Kitabı oku: «Wohlstand, Demokratie und weiter?», sayfa 4

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1 Eine Begrenzung von Boni nicht nur für die Zukunft, sondern auch eine Haftung mit schon gezahlten Boni bzw. Einkommen für die Auswirkungen von Geschäften, die jemand zu verantworten hat. Das wäre zunächst einmal Banken-intern eine sinnvolle Sache. Schauen wir uns dazu die Deutsche Bank an. Deren Aktienkurse gingen nach der Hochphase der Finanzkrise auf einen jahrelangen Sinkflug und verloren über 80 % ihres Wertes. Die Ursachen liegen aber in früheren, häufig rechtlich zweifelhaften Geschäften, deren Folgen sich erst später zeigen. Demnach haben einige der früher tätigen Manager und Führungskräfte, insbesondere Josef Ackermann als langjähriger Chef, wohl doch keine so gute Arbeit geleistet und damit auch ihre Millionen-Einkommen nicht wirklich verdient. Wenn die Banken eine sinnvolle Regelung für sich nicht hinbekommen, sollte zumindest aber der Staat, wenn er aus gesamtwirtschaftlichen Gründen eingreift, sich das Recht eines Zugriffs auch auf frühere Einkommen nehmen. Um seriös arbeitenden Managern Sicherheit zu gewähren, könnte zu gegebener Zeit eine Behörde wie die BaFin eine Entlastung erteilen. Folgen: Cassano und Co. hätten ihre exorbitanten Einkommen wieder zurückzahlen müssen. Auch wäre Georg Funke, Ex-Chef der HRE, nicht vor Gericht gegangen, um seine noch ausstehenden Millionen-Gehälter einzufordern, nachdem man ihn nach der Verstaatlichung der HRE entlassen hatte, sondern hätte rückwirkend seine früher erhaltenen, offensichtlich weitgehend leistungslosen Riesen-Bezüge wieder abgeben müssen. Das wäre zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein der Gesamtverluste gewesen, aber kommende Banker wüssten, dass sich nur nachhaltiges Wirtschaften lohnt.

2 Eine Prüfung und Zulassung bzw. Besteuerung von neuen Finanzprodukten nach dem Vorsorgeprinzip. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Dienstleitungen nicht nur ökologische Nebenwirkungen haben können. Bei der Zulassung von z. B. neuen Chemikalien oder Medikamenten gilt in der EU das Vorsorgeprinzip: Bevor diese auf den Markt gebracht werden dürfen, muss der Hersteller die gewünschte Wirkung und die Unschädlichkeit nachweisen. Wenn man das auch bei Finanzprodukten anwendet, begegnet man dem Problem, dass Banken aufgrund wesentlich mehr Personals neue Produkte viel schneller entwickeln können, als die Behörden diese prüfen können. Bei der Verbriefung der faulen Hypotheken und den Kreditausfallversicherungen hätten damit Auswüchse verhindert werden können.

3 Einführung von staatlichen Kontrolleuren, die zumindest in den wichtigen Banken dauerhaft die Rechtmäßigkeit der Vorgänge prüfen, ähnlich dem Einsatz von staatlichen Kontrolleuren an Bord von Fischfangschiffen. Gedacht als Ersatz für bislang banken-interne Kontrolleure, die natürlich von ihrem Arbeitgeber abhängig sind und die, wenn sie ihre Arbeit gut im Sinne der Gesellschaft machen, ggf. mit Schikanen oder Kündigung rechnen müssen, wie Frontal 21 im April 2016 anhand von Beispielen berichtet40.

4 Einführung eines Vollgeldsystems, wie es von verschiedenen Finanzfachleuten vorgeschlagen wird. Würde im Monopoly-Modell bedeuten: Rückkehr zu den ursprünglichen Regeln und in der Wirklichkeit damit zu dem, was vielleicht von den meisten Bürgern zumindest bis vor einiger Zeit als wahr angenommen wurde: Geld wird grundsätzlich von der Zentralbank ausgegeben. Das Geld auf Ihrem Konto wird dann von der Bank nur verwaltet, ähnlich wie einem Aktiendepot. Damit wären die Konten bei einer Insolvenz der Bank nicht betroffen, die Gefahr eines Bankenruns wäre nicht mehr gegeben und wenn die Zentralbank in schlechten Zeiten ohnehin anstelle anderer Banken bei der Kreditvergabe einspringen muss, kann sie das auch in guten Zeiten und damit am Gewinn teilhaben.

