesetz den Nachteil der deutschen Absichtsdelikte, nach denen der Täter selbst entsprechende Handlungen vornehmen will[13], und den zu der Vorgängervorschrift (§ 233a StGB) entstandenen Streit, ob auch eigene zukünftige Handlungen des Täters erfasst werden[14].
Nach Fischer (§ 232 Rn. 24) handelt es sich „der Sache nach“ um Beihilfehandlungen. Eine Haupttat im Sinne der Akzessorietät ist jedoch nicht erforderlich; insofern war der Ausdruck von § 233 a.F. „vorschubleisten“ treffender.
Betätigungsfelder des Menschenhandels sind:
– | Ausübung der Prostitution oder Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen (näher § 232a, s.u. 5) |
– | Beschäftigung, Anhaltung zu Bettelei und zu strafbaren Handlungen (näher § 232b, s.u. 6) |
– | Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft |
– | Organentnahme |
Bei den Betätigungsfeldern der Sklaverei, Leibeigenschaft und Schuldknechtschaft und bei der Organentnahme verzichtet das Gesetz auf das einschränkende Merkmal der Ausbeutung, da dies von der Richtlinie nicht verlangt sei[15].
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Sklaverei ist der Zustand einer Person, bei dem einzelne oder alle mit dem Eigentumsrecht verbundenen Befugnisse ausgeübt werden (EGMR NJW 07, 41). Leibeigenschaft ist die Rechtsstellung einer Person, die auf einem fremden Grundstück unter Zwang Dienste leisten muss (EGMR NJW 07, 41). Schuldknechtschaft ist ein Abhängigkeitsverhältnis, bei dem der Gläubiger die Arbeitskraft des Schuldners über Jahre oder Jahrzehnte hin mit dem Ziel ausbeutet, dass tatsächlich bestehende oder vermeintliche Schulden abgetragen werden (BT-Dr 15/3045, S. 9). Charakteristisch ist das langjährige „Abtragenmüssen“ der Schulden für illegale Leistungen.
12
Nach dem Bericht des Rechtsausschusses muss „der spätere Ausbeutungszweck als Teil des objektiven Tatbestandes vom Vorsatz des Täters erfasst sein“[16]. Dies erscheint angesichts der vielen Alternativen problematisch. Es stellt sich das Problem des Irrtums über Tatbestandsalternativen[17]. Angesichts des erheblichen Unterschiedes im Unrechtsgehalt der einzelnen Betätigungsfelder (z.B. Prostitution – Anhaltung zur Bettelei) erscheint es kaum erträglich, auf den Vorsatzinhalt zu verzichten[18]. Andererseits würde die Berücksichtigung des Einwandes, der Täter habe nur mit einer Ausbeutung bei einer Beschäftigung und nicht bei der Prostitution gerechnet, den Tatbestand weitgehend lahmlegen. In einigen Fällen wird der dolus eventualis gegeben sein, im Übrigen wird man sich mit einer groben Gleichwertigkeit begnügen müssen.
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5. Die Veranlassung zur Prostitution (§ 232a StGB). Über die Förderungshandlungen des § 232 StGB hinaus erfasst § 232a die tatsächliche Veranlassung zur (Ausübung oder Fortsetzung der) Prostitution oder zu sexuellen Handlungen. Prostitution ist die entgeltliche Vornahme sexueller Handlungen durch Männer oder Frauen mit wechselnden Personen (BGH NStZ 2000, 80, 368). Der Grundtatbestand erfasst die Veranlassung durch Ausnutzung einer Zwangslage (s.o. Rn. 9). Veranlassung ist jede Verursachung, auch eine mittelbare suggestive Steuerung, z.B. durch Schaffung von besonderen Lebensumständen (BGHSt 45,161; NStZ 11, 157; abl. Renzikowski JZ 05, 880). Die Bezeichnung „Zwangsprostitution“ ist nur für die Qualifizierung nach Abs. 2 gerechtfertigt.
Die Ausbeutung nach erfolgter Entschließung zur Prostitution ist strafbar nach §§ 180a und 181a StGB.
Erstmals im Prostitutionsrecht findet sich die Strafbarkeit von Freiern (Abs. 6): das Vornehmenlassen von sexuellen Handlungen gegen Entgelt durch Prostituierte, die Opfer einer Tat nach § 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a oder nach § 232a Abs. 1–5 sind, unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit in einem fremden Land (s.o. Rn. 9)[19]. Freiwillige Anzeige der gegen das Opfer begangenen Tat führt zur Straflosigkeit.