Es gibt eine Reihe von Vorschlägen zu Veränderungen des Geldsystems aus der Wissenschaft und regional werden auch verschiedene Modelle in privater Eigenregie erprobt41. Unser aktuelles Geldsystem ist also weder alternativlos noch ohne jeden Zweifel das bestmögliche. Das sollte von der Politik auch außerhalb der Schweiz, wo eine Volksabstimmung dazu ansteht42, endlich aufgegriffen und diskutiert werden.

Finanzkrise und Demokratie

Verschiedene Autoren sahen im Zusammenhang mit der Finanzkrise eine Gefahr für die Demokratie, wohl unter dem Eindruck der Notwendigkeit, extrem schnell sehr weitreichende Maßnahmen wie den SoFFin zu beschließen, um Schlimmeres zu verhindern. Ob es damals wirklich notwendig war, dass das Parlament seine Kontrollmöglichkeiten weitgehend abgab, kann man natürlich bezweifeln. Die wesentliche Frage aber ist: Wie groß ist die Gefahr, dass sich eine ähnliche Fehlentwicklung in der Zukunft wiederholt, dass die Demokratie wieder aufgrund von Sachzwängen in das zweite Glied treten muss und dass es vielleicht noch schlimmer kommt und die Krise kaum noch eingedämmt werden kann? Dass sich im Folgenden kein weiterer so massiver Crash wie der Zusammenbruch von Lehmann ereignete, gab vielen Menschen sicher das Gefühl, das Schlimmste sei vorbei und die Politik habe das Problem wohl im Griff. Und mit vielleicht noch ein wenig Grummeln im Bauch ging man wieder zur Tagesordnung über. So spielte das Thema Banken bei der Bundestagswahl 2013 in Deutschland eine vergleichsweise geringe Rolle, über andere Themen, die tatsächlich viel weniger Bedeutung für die Bevölkerung haben, wie etwa die Pkw-Maut, wurde viel mehr diskutiert. Hier stellt sich die Frage, ob dies möglicherweise ein generelles Problem in unserer Demokratie ist. Es spricht jedenfalls einiges dafür, dass beim Thema Banken und Finanzbranche mehr Aufmerksamkeit angebracht gewesen wäre und auch in Zukunft sinnvoll wäre. So war ein wesentlicher Grund für die vermeintliche Stabilität der Banken nach Lehmann schlicht und einfach der Umstand, dass diese erst einmal vorsichtiger geworden sind. Nur weil eine Ratingagentur ein Wertpapier mit AAA beurteilt hat, wird eine Bank das vorerst kaum noch kaufen, sondern selber prüfen wollen. Das ist auch sinnvoll, denn die Beurteilung einer möglichen Investition wie eine Kreditvergabe gehört zu den ureigensten Aufgaben einer Bank43. Diese neue Vorsichtigkeit der Banken wird aber von alleine kaum von Dauer sein, ohne geeignete Regulierung geht irgendwann alles wieder von vorne los, nach der Krise ist vor der Krise. Die von der Politik getroffenen Maßnahmen erscheinen dabei halbherzig, wenn nicht teilweise alibimäßig, was nicht verwundern muss vor dem Hintergrund, dass die Regierung sich mit u. a. Goldman-Sachs und der Deutschen Bank gerade von den Instituten beraten ließ, die die Blase nicht unerheblich vorangetrieben haben. Jedem, der hingegen an ernst zu nehmender Stelle etwa die Einführung eines Vollgeldsystems vorschlägt, dürfte der volle Widerstand der Banken sicher sein. Das Problem dabei ist, dass die Banker ihr Geschäft natürlich besser kennen als jeder andere und es damit entsprechend verteidigen können. Aber genau das macht eine breite Diskussion notwendig, von Fachleuten so aufbereitet, dass letztlich demokratisch entschieden werden kann. Die Gefahr von neuen Fehlentwicklungen in der Finanzbranche ist also nicht gebannt. Nicht in Europa und auch nicht in den USA, wo man zwar zunächst unter Präsident Obama die Regulierungen konsequenter als in Europa verschärfte, wo aber 2017 mit dem neugewählten Präsidenten Trump alles auf wesentliche Lockerungen dieser Regulierungen hindeutet44. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass sehr bald nach der Krise in den Führungsetagen der Banken wieder kräftig verdient wurde und wird, teilweise sogar besser als zu den (aus Bankensicht) besten Zeiten der US-Immobilienblase. Hier stellt sich die Frage, ob, um mit dem Bild zu sprechen, die Geldkuriere nur gut verhandelt haben oder ob sie schon wieder Umwege fahren. Aber die Gefahr neuer Blasen ist längst nicht alles, tatsächlich ist die alte Krise noch gar nicht überwunden. Das liegt zum einen daran, dass noch genügend faule Kredite im System sind. Deshalb kam es in den Folgejahren zwar noch nicht zu großen Crashs, aber die eine oder andere Rettungsaktion wurde doch immer mal notwendig, wie am Beispiel der oben erwähnten Dexia-Bank gesehen. Mittlerweile, auch wegen des sogenannten Brexit, werden die Sorgen um ein neues Aufflammen der Bankenkrise wieder größer. Der italienische Notenbankchef geht davon aus, dass die Banken seines Landes staatliche Hilfe benötigen. Von faulen Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro, auf denen Italiens Banken sitzen, ist die Rede45. Zum anderen hatte sich das Problem zu einem Teil verlagert, womit auch die Banken etwas aus dem Fokus gerieten. Damit kommen wir im nächsten Kapitel zur Eurokrise.

Die Eurokrise

Moskau, ein sonniger Tag Ende Mai 2011: Nach getaner Arbeit könnte man wunderbar in einem der großen Parks spazieren gehen, einen Bummel über den Arbat machen oder sonst wie die Seele baumeln lassen. Stattdessen versammelte sich ein vergleichsweise großer Teil der deutschen Gemeinde in einem geräumigen Saal, um Ausführungen von Ex-Außenminister Joschka Fischer zur Eurokrise zu lauschen. Fischer zeigte sich als überzeugter Europäer und vertrat offensiv die mittlerweile angelaufene, aber noch junge Euro-Rettungspolitik. Eigentlich nichts Besonderes, wie schon eingangs erwähnt, waren ja bis auf die Linke alle Bundestagsparteien einhellig dafür, aber Fischer hatte seine aktive Zeit ja schon hinter sich und war damit abgeklärter. Es ging für ihn nicht mehr um Posten, Karriere und persönlichen Erfolg, was die Sache wieder interessanter machte. Und live dabei sein ist ja auch irgendwie exklusiv. Also vertröstet man die Seele und erweitert seinen Horizont. Bei den Fragen, die an Fischer aus dem Auditorium gerichtet wurden, ging es hauptsächlich um kurz- und mittelfristige wirtschaftliche Folgen der Krise, hauptsächlich Griechenlands, und der Rettungsmaßnahmen. Fischer beschwichtigte nicht rundherum, sondern machte klar, dass noch ein schwieriger Weg zu gehen sei und die eine oder andere Verwerfung auftreten würde, am Ende aber ein geeintes und gestärktes Europa hervorgehen werde. Eine Frage fiel etwas aus der Reihe, sie war längerfristig ausgerichtet, worauf Fischer antwortete, in seinem Alter fahre man auf Sicht, da könne er nur spekulieren. Meine Frage hätte sich auf mögliche moralische Auswirkungen bezogen: Hatte man keine Sorge, dass z. B. die Lust am Steuern Zahlen schrumpfen könnte? Ich kam aber nicht dran. Das Ganze war vielen Diskussionen in Talk-Shows usw. ähnlich, die häufig im Fernsehen zu sehen waren. Da wurde dann diskutiert, ob der Euro nun gut oder schlecht für Deutschland sei und natürlich, was denn zu tun sei, um aus der Krise herauszukommen. Sowohl in den Diskussionen als auch in der Literatur zeigte sich, dass die Fachwelt sich bei Weitem nicht so einig war wie die Politik. So warnten Hans-Werner Sinn vor der Target-Falle46 und Thilo Sarrazin in Europa braucht den Euro nicht47 vor einer Transfer-Union. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger setzte sich in Deutschland braucht den Euro sehr kritisch mit einigen von Sinns Vorschlägen auseinander48 und der Währungsspezialist Wilhelm Hankel zeigte Wege auf, Die Eurobombe zu entschärfen49, um nur wenige Beispiele zu nennen. Nachdem eine ganze Weile Ruhe eingekehrt zu sein schien, kochte die Krise 2015 mit Griechenland wieder hoch, schien sich aber weitgehend darauf zu beschränken. Grund genug, sich etwas eingehender mit den wesentlichen Mechanismen zu beschäftigen und Folgerungen zu ziehen:

Eine kurze Geschichte der Eurokrise

Vorgeschichte Schon lange vor Einführung des Euro waren die europäischen Währungen nicht völlig unabhängig voneinander, sondern im Rahmen europäischen Währungssystems miteinander verbunden. Als dabei ab etwa Anfang der 80er Jahre die D-Mark die Rolle einer inoffiziellen Leitwährung einnahm, fingen auch die traditionell zu höherer Inflation und höheren Zinsen neigenden Südländer an, etwas stabiler zu werden. Der Euro war wohl gedacht als ein wesentlicher Schritt im Einigungsprozess Europas hin zu einer Art Vereinigte Staaten von Europa mit insbesondere einheitlicher Steuer- und Wirtschaftspolitik, geredet wurde darüber aber nicht viel in der Öffentlichkeit. Über die Stabilität der geplanten gemeinsamen Währung gab es dabei unterschiedliche Vorstellungen: Während die Südschiene inklusive Frankreich wohl im Auge hatte, den Druck durch die D-Mark loszuwerden und wieder etwas freier haushalten zu können, ging Deutschland von einem Euro vergleichbar stabil der D-Mark aus. Und schien sich durchzusetzen: Die Maastricht-Kriterien sahen eine Staatsverschuldung von maximal 60 % des BIP und eine maximale Neuverschuldung von 3 % vor. Eine gegenseitige Übernahme von Staatsschulden war nicht nur nicht vorgesehen, sondern ausdrücklich ausgeschlossen (No bail out). Nicht vorgesehen war in den Verträgen außerdem ein späterer Wiederaustritt eines Staates aus der Eurozone. Warnungen von Fachleuten vor den Gefahren dieses Konstruktes gab es schon in den 90er Jahren und so versicherte z. B. die CDU vor der Europawahl `99 mit Hinweis auf die No-bail-out-Regel ausdrücklich, eine gegenseitige Haftungsübernahme sei ausgeschlossen. Dass die Inhalte des Maastricht-Vertrages allerdings bei Bedarf nicht ganz so genau genommen wurden, zeigte sich dann schon bei der Einführung des Euro, denn z. B. Italien hätte da aufgrund der zu hohen Verschuldung gar nicht dabei sein dürfen. Infolge der Einführung glichen sich die Zinsen in den Teilnehmerländern der Eurozone dann weitgehend an und waren damit besonders in den Südländern auf einmal wesentlich geringer als gewohnt, allerdings immer noch etwas höher als in Deutschland. Das führte zu gewaltigen Kapitalabflüssen aus der Bundesrepublik in den Süden, denn die Kreditgeber wollten von den höheren Zinsen profitieren und das Währungsrisiko war nun ja nicht mehr gegeben. Die Wirtschaft florierte darauf hin in diesen Ländern mit unterschiedlichen Folgen: In Spanien etwa investierte man und es wurde ein beispielloser Immobilienboom und damit eine Blase ausgelöst, ähnlich wie sie sich in den USA aufbaute. Das Staatsdefizit Spaniens war sehr gering, Spanien war zum Musterknaben geworden. In Griechenland wurde konsumiert und die Wirtschaft passte sich an: Import war häufig lukrativer als Produktion, so wurden z. B. zahlreiche Olivenhaine brachgelegt. Als Gemeinsamkeit wiesen die Südländer alle Leistungsbilanzdefizite auf. Und mit der durch das von außen kommende Kapital angekurbelten Wirtschaft wuchsen auch die Löhne und Preise, womit die Wettbewerbsfähigkeit verloren ging. Ganz anders die doch bis dahin erfolgsverwöhnte Bundesrepublik: Die Kapitalabflüsse führten zu Wirtschaftseinbrüchen (bzw. geringen Wachstumsraten), Arbeitsplätze und Wohlstand schienen in Gefahr. Dem musste man entgegentreten und tat das auch: Zurückhaltung bei der Lohnentwicklung in der Wirtschaft und die Agenda 2010 von Bundeskanzler Schröder als Maßnahme der Politik waren die Antworten. Deutschland glich damit die schwächelnde Binnenkonjunktur durch einen Exportboom aus und baute spiegelbildlich zu den Südländern enorme Leistungsbilanzüberschüsse auf. Außerdem riss Deutschland, gemeinsam mit Frankreich, die 3 %-Hürde des Maastricht-Vertrages, was später immer wieder gerne als Präzedenzfall angegeben wird. Während die schmerzhaften Folgen der Schröder-Reformen bei den Betroffenen unmittelbar ankamen, lassen sich die wachstumsfördernden Folgen solcher Maßnahmen naturgemäß nicht so direkt zuordnen und treten überdies in aller Regel zeitlich verzögert ein. Ursachen für Schröders Abwahl und Merkels Kanzlerschaft ab 2005 sind also wohl zumindest unter anderem in diesen Reformen zu suchen.