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6. Die Veranlassung zu ausgebeuteter Beschäftigung (§ 232b StGB). § 232b erfasst die Veranlassung (s.o. Rn. 13) zu einer „ausbeuterischen“, besser: ausgebeuteten Beschäftigung, einem Sichbegeben in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft (s.o. Rn. 11) oder zu ausgebeuteter Bettelei[20]. Die Beschäftigung kann bei dem Täter selbst oder einem Dritten erfolgen. Strafbar ist die Beschäftigung zu auffällig ungünstigeren Arbeitsbedingungen im Vergleich zu Arbeitnehmern mit vergleichbarer Tätigkeit (§ 232 Abs. 1 S. 2). Mit dem Erfordernis eines rücksichtslosen Gewinnstrebens soll insbesondere das Verhalten von selbst in einer Not- oder Zwangslage befindlichen Tätern ausgeschieden werden (BT-Dr 18/9095 S. 28).
Infolge der vereinfachten tatbestandlichen Voraussetzungen gerät auch die bloße Veranlassung von Familienmitgliedern und eigenen Kindern in den Bannkreis der Bestimmung[21].
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7. Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB). Der Tatbestand soll vor allem die Fälle erfassen, in denen nicht nachgewiesen werden kann, dass der Täter die Entschließung des Opfers zur Aufnahme der ausgebeuteten Beschäftigung herbeigeführt hat, er sie aber kennt und sich zunutze macht und das Opfer in Kenntnis dieser Bedingungen arbeiten lässt (BT-Dr 18/9095 S. 20, 39), er die ausbeuterischen Verhältnisse bereits vorfindet und ausnutzt (Fischer Rn. 4).
Abs. 5 will typisches Vorschubleisten gesondert erfassen, da eine Strafbarkeit wegen Beihilfe oder Mittäterschaft schwer nachweisbar und eine Strafbarkeit wegen Wucher möglicherweise nicht möglich sei, weil nicht in jedem Falle ein auffälliges Missverhältnis vorliege (BT-Dr 18/9095 S. 41).
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8. Ausbeutung während einer Freiheitsberaubung (§ 233a StGB) § 233a erfasst die Ausbeutung bei der Prostitution, durch eine ausbeutende Beschäftigung, bei der Bettelei und der Begehung strafbedrohter Handlungen bei einer Freiheitsberaubung (die in der Überschrift des Paragrafen genannte Ausbeutung kommt im Gesetzestext ebenso wenig vor wie die Ausnutzung[22]). Die genannten Tätigkeiten sind während einer Freiheitsberaubung schwierig; infrage kommen nur Randbereiche der Freiheitsberaubung wie zum Beispiel die Verbringung an Orte mit erschwerter Möglichkeit der Rückkehr (Fischer 3).
Anmerkungen
[10]
Der Verzicht auf das Merkmal der Ausbeutung beruht bei der Zwangsprostitution auf der Furcht vor einer Stigmatisierung (BT-Dr 18/9095 S. 35), der Verbringung in Sklaverei usw. (§ 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 2) darauf, dass in der Regel bereits eine ausbeuterische Beschäftigung vorliege, bei der Organentnahme darauf, dass die Richtlinie darauf verzichte (BT-Dr aaO S. 33, 29).
[11]
Schroeder NJW 05, 1395. A.A. Renzikowski MK § 232 Rn. 36.
[12]
Nach BT-Dr 18/9095 S. 29 wegen der besonderen Hemmungslosigkeit in der Durchsetzung eigener Interessen „eigene Straftatbestände“, nach Fischer (§ 232 Rn. 28, § 232a Rn. 26, § 232b Rn. 4) Qualifikationen.
[13]
Näher Schroeder FS Lenckner, 1998, S. 335 f.
[14]
S. dazu Kudlich, LK, § 233a Rn. 4.
[15]
BT Dr 18/9095, S. 29.
[16]
AaO S. 26.
[17]
Schroeder, GA 1979, 321.
[18]
So Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 232 Rn. 26.
[19]
2005-2016 § 232. Die Literatur und Judikatur sind z.T. noch verwertbar.
[20]
A.F. § 233. Die Judikatur und Literatur sind z.T. noch verwertbar.
[21]
Die Gesetzesbegründung äußert sich zu diesem Problem sehr undeutlich (BT-Dr 18/9095 S. 27, 37).
[22]
Für das Erfordernis der Ausnutzung BT-Dr 18/9095, S. 43.