2007 und 2008 dann die Bankenkrise: Die Immobilienblasen, die sich in Spanien und auch in Irland aufgebaut hatten, platzten, Irland war aufgrund seines aufgeblähten Finanzsektors ganz besonders betroffen. Die Staaten übernahmen hier wie auch anderswo wesentliche Teile der Bankenschulden und die Wirtschaft brach ein und damit stieg die Schuldenquote in beiden Ländern sprunghaft an, aus den Musterknaben waren Sorgenkinder geworden. Klar wurde, dass das weggefallene Währungsrisiko Kredite in den Südländern nicht sicherer machte und die Kapitalflüsse brachen ab. Die Wirtschaft konnte sich aber nicht so schnell wieder umstellen und die Leistungsbilanzdefizite blieben bestehen, jetzt aber finanziert von der EZB über Refinanzierungskredite, was sich in den Nordländern durch positive und wachsende Target-Salden widerspiegelte. Was hat es damit auf sich? Internationale Zahlungen innerhalb der Eurozone werden über die Zentralbanken über das Target2-System abgewickelt. Wenn z. B. aus Deutschland zur Anlage eine Überweisung nach Spanien gemacht wird, zahlt die deutsche Geschäftsbank an die Deutsche Bundesbank und die spanische Zentralbank zahlt an die spanische Geschäftsbank. Bestehen bleibt eine Forderung der spanischen Zentralbank an die Deutsche Bundesbank. Wenn dann mit dem Geld in Spanien aus Deutschland importiert wird, geht das Geld wieder zurück und die Salden der spanischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank sind wieder ausgeglichen. So lief es in den ersten Jahren nach Einführung des Euro. Mit Beginn der Krise blieben die Anlagen aus Deutschland aus, aber importiert wurde weiter, und zwar finanziert durch Kredite der EZB. Jetzt floss das Geld verstärkt nur in eine Richtung und im Jahr 2012 hatte die Deutsche Bundesbank Target-Guthaben von knapp 600 Milliarden Euro. Das Problem dabei: Das Guthaben kann nicht anderweitig verwendet werden, zum Ausgleich muss wieder Geld in die andere Richtung fließen, etwa, weil Deutschland mehr aus Spanien importiert als dorthin exportiert. Hier wird deutlich, dass es bei der Eurokrise um mehr geht, als nur um Staatsschulden, wie es häufig gesehen wird. Aber die Staatsschulden stehen im Mittelpunkt und wenden wir uns jetzt diesen zu: Ganz allgemein ist zunächst festzustellen, dass das System der Staatsverschuldung auch eine Art Schneeballsystem, auch Ponzi-System genannt, ist, wenn auch ein meistens relativ langsam wachsendes: Ein Staat nimmt Geld auf und gibt dafür keine Sicherheit aus, wie etwa ein Hausbauer über die Hypothek. Die Rückzahlung erfolgt dann zumeist nicht etwa, weil sich jetzt die Haushaltslage verbessert hat, sondern über die Aufnahme neuer Schulden. Das funktioniert, solange es immer wieder neue Anleger gibt, die auf die Rückzahlung vertrauen. Und genau dieses Vertrauen schwand, als Griechenland 2009 neue Haushalts-Zahlen veröffentlichte.

Die Krise ab 2009 Griechenland drohte damit die Zahlungsunfähigkeit und im Gegensatz zu Staaten mit nationalen Währungen bestand auch nicht die Möglichkeit, die fälligen Anleihen mit Hilfe der Notenbank zu bedienen. Hier werden deutsche Urängste wach, es kommen Bilder der Hyperinflation nach dem 1. Weltkrieg hoch. Monetäre Staatsfinanzierung muss aber nicht immer und sofort zu einer Hyperinflation führen, die USA praktizieren das schon lange. In Bezug auf Griechenland stellte sich jetzt für die anderen Staaten die Frage, was zu tun sei. Es gab im Wesentlichen drei Möglichkeiten:

1 Die Zahlungsunfähigkeit. Man hätte im Wesentlichen gar nichts tun können, bis vielleicht auf ein Hilfspaket zur Abfederung des Umbruchs. Griechenland wäre sicher zu einer eigenen Währung zurückgekehrt, es wäre zu erheblichen Wirtschaftseinbrüchen gekommen, auch in anderen Ländern, da es über den Zahlungsausfall zu Bankenpleiten gekommen wäre. Andere Länder hätten auch ins Straucheln kommen können und das Projekt der gemeinsamen Währung insgesamt schien so in Gefahr. Klar, dass das alles nicht gewollt war, also musste etwas getan werden, was unter dem Begriff Euro-Rettung diskutiert wurde.

2 Ein Mittelweg wäre gewesen, nur die von der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands betroffenen Banken des jeweils eigenen Staates zu retten, soweit notwendig. Damit wären die Summen zur Rettung geringer gewesen, hätten aber zum Teil gleich abgeschrieben werden müssen. Wirtschaftseinbrüche hätte es sicher auch gegeben, aber in geringerem Maße. Schon alleine der Umstand, dass nach 2008 schon wieder die Banken hätten gerettet werden müssen, nachdem das doch nicht wieder passieren sollte, wäre eine große Gefahr für die regierenden Politiker gewesen. Also geht man in die Vollen, der dritte mögliche Weg:

3 Die Rettung (der Zahlungsfähigkeit) des griechischen Staates: Die Schulden werden von den anderen Staaten bedient und Griechenland verspricht, Maßnahmen zu ergreifen, seinen Staatshaushalt zu konsolidieren und später alles zurückzuzahlen. Diese Lösung hat Charme: Die Wirtschaft außerhalb Griechenlands, etwa in Deutschland, ist am wenigsten betroffen und es muss niemand etwas abschreiben. Das heißt, die Staatsschulden der Bundesrepublik wachsen durch die Maßnahmen nicht, da man das Geld ja nur verliehen hat, teilweise auch nur die Haftung übernommen hat. Aus deutscher Sicht so etwas wie ein (zunächst) kostenloses Konjunkturpaket. Klasse! Klar, dass das die Lösung der Wahl ist.

Die Rettung Griechenlands zahlt sich also nicht zuletzt in Deutschland aus. Wurde auch Zeit, nachdem der Euro ja in den ersten Jahren für erhebliche Probleme hierzulande gesorgt hat, nicht wahr? Und es kommt noch besser: Wie schon gesehen, hat sich jetzt herumgesprochen, dass Anlagen im Süden doch etwas risikoreicher sind, als gedacht und das Geld fließt wieder zurück, was Wasser auf die Mühlen der deutschen Wirtschaft ist. Außerdem wirkt ja

Schröders Agenda 2010 mittlerweile auch noch. Kein Wunder also, dass Deutschland so gut durch die Krise kommt, wie Merkel nicht müde wurde zu betonen. Und die anderen Länder? Es wird der temporäre Rettungsschirm EFSF gegründet, unter den neben Griechenland, das sein 2. Hilfspaket erhält, auch noch Irland und Portugal schlüpfen. Und Griechenland bekommt etwas später endlich einen teilweisen Schuldenschnitt, die Banken müssen jetzt doch einen Teil der Schulden abschreiben, der größte Teil ist aber verlagert auf die anderen Staaten. Jetzt müsste die immer postulierte Ansteckungsgefahr für die anderen Staaten doch gebannt sein, oder? Aber nein, entgegen allen früheren Beteuerungen sieht man sich gezwungen, einen dauerhaften Rettungsschirm einzurichten, der Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM kommt im Sommer 2012. Die rechtlichen Folgen dieses Vertrages sind durchaus umstritten, aber immerhin begrenzt das Bundesverfassungsgericht die deutsche Haftung auf zunächst 190 Milliarden Euro, für mehr muss der Bundestag entscheiden. Im Gegenzug zum ESM wird der Fiskalpakt geschlossen, ab jetzt sollen die Staatsschulden wirklich nicht mehr aus dem Ruder laufen.