IV. Menschenraub (§ 234)
17
Von dem Tatbestand ist nach dem 37. StÄG wenig übrig geblieben (s.o. Rn. 1) und dies kaum praktisch. In seiner zweiten Alternative erinnert er an die frühere Praxis des „Pressens“ unfreiwilliger Soldaten und die skrupellosen Anwerbemethoden in den Zeiten der Söldnerheere. Hinsichtlich der ersten Alternative (Absicht der Aussetzung) enthält § 234 StGB die eigenartige Bestimmung, dass die Vorbereitung einer Tat (§ 221, s.o. § 4 II) mit höherer Strafe (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, also Verbrechen!) bedroht ist als die Tat selbst (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren). Auch derartige Fälle dürften praktisch allerdings kaum vorkommen (s.a. BGH NStZ 01, 247; 11, 158).
Ungeachtet seiner fehlenden tatsächlichen Verwirklichung findet sich § 234 StGB als Bezugsvorschrift in zahlreichen Vorschriften zur Ausweitung und Flankierung des Strafrechts (§§ 126, 130a, 138, 140, 145d StGB, § 100a StPO).
V. Verschleppung und politische Verdächtigung (§§ 234a, 241a)
Schrifttum:
Maurach, Das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, NJW 52, 163; Wagner, Zur Auslegung der Staatsschutzvorschriften über den Schutz der persönlichen Freiheit, MDR 67, 629, 709, 797; Westram, Das Freiheitsschutzgesetz unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, ROW 67, 150.
18
1. Die Begehungsmittel des § 234a sind mit der Verbringung in ein fremdes Staatsgebiet, der Veranlassung, sich dorthin zu begeben, dem Abhalten davon, von dort zurückzukehren, durch List, Drohung oder Gewalt außerordentlich weit gefasst[23]. Noch weiter geht § 241a mit der Anzeige und Verdächtigung, ja sogar der bloßen Mitteilung (§ 241a Abs. 2[24]).
Den Begehungsmitteln des § 234a nachgebildet ist § 237 Abs. 2: Begehung zum Zweck der Zwangsverheiratung (s.o. § 13 Rn. 47).
19
2. Auch die Folgen sind mit Schaden an Leib oder Leben, Freiheitsberaubung oder empfindlicher Beeinträchtigung in der beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung weit umrissen, da totalitäre Staaten erfahrungsgemäß politische Gegner durch Enteignung und berufliche Kaltstellung ausschalten (Denkschrift aaO).
20
3. Die genannten Schäden brauchen nicht tatsächlich eingetreten zu sein; die §§ 234a, 241a sind vielmehr Gefährdungsdelikte. Der Grund für die Ausgestaltung als Gefährdungsdelikt lag darin, dass sich oft nicht feststellen lässt, was mit den Verschleppten oder Denunzierten geschehen ist (Denkschrift aaO). Dies spricht für eine enge Auslegung des Gefahrbegriffs. Auf der anderen Seite ist aber zu berücksichtigen, dass in totalitären Systemen vielfach Dossiers angelegt werden, deren Inhalt erst nach längerer Zeit gegen die Betroffenen verwertet wird. Zur Gefährdung von in der Bundesrepublik lebenden Personen durch Verdächtigung LG Koblenz NStZ 83, 509.
21
4. Entscheidend für die Anwendung der Tatbestände ist die Gefahr, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und die o. Rn. 11 genannten Schäden im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt oder Willkürmaßnahmen zu erleiden. Der Begriff der „Verfolgung aus politischen Gründen“ ist im Anschluss an Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG zu bestimmen als jedes Vorgehen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung im Interesse des Machterwerbs oder -erhalts (BVerfGE 54, 341; § 6 Abs. 2 IRG).
22
Gewalt- oder Willkürmaßnahmen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen können sich ergeben aus a) der fehlenden Rechtsgrundlage, b) dem Anlass der Verfolgung, c) dem Ausmaß der verhängten Nachteile oder ihrer Begründung, d) dem Verfolgungsverfahren.
23
Eine formale Rechtsgrundlage reicht daher für rechtsstaatliche Grundsätze nicht aus[25]. Umgekehrt verstößt es nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze, dass sich ein fremdes als solches nicht rechtsstaatliches Regime mit den üblichen Mitteln schützt[26] oder bei der Verfolgung kriminellen Unrechts insgeheim politische Zwecke verfolgt[27]. Beschränkt das fremde Regime allerdings die Verfolgung kriminellen Unrechts auf politische Gegner, so wird die Verfolgung willkürlich und rechtswidrig (Schroeder JR 86, 164). Gewalt- und Willkürmaßnahmen sind besonders schwere Formen des Widerspruchs gegen rechtsstaatliche Grundsätze[28]. Darunter fällt die Strafverfolgung wegen Republikflucht in der DDR (BGH 42, 280; s. aber u. Rn. 24).