Parallel wird die EZB tätig: Die Leitzinsen werden gesenkt, die Kredite an klamme Banken werden massiv ausgeweitet, es werden Staatsanleihen aufgekauft und EZB-Chef Draghi kündigt an, das so lange und so umfangreich zu tun, wie es notwendig sein sollte. Ein speziell zu diesem Zweck aufgelegtes Programm kommt tatsächlich gar nicht zu Anwendung, hier reichte wohl die Ankündigung, um die Märkte zu beruhigen. Diese Maßnahmen der EZB sind alles andere als unumstritten, Bundesbankchef Weidmann wird mit schöner Regelmäßigkeit im EZB-Rat überstimmt50.

Nach der Zypernkrise im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 wurde es dann ruhiger, man konnte den Eindruck gewinnen, die Krise sei weitgehend überstanden. Bis … ja bis im Januar 2015 Neuwahlen in Griechenland notwendig wurden. Zeitlich fiel das zusammen mit der bislang weitreichendsten Maßnahme der EZB.

Die Krise 2015 Anfang des Jahres beschließt die EZB ein billionen-schweres Ankaufprogramm: Jeden Monat sollen für ca. 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere aufgekauft werden51. Und diesmal bleibt es nicht bei der Ankündigung. Begründet wird dies mit der Abwendung einer Deflationsgefahr, denn die Inflation innerhalb der Eurozone ist deutlich unter die Zielmarke von 2 % gefallen. Die Angst vor der Deflation liegt dabei darin, dass bei fallenden Preisen Investitionen aufgeschoben werden und es so zu einem Abschwung kommt, mit weiter fallenden Preisen usw. Natürlich ist auch dieses Programm nicht unumstritten, die niedrige Inflation beruht zu einem großen Teil auf dem gefallenen Ölpreis, der wiederum eine Folge des Frackingbooms in den USA ist. Als Folge sanken die Energiekosten und die Wirtschaft wuchs. Wollte man doch eigentlich. Für einen generellen Deflationstrend spricht das noch nicht unbedingt. Vielleicht sind also wesentliche Gründe für dieses Programm doch woanders zu suchen? Das auch vor dem Hintergrund, dass Inflation durchaus keine objektiv und eindeutig festgelegte Größe ist, und es immer wieder Vorwürfe gab, sie würde künstlich heruntergerechnet. Zuerst, um dem Vorwurf des „Teuro“ zu begegnen, jetzt dann, um doch monetäre Staatsfinanzierung zu betreiben? Werfen wir kurz einen Blick auf die Folgen des Programms:

 Zunächst eine Abwertung des Euro, die ja gewollt ist, um die Inflation zu erhöhen. Damit einher geht eine Stärkung des Exports aus der Eurozone, was auch gewollt ist. Der Export innerhalb der Eurozone bleibt allerdings unberührt und bei hochqualitativen Produkten, wie etwa aus dem deutschen Maschinenbau, dürfte dies teilweise auch zu Mitnahmeeffekten führen52.

 Die Zinsen der Sparer sind noch weiter gesunken, als dies ohnehin schon der Fall war. Das betrifft nicht nur unmittelbare Einlagen bei Banken, sondern etwa auch vom Staat über Riester geförderte Lebensversicherungen zur Altersvorsorge.

 Im Gegenzug wurden Aktien und weitere Vermögenswerte schlagartig aufgewertet. So gesehen fand eine Umverteilung von Sparvermögen zu Aktien u. Ä. statt.

 Durch dieses Programm wie auch schon durch die chronisch niedrigen Zinsen werden erneute Blasenbildungen begünstigt.

Das Ankaufprogramm der EZB kann also für Otto Normalverbraucher durchaus bedeutende Folgen haben. Viel mehr Beachtung in der Öffentlichkeit fand aber das griechische Schuldendrama.

Aber gehen wir zunächst ein gutes halbes Jahr zurück: Griechenland hat das Jahr 2014 mit einem Defizit von nur noch 3,5 % und einer Wachstumsrate von 0,8 % abgeschlossen und strebte, noch unter Antonis Samaras, eine baldige Rückkehr an den Kapitalmarkt an, wie es zuvor schon Portugal und Irland gelungen ist. Dann wurden überraschend Wahlen notwendig, aus denen Alexis Tsipras als Sieger hervorging und im Januar 2015 Regierungschef wurde. Aufgrund der angekündigten Abkehr vom Sparkurs akzeptierte die EZB griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit, versorgte aber stattdessen die griechischen Banken mit Notfallkrediten in einer Höhe von rund 90 Milliarden Euro und hielt damit die Wirtschaft in Griechenland aufrecht. Erst als die Kredite zum Ablauf des 2. Programms, wo man um die Auszahlung von 7,4 Milliarden gefeilscht hat, nicht weiter erhöht werden, kommt Bewegung in die Sache und jetzt geht es gleich um ein 3. Hilfspaket im Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro für die nächsten 3 Jahre53. Sicherlich hat der Zick-Zack-Kurs von Tsipras zu wirtschaftlichen Einbrüchen geführt, aber ein solcher zusätzlicher Bedarf für die Staatskasse in nur 6 Monaten scheint doch etwas hoch gegriffen (zum Vergleich: Die gesamte Staatsschuld beträgt Ende 2014 rund 320 Milliarden Euro). Kaum zu glauben, dass sich die Lage für die Insider noch Ende 2014 so viel besser dargestellt hat, als man ein 3. Hilfspaket noch kategorisch ausgeschlossen hat. Kann es also sein, dass Tsipras jetzt als Sündenbock für eine Wahrheit dient, die man dem eigenen Wähler vorher nicht eingestehen wollte? Und das Schauspiel wird aufrechterhalten: Während jetzt unter Fachleuten weitgehend Einigung herrscht, dass es bei den Zahlungen um Transfers geht, d. h. die Kredite nicht komplett zurückgezahlt werden können, heißt es von Seiten der Politik, man könne eventuell die Fristen strecken und die Zinsen senken, aber es komme alles zurück. Auch in Bezug auf andere Staaten klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander: Ende Mai 2015 äußerte Wolfgang Schäuble in einem Interview, die anderen Staaten seien auf Wachstumskurs und erklärte die Eurokrise mit Ausnahme von Griechenland für weitgehend ausgestanden. Erinnert an den ehemaligen französischen Präsidenten Francois Hollande, der schon im Februar 2013 die Krise für beendet erklärt hatte54, kurz vor der Zypernkrise. Im Folgenden dazu einige Zahlen:

Frankreich weist für 2014 mit 4 % ein immer noch zu hohes Defizit auf und hatte für die beiden folgenden Jahre von der EU-Kommission grünes Licht für weitere Defizit-Überschreitungen bekommen55. Ebenfalls 2014 beträgt die Staatsschuldenquote 95 % und die Arbeitslosenquote liegt im Mai 2015 mit 10,3 % zwar im europäischen Mittelfeld, ist aber der höchste Wert in Frankreich seit Beginn der Aufzeichnungen. Spanien weist seit 2008 jeweils noch höhere Defizite als Frankreich auf, zuletzt 5,8 % für 2014, die Schuldenquote beläuft sich auf 97,7 % und die Arbeitslosenquote wird mit 22,5 % in Europa nur noch von Griechenland übertroffen. Italiens Defizite liegen in den letzten Jahren bei knapp 3 % und damit etwas niedriger, dafür beträgt die Schuldenquote aber 2014 schon stattliche 132 % und Italiens Wirtschaft schrumpft seit 2012 leicht, während Frankreich moderate Wachstumsraten zwischen 0,2 % und 0,7 % aufweist. Nach den vielen Zahlen noch ein paar mehr, für einen Blick auf die gesamte Eurozone (19 Länder), seit 2011: Die Schuldenquote stieg jedes Jahr bis auf 92,0 % Ende 2014, es gab in jedem Jahr ein Defizit, welches von 4,2 % in 2011 auf 2,6 % in 2014 fiel, das Wachstum schwankte zwischen 1,5 % in 2011 und -0,9 % in 201256. Berücksichtigt sind dabei jeweils nur die expliziten Staatsschulden, die implizite Verschuldung, die z. B. durch zukünftige Pensionsansprüche einer alternden Gesellschaft steigt, ist dabei noch gar nicht mit einbezogen.

Was zeigen die Zahlen? Der Fiskalpakt stellt sich damit als ähnlich zahnloser Tiger wie die Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages heraus. Überwiegend wurden Schulden nicht abgebaut, sondern nur langsamer aufgebaut. An der Stelle schon zu folgern, die Krise sei überstanden, ist doch sehr optimistisch. Und im Unterschied zu Portugal und Irland, die zusammen rund 3,5 % der Wirtschaftsleistung der Eurozone ausmachen, geht es bei Frankreich (20 %), Italien (15 %) und Spanien (10 %) um Schwergewichte. Halten wir also fest: Die Krise ist 2015 nicht vorbei, bestenfalls gibt es einen leichten Trend zur Besserung.