24
5. Der Versuch ist strafbar (§§ 23, 241a Abs. 3). Bei § 234a ist sogar die Vorbereitung strafbar (Abs. 3). § 30 Abs. 2 geht mit seiner höheren Strafdrohung vor[29], sodass § 234a Abs. 3 praktisch nur für den allein vorbereitenden Täter übrig bleibt. Auch in diesem Fall ist jedoch § 31 analog anwendbar[30].
25
6. Die §§ 234a, 241a gelten nach § 5 Nr. 6 auch für außerhalb der Bundesrepublik begangene Taten, wenn sich die Tat gegen Deutsche richtet, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, worunter auch die DDR fiel[31]. Eine Strafbarkeit soll bei ehemaligen DDR-Bürgern wegen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes und der einheitlichen Behandlung mit Richtern und Staatsanwälten nur gegeben sein, wenn mit schweren Menschenrechtsverletzungen zu rechnen war, worunter nicht jede Anzeige wegen Republikflucht falle[32].
Anmerkungen
[23]
Die Vorschrift wurde Vorbild für das Verbot der Zwangsheirat nach § 237 von 2011!
[24]
Einschränkend hierzu BGH 11, 91 und NJW 58, 874.
[25]
BGH 14, 106; KG NJW 56, 1570.
[26]
BGH 33, 238 m.Anm. Schroeder JR 86, 162; OLG und LG Koblenz NStZ 82, 525; 83, 508. A.A. BGH 14, 106.
[27]
Bedenklich BGH 6, 167; BGH GA 68, 297.
[28]
BGH 33, 238 m. zust. Anm. Schroeder JR 86, 162.
[29]
BGH 6, 85 m.Anm. Maurach JZ 54, 637.
[30]
BGH 6, 85; BGH NJW 56, 30.
[31]
BGH 30, 1 m.Anm. Schroth NJW 81, 500; Abendroth StV 81, 174; Schroeder NStZ 81, 179; Wengler JR 81, 206; Bath Jura 85, 197; BGH 40, 130. Einschränkend OLG Düsseldorf NJW 83, 1277; abl. Motsch ROW 84, 298.
[32]
BGH 40, 136 m. abl. Anm. Reimer NStZ 95, 83; Seebode JZ 95, 417; Wassermann NJW 95, 931; BGH NStZ 95, 288. Kritisch auch König JR 97, 320 f.
VI. Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme (§§ 239a, 239b)
Schrifttum:
Bohlinger, Bemerkungen zum Zwölften Strafrechtsänderungsgesetz (12. StrÄG), JZ 72, 230; Brambach, Probleme der Tatbestände des erpresserischen Menschenraubes und der Geiselnahme, 2000; Graul, Vom Zustand der Zeit im Umgang mit Gesetzen, dargestellt am Beispiel der §§ 239a, 239b StGB, in: Inst. f. Kriminalwissenschaften Frankfurt a.M. (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 1995, 345; Hansen, Tatbild, Tatbestandsfassung und Tatbestandsauslegung beim erpresserischen Menschenraub (§ 239a StGB), GA 74, 353; Immel, Die Gefährdung von Leib und Leben durch Geiselnahme (§§ 239a, 239b StGB), StrAbh. n.F. 138, 2001; Maurach, Zur Rechtsnatur des erpresserischen Kindesraubes (§ 239a StGB) JZ 62, 559; Maurach, Probleme des erfolgsqualifizierten Delikts bei Menschenraub, Geiselnahme und Luftpiraterie, FS Heinitz 1972, 403; Middendorf, Menschenraub, Flugzeugentführungen, Geiselnahme, Kidnapping, 1973; Müller-Emmert/Maier, Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme – zu den §§ 239a, 239b StGB neuer Fassung –, MDR 72, 97; Nikolaus, Zu den Tatbeständen des erpresserischen Menschenraubs und der Geiselnahme (Diss. Bonn), 2003; Renzikowski, Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme im System des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches, JZ 94, 492; Rheinländer, Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme (§§ 239a, 239b StGB), 2000; Stockmayer, Das Verbrechen des erpresserischen Kindesraubes, Diss. Tübingen, 1937; Zschieschack, Geiselnahme und erpresserischer Menschenraub (§§ 239a, 239b StGB) im Zwei-Personen-Verhältnis, 2001.
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